Kölnische Rundschau vom 28.10.1950

Beilage der Kölnischen Rundschau Nr. 12
An Erft und Gilbach



Haus Brüggen, eine Burgwüstung im Kreise Bergheim

Von Dr. Hans Welters



Federzeichnung von Burg Brüggen 1893

Unmittelbar am westlichen Ortsausgang von Brüggen, dort wo die von Gymnich kommende Straße in das Dorf einmündet und die Erft für eine kurze Strecke aus der NW- in die SW-Richtung umbiegt, erhebt sich einsam im Felde ein hoher Torbau mit spitzbogiger Einfahrt, der fast wie eine Attrappe wirkt. „Burg Brüggen, erbaut im 14. Jahrhundert, niedergelegt und Burgtor als Denkmal erhalten. 1902“ lesen wir auf einer in das Ziegelmauerwerk eingelassenen Tafel.

Das Tor ist der letzte Rest des einst an dieser Stelle gestandenen adligen Hauses, das den Namen der benachbarten Dorfsiedlung trug.

Ein Federzeichnung des Jahres 1893 zeigt uns, welche Gestaltung jener nach Aussage der Inschrift noch vor rund 50 Jahren erhaltene Adelssitz aufwies. In seinem damaligen Zustande war Haus Brüggen, was man in der Burgenkunde mit „Hofesfeste“ bezeichnet: eine einfache, schlichte Burganlage in Form des mittelalterlichen Gehöfts, die sich von einem größeren Bauerngut nur durch Wassergraben und Zugbrücke unterschied. Denselben Eindruck vermittelt der aus dem Jahre 1825, also etwa sieben Jahrzehnte früher aufgenommene Lageplan; vielleicht spiegelt er noch deutlicher als die Zeichnung, in der schon ein Teil der Baulichkeiten fehlt, den Hofcharakter der Burg. Und doch geben beide Darstellungen, Ansicht und Plan, zu denken. Da ist einmal (s.Plan) der weitläufige Umfassungsgraben, der 1902 zugeworfen wurde. Die Hofgebäude, die in der Nordwestecke, d.h. an dem Dorf zugekehrten Grabenseite auf engem Raum zusammengedrängt sind, füllen kaum den dritten Teil des umschlossenen Terrains. Waren die beiden übrigen Drittel immer nur Gartenland bzw. Obstbungert? Auffälliger noch ist das erhaltene Tor selbst. Als massiger und, nach dem Rest des gotischen Wehrerkers über der spitzbogigen Einfahrt zu schließen, früher bedeutend höherer Ziegelsteinbau, paßt er ganz und gar nicht in den Kreis der schlichten Fachwerkgebäude, in die wir ihn im Bilde hineingestellt sehen. Kurz, die Ausmaße von Graben und Torbau lassen es fast unmöglich erscheinen, die Hofesfeste des Jahres 1893 bzw. des Planes von 1825 ab die ursprüngliche Brüggener Burg anzusprechen. Vielmehr muß auf Grund der Tatsache, daß man seinerzeit südwestlich von Stallungen und Scheune, aber noch innerhalb des Umfassungsgrabens, des öfteren auf Fundamente gestoßen ist, angenommen werden, daß der einstige Adelssitz einen Gebäudekomplex umfaßte, der nicht nur räumlich über das Anwesen des ausgehenden 19. Jahrhunderts hinausgriff, sondern auch in Bauform und Material der erhaltenen Toranlage entsprach.

Eine aus getrenntem Herrenhaus und Wirtschaftshof bestehende Burg, so etwa wie es das knapp 2 km entfernte Haus Gymnich war, dürfte Brüggen jedoch nie gewesen sein. Die aus dem Jahre 1599 stammende Deskription des Erzstifts Köln, zu dem Dorf und Burg gehörten, nennt es im Gegensatz zu den zweiteiligen Herrensitzen, die in sich stets wiederholender Form als „adliche seeß“ charakterisiert werden, ausdrücklich den „h o f f zu Brüggen“. Und auch in der jüngeren kurkölnischen Landesbeschreibung des Jahres 166x heißt es sehr bezeichnend: „Zweiffel zu Palmersdorf hat zu Brüggen den Zweiffelshoff zum adlichen seeß“. War die Anlage also wohl stets eine einteilige, d. h. gruppierten sich Herrenhaus und Wirtschaftsgebäude, ungetrennt durch einen Zwischengraben, gemeinsam um einen Hof, so wiesen Grund- und Aufriß der Feste doch zweifellos andere Formen auf als die derjenigen, die 1893 beseitigt worden sind.



