100 Jahre Kolpingsfamilie in der Kreisstadt Euskirchen |
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Von Theodor Niessen, Euskirchen |
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Ursache der Entstehung des Kolpingwerkes |
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Wenn man die Ursache nachspüren will, die zur Gründung der Gesellenvereine bzw. Kolpingsfamilien führte, so muß man sich zurückversetzen in das Zeitalter der ersten Maschinen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfand man den Guß-Stahl, die Dampfmaschine, die Spinnmaschine und den mechanischen Webstuhl. Das 19. Jahrhundert brachte die Vervollkommnung der grundlegenden Erfindungen, und 1830 lief die erste Eisenbahn. Es entstanden Fabriken, die das Inland mit Waren überfluteten, und dann begann in allen Ländern der Kampf um die Eroberung des Weltmarktes. Dies hatte zur Folge, daß die Lebensbasis des Handwerks eingeengt und die Gesellen und kunstfertigen Meister in die Fabriken abwanderten. Um auf dem Weltmarkte konkurrenzfähig zu sein, wurden die Löhne um die Hälfte gekürzt und die Arbeitszeit verdoppelt. Man entließ Arbeiter und beschäftigte Kinder, 14 Stunden am Tage. Zuletzt verdiente der Arbeiter in der Woche 5 Mark und ein Kind 1,50 Mark. Davon mußte eine vielköpfige Familie leben. Die Not war unvorstellbar groß geworden. Hier und da flackerten Aufstände und Gewalttaten auf. Arbeiter und Gesellen stiegen auf die Barrikaden. Der Geselle litt nicht nur unter der technischen Entwicklung, sondern auch an den Folgen der unumschränkten Gewerbefreiheit, welche die französische Revolution und die Aufklärung brachten. Ferner hatte der Geselle Tisch und Obdach bei dem guten Meister verloren, er gastierte in den Pennen und Wirtshäusern, lernte alle Untugenden, wurde zum Trinker und zu einem unzuverlässigen Arbeiter. In diese Zeit war der Schuhmachergeselle Adolf Kolping hineingestellt. Die geistige und seelische Not seiner Standesgenossen, die er kennenlernte, gab den Anstoß zu seiner Lebensänderung. Er entsagte seinem bisherigen Berufe und wandte sich als 24jähriger dem Studium zu. Er wollte Priester der Handwerksgesellen werden. Durch seine Tüchtigkeit schaffte er in dreieinhalb Jahren das Abitur, studierte alsdann in München und Köln, und wurde am 13. April 1845 geweiht. Als Kaplan in Elberfeld nahm Kolping einen tiefen Einblick in das Leben der schaffenden Industriebevölkerung. In Elberfeld auch legte er den Grundstein zum Katholischen Gesellenverein. Um sein Werk weiter ausbreiten zu können, bemühte er sich mit Erfolg um eine Stelle als Domvikar in der rheinischen Metropole Köln. Er gründete wieder einen Gesellenverein und begann von Köln aus, sein Werk zunächst in das Rheinland und anschließend in die großen Städte Süddeutschlands und Österreichs vorzutragen. Kolping war ein Mann der Tat. Der Grundsatz seines Wirkens lautete: Tätige Liebe heilt alle
Wunden, Die Gesellen horchten auf bei dieser Botschaft, sei hatten den Unterschied zwischen Wort und Tat bisher schmerzlich erlebt. Kolpings tätige Liebe sollte nun ihre Not überwinden, indem er den Katholischen Gesellenverein ins Leben rief. Da tat er sein Haus auf und rief uns
hinein, |
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ADOLF KOLPING |
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Der Katholische Gesellenverein zu Euskirchen |
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In der Gründungsurkunde des Katholischen Gesellenvereins zu Euskirchen vom Jahre 1854 wird die Aufgabe des örtlichen Vereins kurz und eindringlich dargelegt. Sie hat folgenden Wortlaut: Der Katholische Gesellenverein zu
Euskirchen wurde gegründet am 22. Januar 1854, in den
allgemeinen Verband des Kath. Gesellenvereins durch Beschluß
des Zentralvorstandes zu Köln am 7. Juni 1854 aufgenommen
und hat sich damit an die treue, gewissenhafte Befolgung der
allgemeinen Statuten des kath. Gesellenvereins, wie solche nach
vorhergehender Beratung durch den Zentralvorstand publiziert
werden, verpflichtet. Gott zur höchsten Ehre, dem Handwerk
zum segensreichen Aufblühen, wurde unter dem Patronate des
hl. Nährvaters Josef der Kath. Gesellenverein gegründet.
