Ereignisse des Zweiten Weltkrieges im Münstereifeler Höhengebiet
Von Edgar Fass
Peter und Anna Lethert aus
Mahlberg, Anna Becker aus Esch, Maria Rick aus Mahlberg und
Margarethe Winand aus Reckerscheid erlebten das Ende des Zweiten
Weltkrieges am 7. März 1945, als die Amerikaner ihre Dörfer
am Michelsberg besetzten. Mit Ausnahme der Orte Schönau,
Berresheim und Mutscheid blieb das Gebiet zwischen Erft und Ahr
zunächst bis Mitte 1944, abgesehen von vereinzelten
Bombenabwürfen (Notabwürfe) havarierter oder beschädigter
anglo-amerikanischer Bomber über unbesiedelten Gebieten,
zunächst verschont. Noch lange Zeit nach Kriegsende kündeten
tiefe Trichter im Gelände, so in der Feldflur Auf Gitzern und
Feisiefen im Mahlberger Wald, vor allem aber am Waldrand nördlich
von Esch sowie östlich des Michelsberges, von dieser unseligen
Zeit.
Am schwersten litt jedoch die Bevölkerung der Dörfer Schönau und Mutscheid unter dem Krieg, da dort viele Menschen durch Bombenangriffe ihr Leben verloren, Verletzungen davontrugen oder große materielle Verluste zu beklagen hatten.
Als unmittelbare Kriegsfolge des zunächst siegreichen Vormarschs der deutschen Truppen in Europa, kamen zunächst polnische Zwangsarbeiter und wenig später französische Kriegsgefangene für die Feldarbeit und zur Urbarmachung von Heid- und Ödland in die Dörfer des Höhengebietes. In Mahlberg internierte man sie abends unter Bewachung im Hause Rick. Trotzdem gelang einigen dort die Flucht. Etwa 50 polnische Landarbeiter, die man im zum Arbeitslager umfunktionierten Saal des Hotels Wasserscheide unterbrachte, halfen u.a. bei der Kultivierung der Escher/Sasserather Heide. Später diente das Hotel noch als Unterkunft für Flüchtlinge und Soldaten der deutschen Wehrmacht.
Der Herbst 1944, als die amerikanischen Truppen bis Mitte September den Westwall und damit die deutsche Reichsgrenze erreichten, brachte für die Bevölkerung im Eifelraum das Ende der relativen Ruhe. Die Front war bedrohlich nahe gerückt und man mußte damals ständig vor Tieffliegerangriffen durch JABOS auf der Hut sein. Da das Höhengebiet am Michelsberg wegen seiner markanten Lage als letzte Bastion vor der Rheinebene strategische Bedeutung besaß, gab es auch in Mahlberg, Schönau und in den Ortschaften der Mutscheid Einquartierungen deutscher Soldaten. In Mahlberg sollen es etwa 100 gewesen sein.
Mahlberg
Bis Ende Februar 1945 hielten sich in Mahlberg einige junge Soldaten der Waffen-SS zur Ausbildung von Weißrussen auf. Diese wurden als Angehörige der sog. Wlassow-Armee an den Waffen für den Kriegseinsatz ausgebildet. Sie fanden auf Strohlager Quartier im ehemaligen Tanzsaal Manheller. Diese vom harten Dritt geschundenen jungen Weißrussen im Alter von 16-18 Jahren litten buchstäblich Hunger. Sie bekamen daher von einigen Mitleid empfindenden Mahlberger Bürgern, trotz Verbotes und der eigenen Gefährdung, heimlich Nahrung. Der Saal Manheller beherbergte bereits vorher weißrussische Zwangsarbeiter/-arbeiterinnen, etwa 60-70 Personen, die man für den Bau von Schützengräben heranzog.
Zum Zeitpunkt der Ardennenoffensive der deutschen Wehrmacht stürzte Anfang 1945 ein deutsches Kampfflugzeug vom Typ ME 109, nach dem Abschuß im Luftduell mit einer englischen Spitfire-Maschine über der Waldflur Oedert neben der Gemarkung Ellert mit Wiesengelände, in ein Waldstück. Der Pilot rettete sich auch der direkt abstürzenden Maschine mit dem Fallschirm und landete in einer Baumkrone, überlebte jedoch die Bruchlandung. Einige herbeigeeilte Männer aus Mahlberg befreiten den Piloten aus seiner mißlichen Lage, indem sie den Baum fällten. Dabei war auch Michael Fass, der zu der Zeit gerade auf Heimaturlaub vom Kriegseinsatz weilte. Der Pilot nannte ihm im Gespräch die Typenangabe des englischen Flugzeugs.
