Von der Mühle zum Pochwerk

Burgfey - ein untergegangener Gewerbestandort

Von Dietrich Graf von Nesselrode

Die folgende Darstellung will die weniger bekannten Fakten über die früheren Bleierz-Aufbereitungsanlagen in Burgfey zusammenfassen. Von diesen Anlagen hat sich allein die Flurbezeichnung „Bleischmelze“ erhalten; in der Örtlichkeit ist von ihnen nichts mehr zu erkennen. In der ortsgeschichtlichen Literatur wurden sie, soweit ersichtlich, immer nur am Rande behandelt. Aus den wenigen Quellen ergibt sich immerhin, daß es sich im 19. Jahrhundert um ausgedehnte Anlagen gehandelt haben muß, die vielen Menschen Arbeit boten.

Diese Zusammenstellung kann nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie basiert neben verstreuten Literaturstellen vor allem auf einer Auswertung von Prozeßakten des Reichskammergerichts in Speyer durch den früheren Kreuzweingartner Pfarrer Nikola Reinartz sowie auf Akten und Veröffentlichungen des Roer Departement und des ehemaligen Bergamtes Düren. Diese Unterlagen (es handelt sich im wesentlichen um Konzessions-Akten) geben einen recht genauen Eindruck über Art und Umfang der Anlagen. Jedoch liefern sie keine Aufschlüsse über Geschäftsleitung, Produktionszahlen, Anzahl der beschäftigten Personen, soziale Verhältnisse etc. Auch Lagepläne und Schnittzeichnungen konnten bislang nicht aufgefunden werden (angeblich wurden alle Zeichnungen dem Konzessionswerber zurückgegeben).

Etwa zwei Kilometer von Mechernich liegt beidseitig der heutigen Landstraße 61 die nur aus wenigen Häusern bestehende Siedlung Burgfey. Sie gehört zum Stadtgebiet vn Mechernich, Kreis Euskirchen (Altkreis Schleiden). Die Gebäude gruppierten sich ursprünglich um eine kleine Burganlage, die etwa 200 Meter westlich der heutigen Landstraße in beherrschender Lage über dem Veybachtal lag. Es handelte sich um einen einfachen, talseitig von einer vorgelagerten Zwingermauer geschützten Wohnturm. Die Burg, ursprünglich Besitz der Grafen von Blankenheim, welche sie als Lehen ausgaben, war bereits im 17. Jahrhundert Ruine. Ein kleiner Gutshof wurde bis in unser Jahrhundert betrieben. Von der früheren Burganlage, deren Eigentümer seit Beginn des 19. Jahrhunderts in rascher Folge wechselten, sind heute nur noch geringfügige Mauerreste erhalten.

Unterhalb der Burg, am gegenüberliegenden Ufer des Veybaches, standen bis in das vorige Jahrhundert umfangreiche Bleierz-Aufbereitungsanlagen. Diese Anlagen wurden im Laufe der Zeit immer wieder verändert und modernisiert. Erst aufgrund der rasanten wirtschaftlichen und technischen Entwicklung des Mechernicher Bleiberges in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurden sie unrentabel und verschwanden in relativ kurzer Zeit von der Bildfläche.


Burgfey als Mühlenplatz

Seit vielen Jahrhunderten wird die Wasserkraft des Veybaches in Burgfey zum Antrieb von Wassertriebwerken genutzt. Bereits 1424 wird Burgfey als Mühlenplatz erwähnt. Am 25. April dieses Jahres bringt Arnold von Nechtersheim, Blankenheimischer Lehnsmann zu Burgfey, ein ausgesprochen wohlhabender Ritter, die Burgfeyer Mühle (das „Muelen erve“), deren eine Hälfte bisher das Kloster Steinfeld besaß, ganz in seinen Besitz. 1


