Der Niedergang der Münstereifeler Tuchmacher


Von Heinz Küpper



Einleitung


Im Jahre 1339 werden die Münstereifeler Wollenweber zum erstenmal urkundlich erwähnt. Durch landesherrliche Privilegien geschützt und gestärkt, erlangte ihre Zunft einen ungewöhnlich guten Ruf, der ihr noch im Jahre 1780 eindrucksvoll bestätigt wird. Wahrscheinlich angeregt durch das blühende Gewerbe errichteten die 1618 sich in Münstereifel niederlassenden Kapuziner eine Tuchmanufaktur, aus der sie ihre gesamte kölnische Ordensprovinz mit Tuch versorgten. Im 19. Jahrhundert jedoch starb das Tuchmachergewerbe in Münstereifel fast ganz aus, während es in Euskirchen aufblühte. Dem entsprach die jeweilige Entwicklung der beiden Städte.

Meine Untersuchung hatte anfangs eine von der schließlich verfolgten verschiedene Absicht, nämlich die, historische Fakten oder wenigstens Anhaltspunkte aufzufinden, in denen sich das Hinüberwandern des Tuchmachergewerbes von Münstereifel nach Euskirchen als konkreter Vorgang erfassen ließe. Solche Fakten sind nicht aufgefunden worden, eine direkte Verbindung der Gewerbe in der einen und der anderen Stadt ist nicht aufzuweisen und auch wohl nicht vorhanden 1).

Trotzdem dürften wir von einem Hinüberwandern sprechen in dem Sinne, daß das Aufblühen Euskirchens und die Stagnation und Rückbildung Münstereifels in einem umfassenderen Zusammenhang stehen. Obwohl hier wie dort Einzelursachen genug vorhanden sind, ist die Hauptursache des Einen auch die Hauptursache des Andern gewesen. Es war die nicht absehbare Veränderung, der allgemeine Umbruch der politisch-territorialen, wirtschaftlichen und geistigen Verhältnisse, der für die Menschen dieser Gegend mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert geschah. Wenn irgendwo das Wort, das Mittelalter habe in Deutschland stellenweise bis in 19. Jahrhundert gereicht, gilt, dann für Münstereifel. Es ist geradezu das Charakteristikum dieser Stadt, daß sie den Umbruch ins industrielle, liberale Zeitalter nicht mitvollzog, ja sein Vorhandensein ignorierte. Sie hatte freilich auch Grund dazu.

Für Euskirchen und Münstereifel haben zu den Vorgängen dieser Zeit die Wirtschaftsgeographen Wilhelm Grotelüschen und Theodor Kraus (a.a.O.) das grundlegende Wort gesagt. In der Reihe der Städte, die am Nordostrand der Eifel liegen, hat Münstereifel das ganze Mittelalter hindurch sowohl als „Eifelpforte“ wie auch als Hauptort der Ebene, in der es gar nicht mehr lag, unbestritten geführt. Zülpich, von den Römern genial an der geographisch günstigsten Stelle der Gegend angelegt, war im Mittelalter durch enge Territorialverhältnisse eingeengt, wird im 19. Jahrhundert von mächtigen, zu nah gelegenen Düren kleingehalten. Das zwar längst zur Stadt erhobene, aber doch Dorf gebliebene Euskirchen, geographisch und auch straßenmäßig bevorzugt, blühte auf. Dabei verdrängte es Münstereifel nicht, man könnte etwa sagen, es nahm dessen vakant gewordenen Rang ein. Die führende Stellung Münstereifels das Mittelalter hindurch war wirtschaftsgeographisch fast ein Kuriosum. 1a).

Der am ungünstigsten, nämlich unzugänglich, abseits, auch militärisch relativ schutzlos gelegene Ort dominiert über die andern, die mitten in der fruchtbaren Ebene, doch nahe genug am Gebirge, im Netz bedeutender Straßen lagen und also viel besser für die doppelte Rolle als Mittelpunkt einer Landschaft und als Eifelpforte geeignet waren. Abe die Geschichte ist, wie übrigens die Weiterentwicklung wieder zeigte, keine Funktion der Geographie. Münstereifel führte dennoch und zwar deshalb, weil es als alte Klostergründung ein geistlicher Mittelpunkt war, sich zur „Stadt der Klöster, der Kirchen und der Schulen“ immer mehr entwickelte und darüber hinaus Verwaltungssitz, Marktplatz und Ort eben eines berühmten Tuchmachergewerbes wurde. Menschliche Initiative hat die geographische Ungunst überwinden können und in dem für Jahrhunderte gesteckten Rahmen für Münstereifel den Rang erobert, den es innehielt. Als dann im 18. Jahrhundert dieser alte Rahmen zerbrach und die erstarrten Verhältnisse wieder ungestüm in Fluß gerieten, war es wieder in stärkerem Maße menschlicher Initiative anheimgestellt, die neuen Möglichkeiten zu ergreifen oder nicht zu ergreifen. Münstereifel „versagte“ diesmal, Euskirchen nicht.

Das ist keine Wertung, aber man wird auch Kraus nicht Recht geben können, der bemerkt: „Das erscheint durchaus folgerichtig (nämlich der Schwerpunktverlagerung von Münstereifel nach Euskirchen. Anm. d. Verf.) wie ein gegebener Ablauf, ist aber doch nicht frei von historischen Umständen, die die Waage schwankenlassen.“ Was passiert ist, war aber keine von historischen umständen unterstütze, wirtschaftsgeographische Korrektur eines Irrtums, sondern von wirtschaftsgeographischen Umständen, vom Zufall und von Menschen gemachte Geschichte. Diese, den Blick auf Münstereifel richtend, darzustellen, ist unsere auf Grund der Quellenlage notwendig lückenhaft erfüllbare Aufgabe.



Das Privileg von 1769


Die Zunft in Münstereifel bestand schon an 300 Jahre, als sie sich, ihrer großen Vergangenheit wohlbewußt, im Jahre 1769 vom Landesherrn, dem Kurfürsten Karl Theodor in Düsseldorf, ihre alten Privilegien noch einmal und zum letztenmal bestätigen ließ. Wir wissen nicht, aus welchen Gründen die „Wüllenweber“ gerade in diesem Jahr ihres alten Rechtes versichert sein wollten. Gründe sind aber gewiß vorhanden, denn im selben Jahr und Monat reichen die Kapuziner ebenfalls eine Bittschrift nach Düsseldorf ein (A. 4/27), auf die noch einzugehen ist, die im Zusammenhang stehen könnte.