Peter
Lethert im Zweiten Weltkrieg mit Kaltblutpferden in Mahlberg
Bald forderte der Krieg aufgrund der Frontnähe auch Opfer unter der Zivilbevölkerung. Seit der Invasion der Alliierten in der Normandie, womit ihre Luftwaffe auch die nahen französischen Flugplätze zur Verfügung standen, kam es verstärkt zu Luftangriffen anglo-amerikanischer Flugzeuge. Ihnen gehörte jetzt praktisch die Lufthoheit im Kampfgebiet.
Aus einem Schreiben des Landrates Kreis Euskirchen, Abtg. V. (Th) an den Bürgermeister der Stadt Münstereifel vom 19.12.45 bzgl. einer Kostenrechnung des Schreinermeisters Jakob Schmitz aus Iversheim für drei gelieferte Särge geht hervor, daß vor 1 ½ Jahren (also bereits Mitte Juni 1944) drei Flüchtlinge bei einem Bombenangriff auf die Wasserscheide bei Münstereifel den Tod fanden. 1
Bei einem Tieffliegerangriff auf eine Militär-Fahrzeugkolonne der deutschen Wehrmacht, starb am 2. Weihnachtstag 1944 auf dem Heimweg vom Gottesdienst in der Pfarrkirche Schönau Frau Gertrud Kolster aus Mahlberg, als sie im Rolesiefen in Höhe des sog. Bödde Lauch dort zufällig vorbeikam. Sie erlitt durch Bordwaffenbeschuß tödliche Verletzungen. 2 Frau Ohlert mit Tochter Mina, gebürtig aus Mahlberg, verloren bei einem Bombenangriff in Münstereifel ihr Leben. Für die Bevölkerung bauten Männer des Volkssturms zwei Erdbunker. Diese bestanden aus einfachen, in die Berghänge getriebenen Stollengängen. Sie gewährleisteten nur einen Schutz bei Artilleriebeschuß, hätten Bombenabwürfen jedoch nicht standgehalten. Einer der Bunker befand sich im Hang des Schußberges östlich in kurzer Entfernung vom Dorf, ein weiterer etwa 1,5 km südöstlich vom Dorf in der Flur Hombach (Homich) etwa 50 m talaufwärts. Im Turm der Kapelle auf dem Michelsberg richtete die deutsche Wehrmacht eine Flugwache und Beobachtungsstation ein, die mit weiteren stationen bei Bergrath und Harscheid in Verbindung stand. Dort verrichteten twa 10 Personen, hauptsächlich aus Mahlberg, schichtweise Dienst. Neben der großen Fernsicht dürfte wohl die Nähe des Hauptquartiers der deutschen Wehrmacht unter Generalfeldmarschall Model für den Frontabschnitt der Eifel, in Rodert, auch unter dem Namen Felsennest als Führerhauptquartier bekannt geworden eine Rolle für die Ortswahl gespielt haben. Bei einem JABO-Angriff auf die Flugwache in Harscheid kam ein Wehrmachtsangehöriger aus Mahlberg ums Leben.
Nach dem Fall des Westwalls und dem Zusammenbruch des gesamten Frontabschnitts Ende Februar/Anfang März 1945, als die Amerikaner die Talsperren einnahmen und über die Rur vorstießen, mußten sich die Menschen auch im Raum Münstereifel auf die bevorstehenden Kampfhandlungen einstellen. Das Näherrücken der Front kündigte sich in dieser Zeit bereits durch lauter werdenden Geschützdonner an. Zur Strategie der amerikanischen Truppenverbände einige Anmerkungen. 3 Während das VII. Korps der I. Armee Seite an Seite mit der IX. Armee nach dem Rurübergang in ungestümem Vormarsch über die Erft dem Rhein zuströmte, kämpften das II. Und V. Korp der I. Armee nach Anweisung des SHAEF (Supreme Headquaters, Allied Expeditionary Force) in der Eifel verhalten.
Am 4. März besetzte das III. Korps mit der 78. Division und der 9. Panzerdivision die Stadt Euskirchen. Nach der Besetzung Kölns am 6. März durch das VII. Korps hatten die übrigen Verbände der I. amerikanischen Armee bereits nach Süden und Südosten abgedreht, um den deutschen Streitkräften in der Eifel in Flanke und Rücken zu fallen. General Patons Panzer der III. Armee durchquerten gleichzeitig in raschem Vormarsch die Südeifel. Die Armee besetzte, von Norden her vorstoßend, Bonn, Godesberg, Remagen, Brohl und Andernach. Damit war Eisenhowers Operationsplan geglückt. Am 11. März waren 23.000 deutsche Soldaten in der Eifel eingeschlossen.