Haus Burgfey mit der Ruine der alten Burganlage im Hintergrund; davor das Pochwerk, Schlämmgräben und –sümpfe und die Bleiwaage. Vorn in der Bildmitte das Allianzwappen Nesselrode/Wylich. (Federzeichnung von Renier Roidkin aus Spa, um 1725)
Foto: Rheinisches Bildarchiv, Nr. 610401


Die Bleihütte von Christian Vossell

Über zweihundert Jahre später, am 1. Juli 1661, schlägt der Bergwerksunternehmer Christian Vossell aus Roggendorf seinem Landesherrn, dem Grafen Salentin Ernst von Manderscheid Blankenheim (1644-1694), die Errichtung einer Bleihütte auf dem Gebiet der zur Grafschaft Blankenheim gehörenden Reichsherrschaft Mechernich vor. Als Standort nennt er den Platz in Burgfey, auf dem früher eine Mahlmühle gestanden hat. 2 Diese Bleihütte wurde 1662 auf Vossells Kosten gebaut. Im nahe gelegenen Gutshaus nahm Vossell seinen Wohnsitz. 3

Errichtung und Betrieb der Hüttenanlage stießen auf massiven Widerstand der benachbarten Grundherren zu Satzvey, Pesch (Becherhof) und Veynau, des Herzogs von Jülich, vor allem aber des Arenbergischen Schultheißen zu Kommern. Man befürchtete Überschwemmungen und den „gentzlichen verderb der fischerey“ im Veybach. Es gab Drohungen, Intrigen und Prozesse. Vossell sah sich Pfändungen seines im Bereich der Arenbergischen Reichsherrschaft Kommern befindlichen beweglichen Vermögens ausgesetzt. 4 Unter dem Schutz seines Landesherrn konnte Vossell die Bleihütte in Burgfey dennoch bis 1671 betreiben. 1667 wurde ihm sogar ein General-Belehnung zum Bergbau in den übrigen Gebieten der Grafschaft Blankenheim einschließlich der Freiherrschaft Jünkerath erteilt. 5 Jedoch scheint der Blankenheimer Graf mit dem wirtschaftlichen Erfolg nicht zufrieden gewesen zu sein. Vossell geriet in neue Streitigkeiten, diesmal mit seinem Lehnsgeber. Dieser verlangte den Bau eines Erbstollens, was Vossell als Gegenleistung für die Belehnung angeblich versprochen habe, und setzte schließlich eine Vertragsstrafe von 4.000 Reichstalern fest. Christian Vossell, der ein recht impulsiver Mensch gewesen sein muß, faßte daraufhin den folgenschweren Entschluß, das Kaiserliche Reichskammergericht in Speyer anzurufen. Umfangreiches Aktenmaterial dokumentiert die Härte dieser neuerlichen Auseinandersetzung. 6 Obschon Vossell mit seinen Anträgen an das Gericht teilweise Erfolg hatte, konnte er sich der nun einsetzenden Repressalien seines mächtigen Gegenspielers nicht mehr erwehren; 1672 mußte er Zuflucht in den sicheren Mauern der Stadt Euskirchen suchen. 7