Eine wie auch immer geartete Unsicherheit muß den Zunftbrüdern Anlaß gewesen sein. Die Statuten selbst (A 4/27) stellen nun noch einmal eine Manifestation des Wirtschaftsgeistes und des Arbeitsethos dar, die wenige Jahrzehnte vor Niedergang und Vernichtung standen und vielleicht den Keim dazu schon in sich spürten. In zweiundzwanzig Punkten wird ein Bild der Ordnung, aber auch der Beschränktheit entworfen. Die Meister nennen sich untereinander Brüder. Sie gehören ja auch als Zunftmitglieder der „Bruderschaft unserer lieben Frau“ an (A. 4/27). Der Obermeister und der ganze Ambachtsvorstand gebietet autorativ und patriarchalisch über den einzelnen Meister. Fast in jedem Artikel wird Strafe angedroht. Es ist genau vorgeschrieben, wie die Tücher zu machen sind; alle Tücher müssen von dem Siegler der Zunft „gebleyet“, d. h. mit einem Bleisiegel versehen werden. Das hatte den guten Sinn, die Qualität des Tuches zu überwachen und damit den Ruf der Zunft zu erhalten, aber es wirkte sich natürlich dahin aus, daß die geschäftliche Bewegungsfreiheit des einzelnen Meisters sehr eingeengt war. Kein Meister durfte fremdes Tuch verkaufen, das nicht vorher vom Ambacht gesiegelt war, bei scharfer Strafe muße inder Stadt jeder nicht der Zunft angehörende Tuchmacher angezeigt werden, damit diesem von der Zunft das Handwerk gelegt wurde. Mehr als ein Lehrjunge sollte kein Meister halten, und den einen nur mit Wille der übrigen Meister. Jede zur Zunft stoßende Person wurde scharf nach katholischer Konfession, Ausbildung und „aufrichtiger Geburt“ geprüft. Die Meistersöhne waren bei der Aufnahme - sie heißt „Belehrung mit dem Ambacht“ - bevorzugt. Die Aufnahmegebühr war gestaffelt nach Fremden schlechthin, Fremden, „wo eines Meister wittib oder dochter zur ehe bekombt“, und Meistersöhnen. Zur Aufnahmegebühr (7 Goldgulden für Fremde) kamen jeweils zwei Pfund Wachs hinzu, aus dem Kerzen für kirchliche Zwecke angefertigt wurden. Die neuaufgenommenen Mitglieder waren zu Dienstleistungen innerhalb der Zunft auf mehrere Jahre, dem sog. „Knappendienst“ verpflichtet. Die drei letzten Artikel zeigen die Verwurzelung von Arbeits- und Sozialethos in der religiösen Welt: „20 mo da der liebe Gott einig Bruder oder mstr von diesem jammerthal todtlich abfordern würde, sollen die jüngste Bruder nach altem Brauch denselben zur erden tragen und bestatten helfen, da aber der krankheitshalber abschewe trügen, sollen ihnen frey stehen, andere in ihres Platz zu verordnen, und dieselbe willig zu machen 21 mo alle mstr und brüder sollen nach christlichem brauch bey der leichen erscheinen, mit zur kirchen und opfer gehen und die leiche zur erden bestatten helfen. 22 do in maßen auch alle mstr und bruder zu allen quotuor temora und blasitag in der kirchen mit erscheinen, des Ambts der heil. Meeß zu mahlen abwahrten, und folgends, was zu besten, auch genießen sollen alles bei straff der Mstrn.“


Frühgotische Madonna in der Stiftskirche zu Münstereifel aus dem Anfang des 14. Jh.
Foto: Bildarchiv, Rheinisches Museum, Köln


Nach diesen Statuten können wir uns auch ein Bild der damaligen „Betriebsverfassungen“ in Münstereifel machen, wenn man diesen Ausdruck wählen wollte. Jeder Meister, jeder Weber arbeitete als Handwerker für sich mit wenigen Gesellen und einem Lehrjungen, die bei ihm im Familienanschluß lebten oder gar meistens seine Söhne waren. Das Garn scheint teils von kleinen, ebenfalls familienbetrieblichen Spinnereien, teils von den Webern selbst hergestellt worden zu sein; der Ankauf von Garn scheint über die Zunft zu gehen. Das abgewebte, von der Zunft gesiegelte Tuch gab der Weber zum Walken und Färben an den „Foller“, den „Färber“. Auch dies waren einzelne handwerkliche Meister, die im Auftrag der Weber arbeiteten. Das fertige Tuch erhielt der Weber zurück und bot es zum Verkauf an, indem er es „auff die Fenster oder lade“ legte. Innerhalb der Zunft war also der Webmeister die zentrale Person im langwierigen Herstellungsprozeß des Tuches, bei ihm lag das unternehmerische Element des Handels und Auftraggebens an Hilfsgewerbe, das an sich zu reißen die Hilfsgewerbe, die Färber etwa, durch die Zunftregeln gehindert werden. Der Arbeitsprozeß von der Wolle zum fertigen Tuch war in einzelne Handwerker aufgeteilt, dezentralisiert, die Weber waren sozusagen die Aristokraten unter allen Beteiligten. Sie konnten mit Hilfe der Zunft jede unternehmerische Expansion unterdrücken.

Nur die Kapuziner besaßen eine „Tuchfabrik“ im damaligen Sinn, in der sie das Tuch für ihre Ordensprovinz herstellten (noch 1802 für 660 Mönche, vgl. Hürten S. 238). Aus der Eingabe, die sie im gleichen Jahre 1769 an den Landesherrn richteten, geben sie hochfeierlich einen „Extractus Archivii Conventus Capucinorum Monasterio Eifliensis ad annum 1619“ (A 4/27), erinnern also an ihre Tradition und geben bezeichnenderweise an, sie hätten zu Beginn des Jahrhunderts, „da die Zahl der Layenbruder in etwas gemindert“, „zu der statt gemeinen nutzen mehrere weltliche Arbeiter“ für die Tuchmacherei aufgenommen.

Ihr Betrieb - es waren zuletzt sieben Laienbrüder im Kloster (vgl. Hürten S. 108) - kann also auch nicht sehr groß gewesen sein. Immerhin, sie beschäftigten Arbeiter, hatten die zünftige Form durchbrochen und rühmen sich dem Landesherrn gegenüber dieses merkantilen Fortschritts. Nimmt man darüber hinaus noch eine Zusammenarbeit mit der Zunft an, so versteht man Katzfey (S. 215): „verschafften die Mönche vielen Familien der Stadt Arbeit oder Unterhalt“. Aus diesem Grunde förderte die Stadt selbst auch ihre „Fabrik“ (s. Katzfey S. 349). Ihre erwähnte Eingabe nun gibt uns eine interessante Information. Es ist den Mönchen von auswärtigen Landesherrn in bestimmten Orten der Eifel das Betteln verboten worden. Sie bitten den eigenen Landesvater nun, dagegen etwas zu tun. Dabei erfahren wir, daß sie nicht nur Lebensmittel, sondern schon immer auch „woll zur Kleydung“ auf den Eifeldörfern sich erbettelt haben, was die Rentabilität ihrer Fabrik nachdrücklich gesteigert haben dürfte. Zusammenfassend kann man sagen,daß, von den Kapuzinern abgesehen, der einzelne Münstereifeler Tuchmacher unter der straffen Leitung der Zunft fast wie in einem dezentralisierten Betrieb, jedenfalls in einem rigorosen Kollektiv der Herstellung und des Vertriebs arbeitete, also kaum noch als selbständiger Handwerker bezeichnet werden kann. Tuchmacher und Zunft gehörten für die Münstereifeler untrennbar und notwendig zusammen, wie für einen heutigen Fabrikarbeiter Arbeit und Fabrik.

Wir wollen die Vorzüge eines solchen Systems nicht verkennen. Es bietet dem einzelnen Meister (man könnte ihn auch Arbeiter nenne) Sicherheit und der Gemeinschaft die Möglichkeit, die Qualität des Tuches auf der erreichten, berühmten Höhe zu halten. Es hat außerdem große Vorzüge im Menschlichen. Ein solches Hinein- und Vollnehmen des ganzen Menschen, nicht nur seiner Körperkraft und seines Intellekts, wäre für ein modernes Arbeitskollektiv, wenn auch unmöglich, so doch vielleicht wünschenswert. Das System birgt jedoch auch die Gefahr der Erstarrung und Vereinsmeierei in sich und sollte den Münstereiflern in den bevorstehenden Zeiten das genaue Gegenteil des wirtschaftlich Angestrebten einbringen.



