Kölnische Rundschau vom 3. März 1950

Das Kloster Bethlehem

Mittelpunkt religiösen Wirkens - Asyl der Hilfsbedürftigen

Bergheim. Im Mittelpunkt Bergheims, an der großen Straßengabelung vor der Erftbrücke, beginnt die Bethlehemer Straße. Oft fragen Fremde nach der Herkunft dieses für eine Straße etwas ungewöhnlichen Namens. Wer sich aber dieser Straße anvertraut, den führt sie hinaus aus der Kreisstadt in den Wald, der sich wie ein Trennungsband zwischen den Ort und das Braunkohlengebiet legt.

In diesem Wald, der ebenfalls den Namen des Geburtsortes Christi trägt, liegt das Kloster, das Straße und Wald eigentlich den Namen gab: das Kloster Bethlehem. Wer die wechselvolle, vielfach von Legende überwucherte Geschichte kennt, hofft wohl, sein Spaziergang führe ihn zu einem altehrwürdigen Kloster mit halbverwitterten Mauern, dunklen Zellen und einem tiefen Keller, in dem sich vielleicht noch ungeborgene Schätze für den Sammler und Geschichtsforscher finden lassen.

Wer mit solchen Hoffnungen den Weg zum Kloster antritt, wird enttäuscht sein. Hinter zwei Meter hohen Mauern steht ein fast modern anmutendes Haus, umgeben von einem gut gepflegten Park.

Die Geschichte dieses Hauses ist wahrhaft wechselvoll. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, berichtet die Legende, wurde die Bevölkerung durch die Kunde erschreckt, gottesräuberische Hände hätten in der Pfarrkirche zu Bergheimerdorf das Tabernakel erbrochen und die heiligen Geräte entwendet. Wenige Tage danach fand der Förster des heutigen Bethlehemer Waldes, angelockt durch ein geheimnisvolles Licht, in einem Gesträuch die Hostie aus der geraubten Monstranz. In feierlicher Prozession wurde diese von den Bürgern Bergheims und ihrem Pfarrer eingeholt und an der Stelle, an der man den geraubten Leib es Herrn wiedergefunden hatte, ein Gedenkkreuz errichtet. Die Räuber aber wurden kurze Zeit später ergriffen und mußten die Leiter zum Galgen besteigen.

Der Förster aber, durch das geheimnisvolle Licht, das ihm den Weg zu der heiligen Hostie gewiesen hatte, wunderbar berührt, begann an der gleichen Stelle neben dem Holzkreuz eine hölzerne Kapelle zu bauen, die er der Gottesmutter weihte. Das Bild der schmerzhaften Mutter, das der Pfarrer von Bergheim dort aufstellen ließ, wurde bald von Pilgern aus nah und fern verehrt und genoß den Ruf wundertätiger Macht. Vor allem in Zeiten von Krieg und Seuchen, immer dann, wenn die Menschen von Not bedrängt wurden, fanden sie besonders zahlreich den Weg zur Kapelle der schmerzhaften Mutter, um ihr all das Leid und die Not anzuvertrauen und ihre Hilfe zu erbitten. Selbst die Bauern, die unmittelbar vor den Toren Kölns wohnten, wallfahrteten nicht zu den Gnadenbildern der nahegelegenen Stadt, sondern zogen jährlich zweimal zur Kapelle der schmerzhaften Mutter von Bethlehem. Alte Chroniken wissen von dieser regelmäßigen „Bettelemer Reis“ der Bauern zu berichten.

Im Jahre 1648, just am Ende des schrecklichen Krieges, der dreißig Jahre über das Land gegangen war und auch das Erftland nicht verschont hatte, begann man, hier ein Kloster zu errichten. Franziskanerpatres nahmen das fertiggestellte Kloster in ihre Obhut und entfalteten eine segensreiche Tätigkeit.

Die französische Revolution machte diesem Wirken ein Ende. Wie so viele Klöster verfiel auch das Kloster Bethlehem der Säkularisierung, d.h. es wurde als Kloster aufgehoben und das Gebäude wurde rein weltlichen Zwecken nutzbar gemacht. In den folgenden Jahren diente es als Försterwohnung und wurde vom Wallfahrtsort zu einer Vergnügungs- und Ausflugstätte. Das wundertätige Bild der schmerzhaften Mutter war in die Bergheimer Pfarrkirche überführt worden, wo es auch heute noch auf einem Seitenaltar seinen Platz hat. In jedem jahr zeihen aus verschiedenen Orten immer noch die Prozessionen zur schmerzhaften Mutter und das ganze Land über tragen die Menschen aus Bergheim und der Umgebung ihr Herzeleid zur helfenden Gottesmutter.


