Als die Fuhrleute ihre Zeit in Schänken vertrödelten

Schnaps war ein Genuß -, Bier eher ein Nahrungsmittel

Von Walter Hanf


„Hätte man vor fünfzig Jahren die Verkehrswege und –mittel der heutigen Zeit gehabt“, so schreibt der Heimatschriftsteller Eugen Virmond um die Jahrhundertwende, „so wäre die Eisenindustrie des Schleidener Thales vielleicht heute noch in Betrieb.“ Virmond beklagt den Mangel an Eisenbahnen, nicht minder den jammervollen Zustand der Straßen und Wege.

In „Ancien regime“ hatte der Straßenbau nur geringe Beachtung gefunden; der Einrichtung eines weiträumigen Straßennetzes stand vor allem die territoriale Zersplitterung entgegen. Die wenigen Hauptstraßen gingen zum Teil noch auf die Römerzeit zurück, sie waren jedoch immer mehr vernachlässigt worden. Und auch mit den „Nachbarwegen“ war kein Staat zu machen. In der Herrschaft Reifferscheid zum Beispiel erging im Jahre 1765 eine Verordnung, die sich mit der Beschaffenheit der Straßen und Wege befaßte. In Anbetracht des „schlechten und verderblichen Zustandes“ bestimmte der Schultheiß, daß die Quartiere (Bezirke) der Herrschaft unverzüglich die Landstraßen und Nachbarwege in guten und dauerhaften Stand zu setzen hätten. Säumige sollten in Straße genommen werden, und jede Gemeinde hatte einen Aufseher zu bestellen.

Die Maßnahmen der „Behörden“ waren halbherzig. Man gewinnt den Eindruck, daß gewisse Kreise kein Interesse an einer Verbesserung des Verkehrswesens hatten. „Man wünschte vielmehr, daß die Reisenden nicht so schnell fortkämen, daß sie längere Zeit am Ort und im Land verweilen müßten, damit die Einheimischen desto mehr mit Hufbeschlag, Wagenausbesserung und Vorspann verdienten. Selbst im 18. Jahrhundert findet man noch ernsthafte Eingaben von Stellmachern und Schmieden, worin dringend gebeten wird, man möge die Wege nicht instandsetzen, weil sonst kein Rad mehr Bäche und ein ehrliches Handwerk verhungern müsse. Gute Straßen zögen, meinte man, höchstens die gefürchteten Truppendurchzüge an. Die Unpassierbarkeit der Wege galt als ein Schutz gegen ungebetene Gäste.“ (Zitzen: „Scholle und Strom“)


Wegegeld an den „Barrieren“

Die Franzosen hatten - aus militärischen Gründen - während der Besatzungszeit (1794 - bis 1814) mit der Planung eines umfangreichen Straßennetzes begonnen, jedoch lediglich eine bedeutende Verbindung, die Chaussee von Aachen über das Hohe Venn nach Trier, und diese auch nur teilweise fertiggestellt.

Zu Beginn der 40er Jahre nahm Preußen den Straßenbau in der Eifel in größerem Umfange auf. Vorrangig wurde der Bau einer noch von den Franzosen geplanten Departementsstraße, der nunmehrigen Bezirksstraße Köln - Trier begonnen, die über Euskirchen, Gemünd, Schleiden und Prüm führen sollte. Die Strecke Schleiden - Losheim, Teilstück der späteren „Köln-Luxemburger Landstraße“, wurde zwischen 1844 und 1849 gebaut; etwa um die gleiche Zeit (1850) der Bau der „Prämienstraße“ Blumenthal - Reifferscheid - Sistig und einer „Communalstraße“ ins Wolferter Tal vollendet.


Gastwirtschaft des Carl Schaefer (früher Speck) in Kirschseiffen, wo lange Zeit das Hellenthal „Parrer“ stand (um 1930)

Die Kunststraßen waren ein kostbares Gut, ihre Benutzung durch strenge Vorschriften, zum Beispiel über die Höchstlast der Fuhrwerke, die Breite der Felgen oder den Beschlag der Pferde geregelt. Über die Einhaltung dieser Regeln hatten die Zoll- und Steuerbeamten, die Wegegeldeinnehmer bzw. -pächter, die Wegeaufseher, die Polizeibeamten und Gendarmen und sogar die Forstbeamten zu wachen, wie eine Königliche Verordnung vom 17. März 1849, den Verkehr auf den Kunststraßen betreffend, bestimmte. Die Straßenbehörden erhoben für die Benutzung der Straßen ein Wegegeld, das von alle nicht einheimischen Straßenbenutzern zu zahlen war. Daher befanden sich an den Straßen in gewissen Abständen Schlagbäume, bei denen ein Einnehmer das Wegegeld kassierte. In Anlehnung an das französische Wort „Barriere“ (Schlagbaum) wurde die Hebestelle, wie auch das Benutzungsgeld, im Volksmund „Parrer“ genannt.