Die Affäre Hillebrand


Immerhin wirkte der alte Ruhm der Münstereifler Zunft um diese Zeit und zehn Jahre später bestätigt noch sehr stark. 1780 noch wir ihr von der Adenauer Konkurrenz unwillkürlich das höchste Lob erteilt (s. Hürten S. 338).

Indessen überflog der Ruf die Tatsachen. Ein Jahr vorher nämlich, 1779, spielte sich eine bezeichnende Episode ab, die sich in den von Katzfey (S. 347 ff.) abgedruckten Eingaben nach Düsseldorf spiegelt. Ein unternehmerischer Kopf tritt auf. Hermann Joseph Hillebrand, ein Sohn der Stadt, der sich selbst charakterisiert: „daß ich nach geendigtem studio philosophico mich auff die handlung gelegt und 18 jahr lang bey verschiedenen fremden handlungen und fabriquen geübet.“ Er möchte nun von Düsseldorf ein zwölfjähriges „privilegium exclusivium“ der Steuerfreiheit erwirken und will eine „fabrique“ in seiner Vaterstadt errichten, in der er einen besonderen, von den Zunftmeistern nicht herstellbaren, nur von „ausländischen Galanteriekrämern“ in der Stadt verkauften Wollstoff herstellen will. Die Zunftmeister würden keinen Abbruch erleiden, im Gegenteil, aus ihren schlechten Umständen, in denen sich „die mehrsten“ leider befänden, könnte ihnen aufgeholfen werden, weil das Geld, das sonst außer Landes ginge, beim Verkauf seines „biber“ in der Stadt bliebe. Düsseldorf, dessen Absicht „das Comercium und die fabriquen in flor zu bringen“, angerufen wird, will den Wollenweberambacht zuerst anhören. Der läßt sich zwei Monate Zeit und reicht dann eine Antwort folgenden Inhalts ein: Der „Supplicans“ (Bewerber Hillebrand) sei nicht imstand, „einen fabriquant abzugeben“. Sein Biberstoff sei viel gröberes und schlechteres Wollzeug als das von der Zunft verfertigte, jeder Zunftmeister könnte es weben, ja ein Meister der Zunft habe es dem Hillebrand erst machen müssen. Nicht nur ausländische, sondern auch hiesige Krämer führten das Zeug. Die Zunft erbiete sich, „nächster Tage“ besseres vorzulegen. „Weder supplicans, weder dergleichen armes Biberzeug wird im stande seyn, unseren Meistern, deren einige, wie überall, und wie auch supplicans, in schlechten Umständen sind, abzuhelfen.“

Am gleichen Tag reicht Hillebrand eine Erwiderung ein, aus der hervorgeht, daß er inzwischen schon angefangen hat, seinen Stoff zu produzieren. Bis jetzt läßt er ihn von dem Meister der Zunft herstellen. Er habe die Absicht, schreibt er, in einem Jahr zwei Webstühle aufzustellen, und wenn der Absatz gut sei, auch einen dritten. „Mithin (vom Verfasser unterstrichen) kan durch meine vorhabende fabrique der stadt ein größerer vortheil anwachsen, als würklich durch die fabrique deren Ehrw. Capuciner, um welcher beybehaltung sich die stadt ein merkliches hat kosten laßen, weilen man sich dadurch große nahrung versprache; und mein vorhaben kostet der stadt gar nichts, und bringet mit der zeit weit größere nahrung.“ Die Zunftmeister hätten zuerst gesagt, sie könnten den Stoff nicht machen oder er finde hier keinen Absatz. Jetzt aber wollten sie ihn alle machen können. Ihr Mitmeister, der jetzt für ihn arbeite, falle schon als Konkurrent in der Herstellung hiesigen Tuches fort, was ein Vorteil für die übrigen Zunftmeister sei. Ein Teil armer Stückmacher (armer Weber also) empfänden durch seinen Auftrag schon eine Vermehrung ihres Spinnerlohnes. Er verpflichte sich, innerhalb eines Jahres achtzehn Kinder einzustellen, die dadurch vom Bettelstab kämen, Hilfe ihrer Eltern und anständige Bürger würden. Seine Fabrik werde wahrscheinlich noch andere Gewerbe und Geld in die Stadt ziehen. Ein Kaufmann wolle sich schon mit „2000 florin bar“ an seinem Unternehmen beteiligen.

Der Magistrat der Stadt führt beiden Schreiben eine Bemerkung zu des Inhalts, daß Hillebrand den schon mit Biberstoff handelnden Bürgern, den Krämern der Stadt also, al Konkurrent gefährlich werden könne. Man möge ihm die Erlaubnis zum Produzieren, nicht aber die steuerliche Begünstigung, zukommen lassen.

Diese vier Schriftstücke verraten uns viel. Die noch vor zehn Jahren bestätigten Zunftstatuten können in wesentlichen Punkten also schondurchbrochen werden. Das Gewerbe befand sich „wie überall“ in Not. Es ist nicht ganz klar, woher diese Not „überall“ damals kommen sollte. Es herrschte doch seit langen Jahren Frieden im Land. Der 1763 beendete Siebenjährige Krieg hatte die Gegend nicht sehr berührt. Karl Theodor war bestrebt, im Zuge des Merkantilismus die Wirtschaft seines Landes zu fördern. Trotzdem fiel die Münstereifler Zunft schon damals stark zurück. Wir können drei Gründe vermuten: die „Galanteriekrämer“, sowohl die ausländischen als auch die städtischen, stellten mit dem Verkauf von auswärtigem Tuch schon eine starke Konkurrenz dar. Ferner waren der Zunft Einkünfte verloren gegangen, weil der Landesherr den Münstereifler Jesuiten zünftischen Grundbesitz übereignet, dessen Eigentumsverhältnisse nach der Aufhebung des Ordens 1773 aber völlig ungeklärt waren (vgl. Hürten S. 79 - 92, A 11/3 und 4/27). Drittens hielten auswärtige Mönche in ihnen untertanen Eifeldörfern den Wollpreis künstlich hoch, was die Münstereifler Wollenweber hart traf (A. 11/3).

Ob diese drei Gründe die Notlage ausreichend begründen, weiß ich nicht. Die Münstereifler Zunft betrieb auch kaum noch Fernhandel mehr und hatte als Markt nur die nicht sehr reiche nähere Umgebung.

Nun trat also ein Mann mit Initiative auf und brachte in die Heimat einen Hauch merkantilistischen Geistes mit, der eindeutig dem 18. Jahrhundert angehört, was sich zeigt in der naiv positiven Einschätzung der Kinderarbeit, im Hinweis auf Geistesbildung, in der betonten Hinwendung an die fördernde Obrigkeit. Es ist eine Wirtschaftsgesinnung, noch ganz anders als die des 19. Jahrhunderts, aber doch für Münstereifel bestürzend neu. Die Zunft hintertreibt seine Absichten mit gröbsten Geschütz. Wahrscheinlich hat sie aber nicht ohne Grund zwei Monate mit der Antwort gezögert: es gab Verwirrung, Unstimmigkeit in ihr, einzelne Mitglieder wandten sich dem neuen vielversprechenden Geldgeber schon zu. Die kurfürstliche Regierung schwankt in der Sache. Einerseits ist ihr jegliche Regung von Wirtschaft und Gewerbe recht. Andererseits hat sie die berühmte Zunft gerade erst wieder privilegiert. Der Magistrat der Stadt schwankt auch. Er sah aus der Nähe die Notlage seiner Tuchmacher und hörte zugleich deren Protest gegen Neuerungen. Neuerung fördert er schon in der „Fabrik“ der Kapuziner, aber das ließ sich unbedenklich tun, weil die Kirche dahinterstand und weil von dort her nur Arbeitsbeschaffung, aber nicht Konkurrenz für die Zunft zu erwarten war, die Kapuziner produzierten ja nur für en Ordensbedarf.

