Kölnische
Rundschau vom 8. März 1950-
-
Walderbe eines
Jahrtausends
-
-
Die Elsdorfer und Escher Bürge
in Urkunden und Akten
-
-
Bergheim. Das Walderbe der Elsdorfer
und der Escher Bürge, das fast ein Jahrtausend lang im
Mittelpunkt wirtschaftlichen Denkens seiner Anwohner der jetzigen
Gemeinden Angelsdorf, Elsdorf mit aparten Höfen, Heppendorf,
Sindorf, Bergheim (für Zieverich), Paffendorf und Glesch sowie
Esch, Oberembt und Niederembt stand, umfaßt heute noch rund
1.000 Hektar. Hiervon entfallen auf die in den Gemarkungen Elsdorf
und Heppendorf gelegene Elsdorfer Bürge etwa 670 Hektar,
während die westlich angrenzende Escher Bürge, die in
ihrem ganzen Umfang der Gemarkung Steinstraß und damit dem
Kreise Jülich angehört, rund 318 Hektar umfaßt.
Für alle an der Bürge Beteiligten bildete der Wald
von der fränkischen bis in die neuere Zeit - also volle tausend
Jahre lang - eine
außerordentlich bedeutsame
Existenzgrundlage.
Es war für den gemeinen Mann
ebenso wichtig wie der Ausfall der Getreideernte. Lieferte er ihm
doch das Holz zum Bauen und Feuern, Eicheln und Eckern für die
hochwichtige Schweinemast, Weide und Streu für das Vieh, Lohe
zum Gerben, das Material für Holzschuhe, Schüsseln, Stiele
und Löffel, Reiser zum Besenbinden und schließlich
einiges Wild für den Haushalt. Das alles wurde mit dem Tage
anders, als der Wald diese unmittelbare Bedeutung im Leben der
Anwohner verlor.
Für den damit eintretenden Bruch der
uralten Wald-Mensch-Beziehung war weniger das Gedankengut
entscheidend, das aus der französischen Revolution allenthalben
zu neuen Entwicklungen drängte, als vielmehr die einfache
Tatsache, daß der Wald durch die plötzlich einsetzende
wirtschaftliche Neuorientierung seine Geltung schließlich
vollends verlor. So nahmen es die Berechtigten ohne sonderliche
Anteilnahme hin, daß ihnen ihre verbrieften Rechte mehr und
mehr genommen wurden, daß ihnen von der großzügigen
Nutzung, die den Generationen vor ihnen eine wichtige Grundlage
ihrer wirtschaftlichen Existenz gewesen war, schließlich nicht
einmal mehr die letzte schwache Bindung der jährlichen
Gratisholzfuhre, das sogenannte Oertgen, verblieb.
Wald und
Mensch hatten sich überraschend schnell soweit
auseinandergelebt, daß eines Tages an Stelle der Anwohner, der
Holzgenossen, die Behörden traten. Gleichzeitig
wandelte sich damit die von alters her überkommene Beziehung
zum nüchternen Verwaltungsakt. So ist heute das urtümliche
Gebilde der alten Markgenossenschaften, das mehr als ein Jahrtausend
währende Walderbe der Elsdorfer und der Escher Bürge,
vollends den Gemeinden zugefallen; an Stelle des ehemaligen
Holzgedings der Beteiligten lagen daher jetzt die aus
den Mitgliedern der Gemeinderäte der eingangs genannten
Gemeinden gewählten Gemeinderäte.
Angesichts
dieser heimat-, kultur- und rechtsgeschichtlich so bedeutsamen
Entwicklung der Elsdorfer und Escher Bürge ist es erstaunlich,
daß diese bisher niemals eingehender erforscht und in
geschlossener gültiger Darstellung aufgezeigt wurde. Diese
offensichtliche Lücke im Heimatschrifttum des Kreises ist jetzt
durch die erste Veröffentlichung des im Vorjahre
neugeschaffenen Heimatwerks des Kreises Bergheim geschlossen worden.