Die deutschen Soldaten forderten wegen der zu erwartenden Kampfhandlungen zwar noch eine Evakuierung der Einwohner Mahlbergs, was dann jedoch unterblieb. Um den amerikanischen Männern des Volkssturms am Kriegerehrenmal vor dem westlichen Ortseingang Richtung Rolesiefen und am Heiligenhäuschen nördlich vom Dorf, an der Delle, Panzersperren mit Barrikaden errichten. Es handelte sich um tiefe Gräben mit in den Boden gerammten Kieferstämmen. Die Amerikaner ließen sich jedoch durch diese Hindernisse nicht aufhalten. Bei deren Abbau mußte die verbliebene männliche Bevölkerung mithelfen. Am 5. 3. 1945, als sich das Eintreffen der amerikanischen Truppen abzeichnete, ließ die deutsche Wehrmacht im Hof Lethert alle verfügbaren Pferde als Ersatz für die ausgezehrten und entkräfteten eigenen Tiere zusammentreiben und einige Pferdewagen für den Rückzug zum Rhein beschlagnahmen. Einer der Besitzer namens Büser erhielt später seinen Wagen in der Nähe von Bonn zurück. Als Zugtiere für die deutschen Artilleriegeschütze dienten Ochsengespanne.
Der 7. März 1945, ein Mittwoch, brachte für die Menschen in den Dörfern am Michelsberg das sehnlich erwartete Ende des Krieges. Es herrschte an diesem Tag naßkaltes, nebeligtrübes Wetter. Schneematsch bedeckte noch den Boden, nachdem der Winter nach Neujahr 1945 Einzug mit strengem Frost und viel Schnee hielt. Ab dem frühen Morgen richtete der amerikanische Artilleriebeschuß aus Richtung der Straße Holzmülheim-Weißen Stein, der jetzigen B 51, Zerstörungen an den Häusern im Dorf an. Die Geschosse zerstörten ein kleines Wohnhaus in Höhe des jetzigen Feuerwehrhauses und beschädigten einige Hausgiebel, so auch vom Haus Lethert. Der Artilleriebeschuß führte auch zum Ausfall von Strom und Wasser infolge zerstörter Leitungen. Das Wasserbassin am Michelsberg erhielt zwei Bombentreffer. Dabei kamen zwei deutsche Soldaten, die bei dem Fliegerangriff dorthin flüchteten, ums Leben. In der Flur Auf Gitzem töteten Geschoßsplitter einen weiteren deutschen Soldaten.
Die
amerikanische Artillerie feuerte auch in Richtung des deutschen
Munitionsdepots, das sich an der Chaussee etwa 1 km nördlich von
der Wasserscheide (Gemarkung im Hau) befand. Dieses wurde beim
Beschuß verfehlt. Es waren nur Einschläge im Wald zu
verzeichnen. Den Standort des ehemaligen Munitionslagers erkennt man
an einer rechteckigen, etwa 100 qm großen Vertiefung im Gelände
und an dem am Eingang zur Straßenseite hin aufgeschütteten
Erdwall.
Vermutlich infolge des Beschusses blieb im Tal, etwa 300 m unterhalb des Munitionslagers auf der Chaussee, ein mit Wolldecken und Schuhwerk beladener deutscher Militärwagen zurück; später ein willkommenes Objekt für Plünderer aus den umliegenden Dörfern. Hinter den beiden Panzersperren in Mahlberg fuhr jeweils ein Panzer der deutschen Wehrmacht in Position. Sie erwiderten mit ihren Kanonen das Feuer auf die von jenseits des Erfttals vom Weißen Stein her angreifende Übermacht der Amerikaner, nachdem diese das dort am Hollerberg gelegene Bunkersystem eingenommen hatten. Nachdem die Angreifer bis Schönau vorstießen und über den Delle-Weg bis auf Sichtweite herankamen, zog der letzte Panzer von der Sperre am Heiligenhäuschen ab und fuhr zum Michelsberg. In der Flur Erdelen sprengten die Besatzungen ihre beiden Panzer, damit sie den Amerikanern nicht in die Hände fielen und setzten sich Richtung Ahrtal ab. Dort gerieten sie mit den eingekesselten Truppenverbänden der deutschen Wehrmacht bei Adenau in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Ein aus Salzgitter stammendes Mitglied der Panzerbesatzung erzählte die Episode viele Jahre nach Kriegsende beim Besuch an alter Stätte einer Familie in Mahlberg.