Verhüttungstechnik im 18. Jahrhundert

Die Burgfeyer Bleihütte blieb bestehen, offenbar verloren jedoch die Blankenheimer das Interesse an ihrem Mechernicher Besitz: Im Jahr 1674, also nur zwei Jahre nach dem Weggang Vossells, verkaufte Salentin Ernst Graf von Manderscheid-Blankenheim, zusammen mit seinem Anteil an der Reichsherrschaft Mechernich, die den östlichen Teil des Bleiberges umfaßte, auch den Rittersitz Burgfey und alle davon „dependierenden Güter ..., Bergwerke und alle Mineralia, Stoss und Schmelzhütten“ an Johann Bertram von Nesselrode, Herrn zu Rath. 8 Verglichen mit dem Hauptteil des Bleiberges, der im Bereich der Arenbergischen Reichsherrschaft Kommern lag und der seit 1629 von der bedeutenden Unternehmerfamilie Meinertzhagen ausgebeutet wurde, war der Bergbau im Bereich des Mechernicher Berges eher unbedeutend; er beschränkte sich auf tagesnahe Erzvorkommen in den Fluren „Sittard“ und „Hardt“. 9 Der Abbau in größerer Tiefe scheiterte daran, daß das Problem der Wasserhaltung nicht gelöst wurde. Die Übertragung der Abbaurechte an eine große Stollengesellschaft, die diese Aufgabe in Angriff nehmen konnte, war offenbar gegenüber den vielen Eigenlöhnern nicht durchzusetzen. Dennoch scheint auch in der früheren Reichsherrschaft Mechernich der Bergbau und die Aufbereitung von Bleierz ein wichtiger Wirtschaftszweig gewesen zu sein. Diese dokumentieren in eindrucksvoller Weise zwei Federzeichungen des wallonischen Malers Renier Roidkin. Diese offenbar mit montanem Sachverstand angelegten Zeichnungen belegen anschaulich den Stand der damaligen Bergbau- und Verhüttungstechnik:

Eine der Zeichnungen, eine Gesamtansicht von Mechernich mit der Burgruine Burgfey rechts im Hintergrund, zeigt den Erzabbau am Mechernicher Berg, die Arbeit mit dem Beutelkorb und die Förderung des Bleierzes mit Aspelzügen. 10 Im Mittelpunkt der zweiten Ansicht steht der Guteshof Burgfey mit den Resten der alten Burganlage. Im Vordergrund ist unmittelbar am Veybach ein kleiner Fachwerkbau mit außen angebrachtem Wasserrad zu erkennen, daneben Grabenfelder, an denen Arbeiter mit Schiebern und Haken beschäftigt sind, schließlich die Bleiwaage und nahebei einige Fuhrleute, die auf die Beladung ihrer Fuhrwerke mit den schon bereitstehenden Fässern warten. 11 Mit der ihm eigenen Liebe zum Detail zeigt Roidkin eines der vielen Pochwerke in Mechernich und Umgebung, deren Aufgabe darin bestand, die im Bergbau geförderten und bereits unter Tage vom tauben Gestein befreiten Erzknotten zu einem feinen Pochmehl zu zerstampfen, aus dem dann das Bleierz in einem langwierigen Sieb- und Schlämmprozeß separiert wurde.

Im ersten Arbeitsgang wurden die Knotten in Pochtrögen zu einem feinen Mehl zerstampft. Dies besorgten die in einer Reihe angeordneten Pochstempel. Diese wurden durch Wasserkraft von „Heblingen“, welche auf einer hölzernen Nockenwelle angebracht waren, etwas angehoben, um dann durch ihr Eigengewicht in schnellem Rhythmus in den Pochtrog zurückzufallen. Durch viele kleine Öffnungen im Boden des Pochtroges wurde das aus Quarzsand und Bleipartikeln bestehende Mehl sodann unter einem ständigen Wasserstrom in ein darunter liegendes, mit Brettern ausgeschlagenes, leicht geneigtes Gerinne, die „Mehlführung“ gespült.

Die nun folgende Erzwäsche hatte zum Ziel, das Blei aus dem Pochmehl zu separieren und die Erzteilchen nach Größe in verschiedenen Behältern aufzufangen. Die hierbei angewandten Verfahren wurden im Laufe der Zeit immer weiter verfeinert. Die Sozialwissenschaftlerin Fanny Imle (1909) gliedert die Prozedur in zwei Arbeitsgänge 12. Die Kornseparation mit dem Ziel der Unterteilung des Haufwerkes in verschiedene Kornarten; sodann die Konzentration, d.h. die Trennung vom Sand. Die hierbei angewandten Verfahren basierten auf dem Schwerkraftprinzip, welches bewirkte, daß sich unter einem schwachen Wasserstrom die schwereren Erzteilchen vor den leichteren ablagerten, während die noch leichteren Sande fortgespült wurden und erst im Klärteich zur Ruhe kamen. Um diese Ablagerung zu erreichen, mußte das Pochmehl auf Herden 13 bearbeitet und durch Gerinne, „Klausen“ und Schlämmsümpfe gespült werden. Das Hauptproblem bei allen diesen Arbeiten bestand in der richtigen Steuerung der Strömungsgeschwindigkeit, war diese zu hoch, so wirkte sie der Schwerkraft entgegen, was immer zum Verlust großer Bleimengen führte. 14 Dieser Bleisand stellte eine nicht unerhebliche Belastung für die Gewässer dar.