Soeben tritt nämlich das Heimatwerk unter dem Titel: Der
Bürgewald, Materialien zur Geschichte der Elsdorfer und Escher
Bürge, mit einer Schrift an die Öffentlichkeit, in der der
Leiter der Pressestelle der Kreisverwaltung, Peter Heinrich
Schläger, aus Archiven, Verwaltungen und Privatbesitz all das
an urkunden und Akten zusammengetragen und übersichtlich
geordnet hat, was irgendwie wesentlich war, den bisher dunklen Weg
dieser Waldentwicklung für mehr als ein jahrtausend zurück
aufzuhellen und verständlich zu machen. Zur Erleichterung hat
er dem 40 Seiten starken Heft, das bei der KR wie im örtlichen
Buchhandel zum Preise von 0,80 DM erhältlich ist, zwei
Übersichtskarten der speziell behandelten Bürgeteile
beigegeben.
Die hier aus dem Streben möglichster
Vollständigkeit erwachsene Darstellung umfaßt in
gedrängter Darstellung den gesamten Zeitraum vom Jahre 922 bis
zu den jüngsten grundbuchamtlichen Eintragungen des Jahres
1949. Sie reicht also bis in jene frühe Zeit zurück, als
unter König Heinrich I. die Zukunft des Reiches erstmals bei
den Sachsen stand. In chronologischer Folge reiht Schläger von
diesem ersten geschichtlichen Zeugnis des Bürgewaldes ab alle
ihm erreichbar gewordenen Zeugnisse für die weitere
Wirtschafts- und Rechtsformen des Bürgewaldes aneinander und
läßt so
ein wesentliches Stück
Waldgeschichte
des Kreises für das vergangene
Jahrtausend lebendig werden.
Daß der fachgeschulte
Verfasser zum besseren Verständnis der nur schwer findbaren
Rechtsentwicklung des Bürgewaldes die völlig anders
gearteten Verhältnisse benachbarter, jedoch längst
untergegangener Erbwaldungen heranzieht, muß besonders
anerkannt werden. So gibt neben dem Jülicher und dem Welldorfer
Erbbusch die in den Jahren 1854 - 1856 verkaufte und anschließend
gerodete Escher Gewähr für diese Eigenständigkeit
aufs engste benachbarter Waldgebiete das überzeugendste
Beispiel. Gleich beachtlich ist die klare Herausarbeitung des
tatsächlichen geschichtlichen Kerns der allgemein bekannten
Arnolduslegende. Ebenso wird die eingehende Behandlung der
Aufteilung des Bürgewaldes im Jahre 1562, die die eigentliche
Entstehung der Elsdorfer und der Escher Bürge zur Folge hatte,
besonderem Interesse begegnen. Daß schließlich die
neuzeitliche Entwicklung der beiden Bürgen seit der
Französischen Revolution nach allen Seiten hin durchleuchtet
wird, macht das Ringen um den Erhalt dieses seit langem zeitkranken
Waldes ebenso deutlich wie die seit jenem kritischen Zeitpunkt immer
deutlicher erkennbare Entfremdung zwischen Wald und Waldgenossen.
Mit dieser Geschlossenheit und Vielfalt der mühsam
zusammengetragenen Materialien zur Geschichte der Elsdorfer und
Escher Bürge hat Schläger in gedrängter Rückschau
die erste Geschichte dieser Waldgebiete geschrieben und damit einen
wesentlichen Beitrag zu der bisher allzu vernachlässigten
Waldgeschichte des Kreises Bergheim überhaupt geliefert.
Landrat und Oberkreisdirektor haben dieser Arbeit in einem
gemeinsamen Vorwort beachtliche Gedanken gewidmet.
So bleibt
nur noch festzustellen, daß diese erste Veröffentlichung
des heimatwerks des Kreises Bergheim vollends die ihr gestellte
Aufgabe erfüllt, die Erwachsenen fester mit ihrer Erftheimat zu
verbinden und die Jungend in dieser schon früh feste Wurzel
schlagen zu lassen.
-rs-
-
© Copyright
2002 wisoveg.de
Zur
Homepage