Lageplan von Burg Brüggen 1825

Immerhin wäre es falsch, wollte man aus der Bezeichnung der Brüggener Burg als „Hoff“ kurzerhand schließen, der Besitz sei, was er später tatsächlich war, stets nur Zweitgut in der Hand einer adeligen Familie gewesen, d. h. von dieser nicht bewohnt, sondern lediglich als Pachtgut genutzt worden. Obwohl die Geschichte der Brüggener Burgherren nur lückenhaft bekannt ist, steht einwandfrei fest, daß das Haus lange Jahre seinen Inhabern als Wohnsitz gedient hat, und zwar nicht nur dem Geschlecht, das sich nach dem Dorfe benannte, sondern auch den oben erwähnten v. Zweiffel, die es nachher in ihre Hand brachten. Urkundlich zuerst faßbar ist ein Hermann von Brucge, der 1306 dem im benachbarten Kierdorf begüterten Kölner Stift St. Severin 26 Morgen freies Land und 15 Malter Kornrente in Brüggen verkaufte. Fünf Jahre später, 1311, erwarb dasselbe Stift noch einmal 20 Morgen Land, gelegen zwischen Kierdorf und Brüggen, diesmal von den Eheleuten Johann und Aleidis von Brüggen. Wann die v. Zweiffel, die zugleich die Palmersdorfer Höfe bei Brühl ihr eigen nannten, in den Besitz des Gutes gelangt sind, steht nicht fest. Aber gerade aus den engen Beziehungen dieser Familie zu Kierdorf, bis 1924 Pfarrort von Brüggen, ist zu ersehen, daß die v. Zweiffel lange Jahre in unserem Erftdorf ansässig waren. Als Herrn der Burg oblag ihnen das Recht, den Vikar für den St. Katharinenaltar im nördlichen Seitenschiff der alten Kierdorfer Kirche zu ernennen. Als erster, der nachweislich von diesem Recht Gebrauch machte, erscheint Albert v. Zweiffel im Jahre 1520. Einer seiner Nachfolger, Eberhard v. Zweiffel - es ist derjenige, den die Landesdeskription von 1599 als Besitzer des Hofes zu Brüggen aufführt -, erbaute 1597 in ebenderselben Kirche ein besonderes Chörchen mit Totengruft für seine Familie. Bei dieser Gelegenheit hatte sich Eberhard v. Zweiffel auch das Recht gesichert, hier eine nur den Angehörigen seines Hauses zur Verfügung stehende Familienbank aufzustellen, 1659 ließ Johann v. Zweiffel das „Junckeren Cörhgen“ reparieren, nachdem er zwei Jahre vorher den St. Katharinenaltar mit allen seinen Einkünften dem Sibert von Pützfeld, Kanoniker und Scholaster in Münstereifel, übertragen hatte.

Schon bei diesem Johann ist es zweifelhaft, ob er noch auf Brüggen wohnte. Fest steht das Herabsinken der Burg zum bloßen Pachtgut für die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. 1701 war ihre Eigentümerin Katharina v. Zweiffel, Pröbstin in St. Mergen, d. h. dem Stift St. Marie im Kapitol in Köln. Obwohl fernab der Burg, zeigte die adlige Stiftsfrau lebhaftes Interesse sowohl für die Kierdorfer Kirche, als deren besondere Wohltäterin sie sich erwies, als auch für die Gerechtsamen ihres Brüggener Familiengutes. 1703 vermachte sie eine bunte Kasel und einen Altarvorhang, 1710, im selben Jahr, wo sie in Köln verstorben, eine zweite Kasel „mit goldenen Streifen“ der Heimatkirche. Noch in ihren letzten Lebensjahren focht Katharina v. Zweiffel mit der Kurfürstlichen Kellnerei auf Schloß Lechenich einen Streit um das Fischereirecht ihres Brüggener Familiengutes in der Erft aus. Lange Jahrzehnte zog sich dieser Streit hin, bis 1572 der Oberkellner Romberg der kurfürstlichen Regierung den Bescheid erteilte, daß der Fischfang in der Erft seit Menschengedenken von den v. Zweiffel gehandhabt worden sei; allerdings sei ihm nicht bekannt, wie weit ihr Fangbezirk flußauf- bzw. flußabwärts reiche.

Verfall der Burg

Seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts ist also Haus Brüggen nicht mehr von seinen adligen Inhabern bewohnt gewesen. Von dieser zeit ab, als hier nur noch der Burghalfe schaltete und waltete und die zum Gut gehörigen 106 Morgen Ackerland und 9 Morgen Benden bewirtschaftete, datiert wahrscheinlich der Verfall der Anlage, insbesondere des Herrenhauses. Nach einer glaubwürdigen Überlieferung sollen kurz nach dem Aussterben der v. Zweiffel im Jahre 1768 die aus dem ausgehenden Mittelalter stammenden Bauten bis auf das Tor abgerissen und durch einfache Wirtschaftsgebäude, diejenigen, die die Federzeichnung des Jahres 1894 zeigen, ersetzt worden sein. In ihnen hausten 1786 als Halbwinner die Eheleute Johann Axer und Frau Katharina Geuer, die damals für die Ausbildung ihres Sohnes Hieronymus, der sich dem geistlichen Stande widmen wollte, 14 Morgen Ackerland und 5 Morgen Benden zur Verfügung stellten. Verpächter des Gutes aren zu dieser Zeit die im Nachbarort ansässigen Freiherrn v. Gymnich zu Gymnich. Diese bzw. die sie 1825 ablösenden Grafen Wolff-Metternich zur Gracht haben das Brüggener Burgland gegen Ende des Jahrhunderts zu ihrem Familiensitz geschlagen, so daß 1890, als man mit der Aufzeichnung der Kunstdenkmäler im Kreise Bergheim begann, die Hofgebäude schon verlassen und im Verfall waren. Das Jahr 1902 brachte dann, wie eingangs gesagt, die Niederlegung, von der nur der trotz seines hohen Alters noch immer feste Torbogen verschont blieb.


Blick von Burg Brüggen nach Gymnich

Auch die alte Kierdorfer Kirche, die mit Katharinenaltar, Familienbank und Totengruft die Erinnerung an die Burgherren wachhielt, wurde 1875 niedergerissen. Nur den Turm des alten Gotteshauses hat man in die neue Kirche übernommen. Brüggen aber, das mit seiner Einwohnerzahl - im Jahre 1853 betrug diese über 800 gegenüber noch nicht 200 in Kierdorf - die des Pfarrortes bei weitem übertraf, schuf sich 1911 eine eigene Kirche, um 12 Jahre später ganz aus dem alten Pfarrverband auszuscheiden und eine besondere Pfarrgemeinde zu bilden.

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