Das Ergebnis der Erzwäsche war die sogenannte Bleischliche, die durch Luftzug getrocknet, gewalzt und anschließend in Fässer abgefüllt und als Bleiglanz oder Glasurerz verkauft wurde. Sie fand in Töpfereien oder bei der Herstellung von Dachziegeln Verwendung. Nur geringwertiges Blei wurde in den „Bleischmelzen“ verbracht und dort zu Bleibarren verschmolzen; im Preis war es allerdings weniger günstig als das Glasurerz. 15 Derartige Schmelzhütten standen in Kommern, Roggendorf, Strempt und Wallenthal. 1763 ließ Franz Wilhelm Anton Graf von Nesselrode-Reichenstein auch in Burgfey eine Schmelzhütte errichten; offenbar hatte diese Anlage jedoch keinen längeren Bestand. 16



Mechernich und Burgfey (rechts), im Vordergrund der Bleierzbergbau am Mechernicher Berg (Federzeichnung von Renier Roidkin aus Spa, um 1726)
Foto: Rheinisches Bildarchiv, Nr. 610407


Betriebe des Grafen zur Lippe

Mit dem Einmarsch französischer Revolutionstruppen im August 1794 änderten sich die territorialen Verhältnisse im Mechernicher Raum grundlegend. Die Reichsherrschaft Mechernich ging in dem neu gebildeten Roer Departement auf; der Gutshof Burgfey fiel mit den zugehörigen Hüttenanlagen an den französischen Domänenfiskus und wurde alsbald versteigert. Die Konzessionsverteilung am Bleiberg wurde aufgrund des französischen Bergrechts neu geregelt, wobei die Bergwerkskonzession Meinertzhagen, die größte am Mechernicher Bleiberg, bestätigt wurde. Nach dem Tod des letzten Meinertzhagen im Jahr 1784 war diese Konzession an seine Tochter, die Gräfin Elisabeth zur Lippe-Biesterfeld gefallen. Sie und auch später ihre Erben kauften fortan in großem Stil Grundbesitz im Mechernicher Raum auf. Am 25. Juni 1806 ging zusammen mit dem Rittersitz Burgfey auch das zugehörige Pochwerk in ihren Besitz über. 17

In der Folgezeit treten die Grafen zur Lippe-Biesterfeld als Betreiber zweier Pochwerke in Burgfey in Erscheinung. Das zuvor bereits vorhandene „obere Pochwerk“ stand östlich der heutigen Straße Mechernich-Satzvey, das 1810 neu genehmigte „untere Pochwerk“, dem mehrere Stoßherde 18 sowie eine Glasurerzmühle mit eigenem Wasserrad angegliedert waren, westlich dieser Straße. Dem oberen Pochwerk wurde 1831 nachträglich „Permission“ erteilt; damals war es bereits mit zehn Stempeln in zwei Sätzen ausgestattet. Zur Anlage gehörten außerdem „vier Glasur-Waschherde, ein Letten-Schüppgraben und neun Hüvel-Schüppgräben“. Ein Obergraben mit einer Länge von 237 Lachter, auch „Pochgraben“ oder „Maschinengraben“ genannt, lieferte das Antriebswasser für das mittelschlägige Schaufelrad des „oberen Pochwerkes“, dessen Unterwasser sodann zum Obergraben des fünf Fuß tiefer liegenden „unteren Pochwerkes“ geführt wurde 19, bevor es durch zwei Ablaufgräben wieder in den Veybach zurückfloß.

