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80 Jahren: Hochwasserkatastrophe am 12./13. Juni 1910 im Ahrtal |
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Von
Peter Weber |
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- Die letzte
Hochwasserkatastrophe im Ahrtal liegt in diesem Jahr 80 Jahre
zurück. Es war bei weitem nicht die erste, denn seit dem
14. Jahrhundert sind für die Ahr und ihre Nebenbäche
75 Hochwasserfälle belegt. Man kann sich kaum vorstellen,
daß die Ahr und die in sie mündenden Bäche zu
solch reißenden Strömen werden, wenn die Umstände
es bedingen.
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Das Hochwasser vom Jahre 1910
war für das Ahrgebiet folgenschwer und wurde nur noch durch
die Hochwasserkatastrophe von 1804 übertroffen. Wie kam es
zu dieser verheerenden Katastrophe? Es hatte wochenlang
geregnet, und der Boden konnte kaum noch Wasser aufnehmen. Dann
gingen in der Nacht vom 12. zum 13. Juni im Niederschlagsgebiet
des Trierbaches und des Adenauerbaches mehrere Wolkenbrüche
nieder, die längere Zeit andauerten. Vom Meteorologischen
Institut in Berlin wurde für das Niederschlagsgebiet des
Trierbaches eine mittlere Regenhöhe von 105 mm und für
Adenau 125 mm Regen festgestellt. Ahrbach, Nohner Bach,
Trierbach, Adenauer Bach und Ahr schwollen rasch an und traten
über ihre Ufer. In Müsch erreichte die Flut gegen drei
Uhr morgens ihren Höchststand, im 29 km entfernten Altenahr
gegen sieben Uhr. Der Abfluß des Wassers wurde dadurch
behindert, daß durch Baumaterialien, Gerüste,
Baubuden etc., die für die im Bau befindliche Ahrtalbahn
benötigt wurden, an vielen Stellen ein Rückstau
entstand.
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Müsch an der Ahr nach dem
Hochwasser 1910 |
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Die größten
Wassermengen brachte der Trierbach, der in Müsch in die Ahr
mündet. Bei Kirmutscheid hatte er auf einer Länge von
200 Metern und bei Müsch auf einer Länge von 60 Metern
die Straße vollständig weggespült. Von Müsch
ahrabwärts rissen die Flutwellen des Trierbaches und der Ahr
Baracken, Baubuden, Holzgerüste, Baumaterial und ganze
Kantinen mit sich fort, die wegen des Bahnbaus der Strecke
Dümpelfeld-Lissendorf entlang der Ahr vorhanden waren. An
den Brücken staute sich das Bauholz und führte dadurch
zu einem weiteren Ansteigen des Wassers. Diesem Druck hielten
einige der dadurch entstandenen Dämme nicht stand. Brücken
stürzten ein, und es kam zu einer Flutwelle. Zwischen Müsch
und Dümpelfeld wurde fast das gesamte Baumaterial
fortgeschwemmt. Zerstört wurden die Ahrbrücken in
Antweiler, Fuchshofen, Schuld, Insul, die Trierbachbrücke
bei Müsch und in weiteren Orten ahrabwärts. Die
Ahrbrücke in der Nähe des Laufenbacherhofes wurde
schwer beschädigt. |
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Ahrbrücke Laufenbacher
Hof bei Fuchshofen am 13.5.1910 |
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- Die Kantine Schober, die bei
Antweiler gestanden hatte, wurde mit 40 Insassen fortgetrieben,
obwohl sie hätte rechtzeitig geräumt werden können.
Der Wirt ließ sich aber dadurch in Sicherheit wiegen, daß
das Wasser eine Zeitlang fiel. Er ist bei dem Versuch, seine
Frau und sein Kind zu retten, umgekommen. Seine Frau konnte er
retten, wurde aber dann mit dem Kind von den Fluten
fortgerissen. Weggeschwemmt wurde auch die Kantine Krecklau. Die
Adenauer Zeitung vom 14. Juni 1910 berichtet darüber
folgendes: "Die am Laufenbacherhof stehende Kantine
Krecklau wurde, nachdem sich ein Teil der darin Befindlichen in
Sicherheit gebracht hatte, mit ungefähr 45 Arbeitern
weggespült. Der Wirt mit seiner Familie konnte sich retten,
und er warnte auch angesichts der drohenden Gefahr die, die in
der Wirtschaft waren. Diese sprachen aber vorher noch stark den
Getränken zu und wurden so kurz darauf von den Wellen
verschlungen. Ein Ingenieur sah sechs seiner Leute auf einem
Giebel herantreiben. Dieser staute sich an einem Hindernis. Die
Leute baten den Beamten, Rettung zu bringen. Doch war dies
unmöglich, und im nächsten Augenblick traf ein großer
Klotz die Brücke. Mit tiefem Weh mußte der Ingenieur
diese ihm bekannten Leute, darunter tüchtige Arbeiter,
versinken sehen." Eine dritte Kantine wurde bei Dümpelfeld
abgetrieben und verschwand für immer.
