Heidnisches Brauchtum mit christlichem Sinn erfüllt
Nordeifeler Sitten in Glehner Eigenart

Von Franz Heid

Die Menschen der Eifel sind in ihrem Brauchtum von der Römerzeit und dem christlichen Mittelalter bestimmt. Die Auswirkungen des keltisch-römischen Urgrundes auf das Volksleben und die Überlieferungen stehen dabei mit im Vordergrund. Die fränkische Besiedlung hat besonders für die Nordeifel einen entscheidenden Einfluß ausgeübt.

Die Veränderungen durch die 20jährige Inbesitznahme durch Napoleon und die Besetzungen durch französische Soldaten nach den Weltkriegen wirken sich aus.

Die Volkskunde erhält seit der Römerzeit ihre ersten Quellen um 1130 aus den Mirakelbüchern des Apostels Matthias aus Trier. Sagen und Überlieferungen von Burgen und Klöstern ergänzen neben den Ausgrabungen die Kenntnisse über das Volksleben.

Mit der Geschichte und Sprachforschung wurde vieles der Volkskunde geklärt. Studien über Grabbeigaben und Volksbräuche gingen in die gleiche Richtung. Ältere Mundartwörter, die früher allgemein verbreitet waren, sind heute zurückgedrängt.

Ein großer Teil der Bräuche ist heidnischen Ursprungs oder hatte heidnische Ideen und entsprach nach weitverbreiteter Meinung nicht der Lehre der Kirche. Deshalb beobachteten die Dorfpfarrer die verschiedenen Bräuche in ihrer Gemeinde mit Sorgfalt und Argwohn, weil sie in ihnen eine Gelegenheit zu Trunk, Völlerei und eine Gefährdung der Sittlichkeit sahen.

Alle diese Bräuche ließen sich aber nicht ausrotten oder verbieten. So versuchte man solch Bräuche mit christlichem Sinn zu erfüllen. Hexen-, Dämonen-, Geisterglauben, Wetterläuten, Kerzen anstecken bei Gewitter u. a. sind langsam ausgestorben.

Das Brauchtum wurde beinahe selbstverständlich an kirchlichen und weltlichen Festen sowie zu besonderen Anlässen abgewickelt; man sprach sogar von Tradition.

Das Dorf Glehn in der Voreifel, zwischen Flachland (Nederland) und Hocheifel (Huhefel), hat darin seine besondere Eigenart.


Neujahr

Auf Neujahr gehen Kinder im Alte bis zur Kinderkommunikation zu ihren Taufpaten, wünschen „eh joot Neujohr“ und erhalten „dat Neujohr“, einen Gebäckkranz, der aus geflochtenem Stuten mit Rosinen besteht. Der Neujahrskranz hatte bei großzügigen Paten (2 Stück) einen äußeren Durchmesser von etwa 60 cm und war in kargen Zeiten für die Kinder eine leckere Zusatzverpflegung.


Fastnacht

Die kleineren Kinder kostümieren und bemalen sich an den Tagen, „jon vom Huus ze Huus, on sönge Fastelovenslede““. Sie erhalten Bonbons (Kamelle) oder auch ein Ölgebäck (Mutze).

Die großen Burschen tollen mit einem in Erbsenstroh eingewickelten, an einer Leine gehaltenem Erbsenbär (Äezebär) durch die Dorfstraßen, gefolgt von einem Trupp von Jugendlichen und Kindern. Die teils Halbstarken grölen, saufen und stellen den erwachsenen Mädchen nach.


Palmsonntag

Die in der Kirche gesegneten Palmzweige steckt man an das Haus und an den Kuhstall, damit Mensch und Vieh vor Krankheiten (Seuchen) verschont bleiben sollen sowie als kultisches Mittel für Fruchtbarkeit. Es diente gleichzeitig als Schutz gegen Feuersbrünste.


