Kölnische Rundschau - Beilage 11. März 1950

An Erft und Gilbach


Heimatblätter für den Kreis Bergheim


Die Besiedlung des Erftlandes durch die Franken

Von Hans Lipp - Oberaussem

Um das Jahr 38 v. Chr. verpflanzte der römische Feldherr M. Vipsanius Agrippa die rechtsrheinischen Ubier in das entvölkerte Erft- und Kölner Gebiet. Sie zerstreuten sich in dem fruchtbaren Lande, in welchem noch Reste der eburonisch-keltischen Bevölkerung wohnten; sie gründeten Ansiedlungen, sowohl einzeln liegende Höfe als auch kleine, zu Dorfschaften vereinigte Lehmhäuser. Bei dem engen Anschluß der Ubier an die Römer fand mit der Zeit eine Verschmelzung der ubischen mit der römischen Kultur statt.

Unter größten Opfern hatten sich Römer bemüht, auch das rechtsrheinische Gebiet zu erobern. Aber die meisten Kämpfe um dieses Ziel mißglückten und vereitelten Pläne. Schon Tiberius sah sich genötigt, sich auf die Sicherung des linksrheinischen Gebietes zu beschränken.

In das durch die Verpflanzung der Ubier leer gewordene Gebiet rechts des Rheins waren von Osten her andere germanische Stämme eingerückt. Sie bildeten mit den Resten der früheren Bevölkerung eine große, einheitliche Völkerschaft, die im 3. Jh. n. Chr. mit dem Namen Franken bezeichnet wird. Das Ackerland reichte bald nicht mehr aus, die Bevölkerung zu ernähren; deshalb drängten sie ihren Stammesbrüdern nach über die Rheingrenze in das linksrheinische Gebiet. Im Jahre 355 n. Chr., nach dem Tode des römischen Statthalters Silvianus von Köln, eroberten sie in einem gewaltigen Ansturm über 40 Städte am Rhein. Aber erst um die Wende des 4. Jh. gelang es den Franken, die Römer endgültig vom Rhein abzudrängen. Sie eroberten das ganze linksrheinsiche Gebiet bis Andernach hinauf. Nach dieser Eroberung ließ sich der größte Teil des Frankenvolkes in diesem Gebiet nieder.

Die Franken waren Ackerbauern, die das fruchtbare Kulturland sofort in Gebrauch nahmen. Jedem fränkischen Krieger wurde ein Gebiet angewiesen, in welchem er sein Gehöft erbaute: Wirtschaftsgebäude, Ställe, Speicher, Scheune, Bienenhaus rings um das Hauptwohnhaus, alles in Holz, Fachwerkbau mit feinen Holzarbeiten und Schnitzereien geziert. Besser gelegene und größere Ländereien nahmen die einzelnen Stammeshäupter in Besitz. Was aber an Wald, Heide, Wiesen und Bruch übrig blieb, fiel später den Dorfgemeinschaften als Gemeingut zu, als Viehweide oder Holznutzung. Die Ackerlose wurden später persönliches Eigentum. Einzelne freie Franken vergrößerten es mit der Zeit. Daraus erwuchsen größere fränkische Besitzungen, die wir später als Haupthöfe und Fronhöfe finden. Manche von diesen Höfen bestehen noch heute im Erftland.

Was wurde nun aus der romanischen Schicht der Bevölkerung in dem von den Franken eroberten Gebiet? In den Städten blieb das geringe Volk in ziemlicher Stärke zurück. Die Höherstehenden, abgesehen von der Geistlichkeit, verließen das Land; zum Teil wurden sie auch niedergemacht. Darüber sagt Schumacher in seiner Siedlungs- und Kulturgeschichte: „Auf dem Lande wurde, soweit die fruchtbare Ebene in Betracht kommt, die alte Bevölkerung vielfach völlig ausgelöscht, wie besonders die –ingen und –heim-Orte zusammen mit den frühfränkischen Grabfunden beweisen.“

Das Erftland lag im Gebiete der Uferfranken (Ripuarien). Der östliche Teil gehörte ursprünglich dem Kölngau, der nördliche dem Nievenheimer- und der westliche und südliche Teil dem Jülichgau an. Später entstand der Kutziggau, zu dem fast das ganze heutige Kreisgebiet links der Erft gehörte. Dieser Gau war benannt nach dem Orte Kutzde, dem Sitz des Gauvorstehers, der zwischen den Dörfern Grouven, Berrendorf und Widdendorf lag. Dieser Ort ist verschwunden und seine Stelle nur mehr an einer Vertiefung im Gelände zu erkennen.

Urkundliche Nachrichten über das Erftland aus den ersten Jahrhunderten der Frankenzeit sind nicht vorhanden. Aber die vielen fränkischen Ortsnamen und die Grabfunde sind redende Zeugnisse von der Anwesenheit der Franken im Erftland. Wo die Franken bei ihren Niederlassungen an die vorhandenen alten keltisch-germanischen anknüpften, setzte man bei der Benennung der Orte die Silben heim (gotisch: haims, altfränkisch: ham, hem), dorf (von trupp, trop, torp, dorp) oder hausen mit der ursprünglichen Benennung zusammen. So entstanden die auch im Erftland stark vertretenen Ortsnamen mit jenen Endsilben. So zieht sich eine ununterbrochene Reihe von fränkischen Ortsnamen mit der Endsilbe „dorf“ von Sindorf über Widdendorf nach Elsdorf, von Elsdorf nach Kierdorf und Troisdorf durch die Ebene links der Erft, an der einstigen Waldgrenze entlang. Auf dem Vorgebirge, rechts der Erft, liegen nur Büsdorf und Ichendorf. Auch die Ortschaften, deren Namen die Endsilbe „hem“ haben, liegen meist in der Ebene (wie Oberaußem, Auenheim, Horrem und Brüggen). Hieraus ersehen wir, daß die Franken schon früh in der Erftebene angesiedelt waren, auf dem Ausläufer des Vorgebirges dagegen wenig. Erst nach der letzten großen Waldrodung im hohen Mittelalter begann man auch hier größere Landflächen dem Ackerbau zu erschließen. Aus dieser Zeit stammen die Ortsnamen Mödrath, Habbelrath, Quadrath u.a.

Mehr aber und sicherer zeugen die fränkischen Grabfunde im Erftgebiet von fränkischen Siedlungen. Der bedeutendste Fundort ist Elsdorf, wo schon in den siebziger Jahren des 19. Jh. fränkische Gräber entdeckt und ausgegraben wurden. Nach anderen Funden zu urteilen (Lanzen, Schwerter, Messer, Töpfe), stammen die Gräber aus dem 5. Jh., der ersten fränkischen Ansiedlungszeit im Erftland. Auch in anderen Ortschaften des Erftlandes machte man fränkische Funde, wie bei Niederembt, Quadrath, Oberaußem, Niederaußem u.a.

Urkundlich sind von Orten des Erftlandes schon früh genannt: Horoheim = Horrem (864), Kerpina = Kerpen (865), Langendorpht = Langenich (893), Bedbure = Bedburg (893), Mannuhem = Manheim (898), Kirichdorp = Kierdorf und Paphindorp = Paffendorf.

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