Beliebt waren die „Mautstellen“ verständlicherweise nicht. Die Bauern wandten sich gegen das Barrieregeld mit der Begründung, daß die Zugtiere zumal im Winter und an windigen Stellen durch das Stehenlassen in erhitztem Zustande Schaden nähmen, und daß den Fuhrknechten allemal dort, wo ein Schankbetrieb mit der Hebestelle verbunden war, Gelegenheit gegeben würde, Zeit zu vertrödeln und unnötige Ausgaben zu machen.

Auf der Strecke Schleiden - Losheim der Köln - Luxemburger Landstraße befanden sich Schlagbäume in Schleiden, Hellenthal und Hollerath. Innerhalb der „Hebebezirke“ waren die Barrieren indessen nicht an einen festen Standort gebunden. Die Hebestelle von Hellenthal durfte zum Beispiel zwischen Blumenthal und Platis und diejenige von Hollerath zwischen Platis und Ramscheiderhöhe verlegt werden, womit man deren Verpachtung erleichterte. Der Staat ließ das Wegegeld nämlich durch einen Pächter einziehen; gegen einen Anteil am Aufkommen, versteht sich. Pächter der Barrieren waren in aller Regel die Schank- und Gastwirte. Die Sorge der Bauern, daß ihre Knechte an den Barrieren „klebenblieben“, war daher sehr wohl begründet.

Das Hellenthaler „Parrer“ befand sich über längere Zeit an der Wirtschaft Speck in Kirchseiffen, wo später der Gasthof Schäfer stand, heute „Hellenthaler Hof“. Bald wechselte die Barriere ins Matheis'sche Haus, neben der „Ley“, der alten Fuhrmannsherberge an der Stelle der heutigen katholischen Kirche. Danach kam die Barriere an die Schankwirtschaft des Edmund Kaiser, heutiges Hotel „Lind“. In Hollerath wurde das Wegegeld vom Wirt Leyendecker, früherer Besitzer des Restaurants „Lehner“, eingezogen.


Gasthof „Zur Post“ in Hollerath, wo die Hollerather „Barriere“ stand (um 1910)


Erbgroßherzogin und „Bärenführer“

Die Erschließung durch Straßen, die zu allen Jahreszeiten befahrbar waren, brachte Leben in die verschlafenen Dörfer. Sie eröffnete dem Frachtverkehr, der das unwirtliche Gebirge bisher gemieden hatte, neue Möglichkeiten, Postlinien wurden eingerichtet, zum Beispiel ein direkter Postkurs zwischen Köln und Trier, der über Schleiden - Hellenthal - Hollerath - Losheim führte.

Die friedvolle Zeit nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 ließ Handel und Wandel erblühen, der Bleierzbergbau bei Rescheid florierte und beschäftigte zeitweilig über 250 Leute, und am Standort der ehemaligen Eisenhütten taten sich kleine Betriebe auf, die landwirtschaftliches Gerät, Schuheisen, Nägel und vielerlei Eisenteile herstellten.

Der Bau der Eisenbahn Kall - Hellenthal, die am 8. März 1884 in Betrieb genommen wurde, kam zwar für die Eisenindustrie zu spät, wirkte sich aber dennoch segensreich für die Entwicklung des Schleidener Obertales aus. Für die Einheimischen bestand endlich eine Verbindung mit den Wirtschaftszentren außerhalb der Berge, und die Stadtmenschen wurden mittels Eisenbahn nahe an die Sehenswürdigkeiten der Eifel herangeführt. Es war die Geburtsstunde des Fremdenverkehrs, wenngleich dieser erst in den Jahren kurz vor dem Ersten Weltkrieg entscheidenden Aufschwung nahm.

