Kolping, Kohle und Kreisbahnen

Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung im Erftkreis



Die wirtschaftliche Situation Deutschlands im 18. Jahrhundert

Waren es im Verlaufe der Geschichte die Kulturen, die jeweils ihrer Zeit den Namen gaben, so endete doch das Germanentum mit ihren großen Königen. Im Mittelalter herrschten überall die Könige und Feudalherren, die dem Volk oder den Kulturen zwar viel Burgen, Kriege und Minne zu bieten hatten, jedoch im Wirtschafts-, Sozial- und Verkehrsbereich eher bescheiden etwas für die Entwicklung Deutschlands beitrugen.

Die ersten systemübergreifenden Wirtschaftsgebilde entstanden entlang der Handelswege, insbesondere an den großen Flüssen und eher kläglich um das nur für betuchte Leute erschwingliche Postkutschensystem und in einigen verkehrsgünstig gelegenene Städten um Handwerk und Handel. Von Industrie war kaum zu reden, es sei denn, es hielt sich irgendein Feudalherr eine Mine.

Nachdem der 30jährige Krieg den Höhepunkt der dunklen Epoche kennzeichnete, waren es Ende des 17. Jahrhunderts die preußischen, französischen und österreichischen Könige und Kaiser, die das Wirschaftssystem um ihre Armeen formierten, bis Mitte des 18. Jahrhundert Europa in Armut, Hunger und Massenarbeitslosigkeit lebte.

Im Stillen hatten sich jedoch insbesondere in den Städten eine gewisse Intelligenz und auch ein schon betuchtes Bürgertum, die Patrizier und der Geldaldel gebildet, die wirtschaftliche Interessen verfolgten. Angeregt durch den Imperialismus suchte jeder sich irgendwo Gewinne zu erwirtschaften.

In diesem Gärprozeß von Armut der Masse und Aussichten auf Gewinn einer heranwachsenden Unternehmer- und Erfinderschicht entstanden auch die ersten sozialen Bewegungen in den Arbeiterzentren. Begleitend um die ersten Anfänge gab es noch eine hohe Armut der Landbevölkerung und Arbeiter, die von Hungersnöten und Massenarbeitslosigkeit geplagt sich zur Auswanderung gezwungen sahen. Allein aus dem Rheinland sollen zu dieser Zeit etwa 3000 Menschen jährlich in die neue Welt gezogen sein.

Es war zwar keine rosige Zeit, aber die Welt war im Umbruch: Die Bevölkerung tat nicht mehr das, was der Feudalherr befahl, sondern suchte sich selbst ihr Glück. Es entstanden die ersten sozialen Bewegungen.



Die Wirtschaftliche Situation im Erftkreis im 18. Jahrhundert

Um das relativ liberal eingestellte Feudalsystem im Rheinland entwickelte sich die Landwirtschaft und das Handwerk wie überall in Deutschland. Irgendwann gab es nicht mehr genügend Arbeit. Mit dem Beginn der Industrialisierung zog es die Landbevölkerung in die Städte. Manche Familien blieben auf dem Lande wohnen und der Vater lebte während der Woche in Arbeiterunterkünften.

Mit dem Aufkommen der Bahn war es zum erstenmal einer breiteren Anzahl von Arbeitern möglich, an Wochenenden zur Familie zu fahren, anstatt vielleicht nur einmal im Monat oder zweimal im Jahr. Allerdings gab es erst Ende des 18. Jahrhunderts genügend Bahnstrecken. Diejenigen, die verkehrsgünstig wohnten, konnten als Berufspendler sogar täglich von der Wohnung zur Arbeitsstätte fahren, wie die Arbeiter in den Städten.

Dies war die Zeit der Entstehung der innerstädtischen Straßenbahnen und der Kreisbahnen.



Kolping

Die in die Städte ziehende Landbevölkerung war gezwungen, anfangs in Massenunterkünften zu leben, ein Teil hatte noch die Familie zu Hause gelassen und wegen des weiten Weges sah manch einer die Familie nur einmal im Monat oder nur wenige Male im Jahr. Um diese Problematik entstand die Kolpingbewegung, eine soziale Einrichtung zur Betreuung der von ihrer Familie getrennten Arbeiter.

Adolf Kolping stammte aus Kerpen im Erftkreis und wurde als Geistlicher mit der Gegenwartsproblematik seiner Zeit konfrontiert. Aus einer ländlich relativ intakten Welt vor den Toren Kölns entsandt in die Arbeiterunterkünfte an Rhein und Ruhr betätigte er sich missionarisch gleichermaßen um das geistige und körperliche Wohl der Arbeiter.



Kohle

Bei der im Erftkreis vorkommenden Kohle handelt es sich um Braunkohle, die im Tagebau gewonnen wird, im Gegensatz zur höherwertigen Steinkohle, die im Ruhrgebiet und bei Aachen gewonnen wird. Neben der Verstromung war insbesondere die Brikettierung kennzeichnend für die heimische Region. Als Hauptabnehmer aber wurde die Industrie mit Braunkohle versorgt.

Im alten Kreis Bergheim und Kreis Köln Land verdanken viele Gemeinden ihre wirtschaftliche Entwicklung der Kohle. Brühl, Liblar und Hürth im 18. Jahrhundert im heutigen südlichen Erftkreis auf deren Gebiet sich heute Erholungsseen, Naturschutzgebiete und neue Industrieflächen befinden, waren die ersten Nutznießer dieser wirtschaftlichen Entwicklung. Es folgten Kierdorf, Brüggen und Frechen. Im Jahre 2000 finden sich Tagebaue nur noch im Norden des Erftkreises bei Bergheim / Niederaußem und Bedburg / Frimmersdorf.