Da das große Meinertzhagen'sche Bergwerk über einen eigenen Hüttenbetrieb bislang nicht verfügte, bemühten sich die Grafen zur Lippe-Biesterfeld auch um die Errichtung einer Schmelzhütte in Burgfey. Die erforderliche Konzession wurde ihnen am 18. September 1810 erteilt, und zwar mit der Maßgabe, daß das Hüttenwerk „allen für die Polizei des Bleibachs angenommenen Maßregeln unterworfen sei“ und seine Inbetriebnahme zwei Jahre nach Konzessionserteilung erfolge. 20 Die daraufhin in Burgfey erstellte „Bleischmelze“ wurde baulich dem „Unteren Pochwerk“ angegliedert. Sie war zunächst mit vier Krummöfen von nur geringer Größe ausgestattet, die um 1830 von sogenannten Halbhochöfen abgelöst wurden. Diese etwa zwei Meter hohen Öfen wurden bereits mit Steinkohle betrieben. Blasebälge sorgten für die nötige Luftzufuhr. An Gebäuden waren außerdem die Wohnung des Oberschmelzers sowie Kohleschuppen, Koksschuppen und Trockenschuppen vorhanden. Als „Bergkontrolleur“ fungierte in Burgfey bis 1828 Johann Caspar Knödler, der seinen Wohnsitz im Gutshaus hatte. Im Jahr wurden bis zu sieben „Campagnen“ betreiben.

Über die Produktion der Meinertzhagen'schen Betreibe in Burgfey liegen nur wenige Angaben aus unterschiedlichen Quelle vor: 1828 wurden 2672 Tonnen Knottenerze mit einem Erzgehalt von 60 bis 80 Prozent verpocht. 1841 wird der Absatz von Glasurerz als „mittelmäßig“ bezeichnet. Besonders bei den feineren und folglich teuren Sorten sei „die Begehr am geringsten“ gewesen, so daß der Lagerbestand bei Jahresschluß noch reichlich 7.000 Zentner (350 Tonnen) betrage. 21 Gemessen an der Glasurerzherstellung scheint die in den alten Halbhochöfen der Burgfeyer Bleischmelze erzielte Produktion von metallischem Schmelzerz immer relativ gering geblieben zu sein: Eine amtliche Statistik weist für das Jahr 1836 eine Produktion von 1.300 Zentner (65 Tonnen) Bleierz im Gegenwert von 7.800 Reichstalern bei einer Beschäftigtenzahl von 20 Arbeitern aus. 22 Mit dieser Angabe deckt sich eine andere Quelle, die von einer Jahresproduktion von 800 bis 100 Tonnen Werkblei spricht; dieses sei im wesentlichen zur Schrotherstellung verwendet worden. 23 Die Masse der in dem Meinertzhagen'schen Bergwerk gewonnenen Schmelzerze wurde zur Weiterverarbeitung in die Bleihütte zu Stolberg bei Aachen verbracht; die Transporte dorthin besorgte das Fuhrunternehmen des Joseph Kreuser aus gehen, das später von seinen vier Söhnen fortgesetzt wurde.



Kegelherd (“round buddle“) nach Gaetzschmann, „Die Aufbereitung“, Atlas, Tafel XLV


Das Burgfeyer Stollen-Pochwerk

Aufgrund der in der französischen Zeit vorgenommenen Neuaufteilung der Konzessionsfelder gehörte das Gebiet westlich des Veybaches einschließlich der Ortsbereiche Mechernich und Kommern zu den Konzessionen Guennersdorf und d'Artigues. Die Aufteilung der Konzessionsfelder im Mechernicher Raum war somit immer noch relativ kleinflächig. So konnte sich im Jahr 1808 aufgrund eines Napoleonischen Dekrets vom 22. Juli 1806 in unmittelbarer Nähe der beiden Meinertzhagen'schen Pochwerke ein weiteres Pochwerk etablieren. Betreiber der Anlage waren Kaspar Trimborn, Ludwig Hall sowie der Bergwerksunternehmer und damalige Kommerner Bürgermeister Sebastian Guennersdorf. 24 Das Werk stand hart westlich des Veybaches, und zwar nur wenige Meter oberhalb des Stollenmundloches, weshalb sich die Bezeichnung „Burgfeyer Stollen-Pochwerk“ einbürgerte. Diese Aufbereitungsanlage hatte jedoch von Anfang an mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie wurde bereits 1815 stillgelegt und verfiel.