Das Ganze blieb eine Episode. Wir kennen das weitere Schicksal des Hermann Joseph Hillebrand nicht. Er ist mit seiner „fabrique“ nicht weit gekommen. Schuld daran wird neben der Zunft auch die zitierte allgemeine Notlage gewesen sein. Der Grund seines Scheiterns, was die Zunft angeht, lag bestimmt nicht so sehr an deren wirtschaftlichen Konkurrenz als vielmehr an ihrer althergebrachten, außerwirtschaftlichen, unsachlichen Autorität.



Die Zustände der Zunft bis in die Franzosenzeit


Die Zunft hatte nun wieder Ruhe, aber nicht für lange. Im Jahre 1787 bricht in ihr ein Streit aus, der sich über mehrere Jahre erstreckt, dessen Gegenstand aus den Akten nicht hervorgeht, der uns aber bezeichnende Vokabeln zur Mentalität der damaligen Meister liefert.

Der frühere Obermeister Hamecher und das Vorstandsmitglied Schorn rebellieren gegen die Zunft. Es scheint sich nicht um sachliche, wirtschaftliche Differenzen, sondern um persönliche Streiterei zu handeln. Immerhin hat Schorn seit mehreren Jahren seine Vorstandspflichten nicht erfüllt (das ging also auch) und wird „defungiert“ (A. 1173). Im Eifer des Zanks rufen sie den Kurfürsten an wie Kinder den Vater. In Düsseldorf hagelt es Denunziationen, Beschwerden, Gesuche, Bittschriften aus Münstereifel. Aus der Zeit des Obermeisters Hamecher, der seinerseits den Vorstand angreift wegen „Üppigkeit“, berichtet der Vorstand seinerseits (4. 4/27): früher sind die zechen bei der ambacht üblicher gewesen, als der Ratherr Hamecher nicht mehr sauft, weiß man von keiner schwelgerey. Der ambachts Vorstand ist ehrlich, mehrt das Capital.“ Er bittet darum, man möge die Zunft „wider alle stöhrer der Ruhe“ schützen, erhaltene Privilegien, altes Herkommen, Besitzstand werden genannt, es wird geredet von „ vielen hundert jahren in geliebeter Ruhe.“ -

In Frankreich ist die Revolution ausgebrochen. Vielleicht fließt dem Schreiber dieses Gesuches schon eine Ahnung und Angst in die Feder, daß diese geliebte Ruhe von ganz anderen Gewalten bedroht ist als von der kleinen Streitsache, die „Serenissimo vorgestellet“ wird. 1791 scheint die Vernunft zu siegen, der alte Obermeister Hamecher, angesichts des Todes, söhnt sich mit der Zunft aus, und es solle das Vorgefallene mit keinem Wort mehr erwähnt werden: Verbundenheit mit der Zunft von der Stärke der Familienbindung fast spürt man darin.

Im Jahre 1787 legt die Zunft eine neues Zunftbuch an (A. 11/3), das von nun an unsere Hauptquelle bilden wird. Es ist ein dickleibiger, lederüberzogener Band, etwa in Meßbuchformat und bestimmt, wohl ein Jahrhundert lang die Geschicke der Zunft protokollarisch festzuhalten. Das hat das Buch auch getan, aber seine Blätter sind zu mehr als zwei Dritteln leer geblieben. Es ist, anders als seine ersten Schreiber glaubten, der Spiegel für die Endgeschichte einer kleinen Menschengruppe geworden. Seine ersten Seiten sind erfüllt vom Streit um Hamecher. Es folgen Eintragungen über Neuaufnahmen, deren Formeln feststehen (Sohn katholischer Eltern, eines Meisters Sohn, nachdem Zunftregeln deutlich vorgelesen). Aber verdächtig häufen sich Eintragungen über schlechtes „ungebleytes“, unter der Hand verkauftes Tuch, nicht angemeldete Lehrjungen, die Zunftdisziplin lockert sich immer mehr, die Vergehen werden bestraft.

Aus dem Jahre 1789 werden Verhandlungen zur Tuchlieferung an Landestruppen berichtet. Also ein großes Geschäft des Fernhandels. Aber die Meister zögern. Sie hätten schon einmal eine solche Lieferung durchgeführt, könnten aber diese Qualität nicht mehr zum selben Preis herstellen, weil die Mönche (s.o.) den Wollpreis willkürlich festsetzten und hochschraubten. Sie legen immerhin Tuche mit Preisen bei zur Begutachtung. Wie zaghaft führten sie sich doch auf gegenüber den Euskirchenern später. Immerhin, der hohe Wollpreis mag sie wirklich stark belastet haben. Einige Jahre später fiel diese Belastung fort, aber dann haben sie erst recht kein oder kaum ein Geschäft mit dem dann noch stärker gefragten Militärtuch gemacht.

Im Oktober 1794 beherrschten die Franzosen das Land. Anfang des Jahres bringt die Zunft noch „hiesigen Jud Nathan“, der illegal mit Zunfttuchen handelt, unter ihre Kontrolle. Verhältnismäßig viele Neuaufnahmen in die Zunft sind in der alten Form aufgezeichnet. 1797 stirbt der alte Obermeister Hamecher; ein neuer, Karl Koch, wird gewählt, indem der Untersiegler mit einer Liste von drei Personen zu allen Meistern geht und die Stimmen sammelt. Wurden die zunftfeindlichen Franzosen ignoriert? Im Zunftbuch scheint es so. Aber es schimmert doch die bewegte zeit bald und nachdrücklich durch. Gebührenzahlungen bei Neuaufnahmen sind vergessen worden. 1796 werden einem Schuldner die Unkosten „wegen befund schlechter zeiten ... propter Deum“ nachgelassen. 1797 wird auf Grund eines Falles der Qualitätsuntertreibung noch einmal beschlossen, daß jetzt alle Tücher wieder gesiegelt werden sollen. Das war also in den vergangenen Jahren nicht mehr geschehen. Daß es jetzt wieder eingeführt werden soll, zeigt, wie trotz aller Bedrängnisse und Verwirrung oder gerade deshalb der Wille zur Zunft ungebrochen, ja bestärkt war.


