Kölnische Rundschau vom 22. April 1950

Frimmersdorf erschließt das Westfeld

Neuer Tagebau in der Königshovener Ackerzone unter neuem Gesetz

Königshoven. Es mögen rund fünfhundert Menschen - darunter nur zum geringeren Teile Grubenfachleute und Techniker - zugegen gewesen sein, als in der Nacht zum 2. April zwischen Morken und Gindorf der neue 1000-Tonnen-Bagger der Grube Frimmersdorf im Lichte der Scheinwerfer in richtung Reisdorf in das „Westfeld“ vorrollte. Diese Hundertschaften waren damit ebenso Zeugen des entscheidenden Ansatzes eines neuen Entwicklungsabschnittes des Frimmersdorfer Tagebaubetriebes wie der dadurch bedingten zukünftigen Umgestaltung der Landschaft und Wirtschaft im Gebiete von Königshoven.

Mit dieser unmittelbar vor Morken eingeleiteten Westschwenkung greift die Grube Frimmersdorf erstmalig aus ihrem ursprünglichen Erfttalstandort den insgesamt rund 50 Meter hohen Sprungrand der westlich angrenzenden Bördeterasse an. Das bedeutet gleichzeitig ihren Vormarsch aus dem ihr bisher eigentümlichen Busch- und Bruchgebiet der Erftniederung in die Region der ungleich wertvolleren Ackerböden der Lößzone.

Mit 21.000 cbm täglicher Leistung soll dabei der neu eingesetzte Riesenbagger die gegenüber der Erftsohle mächtigere Deckschicht abräumen und die unter dieser verborgene Braunkohle zur Auskohlung freilegen. Diese Deckschicht bildet oberflächlich zunächst einmal wertvoller ackerbarer Boden - seit je Nährer derer, die ihn bestellten; noch trägt er Weizen und Zuckerrüben. Darunter eichen unfruchtbare Sande und Kiese bis hinab zu der zerfurchten Oberfläche des Flözes ...

Die hier anstehende Braunkohle wird ebenso wie die des bisherigen Tagebaubetriebes ausschließlich als Kesselkohle für das Kraftwerk Frimmersdorf Verwendung finden. Brikettierung gibt es in Frimmersdorf nicht, und statt transportteurer Braunkohle liefert Frimmersdorf Braunkohlenenergie. Die an der Nordgrenze des Villeflözes gelegene Grube Frimmersdorf ist nämlich die Rohstoffbasis für das gleichnamige Kraftwerk, das bei vollem Ausbau der jetzigen Anlage 90.000 Kilowatt leistet und damit

einen beachtlichen Beitrag in der westdeutschen Stromwirtschaft

darstellt. Das am Nordrande der Grubenanlage errichtete Kraftwerk ist daher auch der unverrückbare Festpunkt für das Schwenksystem des gesamten Abbaubetriebes.

Vor genau 25 Jahren - im Mai 1925 - wurde mit dem Bau des Großkraftwerkes Frimmersdorf begonnen und seit dem Jahre 1927 wird dieses mit Frimmersdorfer Kohle versorgt. Zwar hatten „Dessauer Gas“ und Stadt Rheydt bereits während des ersten Weltkrieges dort Bergwerkseigentum mit einem abbauwürdigen Vorkommen von rund 240 Millionen Tonnen erworben. Aber die Ausbeutung dieser reichen Vorkommen inmitten der Erftniederung hatte in den ersten Jahren mit erheblichen Schwierigkeiten, nicht zuletzt infolge der Wasserverhältnisse, zu kämpfen. Die dem Talgefälle der Erft folgenden mächtigen Grundwassermengen stellten die auf diesem natürlichen Wasserspeicher errichteten Grubenanlagen vor

gänzlich neuartige und stetig wachsende Aufgaben.

Es ging hier um nicht weniger als eine gesamte Neuregulierung des Wasserhaushaltes, und wenn es dabei gelang, schließlich jeglichen Einfluß des Grundwassers im Grubenbetrieb auszuschalten, so nur dadurch, daß die Grube heute jährlich 15 Millionen cbm Wasser aus ihrem Tagebau der Erft zuleitet.

Nicht minder schwierig und umfangreich war die Sicherung der oberirdischen Wasserverhältnisse. Schon in der Frühzeit der Grube - im Mai 1926 - brachte eine Wasserkatastrophe die mittlerweile gegründeten „Niederrheinischen Braunkohlenwerke“ in arge Bedrängnis. Die Hochwasserfluten der Erft hatten damals die Böschung durchbrochen, so daß die Grube für Monate zum Erliegen kam. Mit den wachsenden Betriebsanforderungen war es unerläßlich, diese Gefahr ein für allemal auszuschließen. Diese Sicherung wurde dadurch erreicht, daß die Erft selber aus dem Bereich der Grube auf die äußerste Ostseite des Tales verlegt und schließlich auch dem Königshovener Bach ein neuer Lauf gewiesen wurde. Das jetzt in Angriff genommene

„Westfeld“ kennt solche Wassergefahren nicht.

Damit dürften hier die Betriebsverhältnisse weit günstiger liegen, zumal auch eine gleichmäßigere Lagerung des Flözes zu erwarten ist. Das allerdings mächtiger werdende Deckgebirge - in der Erftniederung beträgt die Decke im Mittel nur 21 Meter und die Flözmächtigkeit durchschnittlich 26 Meter - fällt angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten nur wenig ins Gewicht. Der bereits vor dem Kriege gefaßte und jetzt im Einsatz des Großbaggers verwirklichte Plan, den Tagebau in Zukunft nicht mehr wie bisher erftabwärts zu treiben, sondern vor Morken aus der ursprünglichen Südrichtung nach Westen einzuschwenken, hat damit sehr reale Gründe.


40 Elektromotoren ermöglichen ihm 21.000 cbm Tagesleistung

Foto: Jacobs

Was Grube und Großkraftwerk bisher für die Bevölkerung der anliegenden Orte bedeuten, ergibt sich aus der Tatsache, daß Frimmersdorf mit 17,8 % der Ortsbevölkerung heute

die höchste Bergarbeiterdichte aller Erftorte

aufweist. (In Quadrath-Ichendorf machen die Bergleute 14,5 $ der Ortsbevölkerung aus.) Selbst Harff bringt es dank Frimmersdorf noch auf 6,8 und Epprath auf 5,6 % Bergarbeiten.

Aber zwischen Morken und Frimmersdorf klafft heute ein gewaltiger Trichter mit etwa 2 km Durchmesser. In diesem Krater wurde die Erftlandschaft in nicht ganz 25 Jahren zu urweltlichen Formen verwandelt. Hier ist, wie gesagt, im wesentlichen ein Teil einer anheimelnden Landschaft untergegangen. In dem jetzt in Angriff genommenen Westfeld mit seinen Ackerfluren, die gleichzeitig die Existenzgrundlage eines Teiles der Bevölkerung der betroffenen Orte darstellen, geht es um andere Werte. Und hier wird es sich erweisen, ob es gelingen wird, neben der notwendig gewordenen Nutzbarmachung des im Untergrunde schlummernden Reichtums gleichzeitig auch den ewigen Segen der Erde zu erhalten. So ist gerade das Beispiel Königshoven wie kaum ein anderes des Kreises dazu angetan, die neue Entwicklung des Braunkohlentagebaus unter dem Einfluß des Braunkohlegesetzes zu verfolgen.

ger.

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