Es ist wirklich seltsam: wir Menschen
von heute verstehen uns nicht mehr. Wir sagen dasselbe Wort und
meinen damit jeder etwas anderes. Ein Schulbeispiel ist doch das Wort
Demokratie. - Aber wir wollen nicht wieder gleich auf das
Gebiet der hohen Politik. Bleiben wir doch ganz in unserem
Kreis-horizont. Dort ist in den letzten zwei Wochen viel
über Bahnhöfe geschimpft und geschrieben worden. Sonst
sagte man schon einmal, wenn einer unverständliches Zeug redete:
ich verstehe immer Bahnhof. Diesmal meinten wir abe
wirklich Bahnhof. - Eine große Freunde war es für alle
Betroffenen, zu sehen, wie eines Tages Arbeiter der Bundesbahn sich
darangaben, die Bruchbude, die bisher als Wartehalle
des Bahnhofes Brockendorf diente, abzubrechen, und alle rechneten nun
mit einem schönen, gemütlichen Aufenthaltsraum für die
Reisenden. Es war- wie man so sagt - ein Fall von Denkste.
Man ersetzte lediglich den uralten, demolierten Viehwaggon durch
einen alten, weniger demolierten. Die Empörung derjenigen, die
in Brockendorf auf den Zug warten müssen, war groß und
äußerte sich in Leserzuschriften an die Zeitungen. Und
einmal munter gemacht, blieb es nicht bei Brockendorf. Alle, die über
ihren Bahnhof Grund zum Schimpfen hatten, schimpften -
von Zieverich bis Habbelrath.
Man muß aber nicht immer
schimpfen. Und manchmal geschieht auch heute noch einmal etwas,
worüber man sich freuen kann. Und wer hat sich nicht gefreut,
der seit Donnerstag auf dem Bergheim - Mödrather Bahnsteig des
Bahnhofes Horrem zu warten hatte, als er das neueröffnete,
schmucke Lokal sah, das sich dort aufgetan hat. Die alte Ruine, schon
oft ein Ärgernis der Reisenden, ist jetzt ausgebaut worden. Ein
einfacher Warteraum ist für die, die sich nur vor dem Regen
schützen wollen oder Schutz vor der Kälte suchen. An einer
der Stirnseiten ist ein großes Fenster, an dem man im
Vorübergehen Erfrischungen aller Art zu sich nehmen oder zum
Mitnehmen kaufen kann. Zwischen diesem großen Fenster und dem
einfachen Warteraum aber ist ein so geschmackvolles, kleines Lokal
entstanden, wie es wohl wenige im ganzen Kreis gibt. Voller Stolz
führte uns der Mann, dem die Reisenden diese neue Bequemlichkeit
am nächsten zu danken haben, der bekannte Horremer Bahnhofswirt
Hünseler, in diesen sauberen, vornehm-intimen Raum und ließ
uns Zeit zum Staunen. Es ist fast nicht vorstellbar, wie ein so
enger, schmaler Raum jetzt einen so gediegenen, vornehmen Eindruck
machen kann. Saubere, freundliche Tapeten an den Wänden,
Fenstervorhänge aus gutem Dekorationsstoff, nette Tischchen und
bequeme Sitzgelegenheiten werden vielleicht manchen dazu verführen,
auf dem Bahnsteig 3 in Horrem einen Zug zu überschlagen. So wohl
fühlt man sich dort. Ich schreibe das nicht, um für einen
Wirt Reklame zu machen. Aber dieser schöne Raum hat mir eine so
große Freude gemacht, daß ich allen KR-Lesern zum
Wochenende davon erzählen wollte.
Eines noch zum guten
Beschluß: Fahrt morgen nicht alle auf einmal nach Horrem! Nicht
als ob man eine solche Reise nicht warmen Herzens und unbedenklich
empfehlen könnte. Aber: Dieser schöne Raum hat nur
Sitzgelegenheiten für 21 Personen. Und der Kreis Bergheim hat
fast 93.000 Einwohner. Schlange stehen ist auch vergeblich, denn wer
dort einmal sitzt, steht für die ersten zwei Stunden nicht mehr
auf. Ich habe es erfahren.
Manes
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