Der Großteil der deutschen Landser setzte sich bereits frühzeitig vor Einsetzen der Kämpfe Richtung Flur Gierlichhausen an der Chaussee Rheinbach-Bonn ab, um nicht vom Rückzug über den Rhein hinter den eigenen Linien abgeschnitten zu werden. Dorfbewohner erinnern sich noch, daß sowohl die Straße von Holzmülheim über Schönau, Mahlberg Richtung Scheuerheck als auch die weitere Rückzugslinie Richtung Ahrtal bis in Höhe von Hummerzheim durch den Rückmarsch der deutschen Soldaten mit ihren Begleitfahrzeugen, manchmal gar nur Handkarren, verstopft waren. Wegen des steilen Anstiegs aus dem Erfttal bis zur Chaussee am Michelsberg in etwa 500-530 m Höhe mußte Peter Lethert einen Funkwagen mit seinem Pferdegespann bis nach Hummerzheim schleppen. So ließen die in Mahlberg am 6. März 1945 in aller Eile aufbrechenden Soldaten aus Beständen der im Hof Lethert aufgestellten Feldküche etwa 2-3 Ztr. Zucker und Grießmehl zurück.
Die Dorfbewohner verbargen sich am 7. März bei Beginn des Artilleriebeschusses auf Mahlberg in den Erdbunkern. Vorsorglich hatten sie bereits vorher in den Bunkern einen Vorrat mit in Säcke verpacktem Räucherschinken angelegt. Einige suchten auch im Keller der alten Schule Schutz. Dort überstanden sie unbeschadet den Artilleriebeschuß. Als das Artilleriefeuer gegen Mittag abflaute, sahen die im Bunker in Hornbach Evakuierten einen am Arm verwundeten deutschen Landser auf dem Weg Richtung Sammelplatz Gierlichhausen (Jülechhuuses) vorbeilaufen. Auf der dortigen Hochfläche lagerten längs der Straße noch große Munitionsbestände. In der Nähe richteten die Amerikaner und später die Engländer einen regionalen Sprengplatz ein und ließen die im Kampfgebiet Eifel-Rhein zurückgebliebenen Munitionsbestände mit Ausnahme der großkalibrigen Bomben, die zu Hauf verstreut in den Wäldern herumlagen, durch Sprengung etwa 1,5 t Munition. Auf dem Sprengplatz lagerten auch zahlreiche 2-3 Zentnerbomben (sog. Blindgänger) für den Abtransport in andere Gegenden, wo ihre Detonation nicht soviel Schaden anrichten konnte.
Am Hohberg, einem 574,5 m hohen Nebengipfel des Michelsberges, installierte die deutsche Luftnachrichtentruppe während des Krieges die Funkstation, auch Funkfeuer genannt, mit dem Codenamen IDA/I. Diese bestand wie üblich aus drei fahrbaren Geräten:
Leitfunk zur Orientierung der deutschen Flugzeuge, insbesondere der Nachtjäger, mit 100-Watt-Empfänger und einem Radius von 200-300 km
Suchfunk oder radar mit einem Radius bis zu 100 km
UKW-Sprechfunk für Kontakte zu den Gefechtsstationen.
Hinzu kamen noch zwei Suchscheinwerfer und ein Aggregat 4.
Diese Geräte fielen den Amerikanern nach ihrer Ankunft am 7. März unversehrt in die Hände.
Die amerikanischen Truppen rückten nachmittags, ohne auf Widerstand zu treffen, kampflos in Mahlberg ein. Eine rauhbeinige Spezialeinheit davon nannte der Volksmund Weiße Armee.
Die vorherigen Artillerieduelle ausgenommen, kam es nach dem Zusammenbruch der Front und auch wegen der Materialüberlegenheit der Amerikaner nicht mehr zu solch verheerenden Kampfhandlungen wie in den Monaten zuvor in den Grenzkreisen Monschau und Schleiden. Zum Glück für die Einwohner hielten sich die Schäden in Grenzen und bleiben die Häuser mit einer Ausnahme bewohnbar, auch wenn das Dorf ansonsten einen schlimmen Anblick bot. Viele Gebäude wiesen Einschüsse oder sonstige Schäden, vor allem an den Dächern, auf. Kaum eine Fensterscheibe war heilgeblieben. Schutt und Glassplitter bedeckten die Dorfstraße. Aus den Fenstern hingen weiße Tücher, zumeist Bettlaken. Einige Männer zogen den Siegern und Befreiern von der Nazi-Herrschaft mit einer weißen Fahne entgegen, um kundzutun, daß sich keine Soldaten mehr im Dorf aufhielten. Das gleiche geschah an der Wasserscheide durch die Einwohner von Mutscheid.