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Das Hochwasser kostete
insgesamt 52 Menschen das Leben. Es waren überwiegend Bahn -
arbeiter. Die Identifizierung
der Opfer war sehr schwierig, denn die Leichen waren zum Teil
stark entstellt. Hinzu kam, daß die Arbeiter in vielen
Fällen aus anderen Kreisen und aus dem Ausland stammten.
Zehn Tote mußten unerkannt beerdigt werden. Die meisten
der Opfer wurden am 15. Juni in Antweiler und Schuld in
Massengräbern beigesetzt.
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Beim Bahnneubau der Strecke
Dümpelfeld - Lissendorf waren etwa 2000 Arbeiter
beschäftigt. Viele davon wurden durch die Katastrophe
zunächst arbeitslos und auch obdachlos. Ein großer
Teil der Kantinen und anderer Unterkünfte war
weggeschwemmt, zerstört oder unbewohnbar geworden. Um
Ausschreitungen zu verhindern, wurde die Gendarmerie
vorübergehend erheblich verstärkt. Für die
Aufräumungsarbeiten wurden Soldaten abkommandiert. Bereits
am Abend des 13. Juni trafen in Adenau eine Kompanie des
Rheinischen Pionierbataillons Nr. 8 mit 138 Mann sowie ein Zug
von 35 Mann mit einem Hauptmann und vier Offizieren ein.
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Die Opfer der Katastrophe
werden auf dem Friedhof zu Schuld in einem gemeinschaftlichen
Grab beerdigt |
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- Die Hilfsmaßnahmen für
die Betroffenen unterstützte eine Sammlung, die in der
Rheinprovinz und den Nachbarprovinzen durchgeführt wurde.
Sie ergab den Betrag von 499753,49 Reichsmark und brachte die
rege Anteilnahme und Opferbereitschaft der Bevölkerung zum
Ausdruck.
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Die Gesamtschäden von
Gemeinden und Privatleuten wurden auf 2, 7 Millionen Reichsmark
geschätzt. Davon entfielen 1 ,6 Millionen auf Schäden
an Gemeindestraßen, -wegen und -brücken sowie an
genossenschaftlichen Bewässerungsanlagen und Flußwehren.
Die Wiederherstellung der Provinzialstraßen und -brücken
kostete 275000 Reichsmark. Als Folge der Naturkatastrophe gab es
auch große Hang- und Bergrutsche, die erst durch
umfangreiche Flußregulierungen aufgehalten werden konnten. -
Wie gewöhnlich nach solchen
Katastrophen wurden Überlegungen angestellt, wie in Zukunft
bei einem ähnlichen Hochwasser eine Verminderung der
Gefahren zu erreichen sei. Durch den Bau einer Talsperre im
Mündungsgebiet des Trierbaches sollte das Problem gelöst
werden. Bereits im Jahre 1907 war der Bau einer Talsperre von
Fachleuten erörtert worden. Im Jahre 1913 wurde von dem
Kreisbaumeister in Adenau zusammen mit der Firma Hüser &
Co. aus Oberkassel bei Bonn ein Projekt über eine
Talsperrenanlage und Wasserkraftwerke mit einem Kostenaufwand
von 12,5 Millionen Reichsmark aufgestellt. Ein anderer Plan sah
den Bau einer Talsperre und zweier Elektrizitätswerke für
17 Millionen Reichsmark vor. Zur Ausführung der Projekte
kam es durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht.
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- Bildnachweis
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S. 158, 161: Repro: Peter Weber,
Euskirchen
S. 159: Peter Weber, Wershofen
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Entnommen:
Eifel-Jahrbuch 1991 |