Kölnische Rundschau vom 24.12.1950

Veränderungen im Braunkohlerevier

Schwerpunktverlagerung und Nord-Süd-Bahn

Der rheinische Braunkohlenbergbau scheint mit einer Anzahl größerer und kleinerer Orte westlich von Köln so untrennbar verbunden, daß dem Außenstehenden die „Braunkohle“ mit ihren Gruben und Brikettfabriken als etwas Stationäres und Unveränderliches vorkommt. Die grundlegendere Erkenntnis, daß der Bergbau wandert, ist vor der generationenlangen Erfahrung, daß die Klütten aus Kierberg, Knapsack, Frechen oder Horrem kommen - um nur einige Beispiele zu nennen - verblaßt. Hinzu kommt die paradoxe Entwicklung während der Kriegszeit, die die natürliche bergbauliche Dynamik erstarren ließ. Die Förderzahlen stiegen zwar sprunghaft von 48,7 Mio t Rohkohle im Jahre 1936 auf 56,t Mio t im Jahre 1938 und auf 68,6 Mio t im Jahre 1943. Entsprechend schnellte auch die Brikettherstellung von 10,5 Mio t (1936), auf 11,9 Mio t (1938) und auf 14,5 Mio t (1943). - Aber die Kohlegewinnung stellte sich in den Kriegsjahren weder auf den Vorabraum für die nächste Zukunft noch auf die Sicherung der Produktion auf weite Sicht ein. - Das wirtschaftliche Chaos der Nachkriegszeit dehnte diese unnatürliche Entwicklung unerträglich aus. Nach der Währungsreform fand sich dann das Revier vor die Tatsache gestellt, daß die Auskohlung der südlichen und mittleren Gruben weitgehend fortgeschritten war, während die geplanten großen Aufschlüsse im Norden um Jahre hinter der Planung zurückgeblieben waren. - Die Versuchsunternehmen des Tiefbaus bei Oberliblar („Donatus-Tief“) und bei Morschenich („Union 103“, Rheinische Braunkohlen Tiefbau) werden in den nächsten Jahren noch keinen entscheidenden Beitrag zur Versorgung der Kraftwerke und Brikettfabriken leisten können; auch ein Neu-Aufschluß in der Nähe des Goldenbergwerks wird an der Schwerpunktverlagerung nach Norden nichts ändern. Die Tagebaue wandern, und schließlich bleiben hochentwickelte Kraftwerke und Brikettfabriken ohne unmittelbar anliegende Kohlenbasis zurück.

Wie die Entwicklung im Frechener Raum zeigt, führt auch im rheinischen Braunkohlenrevier die planmäßige und rationelle Ausnutzung der brikettierfähigen Tagebaukohle zur Zusammenarbeit der Gruben. Im Zusammenwirken mit der Maschinenindustrie, die für die Abraumbewegung, die Kohlegewinnung und die Wiedereinebnung durch Absetzer noch ständig größer werdende Geräte hergestellt und auch die Möglichkeiten der Mechanisierung noch nicht für abgeschlossen hält, verringert sich die Zahl der Abbaubetriebe, während die Ausdehnung und Leistung der einzelnen Groß- und Zentraltagebaue wächst. Auch für die Versorgung der modernsten und leistungsfähigsten Anlagen im südlichen Teil des Reviers wird jetzt eine seit längerer Zeit besprochene Lösung verwirklicht. Die Nord-Südbahn von den großen Kohlevorkommen im Raume westlich Grevenbroich (Garzweiler-Frimmersdorf) zu dem Industriekomplex Knapsack soll bereits im Jahre 1955 betriebsbereit sein. Die etwa 30 km lange Strecke wird am Ostrand der Gruben Neurath, Fortuna-Nord, Fortuna, Beisselgrube, Fischbach und Grefrath verlaufen und dann über ausgekohlte Teile der Frechener Gruben zum Großbunker des Kraftwerks „Goldenbergwerk“ führen. Großraumwagen von 100 bis 120 to Inhalt, wie sie heute bereits im Frimmersdorfer Betrieb verwendet werden, sind auch für die Nord-Süd-Bahn vorgesehen. Sie wird nicht nur Kohle, sondern auch Abraum befördern und damit Investierungen für die Abraumbeförderung auf der Ostseite der Tagebaue ersparen. Auch die einschneidenden Folgen, die eine Verlegung größerer Werkskomplexe für die Belegschaften mit sich bringen muß, werden durch die neue Bahn abgefangen.

Ein weiteres wesentliches Moment ist, daß die gute brikettierfähige Kohle des südlichen und mittleren Reviers dann zur Verfügung der Brikettfabriken bleibt, während zur Stromerzeugung die asche- und ballstreiche Rohkohle aus dem Norden als Kesselkohle verwendet werden kann. Die Bahnstraße wird möglichst über bereits ausgekohltes Gelände geführt, um die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen soweit wie möglich zu vermeiden.

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