Auswanderungen nach Amerika aus der früheren Bürgermeisterei Kuchenheim |
Schweres Kapital deutscher Not am Rande der Eifel im 19. Jahrhundert |
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Von Karl Otermann |
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Im Jahrbuch 1982 (S. 132 ff.) habe ich einen ersten Beitrag zu diesem Thema gegeben und eingeleitet mit Palmersheim, wo allein an einem Tage - am 25. Januar 1844 13 Dorfbewohner aus wirtschaftlicher Not nach Amerika, dem Lande der Hoffnung, »der unbegrenzten Möglichkeiten«, ausgewandert sind. Für die Jahre 1842 bis 1845 hatten insgesamt 165 Personen aus den Dörfern der Bürgermeisterei Kuchenheim die Reise über den Ozean angetreten. Es war eine sozial sehr harte Zeit im damaligen Deutschland; denn eine Sozialgesetzgebung lag noch in weiter Ferne, sie trat erst Ende des Jahrhunderts in Kraft. Wer in Not war, war entweder zum Betteln oder Hungern verurteilt - Große Teile der Bevölkerung lebten am Rande des Existenzminimums. » Eine Massenverelendung lag vor, sie äußerte sich am schärfsten zu Beginn der vierziger Jahre. Als noch wegen Kartoffelfäule eine Hungersnot hinzukam, erreichte die Krise 1846/47 ihren Höhepunkt« (H. Kellenbenz). Im Band II der Rheinischen Geschichte zitiert H. Lademacher (S. 487): »In den vierziger Jahren dürften Verelendete und am Rande der Verelendung Lebende bereits die Mehrheit der Bevölkerung der Rheinprovinz, vor allem in den älteren Gewerbelandschaften, ausgemacht haben«. Diese dauernde Massenarmut im vergangenen Jahrhundert, im 19. Jahrhundert mit »Pauperismus« (lat. pauper = arm) bezeichnet und auch heute noch mitunter von Wissenschaftlern gebraucht, kennzeichnet die Wirtschafts- und Bevölkerungskrise des vorindustriellen Zeitalters und führte zu einem sprunghaften Anstieg der Auswanderung nach Übersee. So hat man für Deutschland von 1846 bis 1855 rund 1,1 Millionen Auswanderer errechnet. Für das Europa jener Jahre: Zwischen 1830 und 1860 zogen über 5 Millionen Europäer in die Vereinigten Staaten. Zurück in unsere Heimat: Heinrich Neu schreibt im Buch »Schleiden -Vergangenheit und Gegenwart« (S. 39), daß 1816/17 der König Korn aus den Ostprovinzen der Monarchie in die Hungergebiete des Rheinlandes habe bringen lassen, und daß damals der Schleidener Oberpfarrer Jost »verkaufte ein kostbares spätgotisches Gemälde, das Mittelstück des Hochaltars der Schleidener Schloßkirche, an ein Kölner Museum, um die Not seiner Pfarrkinder lindern zu können«. In der damaligen Bürgermeisterei Kuchenheim liegen für die Dörfer Kuchenheim, Wüschheim, Stotzheim, Flamersheim, Großbüllesheim, Kleinbüllesheim, Palmersheim, Kirchheim ab ~.846 folgende Auswanderungszahlen nach Übersee vor: 1846 = 23, 1847 = 57, 1848 = 3, 1849 = 4, 1850 = 9; mit 1854 steigt die Zahl der Auswanderer auf 20. 1855 sind unter den 14 Auswanderern allein 12 aus Kuchenheim. 1856 wandern 21 aus, darunter 14 aus Kuchenheim. Von da an sind es nur noch einzeIne, die bis 1894 nach Amerika auswandern. Und hier wieder Namen - dieses Verfahren hat schon im Beitrag von 1982 erfreuliche Beachtung gefunden: Aus Kuchenheim (Juni 1846) der Schneider Heinrich J. J. Haegen mit Ehefrau Gertrud geb. Kessel und 5 Kindern ; der Ackerknecht Johann W. Kessel (er war übrigens 61 Jahre alt) ; der Müller Heinrich Kreuder mit Ehefrau Margret geb. Billig und 4 Kindern. Aus Wüschheim (Juli 1846): der Ackerer Johann