In Schönau übernahm dies der damalige Pfarrer, Herr Weissenfels, der die Amerikaner in Anbetracht der bereits durch Bombenabwürfe erlittenen Schäden von Plünderungen und Ausschreitungen gegen die Dorfbevölkerung abhalten konnte. Die Nachricht vom Eintreffen der Amerikaner erreichte in Mahlberg bald darauf die in den Erdbunkern Evakuierten. Sie begaben sich, angeführt vom damaligen Bürgermeister, mit weißer Fahne ins Dorf zurück. Die amerikanischen Besatzer trieben alle, einschließlich der polnischen Zwangsarbeiter, im Haus Ohlert an der jetzigen Mahlberger Kirche zusammen. Die verbliebene männliche Bevölkerung mußte die Internierung dort für einige Tage erdulden. Nur die Frauen durften mit den Kindern in die Höfe zurückkehren und das restliche Vieh versorgen. Diejenigen, welche im Keller der Schule Schutz fanden, blieben dort interniert. Die in den Erdbunkern gehorteten und in der Feldküche zurückgebliebenen Lebensmittel rührten die amerikanischen soldaten aus Angst vor Vergiftung nicht an.
Der amerikanische Vormarsch sollte im übrigen am gleichen Tage, dem 7. März 45, entlang der Nordgrenze der Eifel bis zum Rhein gehen und mit der legendären Eroberung der Brücke von Remagen kriegsentscheidend sein und dessen Ende wesentlich verkürzen.
Sie errichteten für ihre Soldaten zwei große Zeltdörfer, eines davon Auf Glitzern, das andere in der Flur Auf Eigern, und blieben vor dem Weitermarsch noch 2-3 Tage im Dorf. Für ihre Stromversorgung stellten sie im Hof Lethert und früheren Standort der deutschen Wehrmachtsfeldküche ein Aggregat auf. Sie beschlagnahmten kurzerhand im Dorf Bettzeug. Einige der Amerikaner bezogen auch Quartier in zwangsgeräumten Häusern, wobei u.a. auch eine aus Schönau ausgebombte und evakuierte Familie weichen mußte.
In am Dorfrand ausgeschlachteten Löchern standen Wachen auf den wegen der kalten Witterung mit Anzügen der Bewohner ausgepolstertem Boden. Die schweren Armeefahrzeuge hinterließen auf der Dorfstraße eine etwa 20 cm hohe Schlammschicht. Im Dorf lebten damals doch etliche polnische Zwangsarbeiter und arbeiterinnen als Hilfskräfte in der Landwirtschaft. Sie mußten wegen der zerstörten Wasserleitung für die Amerikaner das Wasser von den Brunnen (Pützen) holen.
Die Mahlberger Zeitzeugen haben die amerikanischen Soldaten als kräftige und rauhbeinige Burschen in unangenehmer Erinnerung. Sie betranken sich mit den in den Kellern gelagerten Vorräten an selbstgemachtem Obstwein. So kam es auch zu gewalttätigem Auftreten angetrunkener Soldaten. Ihr Zorn wurde wohl noch durch das Auffinden eines im Keller versteckten Wehrmachtsfunkgerätes verstärkt. In der Nacht nach dem Einmarsch räumten die amerikanischen Soldaten gewaltsam einige Häuser, indem sie sich durch Aufbrechen der Eingangstüren Zutritt verschafften. Dabei fielen im Haus Lethert auch Karabinerschüsse, die die Frauen in Angst und Schrecken versetzten. Auch Mobilar ging zu Bruch. Sie zertrümmerten u.a. einen Schrankaufsatz auf dem Boden und schlugen einen gußeisernen Herd durch die Kellerdecke. Die amerikanischen Soldaten nahmen für sich als Sieger auch das Recht zu Plündern in Anspruch. Ihre MP trugen sie stets schußbereit und mit am Abzug gekrümmten Finger.
Wegen der Vorkommnisse ließen später der amerikanische Kommandant seine Leute zwecks Identifizierung der Übeltäter durch die Geschädigten im Dorf Aufstellung nehmen.
Esch
Nordöstlich der Wasserscheide am Rande eines Waldstücks bei Esch befinden sich zahlreiche Bombentrichter wie an einer Perlenschnur aufgereiht im Abstand von jeweils nur wenigen Metern im Waldboden. Die Bomben galten entweder dem Munitionsdepot an der Chaussee etwa 800 m nordwestlich der Wasserscheide oder der Funk- und Beobachtungsstation auf dem Michelsberg. Beide Ziele sind etwa 1500 m von den Einschlagstellen entfernt, wobei die Bomben bei letzterem wegen exakt gleicher Luftlinie aufgrund der Hanglage und den Windverhältnissen vermutlich abgedriftet sind.