Über zwanzig Jahre später benötigte das Bleibergwerk Guennersdorf eine Aufbereitungsanlage für die im Konzessionsfelde Peterheide gewonnenen Bleierze. Durch ihren Repräsentanten Hermann Joseph Hall aus Zülpich stellten die Konzessionäre beim Königlichen Bergamt in Düren den Antrag, das alte Stollen-Pochwerk wiederherzustellen und mit einer neuen Ausstattung, bestehend aus acht Stempeln in zwei Sätzen, zehn Glasurwaschherden und zwei Schlammgräben, betreiben zu dürfen. Das Waschwasser sollte dem Burgfeyer Stollen entnommen, durch eine an das Pochwerksrad angehängte Pumpe herbeigeführt und anschließend über verschiedene Schlammsümpfe dem Lutterbach, einem Nebenlauf des Veybaches, zugeführt werden. Als Antrieb war ein unterschlägiges Wasserrad vorgesehen, dessen Antriebswasser vom Veybach abgezweigt und durch einen 387 Fuß langen Graben herangeführt werden sollte. 25

Das Projekt scheiterte jedoch am Widerstand des Grafen Julius zur Lippe-Biesterfeld. Dieser hatte seine Anlagen in Burgfey in der Zwischenzeit derart ausgeweitet, daß beinahe das gesamte Veybachwasser in die Maschinengräben der beiden Burgfeyer Pochwerke floß. Die „Opposition“ des Grafen folgte denn auch auf dem Fuße. Ihr hielt Hermann Joseph Hall entgegen, daß die Gräflich Lipp'sche Hütte ursprünglich mit vier Pochstempeln gearbeitet und somit nur einen geringen Teil des Veybachwassers benötigt habe. Wenn der Graf seinen Hüttenbetrieb immer mehr ausgeweitet habe, so dürfe dies nicht zu seinen Lasten gehen. Immerhin sei die 1806 an Guennersdorf und Konsorten verliehene Konzession bislang nicht verjährt. 25 Es kam zu einem Prozeß über die Wasserrechte am Veybach, dessen Ausgang nicht bekannt ist. Möglicherweise erledigte sich das Verfahren letztendlich dadurch, daß 1846 Anteile an der Konzession Guennersdorf, welche wegen eines großen Stollenprojektes mit ständigen Kapitalschwierigkeiten zu ringen hatte, an die Gebrüder Kreuser und weitere Anteile an den Grafen zur Lippe-Biesterfeld übergingen. Erstmals zeichneten sich Möglichkeiten einer Vereinigung beider Unternehmungen ab.


Letzter Aufschwung und Niedergang

Auch der Alleininhaber der in der Konzession von Meinertzhagen betriebenen Bleibergwerke in Mechernich, Graf Julius zur Lippe-Biesterfeld, war allmählich zu dem Entschluß gekommen, sich von seinem expandierenden und folglich immer schwerer zu leitenden Bergwerksbetrieb zu trennen. Bereits 1850 hatte er die Gebrüder Hilarius, Karl, Werner und Wilhelm Kreuser an seinem Unternehmen beteiligt. Durch notariellen Vertrag vom 17. Dezember 1852, abgeschlossen vor dem Königlichen Notar Mathias Gaul zu Schleiden, verkaufte der Graf schließlich zusammen mit dem gesamten Mechernicher Bleibergwerk auch dessen Burgfeyer Betriebsteil sowie seinen gesamten Grundbesitz in der Eifel für 600.000 Taler an die Gebrüder Kreuser. 26

