Federzeichnung
von Burg Brüggen 1893
Unmittelbar am westlichen
Ortsausgang von Brüggen, dort wo die von Gymnich kommende Straße
in das Dorf einmündet und die Erft für eine kurze Strecke
aus der NW- in die SW-Richtung umbiegt, erhebt sich einsam im Felde
ein hoher Torbau mit spitzbogiger Einfahrt, der fast wie eine
Attrappe wirkt. Burg Brüggen, erbaut im 14. Jahrhundert,
niedergelegt und Burgtor als Denkmal erhalten. 1902 lesen wir
auf einer in das Ziegelmauerwerk eingelassenen Tafel.
Das Tor
ist der letzte Rest des einst an dieser Stelle gestandenen adligen
Hauses, das den Namen der benachbarten Dorfsiedlung trug.
Ein
Federzeichnung des Jahres 1893 zeigt uns, welche Gestaltung jener
nach Aussage der Inschrift noch vor rund 50 Jahren erhaltene
Adelssitz aufwies. In seinem damaligen Zustande war Haus Brüggen,
was man in der Burgenkunde mit Hofesfeste bezeichnet:
eine einfache, schlichte Burganlage in Form des mittelalterlichen
Gehöfts, die sich von einem größeren Bauerngut nur
durch Wassergraben und Zugbrücke unterschied. Denselben Eindruck
vermittelt der aus dem Jahre 1825, also etwa sieben Jahrzehnte früher
aufgenommene Lageplan; vielleicht spiegelt er noch deutlicher als die
Zeichnung, in der schon ein Teil der Baulichkeiten fehlt, den
Hofcharakter der Burg. Und doch geben beide Darstellungen, Ansicht
und Plan, zu denken. Da ist einmal (s.Plan) der weitläufige
Umfassungsgraben, der 1902 zugeworfen wurde. Die Hofgebäude, die
in der Nordwestecke, d.h. an dem Dorf zugekehrten Grabenseite auf
engem Raum zusammengedrängt sind, füllen kaum den dritten
Teil des umschlossenen Terrains. Waren die beiden übrigen
Drittel immer nur Gartenland bzw. Obstbungert? Auffälliger noch
ist das erhaltene Tor selbst. Als massiger und, nach dem Rest des
gotischen Wehrerkers über der spitzbogigen Einfahrt zu
schließen, früher bedeutend höherer Ziegelsteinbau,
paßt er ganz und gar nicht in den Kreis der schlichten
Fachwerkgebäude, in die wir ihn im Bilde hineingestellt sehen.
Kurz, die Ausmaße von Graben und Torbau lassen es fast
unmöglich erscheinen, die Hofesfeste des Jahres 1893 bzw. des
Planes von 1825 ab die ursprüngliche Brüggener Burg
anzusprechen. Vielmehr muß auf Grund der Tatsache, daß
man seinerzeit südwestlich von Stallungen und Scheune, aber noch
innerhalb des Umfassungsgrabens, des öfteren auf Fundamente
gestoßen ist, angenommen werden, daß der einstige
Adelssitz einen Gebäudekomplex umfaßte, der nicht nur
räumlich über das Anwesen des ausgehenden 19. Jahrhunderts
hinausgriff, sondern auch in Bauform und Material der erhaltenen
Toranlage entsprach.
Eine aus getrenntem Herrenhaus und
Wirtschaftshof bestehende Burg, so etwa wie es das knapp 2 km
entfernte Haus Gymnich war, dürfte Brüggen jedoch nie
gewesen sein. Die aus dem Jahre 1599 stammende Deskription des
Erzstifts Köln, zu dem Dorf und Burg gehörten, nennt es im
Gegensatz zu den zweiteiligen Herrensitzen, die in sich stets
wiederholender Form als adliche seeß
charakterisiert werden, ausdrücklich den h o f f zu
Brüggen. Und auch in der jüngeren kurkölnischen
Landesbeschreibung des Jahres 166x heißt es sehr bezeichnend:
Zweiffel zu Palmersdorf hat zu Brüggen den Zweiffelshoff
zum adlichen seeß. War die Anlage also wohl stets eine
einteilige, d. h. gruppierten sich Herrenhaus und Wirtschaftsgebäude,
ungetrennt durch einen Zwischengraben, gemeinsam um einen Hof, so
wiesen Grund- und Aufriß der Feste doch zweifellos andere
Formen auf als die derjenigen, die 1893 beseitigt worden sind.
Lageplan
von Burg Brüggen 1825
Immerhin wäre es falsch,
wollte man aus der Bezeichnung der Brüggener Burg als Hoff
kurzerhand schließen, der Besitz sei, was er später
tatsächlich war, stets nur Zweitgut in der Hand einer adeligen
Familie gewesen, d. h. von dieser nicht bewohnt, sondern lediglich
als Pachtgut genutzt worden. Obwohl die Geschichte der Brüggener
Burgherren nur lückenhaft bekannt ist, steht einwandfrei fest,
daß das Haus lange Jahre seinen Inhabern als Wohnsitz gedient
hat, und zwar nicht nur dem Geschlecht, das sich nach dem Dorfe
benannte, sondern auch den oben erwähnten v. Zweiffel, die es
nachher in ihre Hand brachten. Urkundlich zuerst faßbar ist ein
Hermann von Brucge, der 1306 dem im benachbarten Kierdorf begüterten
Kölner Stift St. Severin 26 Morgen freies Land und 15 Malter
Kornrente in Brüggen verkaufte. Fünf Jahre später,
1311, erwarb dasselbe Stift noch einmal 20 Morgen Land, gelegen
zwischen Kierdorf und Brüggen, diesmal von den Eheleuten Johann
und Aleidis von Brüggen. Wann die v. Zweiffel, die zugleich die
Palmersdorfer Höfe bei Brühl ihr eigen nannten, in den
Besitz des Gutes gelangt sind, steht nicht fest. Aber gerade aus den
engen Beziehungen dieser Familie zu Kierdorf, bis 1924 Pfarrort von
Brüggen, ist zu ersehen, daß die v. Zweiffel lange Jahre
in unserem Erftdorf ansässig waren. Als Herrn der Burg oblag
ihnen das Recht, den Vikar für den St. Katharinenaltar im
nördlichen Seitenschiff der alten Kierdorfer Kirche zu ernennen.