„Im Jahre 1892 sehen die Ortschaften Blumenthal, Kirchseiffen und Hellenthal außerordentlich hübsch und wohlhabend aus. Strohdach sieht man kaum noch, viele neue Häuser sind erbaut worden, die alten werden ausgebessert, das Balkenwerk geschwärzt und die Wände geweißt. Das Ganze macht einen sehr freundlichen Eindruck. Im Obertal bildet sich ein Verschönerungsverein, umfassend Oberhausen, Blumenthal, Kirchseiffen, Hellenthal und Reifferscheidt. Auf den schönsten Aussichtspunkten der Berge werden Ruheplätze und Bänke angelegt“, schreibt der vorhin schon zitierte Eugen Virmond in der „Chronik des Schleidener Oberthales“. Bis dahin hatte es im Schleidener Obertal für Durchreisende nur wenige und sehr unbequeme Unterkunftsmöglichkeiten gegeben, im Grunde nur einige Fuhrmannsherbergen, wie die schon genannte „Ley“ in Hellenthal, den „Platishof“, Kaiser in Hollerath oder „“Käthringen“ in Neuhof bei Udenbreth.

(-Übrigens: Nach einer alten Udenbrether Chronik ist „Käthringen“ in der Mitte des 18. Jahrhunderts abgebrannt. Acht bis zehn Ochsen eines Eupener Viehhändlers seien verbrannt und ein treuer Hund. Pastor Koep, der um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Udenbreth lebte und dort unrühmlichst in Erscheinung getreten ist, soll „Alt-Käthringen“ angezündet haben-)

Die Obertäler erkannten den Fremdenverkehr als eine Chance und gingen Ende des 19. Jahrhunderts frisch ans Werk.

Friedrich Schinck baute (1886) in Hellenthal an der Ecke Trierer Straße - Hüttengasse (heute: Aachener Straße) ein Hotel. Er betrieb mit Erfolg auch Bierbrauerei. Im Hotel Schinck pflegten die vornehmeren und zahlungskräftigeren Gäste einzukehren; Kaufleute, Fabrikanten, Jagdgesellschaften. Ja, am 19. August 1902 speiste dort sogar die Erbgroßherzogin von Baden, die sich auf einer Fahrt nach Elsenborn befand, wo ihr Mann als Kommandeur eines Armeecorps weilte.


Hotel Schinck, auch Bierbrauerei, in Hellenthal (um 1910)
Foto: Peter Kaiser

Das Schleidener Obertal hat im Jahre 1855 einen noch prominenteren Gast gesehen: Prinz Wilhelm von Preußen, späterer Kaiser Wilhelm I., soll in diesem Jahre durch Schleiden und Hellenthal gereist sein.

Im Hause Schinck spielte auch der letzte Akt eines tragischen Schicksal. Am 8. Mai 1897 verschied hier Comte de Briey, ein Freund des Herzogs von Arenberg, den - unbeabsichtigt - bei einer Jagd im Hellenthaler Wald die Kugel des ihn begleitenden Försters getroffen hatte. Der Verletzte war mit einer Trage ins Hotel gebracht worden, wo in der auf das Unglück folgenden Nacht sein junges Leben erlosch.

Das Hotel Schinck schloß in den 20er Jahren. Mitte der 50er Jahre ist die „Burg“, wie das Haus aus unerfindlichen Gründen stets genannt wurde, und in dem sich zeitweilig das Bürgermeisteramt befand, zur Verbreiterung der Hüttengasse / Aachener Straße abgebrochen worden.

Matthias Joseph Felser, der zuvor Frachtfuhrwerk in Hallschlag betreiben und danach den „Platishof“ gepachtet hatte, erkannte noch um einiges früher als der Bierbrauer Schinck, daß der Verkehr im Schleidener Obertal bald enormen Aufschwung nehmen würde. (Der Platishof verdankt seine Entstehung übrigens auch dem Bau der Köln - Luxemburger - Bezirksstraße. Der „Chausseeaufseher“ Josef Klinkhammer, gebürtig aus Mülheim bei Blankenheim, baute ihn um 1850, neben den eigenen Räumlichkeiten mit einer Wirtsstube und vier Fremdenzimmern. Der geräumige Stall diente nicht nur der eigenen Ökonomie, vielmehr auch dazu, die Pferde der Reisenden unterzustellen. Im gegenüberliegenden Haus des Johann Klein, später Meuser, wurde seit dem Jahr 1876 Schankwirtschaft betrieben).