Das Kloster in seiner heutigen Gestalt

Zu Beginn unseres Jahrhunderts, im Jahre 1900 erwarben die Schwestern der heiligen Elisabeth die Anlagen des alten Klosters Bethlehem und in den nun folgenden Jahren erhielt es sein heutiges Gesicht. Hatte es zunächst der Erholung von Ordensschwestern und altersschwachen Leuten gedient, so wurde es nach dem ersten Weltkrieg zu einer Stätte der religiösen Einkehr, indem es durch eine Erweiterung zum Exerzitienhaus umgestaltet wurde. Wer selbst einmal erlebt hat, was Exerzitien, die die katholische Kirche ihren Gläubigen empfiehlt, für den Menschen, der sich ihnen mit ganzem Ernst hingibt, bedeuten, der kann ermessen, wieviel an Kraft und Stärke für den Alltag das Kloster in jenen Jahren zu geben hatte, wieviel Bekennermut aber auch in den Jahren eines unchristlichen Regimes hier gestärkt und wachgerufen wurde. In der ganzen Umgegend aber bekannt und geliebt waren die Maiandachten, die im Marienmonat an jedem Sonn- und Feiertag im kloster in den Abendstunden gehalten wurden. Wenn an diesen Frühlingsabenden die Prozession vom Kloster aus durch den Park und den Wald zur nahen Lourdesgrotte zog, mit Gesang und Gebet die Gottesmutter um Hilfe anrufend, und dann vor der erleuchteten Grotte Prediger das katholische Volk zu Maria riefen, dann ging von hier eine religiöse Kraft aus, die in ihrer Wirksamkeit nicht auf den durch die Mauern abgetrennten Raum beschränkt blieb.

Entsprechend waren auch die Störversuche der maßgeblichen NS-Leute. Viele werden sich noch der nächtlichen Männerwallfahrten erinnern, bei denen von der Partei bezahlte Leute mit Taschenlampen an den Eingängen zum Klostergarten sanden, um sich möglichst diejenigen zu merken, die sich hier nächtlich zu Christus bekannten. Vor allem könnte mancher Beamte aus der Kreisstadt davon erzählen, was die Folgen dieses Spionierens waren. So war es auch nicht verwunderlich, daß man bald nach dem Beginn des Krieges das Kloster ebenfalls „kriegsbedingten“ Zwecken dienstbar machte. Zunächst wurde es Soldatenquartier und dann in den nächsten Jahren Reservelazarett. Der Hauptsinn aber war, es seinen religiösen Zwecken zu entfremden. Dennoch hatte man keine Scheu, die Tatsache, daß gegen Ende des ersten Kriegsjahres eine Bombe in der Nähe des Klosters niederging ohne jedoch das Gebäude ernsthaft in Mitleidenschaft zu ziehen, die Tatsache, daß ein Kloster bombardiert worden sei, mit großer Propaganda herauszustreichen und im OKW-Bericht das Kloster sogar namentlich zu nennen.

Heute erfüllt das Kloster verschiedene Aufgaben. Einmal dient es dazu, Alten und Schwachen, besonders Heimatvertriebenen, den Lebensabend erträglich zu gestalten. Mit diesen Aufgaben hat man eine Haushaltsschule verbunden, in der nun jeweils immer 20 Mädchen unter Leitung der Schwestern Küche und Haushalt erlernen. Daneben machen sich die Schwestern aber auch überall dort nützlich, wo es helfend einzugreifen gilt.

Nicht unbedeutend aber ist auch heute noch der Ruf des Klosters als Sammelstätte religiöser Erneuerung. Viele Tagungen katholischer Männer- und Frauengemeinschaften finden hier statt und geben der religiösen Tat im Alltag wesentliche Förderung. In diesem Sinne ist das Kloster Bethlehem, nach dem Geburtsort Christi benannt, wiederum eine Geburtsstätte neuen Lebens im Religiösen und Geistigen geworden.

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