Ein bei den älteren Menschen in den Dörfern der Mutscheid haftengebliebenes Kriegsereignis war der Absturz bzw. die Explosion eines amerikanischen Bombers neben der Ortschaft Esch. Einige Augenzeugen, so Frau Margarethe Winand aus Reckerscheid, beobachteten, wie das Flugzeug bereits inder Luft auseinanderbrach und große Teile wie Tragflächen herunterfielen. Vorher klinkte es noch in der Höhe zwischen Reckerscheid und Willerscheid einige Bombe aus. Der Rumpf der Maschine stürzte unterhalb der alten Molkerei neben der Landstraße Richtung Nitterscheid in ein sumpfiges Wiesengelände (Siefen). Laut Aussage von Herrn Josef Palmersheim/Berresheim soll der amerikanische Bomber von deutschen Jagdfliegern verfolgt und abgeschossen worden sein. Für eine Explosion in der Luft sprechen auch die Angaben von Frau Anna Becker/Esch, wonach die Trümmerteile der Maschine im Umkreis von 1,5 km Entfernung von der Aufschlagstelle bis hin zur Escher Heide niedergingen. Sie erinnert sich, daß viele Trümmerstücke, so auch ein Motor, direkt in Esch nahe ihrem Hause aufschlugen. Überall im Dorf lagen verstreut Trümmer der zerschellten Maschine herum. Ein Bürger von Esch barg später noch das Spornrad des Flugzeugs in dem morastigen Schlund. Von der Flugzeugbesatzung kam einer ums Leben, während sich ein anderer mit dem Fallschirm rettete. Man nahm ihn kurz darauf im Wald gefangen.
Nach der Einnahme von Mahlberg am 7. März beschossen die Amerikaner abends und nachts vom Reckerscheider Weg her über ein Waldstück hinweg das Dorf Esch südlich der Wasserscheide. Die Einwohner brachten sich in einem in einen Berghang gegrabenen Stollen in Sicherheit. Am Morgen des folgenden Tages besetzten die amerikanischen Truppen dann auch Esch.
Reckerscheid
Die Einwohner von Reckerscheid vernahmen in der Nacht vom 6. auf den 7. März die Geräusche vom Durchmarsch der sich absetzenden deutschen Truppenverbände. Wegen des Artilleriebeschusses suchten einige Bewohner Unterschlupf und Schutz in einem mit Bruchsteinen gewölbeähnlich gebauten Kuhstall. Die meisten Einwohner von Reckerscheid verbargen sich in privaten Erdbunkern sicherheitshalber außerhalb der Ortschaft.
Die amerikanische Artillerie schoß von Mahlberg und Michelsberg aus Richtung Soller, wo sich eine deutsche Flakstellung befand. Wie überall hingen auch in Reckerscheid zum Zeichen der Friedfertigkeit weiße Tücher in den Fenstern. In der Schule von Willerscheid befand sich ein deutsches Depot. Aus dessen Beständen versorgte sich die Bevölkerung der Dörfer nach der Besetzung mit Lebensmitteln.
Berresheim
Das Haus Schmitz in Berresheim fiel während des Zweiten Weltkrieges den Bomben zum Opfer. Es waren zum Glück weder Tote noch Verletzte zu beklagen. Den Einwohnern entstand jedoch materieller Schaden, da die Dorfbevölkerung ausgerechnet in den Kellerräumen dieses Hauses Decken und Essensvorräte deponiert hatte. Die Utensilien hingen in Fetzen verstreut bis in die angrenzenden Eichenbäume. Vorsorglich gruben sich auch hier die Einheimischen Bunker in den Steilhang eines Berges. Kurz vor dem Eintreffen der Amerikaner begann man noch am westlichen Ortseingang mit dem Bau einer Barriere, konnte diese jedoch nicht mehr fertigstellen. Die Holzstämme stammten aus dem Wald von Hospelt. Berresheim erhielt keinen Artilleriebeschuß mehr, nachdem sich die deutschen Soldaten frühzeitig absetzten. Auch hier waren die Bewohner froh über den Einzug der Amerikaner und dankbar, glimpflich davongekommen zu sein (berichtet von Josef Palmersheim).
Mutscheid
Hier forderten die Bombardierungen mehrere Menschenleben. Es starben vier Mitglieder der Familie Eckes in Mutscheid. Beiden Toten handelte es sich um Frau Eckes, zwei ihrer Kinder und ihre Mutter. Eine weiter Bombe zerstörte eine Scheune (berichtet von Anna und Johann Becker aus Esch).
Die
Kosten sind zu übernehmen, schrieb der Landrat im Dezember
1945 an den Bürgermeister der Stadt Münstereifel.
Schreinermeister Jakob Schmitz aus Iversheim hatte an die Begleichung
seiner Rechnung erinnert. Die Zahlung erfolgte kurz darauf.