Ein Jahr bevor die Eisenbahnlinie Kall - Hellenthal eröffnete, baute Joseph Felser also eine Gast- und Schankwirtschaft in der Nähe des Hellenthaler Bahnhofs. Sein Haus, wie auch die Gaststätte Kaiser, wurde von den „normalen“ Gästen bevorzugt: Fuhrleute, Händler, Handwerker, Studenten und Sommerfrischler. Ins „Fremdenbuch“, das die Nachfahren sorgfältig aufbewahrt haben, trug sich aber auch allerhand „fahrendes Volk“ ein, das bis in die 20er Jahre zahlreich die Straßen bevölkerte: Handwerksburschen, Kollektanten, Hausierer und Gaukler wie zum Beispiel Pjotr Dodorowitsch, ein „Bärenführer“ aus Bosnien, der mit seinem Tanzbär über die Dörfer zog.


Schon genug Unfug

Die Zeit der wiederaufblühenden Industrie und des beginnenden Fremdenverkehrs war eine goldene für die Gast- und Schankwirte; kein Wunder, daß viele an dem Geldsegen teilhaben wollten. So bemühten sich denn „Wirte“ und solche, die es werden wollten, um eine „Konzession“, über welche der Landrat nach Anhörung der örtlichen Behörden entschied. Die Genehmigung zum Betrieb einer Gast- oder Schankwirtschaft wurde aber nur erteilt, wenn vor Ort ein „Bedürfnis“ vorlag und der Antragsteller sich eines untadeligen Rufes erfreute. Daß die angehenden Wirte ein Bedürfnis stets mit beredten Worten nachzuweisen versuchten, versteht sich von selbst.


Gastwirtschaft des Matthias Joseph Felser in Hellenthal, in der Nähe des Bahnhofs (um 1910)

Da beantragte beispielsweise der Wilhelm Haar aus dem Weler Neuhaus, wo sich, weiß Gott, die Füchse „Gute Nacht“ sagten, die Genehmigung, eine Schankwirtschaft betreiben zu dürfen mit der Begründung, daß sein Haus an der Kreuzung vieler Straßen läge und „daß es vorkömmt, daß Leute bei Nacht und schlechtem Wetter nicht mehr fort könne, besonders da die Gegend alsdann nicht zu passieren ist“. Ja, er habe bisher aus Mitleid dieselben beherbergt, vor allem, nachdem das Bergwerk bei Rescheid in Betrieb sei. - Da er aber im Verdacht des Wilderns und seine Töchter auch nicht in bestem Rufe standen, und im übrigen nach Meinung des Bürgermeisters in Neuhaus “schon ohne Wirtschaft genug Unfug getrieben wird“, wurde ein Begehren abschlägig beschieden. Auch ein Bergmann Kloß war nicht der einzige, der auf den sprichwörtlichen Durst der Bergleute, nicht zu vergessen auch der Fuhrleute setzte. „Auf dem Wege von Reifferscheid nach Rescheid befindet sich keine einzige Schenkwirtschaft“, begründete der Wilhelm Mertens aus Wittscheid seinen Antrag auf Erteilung einer Konzession, wohl meinend, daß die anderthalb Wegstunden ohne Einkehr in ein Gasthaus kaum zu bewältigen wären. Und auch der Hubert Schiffer aus Bruch (bei Blumenthal) meinte, „daß durch den regen Verkehr, welcher zum Teil durch den flotten Betrieb der Bleierzgrube Wohlfahrt hervorgerufen wird“, für eine Schenkwirtschaft zwischen Blumenthal und Reifferscheid ein echtes Bedürfnis bestehe. Die „Obrigkeit“ teilte diese Meinung - zum Leidwesen der Antragsteller - allerdings nicht. Nun spielten bei der Behandlung derartiger Anträge oft eigennützige Motive eine große Rolle. Die „Meistbeerbten“ saßen im Gemeinderat, und wenn sie zufällig noch Gast- oder Schankwirt waren, dann hielten sie sich die Konkurrenz tunlichst vom Leibe. Nicht alle „Möchtegern-Wirte“ ließen sich indessen durch Mißgunst und Behördenwillkür abschrecken. Ein W.JG. Steffens aus Gemünd, dem die örtlichen Behörden für sein Haus in Reifferscheid die Konzession vorenthielten, schrieb sogar an den kaiser in Berlin: „... daß Ihro Majestät mir genehmigen möge, in Reifferscheid eine Schankwirtschaft zu eröffnen.“ Leider ist die Entscheidung Ihrer Majestät nicht überliefert.


