Kölnische
Rundschau vom 24. März 1950-
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Das waren noch
Zeiten
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Als unser Kreisbähnchen noch
in den Kinderschuhen steckte
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- Bergheim. Das kam
öfters vor, daß das Kreisbähnchen auf den ersten
Anhieb nicht die Steigung in Richtung Elsdorf, gegenüber der
Zievericher Ziegelei, schaffte, zurückrollte, einen kräftigen
Anlauf nahm und dann mit Volldampf voraus fauchend und
schnaufend die Höhe im Sturm nahm erzählt Herr
Nettesheim aus Zieverich, der 40 Jahre bei der Eisenbahn tätig
war und die Kindertage unseres Kreisbähnchens ab 1897
miterlebte. Manches schöne Stückchen weiß er aus
diesen Tagen zu erzählen. Schmunzelnd sitzt der alte Veteran
unseres Kreis-Bimmelbähnchens angesichts der wieder
aufgerüttelten Erinnerungen am Ofen seines trauten Heims. Einen
Großvatersessel lehnt er ab, weil er sich hierzu noch zu jung
fühlt, verrät uns seine Tochter. Vor einigen Wochen erst
konnte er mit seiner noch ebenso rüstigen Gattin das seltene
Fest der goldenen Hochzeit begehen. Und Urgroßvater ist er
auch inzwischen geworden.
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- In Mödrath baute man damals
den Schienenstrang für die Kerpen - Frechener Strecke, morgens
um halb vier ging es aus den Federn. Fahrräder gab es noch
nicht. Also zu Fuß nach Mödrath. Um sieben Uhr begann die
Arbeit. 14 Stunden ununterbrochener Streckenbau bei einer
halbstündigen Mittagspause und dann mit geschulterter Schaufel
wieder heimwärts nach Bergheim-Zieverich. Und was
verdienten Sie bei dieser schweren Arbeit? 46 Pfennig
pro Stunde, und das war ein schöner Verdienst, ist die
Antwort. Fast unglaublich hört sich das an, wenn man die
heutigen Zeit- und Preisverhältnisse betrachtet. Die Älteren
erinnern sich noch an die Zeiten, als man für ein Ei 4 Pfennig,
für einen Zentner Brikett frei Haus 40 Pfennig und für
einen Liter Schnaps, man höre und staune, 60 Pfennig bezahlte.
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- Anfang des Jahres 1896 wurde die
erste Kreisbahnstrecke unseres Erftlandes von Kerpen nach Frechen
fertiggestellt. Mit Korkenzieher-Hose, Bratenrock, Kreissäge
und aufgebürstetem Schnurrbart sah man die hohen Herren der
Behörde und die geladenen Gäste am 26. Juni dieses Jahres
mit feierlicher Amtsmiene bei der Einweihung dieser ersten Strecke
unseres Kreisbähnchens. Durch Quadrath und Zieverich führten
bald auch die eisernen Schmalspur-Schienenstränge, die dem
dampfenden und fauchenden Bähnchen den Weg vorschrieben. In
diesen Dörfern mußte damals eine Dachpappeschicht unter
die Dachziegel gelegt werden, um durch die sprühenden Funken
der Lokomotive eine Brandgefahr für die Häuser zu
vermeiden.
