Kölnische Rundschau vom 9. März 1950

Schwarze Diamanten im Jülicher Land

Steinkohlendorado bei Siersdorf - Grube „Emil Mayrisch“ auf 710 m Teufe

ns Jülich. Mit dem Bus der Aachener Kraftpost sind es von Alsdorf bis Siersdorf etwa vier Kilometer. Das Land ist flach wie ein Teller. Vom Krieg gezeichnete Ortschaften liegen rechts und links der langen Straße: Bettendorf, Beggendorf, Setterich, Dürboslar. Hier stand die Fron vor den Rur-Brückenköpfen. In den meisten Dörfern wurden die Hauptschäden beseitigt. Aber immer noch sind Ruinen und Trümmer beredte Zeugen des einstigen grausamen Geschehens.

Auch in Siersdorf, dem Ziel unserer Fahrt, hält sich der Krieg in Erinnerung. Die historische Kommende hart an der wiederinstandgesetzten ehrwürdigen Pfarrkirche ist ein Torso, eine Fraktur mit offenem Dachstuhl und beschädigten Türmen. Baumstümpfe stehen mit verschandeltem Astwerk am einsamten Feldweg, der gradwegs ins

Steinkohlen-Spinnetz Siersdorfs

führt, dahin, wo Fördergerüste und andere Industriebauten von der regen Betriebsamkeit künden, die seit einiger Zeit im westlichen Zipfel des Jülicher Landes herrscht. Die neue Grube „Emil Mayrisch“ erhält ihren letzten Schliff, wird in diesen Wochen und Monaten nach allen gültigen und modernen bergbaulichen Ausrichtungen fit gemacht. Wie ein leitender Beamter dem Vertreter der KR erklärte, haben verschiedenartige Meldungen den tatsächlichen Ereignissen und Gegebenheiten im Siersdorfer Steinkohlengebiet entstellend vorgegriffen. Richtig ist, daß „Emil Mayrisch“ eine Teufe von 710 m hat, daß die Untertagebelegschaft verstärkt mit dem

Auffahren der Hauptquerschläge

beschäftigt ist. In etwa zwei Jahren ist mit der Förderung der ersten Kohlen zu rechnen. Diese Voraussage ist nicht bindend. Es kann auch schon in 18 Monaten soweit sein. Die zur Zeit genau 577 Mann starke Belegschaft von „Emil Mayrisch“ setzt alles daran, um das Ziel „Kohlenförderung“ möglichst bald zu erreichen. Mit dem Einräumen der Spurlatten und Förderkörbe sowie der Montage des endgültigen Schachtgerüstes I wird in den nächsten Tagen begonnen. Schacht II ist bereits „tipp-.topp“, wie der Kumpel sagt. In den ausgedehnten Betriebsanlagen steht das fertige Kompressorengebäude, der gewichtige Kühlturm erhebt sich imposant im Komplex, Schaltraum, Magazine, Werkstätten und andere Einrichtungen sind intakt, und fleißige Hände bauen augenblicklich die geräumige Kesselhausanlage im Viereck hochaufragenden Stahl- und Eisengestänges. Mit der Errichtung der endgültigen Tagesanlage wird im Frühjahr begonnen. Das Fördergerüst von Schacht I wurde von der

stillgelegten Grube „Eschweiler Reserve“

nach Siersdorf ummontiert. Täglich werden im Bereich von „Emil Mayrisch“ rund 600 cbm Berge auf Halde gekippt. Das Gestein wird aufbereitet und dient zur Fundamentierung und Befestigung der geplanten großen Kokerei. Siersdorfs Steinkohlendorado eröffnet günstige Perspektiven für die industrielle Zukunft des Gebiets. In einem halben Jahrzehnt rechnen zuständige Kreise mit einer vieltausendköpfigen Belegschaft. Die Wirtschaft des Jülicher Landes wird dadurch einen heute noch kaum abzuschätzenden Vorteil und einen außerordentliche Belebung erfahren.

Die Grube „Emil Mayrisch“ besitzt ein

vorbildlich eingerichtetes Ledigenheim,

das augenblicklich 140 Bergleuten Unterkunftsmöglichkeit gibt. Das Fassungsvermögen des heims liegt bei 170 Betten. Einfach, sauber und zweckdienlich sind die mit drei bis höchstens vier Schlafstellen versehenen Räume. Bade- und Waschgelegenheiten, Radioanlagen, gemütliche Aufenthalts- und Speiseräume stehen zur Verfügung. Das Küchenpersonal hat gastronomische Fähigkeiten. Der sportlichen Betätigung der Bewohner des Ledigenheims sind vom Boxen über Fußball bis Tischtennis keine Schranken gesetzt. Die nähere Umgebung des Ledigenheims wird ausgebaut mit Ruhebänken und Spielplätzen versehen und nach gartenbaulichen Gesichtspunkten ausgerichtet. Berufene Lehrpersonen bemühen sich um die geistige Betreuung und Fortbildung der Knappen. Alle Fächer werden gelehrt. Außerdem können von Interessenten Fremdsprachen „belegt“ werden. Alles in allem ist das Ledigenheim der neuen Grube „Emil Mayrisch“ eine mustergültige Einrichtung, die den betriebssozialen Belangen des fortschrittlichen Unternehmens in jeder Weise gerecht wird.

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