„Schwarz“ ausgeschenkt

Wenn auch nicht ale Wünsche nach einer eigenen Wirtschaft erfüllt wurden, so kam doch jedermann an seinen „Schoppen“, denn vor rund 150 Jahren übertraf mancherorts die Zahl der Schankwirtschaften diejenige unserer Tage. Im Jahr 1838 gab es zum Beispiel in Hellenthal fünft in Kirschseiffen eine, in Blumenthal drei, in Ingersberg eine, in Reifferscheid vier, in Wolfert, Hollerath und Rescheid je eine und in Udenbreth (einschl. Neuhof) drei Wirtschaften, womit gewiß noch nicht alle aufgezählt sind, denn in dem einen oder anderen Haus wurde „schwarz“ ausgeschenkt. Nicht ohne Grund hatten nämlich Polizei- und Gemeindediener den Auftrag, alle nicht konzessionierten „Zäpfer“ aufzuspüren und der Obrigkeit zu melden.

In den Wirtschaften wurde gewöhnlich Schnaps getrunken. Bier war eher ein Nahrungsmittel, das bei der Arbeit gereicht, aber auch zu besonderen Anlässen, beispielsweise zur Kirmes, extra gebraut wurde. Einige Wirte verkauften selbstgebrannten Schnaps; meistens wurde der Branntwein hingegen von auswärtigen Brennereien bezogen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war hierzulande der „Reichensteiner“ beliebt, nach dem Herstellungsort, dem ehemaligen Kloster Reichenstein bei Kalterherberg, benannt. Fuhrleute brachten den „Reichensteiner“ gelegentlich einer Fahrt ins Monschauer Land mit oder der Wirt beauftragte einen seiner „Kunden“, gegen „einen Liter“ mit der Trage ein Fäßchen abzuholen. Nicht minder beliebt war der „Nordhüser“, ein klarer Doppelkorn, der in Nordhausen / Thüringen gebrannt wurde.


Die alte Fuhrmannswirtschaft Meuser „an der Platis“, am Fuß des Hollerather Berges (um 1950)
Foto: Käthe Pützer

Bier wurde mindestens in Reifferscheid, Hellenthal und Blumenthal gebraut. Die Rechnung der Herrschaft Reifferscheid der Jahre 1741/42 nennt bereits drei Brauhäuser. In Reifferscheid wurde inder späteren Wirtschaft „Zum Wappen“ gebraut, in Blumenthal wird in der Mitte des 18. Jahrhunderts das „Brauhaus“ des Mathias Wilhelm Herzwurm genant, und von einem Brauhaus in Hellenthal hört man - lange bevor noch der Friedrich Schinck seine Brauerei eröffnete - am 7. September 1760. Da mahnt nämlich Johann Brenings Witwe den Dham Pützer aus Wolfert und Peter Sieberaths Sohn, das „Kirmesbier“, das sie für sämtliche Wolferter Jungen bei ihr hatten brauen lassen, zu bezahlen.

Zu allen Zeiten wurde gegen ein Übermaß an Alkoholgenuß gewettert; nicht ohne Grund, denn manch einer brachte sich und seine Familie durch die Trunksucht an den Bettelstab. Zwar hatten die Wirte im Winter um acht, im Sommer um neun Uhr abends ihren Laden dicht zu machen. „Zapfen, Saufen und Zechen“, wie auch das Kartenspiel, waren - wie eine Reifferscheider Verordnung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts bezeugt - namentlich während der Gottesdienste verboten. Dennoch kam es in den Wirtshäusern häufig zu Ausschreitungen und Schlägereien, insbesondere an den Patronatsfesten. Anno 1764 berichten die Gerichtsakten von einer Massenschlägerei anläßlich der Hellenthaler Kirmes, die dort und in der Umgebung ein mehrjähriges Verbot sämtlicher Lustbarkeiten zur Folge hatte. Um dieselbe Zeit wird auch aus Hollerath und Rescheid über üble Ausschreitungen an den Patronatsfesten berichtet. Die Eifeler Spruchweisheit: „Frähßer hassen sich - Söffer leven sich“ hat die Schleidener Obertäler viel, viel später erst erreicht.

Quellen:

Kreisarchiv Euskirchen, Konzessionsakten; Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Herrschaft Reifferscheid, Akten des Gerichts; Eugen Virmond, Chronik des Schleidener Oberthales, Manuskript.

Aus: Kreis Euskirchen Jahrbuch 1996

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