Schönau
Besonders hart trafen Bombardierungen das Dorf Schönau im Tal der Erft, wobei neben mehreren Dorfbewohnern auch einige einquartierte Wehrmachtsangehörige den Tod fanden. Hierüber berichtet ausführlich die Chronik der Pfarrei Schönau aus dem Jahre 1963 5.
Darin sind folgende Bombenangriffe mit Opfern genannt: Am 16.4.44 trafen drei oder vier Bomben das hölzerne Wohnhaus Gey an der Kölnstraße. Das erste Todesopfer war Frau Anna Maria Theresia Gey, während ihr Mann durch einen eingeklemmten Balken abgeschirmt und unversehrt blieb.
Am 28.10.44 zerstörte eine Bombe das Haus des späteren Küsters Hamacher am Krummesbach. Seine Frau Adele Hamacher, geb. Eiff, starb an den Folgen der schweren Verletzungen. Ihre Tochter überlebte unter der eingestürzten Treppe. Das daneben liegende Anwesen Alfons Nettersheim wurde bei diesem Angriff ebenfalls schwer getroffen und brannte völlig aus. Im zerstörten Stall wurden vier Kühe erschlagen. Die Familie fand zunächst Unterkunft im Pfarrhaus. Am 1.1.1945 fielen Bomben auf das Anwesen Jakob Höver und die Werkstätte des Stellmeisters Peter Mahlberg. Bei der Flucht der Familie Höver in den Bunker im Garten verletzte ein großer Splitter die Tochter Anna an der Hüfte. Im Stall wurden sechs Kühe getötet. Die Werkstatt des Peter Mahlberg wurde zerstört und ein Soldat getötet. Am 21.1.1945 richteten Bombardierungen großen Schaden an. Es gab jedoch keine Toten. Große Schäden entstanden an der Pfarrkirche St. Goar und dem Pfarrhaus, nachdem in unmittelbarer Nähe dort Bomben niedergegangen waren.
Die meisten Opfer forderte ein Bombenabwurf auf das Anwesen des Polsterers Albert Müller am Dell. Im völlig zerstörten Wohnhaus wurden alle Anwesenden getötet, nämlich der Vater, seine Schwester, ein Sohn, zwei Töchter, eine zu Besuch weilende Verwandte und drei Soldaten. Während des Krieges baute man rund um Schönau fünf große Bunker in den felsigen Grund:
1. In den Kirchberg vom Hause Kläs
aus mit zwei Eingängen,
2. Zwischen die Abzweigung der
Straßen nach Langscheid und Holzmülheim,
3. Hinter die
Oberstdorf-Mühle,
4. Am Weg nach Bergrath,
5. Vor dem Dorf
am Wichertsberg.
Die Amerikaner rückten vom Weißen Stein her kommend über den Hammerberg gegen Schönau vor.
Eicherscheid
Im Gegensatz zu Münstereifel erging es der Eicherscheider Bevölkerung nicht so gut. Ein deutscher Offizier versuchte mit einem Soldaten, an der Kapelle Widerstand zu leisten. Als dann auch noch ein Amerikaner auf eine Mine trat und dadurch getötet wurde, mußte dies die Bevölkerung büßen. ... Sie wurde in der Kapelle zusammengetrieben. Jedes Haus wurde einzeln durchsucht und dabei vieles demoliert und geplündert. 6
Die Besatzungsbehörden verhängten in den Dörfern eine Ausgangssperre von abends 20.00 Uhr bis anderntags morgens 8.00 Uhr, zu deren Überwachung ständig Jeeppatrouillen unterwegs waren. Die Fuhrleute erhielten für Fahrten, die der Versorgung der Bevölkerung dienten (z.B. Getreidetransporte von und nach den Mühlen), Sonderausweise. Pro Person gab es für den Eigenbedarf Brotkarten und die üblichen Lebensmittelkarten. Aus der Umgebung von Rodert unternahmen einige Personen Fahrten zum ehemaligen Führerhauptquartier Felsennest oberhalb des Radbergs bei Münstereifel, um sich von dort Möbelstücke oder demontierte Teile aus den Unterkünften der früheren Wachmannschaften anzueignen oder sogar Baracken abzubauen und wegzutransportieren. Davon erhielten die Behörden auch die Militärkommandantur Kenntnis und ließen das widerrechtlich Angeeignete beschlagnahmen und nach Euskirchen schaffen.
