Das ist ja hier wie in Spandau
Von Anton Könen
Spandau, Stadt und Festung,
auch 1945 auch als Kriegesverbrechergefängnis bekannt geworden,
liegt in der Nähe von Berlin. So haben wir es von der Schule und
aus Büchern her in Erinnerung. Aber halt - gab es da nicht noch
ein Spandau in der Eifel?
Bei dieser Frage werden wohl viele Kreis Euskirchener den Kopf verneinend schütteln, denn wo soll dieses sagenhafte Eifelspandau gelegen haben. Man muß schon nach Mechernich oder in einen der umliegenden Orte fahren, um - wenn man Glück hat - zu erfahren, daß mit dem Spandau in der Eifel das einstige Bleibergwerk in Mechernich gemeint war.
Schichtgeber
vor der Arbeit
War es Mutterwitz oder Ausdruck eines verbreiteten Zorn, der diesen Namen für das einstige Werk geprägt hat? Solche Bezeichnungen, die urplötzlich auftreten und treffend einen Zustand, eine Situation charakterisieren, werden oft mit Wonne verbreitet und gar den Nachkommen überliefert.
Eine Überlieferung besagt, eine preußische Kommission habe im vorigen Jahrhundert den Tagebau Bachrevier besichtigt. Bei dem Anblick der vielen Arbeiter, die mit der Schaufel im Takt das Haufwerk von Strosse (Stufe) zu Strosse hoch beförderten, soll einer der Herren ausgerufen haben: Das ist ja wie in Spandau! Blättert man in den Archiven die Zeitungen des vorigen Jahrhunderts durch, die ansonsten penibel über jeden auswärtigen Besuch beim Mechernicher Bleibergwerk berichteten, so wird vergebens der Bericht über den Besuch einer preußischen Regierungs- oder Bergwerkskommission gesucht. - Eine andere Überlieferung, die auch in einigen Publikationen erwähnt ist, kommt der Wahrheit wohl am nächsten. Zum besseren Verständnis dazu ein kurzer historischer Rückblick.
Bei
der Amaach (Kaffeepause)
Die Familie von Meinertzhagen, die seit 1629 das Sagen am Mechernicher Bleiberg hatte, starb Ende des 18. Jahrhunderts aus. Die Erbin Elisabeth Komtesse von Meinertzhagen heiratete am 18. April 1770 den Reichsgrafen Friedrich Wilhelm zu Lippe. Die Ehe blieb kinderlos. Nach dem Tode der Gräfin wurden die Neffen des Grafen, Wilhelm Ernst und Johann Karl zu Lippe, Eigentümer des Bleibergwerkes. Graf Johann Karl zu Lippe veräußerte 1839 seinen Anteil für 250.000 Taler seinem Bruder Wilhelm Ernst. Nach dessen Tod wurde dessen ältester Sohn, Graf Julius zu Lippe, als Erbe eingesetzt, der seinen Wohnsitz nach Mechernich, in das Haus am Knottenberg (im Volksmund Knottenhof) in der Hardt verlegte.
Wilhelm
Geller und Paul Esser auf Mauel
Im Lauf der Jahre entglitt dem wenig sachkundigen Grafen die Übersicht über den Bergbaubetrieb. Schlampereien und Betrügereien waren an der Tagesordnung. Am 21. März 1850 bestellte der Graf seine Beamten zu einer Betriebskonferenz in das Haus am Knottenberg. Hier eröffnete er ihnen, daß er beabsichtigte, die Gebrüder Kreuser als Teilhaber aufzunehmen.
Der Gesellschaftsvertrag wurde dann am 30. März 1850 abgeschlossen. Mit Notariatsakt vom 17. Dezember 1852 erwarben die vier Gebrüder Kreuser vom Grafen Julius zu Lippe den gesamten Besitz zum Kaufpreis von 600.000 Talern. Zur Abfassung der umfangreichen Urkunde im Haus Knottenberg benötigte der Notar elf Stunden. Die Stempelkosten für den Vertrag betrugen allein 6.093 Taler.
Der neue Direktor, Werner Kreuser, war überall und sah alles. Eine Reform nach der anderen wurde von den neuen Besitzern durchgeführt. Sie fegten mit eisernem Besen. Die Steiger standen ihrem Direktor in nichts nach. Sie trieben die Bergleute zu immer neuen Höchstleistungen an. Bei den Bergleuten wuchs die Verbitterung über die neuen harten Arbeitsbedingungen.
Eines Tages wurde am Bleiberg folgendes Spottlied gesungen:
Seht die Kreuser
im stolzem Schritt, Nun fängst
der Steiger Schlenger an; Steiger Hein
Jansen fuchtelt wild, Auch Harzheim
nicht zu vergessen, Das wäre ja
ein netter Witz, |
Trotz des Liedes ließen
die Bergherren sich nicht in ihrem Tun beirren. 1853 wurde der
Steiger Bender aus dem Siegerland, der eine Bergschule besucht hatte,
von den Gebrüdern Kreuser angestellt. Bender hatte in Berlin bei
der Garde gedient und kannte das Zentralfestungsgefängnis in
Spandau, in der die Häftlinge immerfort von den preußischen
Aufsehern mit Strenge und Härte zur Arbeit angetrieben wurden.
Bender sah, daß es am Mechernicher Bleiberg ähnlich
zuging. Nach einem Streit mit Direktor Werner Kreuser sprach Bender
in seiner Empörung die ominösen, in Berlin als Schimpfwort
geltenden Worte: Das ist ja hier wie in Spandau!
Josef
Velser beim Bohren der Sprenglöcher
Diese Überlieferung gilt deshalb als wahrscheinlichere, weil Bender in dem spärlichen Schrifttum als Namensgeber bezeichnet wird. In der statistischen Darstellung des Kreises Schleiden von 1859 heißt es auf Seite 6 nach der Auflistung der Unglücksfälle: Auffallend häufig waren tödliche Unglücksfälle in den letzten Jahren in und bei dem Tagebau in Mechernich, im Bachreviere oder sogenannten Spandau.
Daraus ist ersichtlich, daß das einst im Zorn ausgesprochene Schimpfwort schnell als Örtlichkeitsbezeichnung - eigentlich für die im Abbau befindlichen Tagebaue - Einzug in die Amtsstuben gefunden hatte. Seitdem war es nicht mehr totzukriegen.
Mit dem Ende des Bleibergbaues und der Liquidation der Gewerkschaft Mechernicher Werke zum Jahresende 1957 verschwand die Bezeichnung mehr und mehr aus dem örtlichen Sprachgebrauch. Nur Eingeweihten ist noch klar und plausibel, daß jemand, der auf dem Bleiberg arbeitete, ein Spandauer war.
Quellen:
Bernd
Beckstrat, Rund um den Kohlenpott.
Norbert Leduc, Kommern ein
ortskundliches Lexikon, 1981, Band 2, S. 47.
B. Born, Goldgräber
am Mechernicher Bleiberg, 12tl. Serie in der Heimat-Rundschau, Kreis
Schleiden, 1955.
Anonym, Hunesse und Labbesse
auf Spandau, Eifeler Volkszeitung, 1953.
Karl Abel,
Vor 100 Jahren wurde der Mechernicher Blererzbergbau
Großbetrieb.
Karl Abel, Der Mechernicher Erzbergbau.
Kreis Euskirchen Jahrbuch 1996
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