Kreisbahn

Seinerzeit war es privaten oder kommunalen Investoren gestattet, nach dem sogenannten Kleinbahngesetz private Bahnstrecken zu errichten und zu betreiben. Im Rheinland war dies insbesondere die Firma Lenz, später die Nachfolgerin Westdeutsche Eisenbahngesellschaft, die mehrere Kleinbahnen im Auftrag der Kreise betrieb. Anfangs größtenteils als Schmalspursystem ausgerichtet wurden die Kreisbahnen teilweise auf Normalbetrieb umgestellt und verstaatlicht, die meisten wurden eingestellt.

Volkswirtschaftlich erfüllten sie anfangs eine Lücke, in die die damaligen großen privaten Bahngesellschaften mangels wirtschaftlichen Interesses nicht vordringen wollten. Ihre Existenz basierte größtenteils auf dem Transport von Kohle und Rüben. Aber auch der Personenverkehr war oftmals nicht unerheblich. Die Pendlerzüge morgens und abends waren immer gut besetzt. Viele Kreisbahnen arbeiteten wirtschaftlich, mußten jedoch die Schikanen der großen Bahn ertragen. Auch in den 30er und 40er Jahren blühten die Kreisbahnen, die meistens auf Regelspur umgestellt waren.

Im alten Kreis Bergheim sorgte die Bergheimer Kreisbahn und die Mödrath - Liblar - Brühler Bahn für die Anbindung Bergheims an die Bahn, die Verbindung der Zuckerfabriken, die Rübenanfuhr, die Versorgung der Zuckerfabriken und sonstigen Fabriken mit Kohle und Rohstoffen, sowie dem Warentransport einzelner Fabriken. Über die Strecken Mödrath - Libler - Brühl und Mödrath - Benzelrath - Frechen konnte sogar der Anschluß an den Rhein auf Privatbahnen hergestellt werden.

Nach der Verstaatlichung blieb das Gleissystem noch etwa bis in die 50er Jahre bestehen. Danach kam es wegen des Wegfalls einiger Tagebaue zu Streckenstillegungen im Süden des Kreises. Insbesondere der Wegfall der Rübentransporte machte die Strecken nach Elsdorf und Ameln unrentabel. Die Strecke Horrem - Bedburg lebt als Teilabschnitt der heutigen Bahn weiter, weiterhin gibt es noch eine Reststrecke Niederaußem - Rommerskirchen, die von der Rheinischen Braunkohle AG genutzt wird.



Wirtschafts- und Verkehrsgeschehen im 21. Jahrhundert

Die industrielle Revolution brachte dem Erftkreis am Rande der Brennpunkte Köln und Ruhrgebiet bedingt durch die Braunkohle eine relativ günstige Entwicklung. Der Anschluß an die heutige Industrie-, Handels- und neuerdings Mediengesellschaft mit ihren Wirtschaftszentren hat fast großstädtischen Charakter.

Die im ehemaligen Kölner Landkreis existierende Chemie und Stahlindustrie im Süden des Erftkreises steht mit der neuen Medienindustrie in Hürth und der Energieerzeugung im Norden an der Spitze der Wirtschaft. Aus den ehemaligen Braunkohlestädten Brühl, Hürth und Frechen sind schmucke kleine Handelszentren geworden. Die ehemaligen Tagebaue wurden zu Erholungszentren und Naturschutzgebieten. Der nach Norden hin gewanderte Braunkohletagebau ist noch für Jahre ein bedeutender Wirtschaftszweig. Kleine und mittelständische Unternehmen konnten sich nicht zuletzt als Zulieferer für die Braunkohlenindustrie spezialisieren, ansiedeln und weiterentwickeln.

Die nach Westen hin gelegenen ländlichen Gebiete verfügen über eine leistungsfähige Landwirtschaft auf bestem Boden in Nähe von mittelgroßen Städten, die sich sehen lassen können. Verkehrsgünstig gelegen zeichnen sich insbesondere Bergheim und Kerpen hier aus.

Eisenbahn - Hauptverkehrsader ist die durchgehende Strecke Köln - Aachen, die um 2002 viergleisig für Hochgeschwindigkeitszüge und hochfrequentierten S-Bahnbetrieb ausgelegt ist. Die Nebenstrecke Horrem - Neuß ist ebenfalls in einen getakteten Nahverkehrsbetrieb mit eingebunden und wird bis Bergheim für den Güterverkehr genutzt.

Westlich des Autobahnringes Köln durchkreuzen 2 Hauptautobahnstrecken den Erftkreis: Die A 4 von Köln nach Aachen in ostwestliche Richtung und die A 61 von Koblenz nach Mönchengladbach in nordsüdliche Richtung. Südlich und südwestlich von Köln führen die A 555 nach Bonn und die A 3 Richtung Trier. Holland und Belgien beginnen etwa 60 km entfernt vom Autobahnkreuz Kerpen.

Die Entfernung von 30 km zum Flughafen Köln / Bonn oder 60 km zum Düsseldorfer Flughafen ist günstig, jedoch wegen des hohen Verkehrsaufkommens relativ unbequem. Der momentane Ausbau der S-Bahn-Strecke von Köln Hbf zum Flughafen in Köln - Wahn wird auch die Verbindung zum Erftkreis wesentlich attraktiver machen.

H.K.

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