J. Hilger mit Ehefrau Elisabeth geb. Stotzheim und 3 Kindern; der Nagelschmied Johann Stotzheim mit Ehefrau Maria C. geb. Pitz und 2 Kindern. Aus Flamersheim (April 1847) : der Wirt Johann Schmitz mit Ehefrau Maria geb. Bell und 6 Kindern; der Faßbinder G. Römer mit Ehefrau Elisabeth geb. Roland und 4 Kindern. Aus Kirchheim (April 1847) : der Ackerer Johann Salentin mit Ehefrau Maria geb. Gemünd und 9 Kindern (Sohn Christian mußte zuerst noch seinen Soldatendienst beenden). Aus Wüschheim (April 1847) : der Schäfer Peter Rademacher mit Ehefrau Catharina geb. Rive und 3 Kindern und dem Vater der Ehefrau, Nicol. Rive; der Ackerer Peter Seiler mit Ehefrau Anna Maria geb. Kamp; (10. Mai 1847) der Ackerer Gottfried Keisen mit Ehefrau Anna Cath. geb. Jannes und 8 Kindern (zwischen 5 und 25 Jahren). Aus Großbüllesheim (6. Mai 1847) : der Ackerer Johann W. Sonntag mit 4 Kindern (11 bis 21 Jahre alt). Aus Stotzheim (17. Mai 1847): der Wirt Matthias Müller mit Ehefrau Barbara geb. Alef und 7 Kindern (6 bis 14 Jahre alt). Aus Flamersheim der Hufschmied Franz Kolvenbach (Januar 1847); der berufslose Ernst Peltzer mit Ehefrau Johanna ? und dem vierjährigen Sohn (Juni 1848). Aus Kirchheim (April 1848): der Gerber Peter J. Salentin mit Ehefrau Sophia geb. Harzheim und 1 Kind. Für das Jahr 1849 sind als Auswanderer nach Amerika registriert: Aus Großbüllesheim Heinrich Joseph Sonntag und Engelbert Sonntag (Februar), die damit den Eltern (s. Mai 1847) nachgezogen sind. Aus Flamersheim (Mai und Juni) : der Schlosser Johann Colvenbach und der Ackerer Wilhelm Schnitzler. Und 1850 wandern aus Wüschheim aus (Juli): der Ackerer Werner Faßbender mit Ehefrau Gertrud geb. Klang (?) und 5 Kindern (zwischen 3 und 10 Jahren); der Ackerer Johann Heinrich Büttgenbach und der Ackerer Matthias Joseph Kesseler . Für 1851 sind in der Bürgermeisterei 2 Auswanderer nach Amerika feststellbar, und zwar aus Flamersheim (April) der Schreinergeselle Jacob Kolvenbach und aus Kirchheim (April) der Ackerer Johann J. Schmitz. 1852 zählte man 7 Auswanderer: aus Wüschheim (März) der Taglöhner Friedrich Kleefisch mit Ehefrau Anna Maria geb. Büttgenbach und 4 Kindern (2 bis 9 Jahre alt); aus Kuchenheim der Konditor Friedrich Meysenburg. Für das Jahr 1853 ist keine Eintragung zu finden. Für das Jahr 1854 steigt dann die Zahl der Amerika-Auswanderer auf 20; die meisten sind zwischen 22 und 30 Jahre alt. Aus Großbüllesheim: die Ackerer Engelbert Sonntag und Matthias Joseph Sonntag (im April). Aus Flamersheim: der Schönfärber Heinrich Jacob Cüppers (Juni), der berufslose Peter Schäfer (Mai), der Handlungsgehilfe Heinrich G. Jossim (?) und der Zimmermann Daniel Hoevel (Sept.) mit zehnköpfiger Familie, die dann aber irn November 1854 wieder ins Dorf zurückkommt. Aus Kuchenheim (Mai) der Gerber Wilhelm Nelles. Aus Stotzheim: der Tuchwalker Matthias J. Holler (Mai); der Tischler Carl Jos. Neuburg mit Ehefrau Hubertine geb. Geuer und 5 Kindern (4 bis 14 Jahre alt) (Mai) ; der Ackerer Aloisius Neuburg (Mai); im September der Handelsmann Martin Reitz; im Oktober der Taglöhner Peter Jos. Nürrenberg mit Ehefrau Margarete geb. Gilles und 2 Söhnen. Aus Kirchheim hatten einen Vertrag nach New York unterschrieben: Peter Joseph Limbach, Peter Jos. Henn und Friedrich Hecker. Es ist nicht erkennbar, ob sie ausgewandert sind. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß aus Großbüllesheim, am 20. Februar 1854, der Rotgerber Peter Joseph Robertz in das Großherzogturn Baden ausgewandert ist - gemäß des damaligen Verfahrens im Deutschen Bund. 1855 (im April) wanderten aus Kuchenheim 12 Personen aus: der Anstreicher Franz Anton Hecker, Heinrich Ulmen (berufslos) mit Ehefrau Anna Maria geb. Colvenbach und 3 Kindern (12 bis 20 Jahre alt); der Tuchmacher Peter Joseph Bungertz mit Ehefrau Margarete geb. Wolber und der einjährigen Tochter; der Ackerer und Taglöhner Matthias Wakes (?) mit Sohn (11) und Tochter (9). Ebenfalls im April 1855 wanderten aus Großbüllesheim aus: der Schreiner Johann Wilhelm Sonntag und der Rotgerber Jacob Joseph Sonntag. Unter den 21 Auswanderern des Jahres 1856 sind 14 aus Kuchenheim: der Wagner Jacob Ehser mit Ehefrau Maria Jos. geb. Braun und 2 Töchtern (10 und 18 Jahre alt); der Ackerer Gaspar Neuburg mit Ehefrau Sophia geb. Koenen und 8 Kindern (zwischen 2 und 18 Jahren). Für Stotzheim stoßen wir wieder auf den Namen Neuburg. Da wandern ebenfalls im Jahre 1856 (im März) aus: der Taglöhner Engelbert Neuburg und der 70jährige Witwer Jacob Neuburg; der Taglöhner Thomas Schumacher mit Ehefrau Gatharina geb. Neuburg und 3 Kindern ( 4 bis 8 Jahre alt) . Diesen Bericht möchte ich schließen - die Forschungen gehen allerdings weiter -mit einem Auszug aus dem Bericht, den der damalige Landrat des Kreises Euskirchen, Johann Peter Schroeder (1833 -1874), am 28. April 1854 der Königlich-Preußischen Regierung in Köln vorgelegt hat. Der Bericht des Landrates des Kreises Rheinbach, zu dem damals die Bürgermeisterei Kuchenheim gehörte, wird zu entsprechenden Ergebnissen gekommen sein. Es ist die Sicht der Obrigkeit. » Die seitherigen Auswanderungen aus dem hiesigen Kreise sind fast ausschließlich nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika gerichtet, und die Auswanderer gehören dem Stande der Tagelöhner, Handwerker und den geringen Ackerbautreibenden an. .. Dort (in Amerika) heißt es. ..werden keine Steuern gezahlt, keine Truppen ausgehoben, man kennt keine lästigen Polizei-Maßregeln, die Ländereien sind wohlfeil, der Boden ist fruchtbar, die Nahrung reichlich und das Leben behaglich. Diese Schilderungen finden leichtes Gehör und Eingang bei allen denjenigen, die sich durch die Klassensteuer, worüber beiläufig gesagt, die untere Volksklasse häufig klagt, oder die hin und wieder hochstehenden Gemeindebeischlägen oder durch Schulgelder und Schulzwang oder durch sonstige Verhältnisse gedrückt glauben, und für den Tagelöhner insbesondere ist die Aussicht, sich mit wenigem Geld soviel Ackerland erwerben zu können, als zur selbständigen Existenz erforderlich scheint, ohne Zweifel sehr anziehend. Im allgemeinen kann man nach meinen Wahrnehmungen annehmen, daß nicht politische oder konfessionelle Motive zur Auswanderung antreiben, sondern daß alle, die sich zum Auswandern entschließen, sich mehr oder weniger in bedrängter Lage befinden und das Vaterland nur deshalb verlassen, weil sie glauben, sich und den ihrigen in Amerika durch Ankauf von Ländereien eine bessere Zukunft bereiten zu können. « |
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1) Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Abt.
Euskirchen |
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Entnommen: Heimatkalender - Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1983 |
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