Ostern

In den drei letzten Tagen der Karwoche werden die Kirchenglocken nicht geläutet; dann „senn de Jlocke noh Rom jevlooche“. An diesen Tagen geht ein Trupp Schuljungen vor den Messen, mittags und abends mit Holzklappern im Auftrage des Küsters durch alle Straßen des Dorfes und klappert. Die Klappern wurden selbst angefertigt und bestanden aus einem Griff, einem Querbrett und darüber ein kleiner Hammer mit Gelenk, das ganze aus Holz. Das Hämmerchen schlug bei kurzer ruckartiger Bewegung auf das Brettchen und erzeugte ein hölzern klapperndes Geräusch. Mit dieser Aufgabe wurden weitgehend die Meßdiener betraut, denen es viel Spaß machte.

Die Kinder vor der Kinderkommunion gehen Ostern zu ihren Taufpaten, wünschen „Frohe Ostern“ und „holle de Uesteeie af“ (gefärbte Ostereier). Sie nehmen eine Kleinigkeit mit und bekommen je nach Freigebigkeit 10 - 20 bunte Eier geschenkt.

Kinder und Heranwachsende „tippen“ miteinander gefärbte Ostereier. Von 2 Spielern nimmt jeder ein Ei, stößt Spitze gegen Spitze möglichst das des anderen entzwei. Bleibt eins dabei ganz, so hat der Besitzer dann zwei, denn das eingedrückte Ei ist abzuliefern.

Aus feierlichem Anlaß wird „gebeiert“. Die Klöpper der Kirchenglocken werden in kurzem Abstand zur Glocke an Seilen befestigt und diese am Gebälk straff festgebunden. Durch Rucken mit den Händen an den Seilen der zwei kleinen Glocken wird eine Melodie erzeugt und mit dem Seil der großen Glocke am Fuß wird der Takt geschlagen. Dies geschieht durch einen vom Küster beauftragten jungen Mann an den Samstagen zur Osterzeit und während der Fronleichnamsprozession. Die „Beiersleute“ sind sehr stolz auf ihre besonders gelungene Darbietung.


Kirmes

Am 3. Kirmestag findet nachmittags auf dem Kirchplatz das „Hahnenköppen“ statt. Ein kräftiger Hahn wird getötet, ohne dessen Hals zu verletzen, dann in einen Weidenkorb gehängt, daß Kopf und Hals an einer gespannten Leine an der Ecke Weberstraße in etwa 2 m Höhe heraushängen. Die Junggesellen versuchen nacheinander bei verbundenen Augen mit einem langen, stumpfen Säbel dem Hahn den Kopf abzuschlagen, dabei werden sie mit einem vorgehaltenen Reisigbesen getäuscht. Wer dem Hahn den Kopf abschlägt ist Hahnenkönig und nimmt sich seine Braut oder Freundin zur Hahnenkönigin. Die beiden schmücken sich festlich, machen mit Musik und Pärchenbegleitung einen „Zoch dörsch et Dörp“, ziehen nach mehreren Umtrunken bei ihren Eltern, Pastor u. a. auf den Tanzsaal der Wirtschaft, führen Extratänze vor und feiern gemeinsam Kirmes.

Nach Beendigung des 3. Kirmestages wird nachts mit Musik und Sauferei „de Kermes bejrave“. Das Beerdigungsrelikt ist ein großer Knochen (vom Rind oder Schwein), der auf dem Fronhof unter allgemeinen Tränen in die Erde gelegt wird und im nächsten Jahr bei Eröffnung der Kirmes am Samstagabend mit Musik der Dorfkapelle am Samstagabend mit Musik der Dorfkapelle „Waldlust“ und Freudengesängen ausgebuddelt wird (de Kermes wit erusjehollt) und bei allen Kirmesaufzügen mitgeführt wird.


Weihnachten

Die Kinder von 6 - 10 Jahren gehen an den Feiertagen und an den Sonntagen der Weihnachtszeit von einem Haus zum anderen und singen an den brennenden Christbäumen Weihnachtslieder. Sie erhalten dann Weihnachtsgebäck (Plätzchen) und Äpfel.