Foto: Haus der Rheinischen Heimat Köln


Am 12. Mai 1978, vier Jahre nach dem Einmarsch der Franzosen, muß die Zunft dem „Regierungsbeschluß die aufhebung deren zünften betreffend“ Rechnung tragen, und sie tut es in einer ganz bezeichnenden Weise. Das Protokoll, von schreibgewandter Hand angefertigt, beginnt wie immer mit der Aufzählung der Vorstandsmitglieder, schließt dann die unerhebliche Straf- und Zinsbeträge enthaltende Ambachtsrechnung an, dann heißt es in der alten Form: eodem ut ante et coram eisdem, und es folgen in einer einzigen, nach Punkten gegliederten, langen Satzperiode Erwägung und Beschluß, die Auflösung betreffend. Die französische Regierung hat das vom ehemaligen Landesfürsten den Jesuiten überlassene Zunftland enteignet, die Zunftbedürfnisse mußten folglich aus Beiträgen der Mitglieder bestritten werden, deshalb wird - 2. Teil - beschlossen, „den wirklichen Vorrath zu versilbern und nebst der Bürgschaft unter die wirkliche Meisterschaft zu vertheilen.“ Der „Commißarius“ der Zunft, ein Magistratsbeamter, wird beauftragt, die durch „ehemaligen Despotism“ der Zunft entzogenen Güter bei den „mahligen mehr menschlichen gesätzen an der Behörde zu reclamiren“, damit man „eigens denen arme Waisen unter die armen greifen“ könne.

Unterschrieben haben: Elven, Zunfts Commißarius; Schildgen, ambachs Commißarius; Jacob Satzfey, Ober-Meister; Carl Koch, Ober-Meister. Darunter ist ein mächtiger Klecks aufgeschmiert, unter dem sich anscheinend noch mehr Namen oder Sätze verstecken.

Kein direktes Wort über eine Selbstauflösung wird hingeschrieben. Eine solche Auflösung mußte den Meistern wie ein persönliches Todesurteil vorkommen, und das spricht man sich nicht selbst aus. Man kann vermuten, wie es den Leuten unter „mahligen mehr menschlichen gesätzen“ in Wirklichkeit zumute war, nachdem ihnen mit dem „ehemaligen Despotism“ der so oft angerufene Schutz geschwunden war. Trotzdem legen sie ihrem alten Landesvater diese scharfe Formulierung bei, sie sprechen sie nach, vielleicht nicht ganz widerwillig. Jedenfalls waren es kleine Leute, die mit den Wölfen heulen mußten.



Die Bedeutung der Franzosenzeit für Münstereifel


Die Münstereifeler hatten keinen Grund, sich über die Fremdherrschaft zu freuen. Grotelüschen (S. 71) charakterisiert die Veränderung, die eintrat; „Es kam hinzu, daß es (Münstereifel) unter den Franzosen, die anderwärts so fördernd eingriffen, schwer zu leiden hatte. Die Klöster wurden mit einem Schlage aufgehoben, und Münstereifel war doch sozusagen eine Stadt der Klöster gewesen. Die Besucherzahl des Gymnasiums ging zurück; und als Sitz der Verwaltung verlor es seine Bedeutung, da das in der Ebene gelegene Rheinbach kurzerhand zum Mittelpunkt des neuen Kantons und damit auch zum Sitz des neuen Friedensgerichtes gemacht wurde.“ Welchen Lebensstandard es verlor, berichtet Katzfey auf den letzten Seiten seines Buches. (S. 409 ff.)

„Durch den Umstand, daß die Stadt ihr Entstehen und bis zum Anfange unseres Jahrhunderts (des 19.; Anm. d. Verf.) ihr sorgenfreies Fortbestehen dem Stifte und den übrigen geistlichen Anstalten verdankte, ist das Privatleben der Bürger ziemlich stark mit dem der Stiftsherren in eine Form geflossen.“ Er beschreibt das fröhliche und stilvolle Leben der Stiftsherren und fährt fort: „Andere (Bürger; Anm. d. Verf.) ahmten in ihrer Weise diese im häuslichen Kreise nach; was selbst bis in die unteren Volksschichten in einer Stadt ausführbar war, wo die Kapitelspeicher das Brot, der Gemeindewald den Brand in billigen Preisen lieferten, ohne je erschöpft zu werden. Dieses Leben und Lebenlassen war so tief eingewurzelt, daß es ... erst mit dem allmäligen Hinscheiden der Stiftsherren und ihrer Zeitgenossen auf jenes Maß gesunken ist, was sich auch an anderen Orten findet.“ Das war Münstereifels „gute alte Zeit“, die von der Revolution zerstört wurde.



Die Tuchmacher in der Franzosenzeit


Das Kapuzinerkloster wurde 1802 aufgehoben (vgl. Hürten S. 108). Der „Fabrikant“ Breuer aus Kuchenheim kaufte die Klostergebäude und setzte noch eine Zeitlang die Tuchweberei darin fort. Von ihm schreibt Hürten (S. 318): „Obwohl die Kriegführenden viel Tuch verbrauchten, war der damalige Inhaber der Kapuzinerweberei nicht geeignet, das Geschäft fortzuführen.“ Bezeichnend ist schon, daß in dieser Stadt, wo „jeder dritte Bürger Wollweber war“ (A. 22/422 vom Jahre 1900, zurückgehend auf „eine Notiz in hiesigen Akten“; die Zahlenverhältnisse dieser Zeit sind überhaupt nicht zu fassen), nicht ein Einheimischer sich in den Besitz der doch vorhandenen Fabrikanlage setzte. Daß der Kuchenheimer Unternehmer auch nicht einmal die Chance wahrnehmen konnte, an Militärtuch zu verdienen, läßt erst recht auf die Passivität der Zunftmeister schließen. Hier wäre Gelegenheit gewesen, den engen Zusammenhalt untereinander wirtschaftlich auszunutzen. Weder das geschah, noch hoben sich selbständige Leute aus dem Zunftdenken heraus. Die zunftfreien Euskirchener Tuchmacher bauten damals ihre Industrie auf. Die Münstereifeler konnten mit ihrer Freiheit nichts anfangen, für sie gehörten, wie gesagt, Tuchmacher und Zunft unlöslich zusammen; sie scheinen es für wichtiger gehalten zu haben, die Zunft zu erhalten, als selbständig Tuch zu machen und abzusetzen. Sie zogen es vor, in ihrer Zunft als einer harmlosen Art von „Untergrundbewegung“ bessere Zeiten abzuwarten. Schon 1801 werden neue Mitglieder in „gegenwertige Gesellschaft“ aufgenommen (A. 4/27). Das Zunftbuch wird ostentativ auf der nächsten Seite fortgesetzt, und zwar im Jahre 1804, als wieder neue Meister aufgenommen werden unter den alten Bedingungen, nur mit neuen, naiv getarnten Ausdrücken: „Gesellige Meister, Gesellschaft, Mitglieder“. Einige Bewerber leisten den alten Treueid, andere werden „demettirt“, „provisorisch unter Verbindung ihres gewißens“.

Sofort darunter aber steht die zehn Jahre jüngere Befreiungsnachricht vom 21. Februar 1814, man spürt geradezu darin das Aufatmen der Meister. Stolz werden die Protokolle aus zwei Geheimverhandlungen im 10. Jahre der Republik, also dem Jahre 1801 (nach Grotefend: Taschenbuch der Zeitrechnung, Hannover 1941), nachgetragen. Zur Vollzähligkeit des Vorstandes, „damitten die Käntnißen fortgepflanzt würden“, werden, da „Volckswahlen“ nicht möglich sind, (ohnnachtheilig des alten Brauchs“ neue Vorstandsmitglieder, auch ein neuer Obermeister, Hilger Gerarts, aus der Versammlung gewählt und ihm aus dem Hause des verstorbenen Altmeisters Satzfey der Besitz der Zunft, „die handwerckspapieren in zweyen Kisten“ nebst zwanzig zwey zinnern Becheren. Vier altfränkische schwere saltz Vaß mit füßchen - drey Maaßen Kannen und zwy schüßelen“ übergeben, die massiven Zeugen wohlhabender Vergangenheit.

