Kölnische Rundschau vom 7. Dezember 1950

Von den Nöten unserer Bauern

Es ist nicht alles süß, was Zuckerrübe heißt

Elsdorf. Wir berichteten bereits in unserer gestrigen Ausgabe von der Besichtigung der Zuckerfabrik Elsdorf durch über 100 Landwirte des Kreises. Anschließend versammelten sie sich zu einer Arbeitstagung, die Kreislandwirt Esser leitete. Er wandte sich in herzlichen Dankesworten an die Direktion der Zuckerfabrik, vor allem an Dr. Sedlaczek und begrüßte Dir. Rieger als Vorsitzenden des Landwirtschaftsverbandes Bonn. Kreislandwirt Esser bat Dr. Sedlaczek zum besseren Verständnis der Besichtigung Ausführungen über den Produktionsgang der Fabrik zu bringen. Dr. Sedlaczeks klare Worte, die in ihrer präzisen Arte dem Geschauten eine ordnende Übersicht verliehen, wurden um so dankbarer aufgenommen, als selbstverständlich bei manchen Besichtigungsteilnehmern noch Unklarheiten über einige Verarbeitungsdetails bestanden.

Als nächster Referent sprach der Agrarfachmann der Fabrik, Reiners, über das Thema: „Wie kommt man zu einer zuckerreichen Rübe?“ Er riet den Landwirten, ihre Böden vor Beginn der Winterbestellung von Fachleuten untersuchen zu lassen. Der PH-Wert der Böden im Bergheimer Bereich sei normal und für Zuckerrübenanbau durchaus günstig, da er bei 6,8 bis 7,2 liege im Gegensatz zum Gebiet des Niederrheins. Er warte vor falschem Sparen bei der Kali- und Phosphorsäuregabe und wies auf den Vorwinter als richtigen Zeitpunkt der Düngung hin. Eine große Rolle zur Gewinnung eines hohen Zuckergehaltes spiele auch die Vorfrucht; so sei z.B. Gemüseanbau eine schlechte Vorbedingung; am ungünstigsten sei der Zuckerertrag bei vorherigem Rosen- oder Weißkohlanbau. Ebenso entscheidend wie eine frühe Saatfurche sei auch die Sortenfrage. Er schlug vor, das Risiko auf sich zu nehmen und ein Drittel in N- oder Z-Rüben und zwei Drittel in E-Rüben anzubauen. Außerdem verkürze eine hohe Pflanzzahl (70.000 bis 80.000 pro ha) die Reifezeit der Rübe. Grundsätzlich stehe jedoch das Qualitätsprinzip allem voran.

Kreisvorsitzender Esser sagte u.a.: „Wir Bauern stehen am Anfang aller Zuckerfabrikation, uns bleibt der schmutzigste Teil. Heute sahen wir nun die Schwierigkeit ihrer Verarbeitung in der Fabrik. Man versteht allmählich wieviel Unkosten damit verbunden sind, ein Industrieprodukt fabrikmäßig auszuwerten.“ Herr Esser sprach von der Möglichkeit, im kommenden Frühjahr Samen der drei Rübenarten zu liefern und erläuterte deren Aussaat- und Erntetermine. Doch

vor allem müsse die Kapazität der Zuckerfabriken erhöht werden

um eine sich in den Winter hinein erstreckende Anfahrt und die eventuell bei Frost entstehenden Einmietungsschäden zu verhindern. Der Preis der rüben müsse erhöht werden, der Grundpreis von 5 DM sollte schon bei 15vH Zuckergehalt liegen. Abschließend forderte er, die Regierung müsse die Landwirtschaft besonders in bezug auf Absatzmöglichkeiten mehr unterstützen und bewies die Richtigkeit seiner Ausführungen mit der geradezu verhängnisvollen Kartoffellage der Eifelbauern.