- Es war damals ein
verhältnismäßig geruhsames Leben für einen
Bahnwärter. Unser Veteran tat um die Jahrhundertwende Dienst am
Zievericher Bahnübergang. Das Wohnhaus war nicht weit von der
Dienststelle entfernt, und so schlief man oft bei der Nachtschicht
der Einfachheit halber im warmen Bett. Für den ersten, morgens
von Bedburg kommenden Zug wurde die Weiche abends ordnungsgemäß
eingestellt. Nachdem man dann durch den fauchenden und ratternden
Zug geweckt worden war, sprang man, oft nur notdürftig
gekleidet, aus dem Fenster, legte die Weiche für den Elsdorfer
Zug um und begab sich wieder unter die Bettdecke. Von dem Sprichwort
Bescheidenheit ist eine Zier hielt man damals noch mehr
als heute. Unser Veteran sollte im Jahre 1903 die Stelle eines
Fahrdienstleiters in Bergheim erhalten. Dieser Posten verlangte
jedoch, daß man eine rote Mütze tragen mußte. Und
das fiel im Gedränge auf. Man lief Gefahr, von den Bekannten
wegen dieser noch seltenen Bekleidung verlacht zu werden. Ich
trat einfach den Dienst nicht an, erzählt Herr
Nettesheim. Erst der ausdrückliche dienstliche Auftrag unter
Strafandrohung von drei Goldmark (Flasche Schnaps 60 Pfennig!) hatte
den Erfolg, daß der Posten angetreten und die rote Mütze
aufgesetzt wurde! Mit berechtigtem Stolz erzählt der Jubilar,
daß er sich in seinen 40 Dienstjahren nur zweimal um eine
halbe Stunde verschlafen habe. Anscheinend noch tief beeindruckt von
diesen längst vergangenen Ereignissen meint da Frau Nettesheim:
Da war der Teufel los. Man hätte laufen gehen können.
Die Bude war dann zu klein!
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- Eine Zeit lang wurden vor
Zieverich die Bedburger und Elsdorfer Züge zusammengekoppelt.
An der Thorrerstraße in Zieverich war damals noch eine
Haltestelle, bei der wohl je nach Bedarf kurz angehalten wurde, um
die wartenden Fahrgäste aufzunehmen. Das Geld war rar und die
Eisenbahnfahrt nicht umsonst. Die Schaffner drückten deshalb
auch hin und wieder ein Auge zu, wenn ein armer Schlucker auf dem
Trittbrett oder auf den Puffern Platz nahm, ohne die Geldbörse
zu zücken.
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- Zwei Kreistagsabgeordnete, die
längst der kühle Rasen deckt, hatten es sich damals zur
Gewohnheit gemacht, es nach ihren Kreistagssitzungen mit der
Abfahrtszeit des Bähnchens nicht so genau zu nehmen. Der
Fahrdienstleiter drückte dann, verständlich in diesen
gesegneten Zeiten, immer ein Auge zu und wartete, bis es den Herren
gefällig war. Aber alle guten Zeiten ändern sich, und so
auch bei unserer Kreisbahn, als sie am 1. Januar 1913 verstaatlicht
wurde. Pünktlich, ohne die beiden wieder zu spät kommenden
Kreisväter, schlich sich an diesem Tage das Bähnchen
davon. Auf die erstaunte Frage, wo denn der Zug geblieben sei,
antwortete unser Fahrdienstleiter: Wir sind jetzt keine
Kreisbähner mehr, sondern Staatsbähner geworden, und Vater
Staat hält auf Ordnung. Von diesem zeitpunkt an waren die
beiden Kreistagsabgeordneten immer pünktlich zur Stelle, nie
den nach wie vor freundlichen Gruß: Guten Tag, Herr
Vorsteher vergessend.
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- Ein Beschwerdebuch existierte
auch früher bei der Eisenbahn. Jeder der Fahrgäste, der
irgend eine Beschwerde gegen die Eisenbahn oder einer ihrer Beamten
vorzubringen geneigt war, hatte das Recht, hierin in echt
demokratischer Form das Nötige einzutragen. So geschah auch
eines Tages, daß drei in Kloster Bethlehem wohnhafte Studenten
den Anschluß nach Fortuna verpaßt hatten und unserem
damals als Fahrdienstleiter in Bergheim diensttuenden Jubilar das
Beschwerdebuch abverlangten. Stillschweigend wurden die drei mit ins
Bahnhofsgebäude genommen. Das ist unser Beschwerdebuch,
das richtige ist bereits vor einiger Zeit abgeschafft worden!,
erklärte Herr Nettesheim mit einer vielsagenden Miene, einem
Knüppel in der Hand, den erstaunten Bescherdeführern. Man
zog es jedoch vor, angesichts dieser Tatsache stillschweigend von
dannen zu ziehen.
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- Schmunzelnd hören wir noch
manche Geschichte aus der guten, alten Zeit, die wir so
gern im Lichte der Verklärung sehen und die doch auch ihre
Sorgen hatte, die dieser Zeit nicht weniger schwer erschien als uns
unsere Sorgen.
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