Diese ungewöhnlich geschäftstüchtigen Kaufleute leiteten gleich nach Übernahme des Betriebes umfangreiche wirtschaftliche Aktivitäten ein: 1854 wurde mit einer bereits vom Vorbesitzer geplanten Erweiterung des oberen Burgfeyer Pochwerkes auf 40 Stempel, 26 Glasurherde, 36 Schlämmgruben, vier Röschgräben, vier Stoßherde und auch acht Schlämmsümpfe begonnen. 27 Eine weitere Modernisierung erfolgte 1855 mit der Einrichtung von fünf Kegelherden (“round buddels“). Hierbei handelte es sich um große, kegelförmig angelegte Rundbauten, im Aussehen ähnlich heutigen Klärbehältern, in denen umlaufende Bürstenlatten dafür sorgten, daß sich die stark bleihaltigen Teile um die Spitze des Herdkegels ablagerten, während die leichteren Teile weiter nach unten gespült wurden. 28 In Schlämmfässern, sogenannten „dollys“ erneut mit Wasser versetzt, wurde die Schliche sodann durch rotierende Flügel in kreisende Bewegung gebracht, was bewirkte, daß sich die verschiedenen Gemengteile entsprechend ihrem spezifischen Gewicht schneller oder langsamer ablagerten. Alle diese Anlagen bedingten eine höhere Antriebsenergie, was die Umstellung des Antriebes von mittelschlägigen auf größere, oberschlägige Schaufelräder sowie eine erhebliche Verlängerung des Obergrabens erforderlich machte.


Nachpochwerk nach Agricola

Als Gewerbestandort war Burgfey in der Zwischenzeit derart interessant geworden, daß sich auch ein auswärtiges Unternehmen der wachsenden Anlage mit einem eigenen Betrieb anschließen wollte: 1854 ersuchte die Actien-Gesellschaft für Bergbau, Blei- und Zinkfabrikation in Stolberg, vertreten durch ihren Generaldirektor Marquis des Sassenay, beim Bergamt Düren um die Erlaubnis, in „circa 20 Ruthen nördlicher Entfernung von den Burgfeyer Aufbereitungs-Anstalten drei Röstöfen erbauen und zum Rösten von Bleierzen betreiben zu dürfen“. Die Öfen sollten mit Steinkohlen betreiben, der Rauch durch einen 60 Fuß hohen kamin abgeführt werden. Aus nicht näher bekannten Gründen wurde dieser Plan 1856 fallen gelassen. 29

Den Schritt zum industriellen Großbetrieb vollzogen die Gebrüder Kreuser im Jahr 1859 mit der Einbringung ihres gesamten Industrie- und Grundvermögens in den von ihnen neu gegründeten Mechernicher Bergwerks-Actien-Verein, dessen Grundkapital 3.200.000 Taler betrug. Damit war die finanzielle Grundlage für einen einzigartigen Aufschwung des Mechernicher Bleibergs geschaffen, der 1884 bereits 4400 Menschen beschäftigte. Allerdings genügten die vorhandenen Aufbereitungsanlagen, ihnen voran die Burgfeyer Hütte, nicht den Anforderungen einer modernen Großproduktion. Im „Bachrevier“ südlich von Mechernich entstand in der Nähe eines 1851 eröffneten Großtagebaus das „Königspochwerk“, ein mit Dampfmaschinen angetriebenes Pochwerk mit zunächst 120 Stempeln, das 1854 um 20 Stempel erweitert wurde und 1874 mit 265 Pochstempeln das damals größte Pochwerk der Welt war. 30 Damit war der Niedergang der Burgfeyer Werke besiegelt. Letztmalig wird Burgfey 1864 im Zusammenhang mit der Eröffnung einer neuen Produktionsstätte genannt: Am 6. Dezember dieses Jahres wurde dem Mechernicher Bergwerks-Actien-Verein die Erlaubnis erteilt, an der Burgfeyer Bleischmelze eine Dampfmaschine zur Herstellung von Bleiröhren zu errichten. 31 Mit Eröffnung der Magdalenenhütte in Mechernich im Jahr 1869 ging auch die Burgfeyer Hütte außer Betrieb; es verblieb dort lediglich eine kleine Aufbereitungsanlage zur Gewinnung von Bleierzen aus Haldenrückständen, welche bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts betrieben und um die Jahrhundertwende abgebrochen wurde. - Aus der Zeit des Mechernicher Bleibergbaus ist in Burgfey lediglich das Mundloch des 1807 von Sebastian Guennersdorf begonnenen, 5284 Meter langen Entwässerungsstollens übrig geblieben.