Kreisgeschäftsführer Leßmann erklärte, es gehe nicht nur darum, daß der Landwirt die Höhe seiner Rübenanbaufläche melde, um die ihm zustehenden Anteile zu erhalten, denn dabei komme der „Ehrliche“ oft weniger auf seine Kosten als der „Ungenaue“. Auch er betonte die Wichtigkeit eines gerechten Rübenpreises, der heute ja praktisch die Existenz des Bauern sichere, und bat in diesem Zusammenhang, „die Zuckerfabriken sollten mit den Bauern an einem Strick ziehen“. Er empfahl, aber auch den Bauern, nicht nur bei vielleicht vorkommenden Sperren u.ä zu kritisieren, sondern besonders gute Anregungen „nach oben“ zum Verbande weiterzugeben und tatkräftig so am Gelingen des Werkes „mitzutun“.

Die Arbeitstagung erhielt ihren abschließenden Höhepunkt durch die interessanten und richtungsgebenden Ausführungen Dr. Riegers, des Vorsitzenden des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes Bonn. Er sprach über Arbeit, Wesen und Aufgaben des Verbandes und das Zusammenwirken mit seinen Mitgliedern. Angeregt durch die Frage eines Landwirtes nach Streikmöglichkeiten erwiderte er, es sei zunächst kein Gewerkschaftsfonds vorhanden, um die Kosten eines solchen Vorgehens zu tragen. Er warnte davor, daß die Landwirte selbst die finanziellen Verluste eines möglichen Streickes treffen würden. Er gab einen Einblick in alle den Landwirt interessierenden Gesetzesvorlagen. „Das gesamte Volk geht ohne eine geregelte Landwirtschaft zugrunde!“ rief er den Anwesenden zu und berichtete, man begegne heute auch in politischen Gremien immer mehr der Überzeugung, daß

ohne die deutsche Landwirtschaft keine vernünftige deutsche Wirtschaft

möglich sei. - Auf dem Zuckersektor hoffe der Verband, daß die Steuersenkung noch durchkomme. Ziel des Verbandes sei, die Rübe mit 15 v.H Gehalt solle einen Preis von 5 DM erzielen. Die Gesamtzuckerrübenernte des Jahres 1950 sei im Vergleich zu der des Jahres 1939 oder 1945 mit 34 Millionen Tonnen außerordentlich hoch. Diese Steigung drücke natürlich die Preise. Zur Frage der Berufsgenossenschaften erklärte Dr. Rieger, die Beitragserhöhung habe z.T. Ihre Ursache in de steigenden Zahl der Betriebsunfälle. Doch habe der Verband den Beitrag immerhin noch auf 5 DM senken können. Im übrigen sei ein bestimmter Beitragssatz erforderlich, um die Renten nicht zu gefährden. Weiterhin kämpfe der Verband für Befreiung der Landwirtschaft von der Arbeitslosenversicherungspflicht. Die Durchführung des Landeswohnungsgesetzes erläuterte er an praktischen Beispielen. Sie erfordere eine außerordentlich geschickte Handhabung. Es müßten Mittel für genügend Werkswohnungen zur Verfügung gestellt werden. Auf die alle Landwirte interessierende Möglichkeit einer eigenen „Landkrankenkasse“ verwies Dr. Rieger mit der Tatsache, daß die bisherige Sperre aufgehoben und bei genügender Beteiligung durchaus eine Errichtung durchführbar sei.

Zusammenfassend erklärte Dr. Rieger, Sinn seiner Ausführungen sei nur, zu zeigen, daß der Verband über alle Probleme der Landwirte unterrichtet und bemüht sei, wo es nottut, tätige Abhilfe zu schaffen. Doch nur bei einem wirklichen Zusammenhalt von Landwirten und Verband könne ein Erfolg erreicht werden. Bisher habe der Verband erzielt: Erhöhung der Getreidepreis, Senkung der Zuckersteuer, Besserung der Wohnungsprobleme, freie Schweine- und Rinderpreise und die Behütung der Bauern vor einer Kartoffelüberpreis-Bestrafung. Der Verband erwarte weiterhin die Mitarbeit und das Vertrauen der Landwirte.

Die Elsdorfer Tagung brachte allen Teilnehmern eine wertvolle Bereicherung und vermittelte neben interessanten Ausblicken auf die Zuckerproduktion das erfreuliche Bewußtsein, einmal von Mensch zu Mensch alle Fragen, die dem Landwirt am Herzen liegen, mit Vertretern des Verbandes und der Zuckerfabrik besprochen und geklärt zu haben.

E. M.-H.

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