Der Kreiskommandant erteilte hierzu dem Landrat des Kreises in Euskirchen am 9. Juli 1945 mit Betreff Barackenfrage eine schriftliche Aufforderung mit nachstehendem Inhalt: Ich fühle mich verpflichtet, erneut nachdrücklich auf eine umgehende Klärung bzw. endgültigen Erledigung dieser heißumstrittenen Angelegenheit hinzuweisen und erlaube mir, Ihnen nachstehenden Vorschlag zu unterbreiten: Wie Ihnen bekannt ist, stehen die Baracken im Roderter Feld bzw. im früheren Führerhauptquartier herrenlos und sind daher der Willkür und dem Zugriff unbefugter Personen ausgesetzt. Wie mir gemeldet wurde, werden ständig transportfähige und abmontierte Barackenteile von unbefugter Seite gestohlen und abgefahren. Ich schlage daher vor, unter Leitung des Stadtbaumeisters Körner sowie der beteiligten Bürgermeister der Städte Euskirchen und Zülpich und mir an Ort und Stelle eine Besprechung abzuhalten, bei der das Für und Wider einer eingehenden Erörterung unterzogen wird. Insbesondere ist es unbedingt notwendig, eine restlose Klärung darüber herbeizuführen, was mit dem feststehenden ehemaligen Gästehaus geschehen soll. Ich bitte nochmals, in eine endgültige Klärung der Angelegenheit einzutreten.
Dem Schreiben war eine Handskizze zur Bunkeranlage in Rodert bei Münstereifel beigefügt. (Stadtarchiv Bad Münstereifel). Am 18. Juli 1945 ging daraufhin ein Schreiben der Stadt Euskirchen an den Bürgermeister von Münstereifel-Land.
Bei der Sprengung des Bunkersystems Felsennest bzw. größerer Restteile aus Beton flog ein Turmteil mit Türöffnung bis unterhalb des Radbergs an der Straße Münstereifel-Eicherscheid. Eine nun ständige Gefahr für Mahlberg und die Bevölkerung der Nachbardörfer war der von den Amerikanern eingerichtete und den Briten weitergeführte Sprengplatz für übriggebliebene Kriegsmunition. Täglich bis zu sechs Sprengungen gehörten bis Mitte der fünfziger Jahre zur Tagesordnung. Dies verdeutlicht das Ausmaß des Waffenarsenals, das noch in den Wäldern der Eifel herumlag: Eine Gefahrenquelle für Menschen und Wildtiere. Als Episode sei erwähnt, daß einmal mehreren Waldarbeitern aus Schuld/Ahr im Waldgebiet nahe der Kapelle Decke Tönnes die Kaffeekanne über der Feuerstelle in die Luft flog. Zum Glück kam niemand dabei zu Schaden, da alle zum Zeitpunkt der Explosion bereits wieder bei der Arbeit waren.
Es versteht sich, daß auch die Mitarbeiter des Sprengkommandos einer besonderen Gefahr ausgesetzt waren, wobei einer aus ihren Reihen sein Leben ließ. Lästig und hinderlich waren auch die Unterbrechungen bei der Feld- und Erntearbeit sowie die Sperrung der in der Nähe vorbeiführenden Straße nach Rheinbach während der angekündigten Sprengzeiten. Erst nach der Schließung des Sprengplatzes Mitte der fünfziger Jahre kehrte für die am Michelsberg lebenden Menschen Ruhe ein.
Auf dem Friedhof in Schönau fanden die bei den Kampfhandlungen bei Schönau und Mahlberg umgekommenen deutschen Soldaten ihre letzte Ruhestätte.
Zeitzeugen: Peter und Anne Lethert aus Mahlberg, Helene Fass , Mahlberg, Margarethe Winand, Reckerscheid, Josef Palmersheim , Berresheim und Anna Becker aus Esch.
Quellenverzeichnis(nachweis)
1
Stadt-Archiv Bad Münstereifel
2 In den Tagebuchaufzeichnungen
von Herrn Pfr. Weissenfels aus Schönau ist Frau Gertrud Kolster
aus Mahlberg als Opfer des Fliegerangriffs genannt.
3 Entnommen
aus Kriegsende 1944/45 zwischen Ardennen und Rhein, Ziff,
16, 17, S. 474/475 von H. Dieter Arntz
4 Gemäß Heinrich
Schuch Köln, im Kriege Mitarbeiter der Luftnachrichtentruppe
5
Chronik der Pfarrei Schönau aus dem Jahre 1963 nach den
Aufzeichnungen des Pfarrers Josef Weissenfeld
6
Aus dem Tagebuch des früheren Oberstudiendirektors Martin
Schuhmacher des St.-Michael-Gymnasiums Bad Münstereifels,
veröffentlicht in Kriegsende 1944/1945 zwischen Ardennen
und Rhein, von H. Dieter Arntz
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