Kölnische Rundschau vom 25.11.1950

Zum Wochenende
Bahnhof und Bahnhof zweierlei Dinge

Es ist wirklich seltsam: wir Menschen von heute verstehen uns nicht mehr. Wir sagen dasselbe Wort und meinen damit jeder etwas anderes. Ein Schulbeispiel ist doch das Wort „Demokratie“. - Aber wir wollen nicht wieder gleich auf das Gebiet der hohen Politik. Bleiben wir doch ganz in unserem „Kreis“-horizont. Dort ist in den letzten zwei Wochen viel über Bahnhöfe geschimpft und geschrieben worden. Sonst sagte man schon einmal, wenn einer unverständliches Zeug redete: „ich verstehe immer Bahnhof“. Diesmal meinten wir abe wirklich Bahnhof. - Eine große Freunde war es für alle Betroffenen, zu sehen, wie eines Tages Arbeiter der Bundesbahn sich darangaben, die „Bruchbude“, die bisher als „Wartehalle“ des Bahnhofes Brockendorf diente, abzubrechen, und alle rechneten nun mit einem schönen, gemütlichen Aufenthaltsraum für die Reisenden. Es war- wie man so sagt - ein Fall von „Denkste“. Man ersetzte lediglich den uralten, demolierten Viehwaggon durch einen alten, weniger demolierten. Die Empörung derjenigen, die in Brockendorf auf den Zug warten müssen, war groß und äußerte sich in Leserzuschriften an die Zeitungen. Und einmal munter gemacht, blieb es nicht bei Brockendorf. Alle, die über „ihren“ Bahnhof Grund zum Schimpfen hatten, schimpften - von Zieverich bis Habbelrath.

Man muß aber nicht immer schimpfen. Und manchmal geschieht auch heute noch einmal etwas, worüber man sich freuen kann. Und wer hat sich nicht gefreut, der seit Donnerstag auf dem Bergheim - Mödrather Bahnsteig des Bahnhofes Horrem zu warten hatte, als er das neueröffnete, schmucke Lokal sah, das sich dort aufgetan hat. Die alte Ruine, schon oft ein Ärgernis der Reisenden, ist jetzt ausgebaut worden. Ein einfacher Warteraum ist für die, die sich nur vor dem Regen schützen wollen oder Schutz vor der Kälte suchen. An einer der Stirnseiten ist ein großes Fenster, an dem man im Vorübergehen Erfrischungen aller Art zu sich nehmen oder zum Mitnehmen kaufen kann. Zwischen diesem großen Fenster und dem einfachen Warteraum aber ist ein so geschmackvolles, kleines Lokal entstanden, wie es wohl wenige im ganzen Kreis gibt. Voller Stolz führte uns der Mann, dem die Reisenden diese neue Bequemlichkeit am nächsten zu danken haben, der bekannte Horremer Bahnhofswirt Hünseler, in diesen sauberen, vornehm-intimen Raum und ließ uns Zeit zum Staunen. Es ist fast nicht vorstellbar, wie ein so enger, schmaler Raum jetzt einen so gediegenen, vornehmen Eindruck machen kann. Saubere, freundliche Tapeten an den Wänden, Fenstervorhänge aus gutem Dekorationsstoff, nette Tischchen und bequeme Sitzgelegenheiten werden vielleicht manchen dazu verführen, auf dem Bahnsteig 3 in Horrem einen Zug zu überschlagen. So wohl fühlt man sich dort. Ich schreibe das nicht, um für einen Wirt Reklame zu machen. Aber dieser schöne Raum hat mir eine so große Freude gemacht, daß ich allen KR-Lesern zum Wochenende davon erzählen wollte.

Eines noch zum guten Beschluß: Fahrt morgen nicht alle auf einmal nach Horrem! Nicht als ob man eine solche Reise nicht warmen Herzens und unbedenklich empfehlen könnte. Aber: Dieser schöne Raum hat nur Sitzgelegenheiten für 21 Personen. Und der Kreis Bergheim hat fast 93.000 Einwohner. Schlange stehen ist auch vergeblich, denn wer dort einmal sitzt, steht für die ersten zwei Stunden nicht mehr auf. Ich habe es erfahren.

Manes

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