Anmerkungen

  1. Joester, Urkunde Nr. 433/S. 361

  2. Reinartz, S. 9; Leduc/Veröffentlichungen 2/28

  3. Reinartz, S. 11 f

  4. Reinartz, S. 10 f

  5. Reinartz, S. 14

  6. Reinartz, S 15

  7. Reinartz, S. 23

  8. Strange, S. 30

  9. Leduc/Veröffentlichungen, 2. Jahrgang/Hr. 29

  10. Rheinisches Bildarchiv, Fotoplatte Nr. 610407

  11. Rheinisches Bildarchiv, Fotoplatte Nr. 610401

  12. Imle, S. 101

  13. Unter „Herd“ versteht man eine „ebene oder regelmäßig gekrümmte Fläche, auf welcher die fein zerkleinerten Mineralmassen als Mehl oder Schlamm mit Wasser behandelt werden, um sie so zu reinigen, das darin enthaltene Nutzbare zu concentrieren. ... Die Concentration auf Herden erfolgt hauptsächlich und zunächst mit Hilfe des Wasserstoßes und der Adhäsion der Stoffe an der Fläche des Herdes oder auch auf der Oberfläche des bereits darauf abgelagerten Vorrates. Der erstere strebt, die Teile über den Herd hinwegzutreiben, die letztere, sie darauf zu erhalten“ (Gaetzschmann, II, S. 266 ff; § § 392 ff)

  14. Imle, S. 102

  15. Leduc/Ortskundliches Lexikon, „Bleierzbergbau“, d)

  16. Stadtler, S. 49

  17. Bergbauarchiv Bochum, Akte 60/15

  18. „Der Stoßherd ist ein an vier Ketten, Seilen oder Stangen aufgehängter Herd, welcher, während die Trübe darüber hinwegläuft, seiner Länge nach vorwärts angeschoben wird und beim Zurückschwingen gegen einen festen Widerhalt stößt. Durch den Anstoß werden unter Mitwirkung des über den Herd strömenden Wassers die leichteren Gemengteile des Vorrates vorwärts und über den Herd hinabgeführt, durch den Anprall aber die schwereren darauf befestigt oder sogar weiter hinaufgerückt“ (Gaetzschmann, II, S. 405 ff)

  19. Amtsblatt Regierung Aachen 1831, S. 655

  20. HStAD/Roer Departement, Nr. 3939

  21. Chronik der Bürgermeisterei Vussem, Bl. 42 (dem Verfasser nur als Auszug vorliegend); Kleeberg, S. 24

  22. Adelmann, S. 162/Nr. 25

  23. Stadler, S. 51

  24. HStAD/Roer Departement, Nr. 4414 (Konzession)

  25. HStAD/Bergamt Düren, Nr. 399a

  26. Biesterfelder Archiv, Urkunde Hr. 1985

  27. Amtsblatt Regierung Aachen, 1854. S. 150

  28. Gaetzschmann, II, S. 375 f ( §§ 434 ff) u. Atlas, Tafel XLV

  29. HStAD/Bergamt Düren, Nr. 402

  30. Slotta, S. 793 f

  31. Schröder, S. 62 ff.


Literatur

Kreis Euskirchen Jahrbuch 1992

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