1814 also atmet man auf, daß die „Bißher drückende französische Regierung ihr endschaft erreichet hat und alles in sein Voriges gleiches zurückgeführt werden“ könne oder werde. Die Zunft stellt sich unter den Schutz jener beiden „Kayserl. Majestäten, des kayser aller Reußen und des kayser von Oestreich“, die dem Interimsregiment am Mittelrhein vorstehen. Die Zunftmeister scheinen allen Ernstes erwartet zu haben, daß nun alles wieder werden würde wie früher: Privilegierung der Zunft, Wiederherstellung der Vorstandsautorität und des religiösen Rahmens der Arbeit, kurz, totale Restauration. Aufatmen und Hoffnung, die die Stadt der Kirchen und der Klöster und ihre ehrbare Zunft keineswegs mit ihren Euskirchener Nachbarn und weiten Teilen der rheinländischen Bevölkerung, wohl aber mit den „Kayserl. Majestäten“ teilen, sind uns für Münstereifel verständlich, dessen Leben im Boden der alten Zeit gewurzelt hatte, die nun wiederkehren sollte. Aber sie kehrte nicht wieder. Als letze Kriegsplage plünderten Kosaken des Kaisers aller Reußen noch einmal in der schwer geschlagenen Stadt (A. 20 a 1). Dann begann die preußische Zeit.



Der Niedergang der Tuchmacherei und der Stadt bis zum Ende des 19. Jahrh. 2)


Die preußische Verwaltung schaffte Ordnung im Lande und förderte die in der Umbruchzeit freigewordenen wirtschaftlichen Bestrebungen nachdrücklicher und moderner, als die vorrevolutionären, im engeren merkantilistischen Denken befangenen Landesherrn es tun konnten. In Euskirchen wie überall in bestehenden und entstehenden Industriezentren machten die homines novi, die werdenden Unternehmer, sich das zunutze. In Münstereifel wich die Lähmung nicht vom Gewerbe. Zwar lieferten die Tuchmacher auch einmal noch 1814 zusammen 3260 Ellen Tuch an die preußische Armee (A. 130), das aber, wie es in der Aktennotiz heißt, nicht angemessen bezahlt wurde. Später wandte sich der Staat nicht mehr als Auftraggeber, sondern nur noch in allgemeiner fürsorglicher Absicht der Stadt und ihren Gewerben zu, und er erscheint mehr Initiative dabei aufgeboten zu haben als die Münstereifler selbst. Jedoch blieb der Stadt in diesen Jahren kein Unglück erspart. 1816 herrschte durch Mißernte eine große Hungersnot (vgl. Hürten S. 318). 1818 gab es schon wieder eine furchtbare Überschwemmungskatastrophe (Hürten S. 518). 1816 forderte der Landrat in Rheinbach, es sollte unter der Hand vom Bürgermeister erkundet werden, welche wirtschaftlichen Zustände und welche Möglichkeiten in der Stadt vorhanden wären (A. 22/204). Von einer Antwort ist nichts bekannt. Der aus Anlaß der Überschwemmung von der kgl. Regierung nach Münstereifel entsandte Regierungsreferendar v. Bianco, der übrigens tatkräftig der Wassernot entgegentrat, forderte wiederum seinerseits vom Bürgermeister eine „Untersuchung der Ursachen des hier gesunkenen Nahrungsstandes, zu begründende Ermittlung und Angabe der geeigneten Mittel zur Beförderung desselben“ (A. 21/123). Er erkannte, daß Münstereifel in einer tieferen Katastrophe als der durch die Erft verursachten steckte, und stellte detaillierte, präzise Fragen: „Wie ist dem Hauptgewerb ... der Stadt Betrieb und Absatz zu verschaffen?“ Er wollte höheren Orts etwas unternehmen, doch Bürgermeister und erst recht das Hauptgewerbe selbst regten sich nicht. Wie war seine Lage?

Die im ehemaligen Kapuzinerkloster etablierte Tuchfabrik Breuer existierte noch, allerdings ohne große Bedeutung mit ihren 12 - 15 Arbeitern (A. 22/788). „Das Garn-Gespinste wird jedoch durch die vorhandenen englischen Spinnmaschinen für die hiesige Gegend in bedeutender Menge verfertigt.“ (A. 22/788).

Die Spinnerei in Münstereifel hat sich also technisch modernisiert und vielleicht sogar zentralisiert, was aus der Notiz allerdings nicht deutlich hervorgeht. Das ist im Tuchgewerbe auch in Euskirchen der übliche Vorgang gewesen: Technisierung und Zentralisierung der Spinnerei. Dieser Ansatz ist also da in Münstereifel, eine Spinnerei versorgte die verstreuten Weber der Gegend mit Garn. Jedoch blieb es dabei, beim Ansatz, wie seiner zeit bei dem Projekt Hillebrand. 1822 wird aus allen Gewerben „Stockung durch Geldmangel“ berichtet (A. 22/788). 1833 wird im Ratsprotokoll (A. 4/10) von der Mehrzahl aller Einwohner als von „armen Taglöhnern“, ja von „gänzlicher Gewerbelosigkeit“ gesprochen.

Die kleinen Tuchmacher, die alten Zunftmeister und ihre neu aufgenommenen Söhne, hungerten sich aber durch. Eine statistische Erhebung aus dem Jahre 1849 (A. 22/203) zählt in der Stadt und den umliegenden Ortschaften 27 Tuchmacher und 53 Weber. Die Tuchmacher und Tuchbereiter wohnten bis auf eine Ausnahme alle in der Stadt, es waren 16 Meister mit 11 Gesellen. Von den Webern wohnten nur noch 10 in der Stadt, 6 Meister und 4 Gesellen. Die vermutete zentrale Spinnerei war inzwischen wieder ausgefallen. Vielleicht veranlaßte dies in den fünfziger jahren einige Euskirchener Fabrikanten, in Münstereifel und Iversheim hilfsgewerbliche Fabriken zu errichten. Inzwischen führte Euskirchen längst und griff also seinerseits unternehmerisch nach Münstereifel hinüber. Die Gründe dafür waren bestimmt der noch immer nachwirkende Ruhm der Münstereifler Tuchmacher, die zahlreichen Facharbeiter der Gegend und die Wasserkraft der Erft. Jedoch stießen die Euskirchener in Münstereifel auf den heftigsten Widerstand - der Landwirtschaft.

Die einflußreichen Wiesenbesitzer fürchteten um ihre uralten Bewässerungsrechte und hintertrieben industrielle Pläne auf das kleinlichste (A. 22/788). Nicht viel besser als den Euskirchenern erging es zunächst den Kaufleuten Wolff und Engels aus Münstereifel selbst, die ebenfalls eine Tuchfabrik an der Erft errichten wollten und gegen das „in eine dunkle Vergangenheit“ (A. 11/788) zurückreichende Bewässerungsrecht angehen mußten, dann aber nach jahrelangem Streit die Konzession mit vielen Einschränkungen erhielten. Jacob Katzfey, der eben seine Stadtgeschichte schreibt (1854 herausgekommen), begrüßt „das kühne Unternehmen“ (S. 352). Seine maßgeblichen agrarischen Mitbürger schienen aber in eben der „dunklen Vergangenheit“, auf die sie sich beriefen, befangen zu sein und den Sinn für die Realität der Zeit nicht besessen zu haben. Die Fabrik der Wolff und Engels hat einige Jahrzehnte bestanden, es hat noch einige ephemere Neugründungen im Münstereifler Raum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegeben, jedoch die Tuchmacherei in Münstereifel war zu Ende. In dem Jahrzehnt nach der Jahrhundertmitte entfaltete die Euskirchener Tuchmacherei sich technisch und verfassungsmäßig vollends zur modernen Industrie und erdrückte die Münstereifler Reste. Als einzige tuchgewerbliche Anlage existiert in Eicherscheid heute noch die Spinnerei Fischenich.


