Kölnische Rundschau vom 8. März 1950

Bohrtürme über dem Erftland

Bergheim. Ein einfaches Holzgerüst aus dicken Stämmen, eine Winde, ein kleiner Motor und nebeneinandergeschichtete Eisenrohre. Das ist alles, was uns das Auge bietet. Wir wissen es längst: ein Bohrturm steht da. Als die ersten vor vielen Jahren auftauchten, waren sie mit Geheimnissen umgeben. Heute ziehen sich die Bohrtürme wie ein Netz über das ganze Erftland. Wenige hundert Meter von der letzten Braunkohlengrube entfernt steht der erste und dort, wo weit und breit nur fruchtbare Felder sind, dort ragt jäh ein solches Holzgerüst aus dem Acker heraus, drohender Vorbote des gefräßigen Baggerzahnes.

So sind auch die Gefühle, die der Bohrturm im Erftland weckt, sehr unterschiedlich. Vielen ist er gefährlicher Wegbereiter des Baggers, der eines Tages jahrhundertealte Höfe verschwinden lassen wird. Anderen aber ist er ein Schrittmacher auf dem Wege zum industriellen Reichtum des Erftlandes.


Bohrturm bei Wiedenfeld

Foto: Schmitz-Franke

Unabhängig von allen Gefühlen arbeiten die Bohrtürme Tag für Tag. Immer wieder senken sich die Eisenrohre in die Erde, geführt von einem Bohrer, der in die Erde dringt und Probe auf Probe des heimischen Bodens an das Tageslicht hervorholt. Und jedesmal senken sich die Rohre ein wenig tiefer in die Erde. Jedesmal bringen sie Kunde aus einer tieferen Schicht. Diese sog. Bohrkerne werden dann an der Oberfläche nebeneinander gelegt und so wird ein Querschnitt durch die geologische Zusammensetzung des Bodens gezeigt, aus dem der Fachmann den Reichtum abzuschätzen vermag, der an dieser Stelle unter der Erde ruht.

Durch viele solcher Bohrungen wird im Laufe der Zeit so etwas wie ein Koordinatensystem geschaffen, an Hand dessen eine fast lückenlose Beurteilung der Bodenbeschaffenheit bis in viele hundert Meter Tiefe möglich ist.

Von dem, was die Bohrtürme verraten, hängt in starkem Maße ab, ob dieser oder jener Landstrich in einigen Jahren der Greifzahn des Baggers fressen wird, ob er ganz von der Industrialisierung verschont bleibt oder ob man gar unter seiner Oberfläche in einigen hundert Metern Tiefe im Untertagebau dem Boden seine Schätze zu entreißen suchen wird. Die ersten Versuche für den Untertagebau werden zur Zeit in den Versuchsanlagen von Morschenich, hart jenseits der Südgrenze unseres Kreises, durchgeführt.

Die an allen Orten ragenden Bohrtürme aber künden, daß das Erftland der Braunkohle gehören wird.

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