1. Mai

An dem Abend vor dem 1. Mai setzt der junge Bursche seiner Braut oder Freundin einen Maibaum, eine mit bunten Bändern geschmückte Birke, auf das Hausdach oder vor das Schlafzimmerfenster. (däa fäste Fend sätz sengem Mädsche enne Maiboom)


Hochzeit

Eine Verlobung kannte man nicht, dafür wurde „Hiilisch“ gefeiert. Besonders wenn der Bräutigam aus einem anderen Dorf stammte und den Dorfjungen ein Mädchen entführte, „die jet an de Föss hat“, machen die Junggesellen des Dorfes eine „Freveltat“; sie streuen Stroh und Hächsel auf den Weg zur Kirche. Sie trinken abends vor der Hochzeit in der Dorfwirtschaft auf Kosten des Bräutigams.


Beerdigung

Bei einem Todesfall beteten die Nachbarsfrauen bis zu Beerdigung täglich „de sebbe Duedesfäll“ (die 7 Todesfälle) im Sterbehaus. Die Kirche nahm Anstoß an den dabei vorgeführten heidnischen Zeremonien. Bis zur Beerdigung fand jeden Abend in der Kirche „de Duedewach“, ein Rosenkranzgebet statt.


Neubau

Ein neues Haus oder ein neuer Kuhstall wurde vor Bezug (Inbetriebnahme) vom Pastor eingesegnet (enjesähnt).


Patronatsfest

Die in der Kirche vorhandenen Reliquien von St. Sebastianus und St. Andreas wurden in einer goldgefaßten Kapsel nach der Messe an deren Patronatsfest den Gläubigen zum Küssen gereicht.


Brotbacken

Das Eigenbacken war immer eine wichtige Tätigkeit der bäuerlichen Hauswirtschaft. In den Bauernhäusern wurden von den Hausfrauen noch jede Woche im eigenen Backofen Schwarzbrot, Weißbrot und viele Torten (Taten) gebacken. Dabei drückte die Hausfrau hinter das letzte Brot mit dem Finger durch Eintupfen ein Kreuzzeichen. Gleichfalls machte die Bäuerin, wenn sie das erste frische Brot anschnitt, mit dem Messer auf dem Brot sein Kreuzzeichen.


Nikolaus

Am Nikolausvorabend kam der Nikolaus und brachte Weckmänner, Äpfel und Süßigkeiten. Mit ihm kam der „Hansmuff“, ein sich wild gebärdender maskierter Bursche, der eines der Kinder in seinen Sack steckte und in einer wilden Szene „de Hansmuff hölt dich möt“ ein Wegstück mitschleppt bis der „heilije Mann“ auf die Fürbitte der Eltern das Kind freiließ, wobei der Hansmuff knurrte.


Gewitter

Bei einem starken Gewitter holte die Mutter eine geweihte Kerze, zündete diese an, ging mit den Kindern in den Keller und beteten, daß kein Unwetter werde sowie der Blitz nicht einschlage. Es war frevelhaft, während des Gewitters am Kanonenofen zu sitzen, denn „Ise treckt de Bletz ahn“, oder ein Fenster aufzulassen, denn „de Bletz kött erenn“. Erst wenn der Donner nur noch aus der Ferne grollte, dankte man Gott und ging nach oben.


Feldarbeit

Bei der Feldarbeit begrüßte man sich gegenseitig mit „Jott help üsch“ und antwortete „Jott dank üsch“. Dies war noch bis 1930 üblich.



Die allgemein ortsüblichen Bräuche wurden nicht angeführt. Die Lebensverhältnisse haben sich im Dorf durch fließendes Wasser, elektrisches Licht, Eisenbahn und Auto wesentlich geändert. Es haben sich nur noch wenige Volksbräuche erhalten, die wie an Fastnacht und Kirmes, sich zu farbenprächtigen Festen gewandelt haben und zur Erholung, aber auch Zurschaustellung für den Fremdenverkehr dienen.

Quelle: Kreis Euskirchen Jahrbuch 1983

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