Kölnische Rundschau vom 7.7.1950

[ Zur Situation der Bahn in Bergheim nach dem Krieg ]

Mühsam war der Weg

Erinnerungen an die Zeit vor fünf Jahren



Mit dieser alten Lokomotive der Grube Fortuna fuhr vor fünf Jahren der erste Personenzug nach dem Kriege im Kreis Bergheim. Auf der Lokomotive vor dem Kessel steht der Lokomotivführer der ersten Nachkriegsfahrt, vor der Maschine zwei der Männer, die maßgeblich daran mitarbeitete, daß schon sobald wieder ein Zug fuhr. Heute leben alle drei im verdienten Ruhestand.

Bergheim. Am 26. Februar 1945 rollten die letzten Züge aus dem Bahnhof Bergheim. Bald zog die Friedhofsruhe in das gesamte Erwerbsleben des Erftlandes ein, und selbst die glühendsten Optimisten erkannten, in welche Katastrophe unser Land geraten war. Gehetzt flohen die Menschen aus ihrer Heimat. Andere nahmen Dauerquartier in den Bunkern und hofften nur, daß das drohende Geschick sie nicht zu lange auf die Folter spannte.

Am 1. März rückten amerikanische Truppen dann in die Kreisstadt ein. Dreizehn Menschen verloren hier in den letzten furchtbaren Tagen das Leben. Die lähmende Furcht vor dem Kommenden wich trauriger Gewißheit: alle waren auf Gedeih und Verderb den Eroberern überantwortet. Die Wohnungen mußten zum großen Teil verlassen werden, und was der Krieg verschont hatte, nahmen sich nun die Soldaten der fremden Streitmacht und marodierendes Gesindel aus der eigenen Bürgerschaft.

Nicht anders war es auch allem öffentlichen Besitz ergangen. Im Bahnhof Bergheim fehlte innerhalb weniger Tage nahezu alles, was irgendwie verwendbar war: vom Werkzeug bis zu den Dachschindeln auf den Schuppen und Bürogebäuden. Aber es waren einige alte Angehörige des Bergheimer Bahnbetriebswerkes im Heimatort geblieben, die von sich aus nach einigen Tagen beschlossen, nach dem Rechten zu sehen. Der amerikanische Kommandant hinderte diese Aktivität nicht und versah einige Beamte mit den notwendigen Vollmachten. Nach und nach wuchs die Schar der sich wieder einfindenden früheren Belegschaftsmitglieder, und das Notwendigste wurde zuerst getan: aufgeräumt und sichergestellt, was das Chaos noch übriggelassen hatte. Am 12. März begannen 20 Mann. Bald waren es mehr und man konnte auch darangehen, die Strecken zu revidieren und auszubessern, soweit das mit den vorhandenen Mitteln möglich war.

In diesen Tagen nun sind es fünf Jahre her, daß mit einer von der Grube Fortuna geborgten Lokomotive die ersten Versuchsfahrten gemacht werden konnten, und bald danach wurde die erste Teilstrecke des Kreises wieder in Betrieb genommen: von Bergheim fuhr wieder ein Zug bis Rommerskirchen. Damit war dann auch eine Bahnverbindung nach Köln geschaffen worden. Die erste Etappe war geschafft und ohne zu ermüden schafften alle Beteiligten weiter, bis wieder einigermaßen geregelte Verhältnisse eintraten.

Von dieser ersten Fahrt nach dem Kriege vor fünf Jahren bis zu einem wieder friedensmäßigen Fahrplan war ein weiter Weg. Er wurde, wie auch in vielen privaten Betrieben, gegangen trotz aller Erschwernisse und obwohl manchmal lähmende Hoffnungslosigkeit um sich zu greifen drohte. Heute, just fünf Jahre nachdem der erste Zug wieder fuhr, denkt kaum jemand an diese Zeit zurück. Und doch wäre es manchmal tröstlich zu wissen, wie innerhalb von nur fünfmal zwölf Monaten alles so anders werden kann.

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