Kölnische Rundschau vom 25.7.1950

Um den Rhein-Maas-Kanal

Ein Projekt von europäischer Bedeutung

Der belgische Minister für öffentliche Arbeiten, Professor A. Coppé, führt in Bonn Besprechungen mit dem Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm über das Projekt einer Wasserstraßenverbindung zwischen dem Rhein und der Maas. Damit wird zum erstenmal über diesen Plan, der schon seit langem von der Öffentlichkeit beider Länder diskutiert wird, von Regierung zu Regierung verhandelt.

Das Projekt eines Kanals zwischen Rhein und Maas ist nicht neu. Wenn man von den Plänen absieht, die schon zu Zeiten Cäsars, Karls des Großen und Napoleons erwogen wurden, so ist das Projekt doch seit Mitte des vorigen Jahrhunderts bis in unsere Tage immer wieder erörtert worden. Man hatte die verschiedensten Linienführungen vorgesehen, deren Verwirklichungen jedoch stets daran scheiterten, daß der geplante Kanal holländisches Gebiet überqueren sollte. Die Holländer fürchteten, daß der Kanal ihrem Seehafen Rotterdam einen Teil der Rheinschiffahrt entziehen könnte und waren daher nicht bereit, das Projekt zu unterstützen.

Vor etwa einem Jahr haben einige deutsche Persönlichkeiten, die später den Westlandkanal-Verein unter Vorsitz des Aachener Handelskammerpäsidenten Heusch gründeten, die Initiative ergriffen, um mit interessierten belgischen Kreisen das Gespräch über den alten Plan wieder aufzunehmen. Der belgische Minister für öffentliche Arbeiten beauftragte daraufhin den Ministerialdirektor Bonnet, der auch jetzt an den Besprechungen in Bonn teilnimmt, innerhalb eines Jahres die baufertigen Pläne für den Kanal auszuarbeiten.



Das belgische Projekt

Das Projekt der belgischen Regierung, das sich natürlich nur mit dem Abschnitt des Kanals befaßt, der auf belgischem Gebiet liegt, sieht eine Linienführung vor, die die Überquerung holländischen Bodens vermeidet. Nördlich von Lüttich, in der Höhe von Visé, soll der geplante Kanal vom Albert-Kanal abzweigen und nach Osten bis zur deutschen Grenze geführt werden, wo er nördlich Aachen auf den deutschen Abschnitt treffen soll. Über die Linienführung des Kanals von Aachen zum Rhein gibt es in Deutschland verschiedene Projekte. Jedoch scheint jetzt die Trassierung von Aachen über Jülich nach Grimlinghausen bei Neuß die meisten Aussichten auf Verwirklichung zu haben.

Die Durchführung dieses Planes wird die Technik vor sehr schwierige Aufgaben stellen. Auf belgischer Seite muß bis zur deutschen Grenze ein Höhenunterschied von über 120 m überwunden werden. Auf deutscher Seite sind die Schwierigkeiten nicht viel geringer. Der Einbau von zwölf bis vierzehn Schleusen würde für die Schiffahrt einen so großen Zeitverlust bedeuten, daß die Rentabilität des Kanals damit in Frage gestellt wäre. Deshalb sieht das belgische Projekt den Bau von drei Schiffshebewerken vor, eine Lösung, die man wahrscheinlich auch auf deutscher Seite wählen wird.

Die Tatsache, daß das Projekt einer Verbindung zwischen Rhein und Maas im Laufe der Jahrhunderte immer wieder entschlossene Verteidiger gefunden hat, spricht für die Notwendigkeit eines solchen Kanals. Er würde in der Tat eine Lücke im europäischen Wasserstraßennetz ausfüllen, und er würde nicht nur Belgien und Deutschland zugute kommen, sondern auch Frankreich und der Schweiz, weil er der oberrheinischen Schiffahrt eine kürzere Verbindung zum Meer schafft.

Ein Mosel-Stichkanal

Im Rahmen des Schuman-Plans könnte dem Kanal besondere Bedeutung zukommen, da die Franzosen nur nötig hätten, von Briey einen kurzen Stichkanal zur Mosel zu bauen, um damit eine Verbindung zur Ruhr und zum belgischen Industriegebiet zu gewinnen. Die drei westeuropäischen Zentren von Kohle und Stahl könnten somit auch durch Wasserwege verbunden werden, die trotz der Entwicklung der Straßen und Schienenwege für den Transport der Grundstoffe noch am rationellsten sind.

Man hat in Deutschland oft darauf hingewiesen, daß die Verwirklichung des Projekts nur von der Finanzierung abhängig wäre. Es scheint jetzt jedoch die Möglichkeit zu bestehen, daß der Kanalbau aus Mitteln einem europäischen Fonds der Marshallplan-Hilfe gefördert wird, ohne die nationalen Zuteilungen an die beteiligten Länder damit zu belasten.

E. Roemer, Brüssel

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