Leinenweberzunft - Fahre von 1845
Foto: Bruno Lang


Die Stadt selbst stagnierte. Die Verwaltungsberichte geben keine Daten, sind voll elegischen „Raissonnements“, wie von Rheinbach aus kritisiert wird (A. 22/422). Das alte Münstereifel mit seiner ehrwürdigen Vergangenheit fand nicht seinen „Ort“ in diesem 19. Jahrhundert. Es klammert sich an Herkommen und Restauration. Die Zeitfragen der Wirtschaft, Technik und soziale Frage, berühren es kaum. Die weiterbestehenden Gewerbe, Gerberei, Brauerei, verlassen nicht oder fast nicht die Grenzen des Handwerklichen. Auswärtige Industrie bietet zwar Brot, dringt aber nicht in die Stadt (der Bleibergbau bei Mechernich, die Arloffer Tonwerke, Maschinenfabrik Hettner; vg. Hürten S. 317 ff.). In einem amtlichen Bericht von unbekanntem Verfasser „Über Gesind“ aus dem Jahre 1861 (A. 22/204) wird die „falsche Anwendung der Begriffe Freiheit und Gleichheit“ beklagt und befürchtet. „Letzteres ist um so mehr zu befürchten in einer Zeit, die ohnehin der Landwirtschaft abhold, nur nach dem Materiellen hascht, der Genußsucht fröhnt, mehr sich dem Luxus in die Arme wirft. Diese Erscheinungen unserer Zeit sind nur geeignet, jeden gedeihlichen Fortschritt der Landwirtschaft zu untergraben. Denn diese verlangt einfache und schlichte Sitten, Frugalität der Lebensweise und Vergnügen an der Natur und ihrer schöpferischen Kraft.“

Ich gebe den Bericht wieder als Zeugnis, wie restaurativ Münstereifel noch und schon damals war, in einem gewiß nicht kleinen Sinn.

Wie unsicher es dabei war und wie wenig noch an der neuen Wirklichkeit orientiert, zeigen die Eisenbahnpläne. 1859, als der Bau einer Bahnstrecke von Köln nach Trier über Euskirchen und entweder über Münstereifel oder über Kommern geplant war (vgl. 650 Jahre Stadt Euskirchen I.S. 326 und II. S. 338), reichte Bürgermeister Kemp einen Antrag bei der Eisenbahndirektion ein (A. 22(800), die Bahn über Münstereifel zu führen. Es ist kein Antrag, sondern ein Hymnus. Es wird von der Ostsee (!) und dem Mittelmeer gesprochen, in deren Verbindung Münstereifel nicht fehlen dürfe; das Erfttal wird paradiesisch reich genannt und gar in Münstereifel hätten „Handel und Industrie eine solche Höhe erreicht, wogegen alle ihre Nachbarstädte zurückstehen müßten“. Bedeutende Gerbereien, zwei geplante Hochöfen werden genannt - die Tuchindustrie nicht. Aus dem Jahre 1864, als die Bahn von Mechernich tatsächlich über Münstereifel geführt werden sollte, also fünfzehn Jahre später, gebärdete die Stadt sich wieder wirklichkeitsfremd, aber diesmal in umgekehrter Richtung. Hürten berichtet lakonisch (S. 321): „Allein die städtische Vertretung lehnte einen Zuschuß ab und suchte sogar den Plan zu hintertreiben aus Besorgnis vor fremden Wettbewerb und den mit der Freizügigkeit verbundenen sittlichen Gefahren.“ Erst 1890 erhielt Münstereifel eine Stichbahn von Euskirchen aus. In diese Zeit fällt sein Wendepunkt zur neuen Entwicklung. Die alte Wollenweberzunft existierte noch in die neue Zeit hinein. Es lohnt, die letzte Strecke Weges dieser kleinen Menschengruppe aus einer großen Vergangenheit bis ans würdige Ende zu verfolgen.



Die Wollenweberzunft im 19. Jahrhundert


Wir haben gesehen, wie sich die Zunftmeister in der Bestürzung der Franzosenzeit an ihre Zunft als an ihre vermeintliche Rettung klammerten. Jedoch die Zunft konnte sie nicht retten. So trat ihre wirtschaftliche Bestimmung im 19. Jahrhundert mehr und mehr zurück, und ihr menschlicher religiöser Hintergrund drang bestimmend vor.

Noch in der Franzosenzeit, 1810, als sich in der Meisterschaft Streit erhob um das Vermögen der Zunft, das offenbar doch nicht ganz verteilt worden war, schreib der „Commißarius“ Schildgen an die französische Regierung (A. 4/27), es seien „die Vorräthe bloß zum Kirchlichen verwendet worden, wie denn zu keinem anderen Ziel und End seit vielen hundert Jahren“. So blieb es auch im ganzen 19. Jahrhundert. Zwar nimmt die Zunft noch bis zum Jahre 1868 neue Mitglieder, meistens die Meistersöhne, auf und erhebt bis zuletzt die Gebühr von zwei Pfund Wachs, wie uns das Zunftbuch (A. 11/3) meldet, aber bis dahin ist sie längst eine Art Verein geworden ohne wirtschaftliche Funktion. Der „Knappendienst“, den der Neuaufgenommene noch zu leisten hat, bezieht sich nur noch auf unentgeltliche Dienstleistungen der Zunft bei kirchlichen Prozessionen. In den vierziger und fünfziger Jahren muß wiederholt die Disziplin gestrafft werden: kein Meister darf die Quatember-Messern, das Blasiushochamt und bestellte Totenämter versäumen, kein Meister darf in Werktagskleidung auf der wohllöblichen Zunftversammlung erscheinen. Das Gefühl der alten Würde und Autorität ist noch wach. Am Blasiustag 1846 wird beschlossen, daß „ein neuer schöner Fendel“, eine Vereinsfahne also, angeschafft wird. Sie wird aus dem Überschuß der Blasiusrechnung und aus kleinen monatlichen Beiträgen der zwölf „noch lebenden Meister“ und der vier verwitweten Frauen Meisterinnen mühsam abgestottert.

Am Blasiustag, dem 3. Februar jeden Jahres, feiert die Zunft ihr altes Fest mit dem alten Brauch des „Britzeschlagens“ vor dem Rathaus, verläßt im Zug die Kirche und verzehrt wie seit altersher auf der Zunftstube im Rathaus aus der Zunftkasse Wein, Branntwein und Weißbrot, trifft ihre kleinen Beschlüsse, die mit ungelenker Hand und Diktion ins alte Buch eingetragen und von allen Mitgliedern unterschrieben werden. Katzfey schreibt zum Fest (S. 352): „Und sieht es ungefähr wie die Gedächtnißfeier für einen Verstorbenen aus, wenn wir jetzt noch mitunter am Skt. Blasiustage die Britze schlagen.“ Im Jahre 1868, neunundneunzig Jahre nach der letzten Bestätigung der alten ehrenvollen Privilegien, bricht der zusammenhängende Teil des Zunftbuches ab.