Als erster, der nachweislich von diesem Recht Gebrauch machte,
erscheint Albert v. Zweiffel im Jahre 1520. Einer seiner Nachfolger,
Eberhard v. Zweiffel - es ist derjenige, den die Landesdeskription
von 1599 als Besitzer des Hofes zu Brüggen aufführt -,
erbaute 1597 in ebenderselben Kirche ein besonderes Chörchen mit
Totengruft für seine Familie. Bei dieser Gelegenheit hatte sich
Eberhard v. Zweiffel auch das Recht gesichert, hier eine nur den
Angehörigen seines Hauses zur Verfügung stehende
Familienbank aufzustellen, 1659 ließ Johann v. Zweiffel das
Junckeren Cörhgen reparieren, nachdem er zwei Jahre
vorher den St. Katharinenaltar mit allen seinen Einkünften dem
Sibert von Pützfeld, Kanoniker und Scholaster in Münstereifel,
übertragen hatte.
Schon bei diesem Johann ist es
zweifelhaft, ob er noch auf Brüggen wohnte. Fest steht das
Herabsinken der Burg zum bloßen Pachtgut für die Wende vom
17. zum 18. Jahrhundert. 1701 war ihre Eigentümerin Katharina v.
Zweiffel, Pröbstin in St. Mergen, d. h. dem Stift St. Marie im
Kapitol in Köln. Obwohl fernab der Burg, zeigte die adlige
Stiftsfrau lebhaftes Interesse sowohl für die Kierdorfer Kirche,
als deren besondere Wohltäterin sie sich erwies, als auch für
die Gerechtsamen ihres Brüggener Familiengutes. 1703 vermachte
sie eine bunte Kasel und einen Altarvorhang, 1710, im selben Jahr, wo
sie in Köln verstorben, eine zweite Kasel mit goldenen
Streifen der Heimatkirche. Noch in ihren letzten Lebensjahren
focht Katharina v. Zweiffel mit der Kurfürstlichen Kellnerei auf
Schloß Lechenich einen Streit um das Fischereirecht ihres
Brüggener Familiengutes in der Erft aus. Lange Jahrzehnte zog
sich dieser Streit hin, bis 1572 der Oberkellner Romberg der
kurfürstlichen Regierung den Bescheid erteilte, daß der
Fischfang in der Erft seit Menschengedenken von den v. Zweiffel
gehandhabt worden sei; allerdings sei ihm nicht bekannt, wie weit ihr
Fangbezirk flußauf- bzw. flußabwärts reiche.
Verfall der Burg
Seit dem Ausgang des 17.
Jahrhunderts ist also Haus Brüggen nicht mehr von seinen adligen
Inhabern bewohnt gewesen. Von dieser zeit ab, als hier nur noch der
Burghalfe schaltete und waltete und die zum Gut gehörigen 106
Morgen Ackerland und 9 Morgen Benden bewirtschaftete, datiert
wahrscheinlich der Verfall der Anlage, insbesondere des Herrenhauses.
Nach einer glaubwürdigen Überlieferung sollen kurz nach dem
Aussterben der v. Zweiffel im Jahre 1768 die aus dem ausgehenden
Mittelalter stammenden Bauten bis auf das Tor abgerissen und durch
einfache Wirtschaftsgebäude, diejenigen, die die Federzeichnung
des Jahres 1894 zeigen, ersetzt worden sein. In ihnen hausten 1786
als Halbwinner die Eheleute Johann Axer und Frau Katharina Geuer, die
damals für die Ausbildung ihres Sohnes Hieronymus, der sich dem
geistlichen Stande widmen wollte, 14 Morgen Ackerland und 5 Morgen
Benden zur Verfügung stellten. Verpächter des Gutes aren zu
dieser Zeit die im Nachbarort ansässigen Freiherrn v. Gymnich zu
Gymnich. Diese bzw. die sie 1825 ablösenden Grafen
Wolff-Metternich zur Gracht haben das Brüggener Burgland gegen
Ende des Jahrhunderts zu ihrem Familiensitz geschlagen, so daß
1890, als man mit der Aufzeichnung der Kunstdenkmäler im Kreise
Bergheim begann, die Hofgebäude schon verlassen und im Verfall
waren. Das Jahr 1902 brachte dann, wie eingangs gesagt, die
Niederlegung, von der nur der trotz seines hohen Alters noch immer
feste Torbogen verschont blieb.
Blick
von Burg Brüggen nach Gymnich
Auch die alte Kierdorfer
Kirche, die mit Katharinenaltar, Familienbank und Totengruft die
Erinnerung an die Burgherren wachhielt, wurde 1875 niedergerissen.
Nur den Turm des alten Gotteshauses hat man in die neue Kirche
übernommen. Brüggen aber, das mit seiner Einwohnerzahl - im
Jahre 1853 betrug diese über 800 gegenüber noch nicht 200
in Kierdorf - die des Pfarrortes bei weitem übertraf, schuf sich
1911 eine eigene Kirche, um 12 Jahre später ganz aus dem alten
Pfarrverband auszuscheiden und eine besondere Pfarrgemeinde zu
bilden.