Ein Viertel des Buches ist nur beschrieben, nach vielen überschlagenen leeren Seiten finden sich in der zweiten Hälfte die von 1829 bis 1896 eingetragenen Rechnungen, die die Bemerkung Katzfeys eigentümlich bestätigen. Bei den Ausgaben überwiegen die Summen für die Totenämter, bei den Einnahmen neben unerheblichem Zins auf verliehenes Kapital die Gebühren für das Verleihen von Bahrtuch, Trauerfähnchen und Zunftfahne. Die Rechnungen schließen immer so um vier Mark herum ab. Das Glas Bier, das der „Fendrich“ an Kirmes auf Kosten der Zunft trinkt, taucht regelmäßig in der kleinen, makabren Rechnung auf. Die Zunft besteht eigentlich nur noch, um ihre Toten zu bestatten und ihrer zu gedenken.

Am 20. Dezember 1896 beschließen die fünf noch lebenden Mitglieder Heinrich Engelbert Gerards, W. Castenholz, Laurenz Bollenrath, Gottfried Koll und Josef Engels sen., das Kapitalvermögen von 84 Mark, sowie ein altes Zunftbuch, die Fahne und das Bahrtuch der Pfarrkirche zu vermachen, die dafür anden Quatembertagen und am Blasiustage Messen lesen soll für die lebenden und verstorbenen Mitglieder der Zunft für „ewige Zeiten“.



Schluß


Münstereifel hat sich in unserm Jahrhundert als Bade- und Kurort eine neue Existenzgrundlage geschaffen. Es hat sich gezeigt, daß seine alte, glanzvolle Zeit nicht verschollen ist, sondern durch das bedrückende 19. Jahrhundert gewirkt hat. Die Stadt, die immer noch kleiner ist als manche aufgeschlossenen Industriedörfer der näheren und weiteren Umgebung, unterscheidet sich doch auf das Wesentlichste von diesen. Diese Dörfer mögen ihren eigenen neuzeitlich-barbarischen Reiz haben, auch Euskirchen ist nur eine Stadt des 19. Jahrhunderts und nichts anderes. In Münstereifel ist aber geprägte Form wahrhaftig nicht zerstückelt worden. Wir suchten in Zitaten Katzfeys und des Berichtes von 1861 darauf hinzuweisen. Vielleicht war auch die Ablehnung der Eisenbahn im Jahre 1864 gar nicht so nachteilig, und vielleicht haben die damaligen Stadtväter, wenn auch unbewußt, klug gehandelt für Münstereifels Zukunft, die jetzt seine Gegenwart ist.

Vielleicht hat auch die bewahrende Gesinnung der letzten Wollweber sich der Stadt wirklich, zwar nicht für „ewige Zeiten“, aber für lange Zeit noch aufgeprägt, und, indem sie die Verdinglichung von Wirtschaft und Gesellschaft nicht mit vollzog, einen von ganzen Mensen getragenen Arbeits- und Lebensstil wachgehalten.

Ein mittelalterliches Bauwerk, eine Kirche zumal, kann mitten in einem sich ins Chaotische steigernden Betrieb einer Großstadt bestürzende Aktualität haben. Ähnliches gilt, natürlich abgeschwächt, für Münstereifel als städtische Gesamtheit. Es hat die Neuzeit gewissermaßen „übersprungen“ und bezeugt sichtbar Vergangenheit und unvergangenen Ursprung abendländischen Wesens.



1) Vielleicht ließe sich bei der näheren Kenntnis der Orte Stotzheim und Kuchenheim als Verbindungsglieder am Lauf der Erft etwas feststellen, aber Quellen dazu fehlen oder sind nicht zugänglich.

1a) Diese nach Krause (a.a.O.) wiedergegebene Ansicht wird nicht von allen Historikern geteilt. Herr Prof. Steinbach beurteilt die Verkehrslage von Münstereifel im Mittelalter weit günstiger und setzt in einem Vortrag „Münstereifel als stadtgeschichtlicher Typus“, gehalten 1955 in Bonn und Münstereifel, die günstige Mittlerstellung Münstereifels zwischen Gebirge und Ebene analog der Rolle Freiburgs im Breisgau im süddeutschen Raum. Verfasser muß die Frage offenlassen. Fest steht jedenfalls, daß wirtschaftsgeographisch um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert Münstereifel keine bevorzugte Lage besaß.

2) Für die zeitlich parallel laufende Entwicklung der Euskirchener Tuchmacherei sei verwiesen auf: Hans Renelt, Die historische Entwicklung der Euskirchener Tuchindustrie bis 1914, Euskirchen 1921, und auf die Untersuchung des Verfassers im Heimatkalender 1955.
In Euskirchen gab es seit dem 17. Jahrhundert einige wenige Tuchmacher, die sich schon 1705 in einer „Wüllenweberzunft“ zusammenschlossen, doch hatten weder die Wüllenweber noch ihre Zunft ein großes Gewicht. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fanden sich „auswärtige Händler mit Wollentuch und allerlei Stoffen“ in der Stadt ein und fanden mit unternehmerischen Köpfen aus der näheren Umgebung in der Franzosenzeit denkbar günstige Anfangsbedingungen für eine neue Industrie. Die Zunft verschwand spurlos, sie hat überhaupt nicht in die Anfänge der Industrie in Euskirchen hineingereicht. Durch den großen Bedarf an Uniformtuch, der in der Kriegszeit bei 1816 vorlag, trat in Euskirchen erst die Tuchmacherei als bestimmender Faktor neben den Ackerbau. Neben patriarchalisch-handwerklichen Betrieben entwickelten sich von vornherein Fabriken, die auf der Basis Unternehmer-Arbeiter beruhten und in sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die ganze Breite der sozialen Frage zu entfalten hatten. Kinderarbeit, Mechanisierung, Krankenkasse, Sozialdemokratie, Gewerkschaften, Streik: in Euskirchen handelte es sich um Sozialgeschichte in der modernen Gesellschaft; in Münstereifel tauchen diese das 19. Jahrhundert mitprägenden Vokabeln überhaupt nicht mehr auf.



Quellen und Literatur:


Stadtarchiv Münstereifel. Akten: 4/27, 5/5a, 5/6, 5/27, 5/30, 6/2a, 6/85, 8/67, 10/32, 11/3, 16/13i, 16/14, 20/a1-a7, 20/4-10, 21/123, 22/788, 4/10, 22/203, 22/422, 22/204, 22/800.
Jakob Katzfey: Geschichte der Stadt Münstereifel und der nachbarlichen Ortschaften. Köln 1854.
Karl Hürten: Volkstümliche Geschichte der Stadt Münstereifel. Münstereifel 1926.
Wilhelm Grotelüschen: Die Städte am Nordostrande der Eifel. Bonn 1933.
Theodor Kraus: Euskirchen als wirtschaftsgeographische Erscheinung. In: 650 Jahre Stadt Euskirchen II. Euskirchen 9155 S. 331.


*) Übernahme von Stilblüten und Rechtschreibung der Vorlage. Sonstige Fehler vorbehalten

15. 1. 2003 - H.K.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1957

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