Sein Fundament ist: der katholische Glaube, ehrenhafte,
christliche Sitte der Mitglieder seine Würde, brüderliche
Eintracht sein Ehrenzeichen, gegenseitige Hilfe in der Not und
Bedrängnis besondere Liebespflicht, tüchtiges Schaffen
und Wirken im Berufskrise das Ziel gegenseitiger Ermunterung. Ein
christlicher, wackerer Gesellenstand soll und will durch Tugend
und Fleiß einst in der Bürgerschaft einen ehrenswerten
Meisterstand erobern. Darum halten die Mitglieder des Kath.
Gesellenvereins die Religion heilig, die Sitte rein, die Ehre des
Mannes und des Gewerbe hoch und reichen sich brüderlich die
Hand, damit sich aufrichtet, wer darniedergesunken, und mutig
stehen bleibe und weiterschreite, wer den Weg der guten Sitte und
Ehre betreten. |
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DECHANT JAKOB VOGT |
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Aus den Berichten des Jahres 1854 geht hervor, daß der damalige Ortspfarrer, Dechant Vogt, als Begründer des Kath. Gesellenvereins anzusehen ist. Ferner ist die Tatsache bezeugt, daß im Gündungsjahr der Gesellenvater Adolf Kolping in Euskirchen weilte und im Rathaussaal vor Gesellen und Bürgern der Stadt gesprochen hat. Zur Erinnerung an die Anwesenheit Kolpings vor hundert Jahren in Euskirchen enthüllte der Bürgermeister der Stadt gelegentlich der Hundertjahrfeier eine Gedenkplakette in der Vorhalle des Rathauses, die den unter dem Bronzebildnis Adolf Kolpings folgenden Schrifttext aufweist: |
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Adolf
Kolping, |
Das Werden und Wirken der Kolpingsfamilie ist in der Chronik, die im Festbuch der Hundertjahrfeier erschien, aufgezeichnet. Nachfolgend soll ein kurze Darstellung wesentliche Merkmale des Lebens und Erlebens indem verflossenen Jahrhundert hervorheben. Am Ende des Gründungsjahres zählte der Gesellenverein 84 Mitglieder. Bis zum Jahre 1857 wurde der Rathaussaal der Stadt für Versammlungen und Unterricht benutzt. In dieser Zeit erwarb der erste Präses ein Haus, welches nach entsprechendem Umbau 1857 seiner Bestimmung übergeben wurde. Das Vereinshaus umfaßte zwei Versammlungsräume und Wohnraum für den Präses. Die zuwandernden Gesellen erhielten Verpflegung und Nachtherberge in einem bestimmten Gasthause. Auf die Fortbildung der Gesellen in allen Fächern wurde großer Wert gelegt. An jedem Wochenabend waren Unterrichtsstunden der Vereinshelfer angesetzt. Gesellige Zusammenkünfte waren anregend und unterhaltend. In diesen Bahnen bewegte sich das Vereinsleben auch weiterhin. |
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Das erste Gesellenhaus auf dem Annaturmwall
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Eine Störung schwerer Art erfolgte durch den großen Stadtbrand im Jahre 1886, dem auch das erste Gesellenhaus zum Opfer fiel. Im Jahre 1887 wurde der Grundstein zu einem neuen Vereinshause in der Ringstraße (heute Kolpingstraße) gelegt; am 9. September 1888 fand die feierliche Einweihung statt. |
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Das jetzige Gesellenhaus |
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Der Erbauer dieses stattlichen Heimes war der damalige Präses des Gesellenvereins Dechant Tillmann Stollmann, der spätere Pfarrer von St. Martin, der im Jahre 1906 den Bau der stattlichen Herz-Jesu-Kirche begann, die im Jahre 1908 vollendet wurde. Im ersten Jahrhundert der Euskirchener
Kolpingsfamilie verwalteten insgesamt 19 geistliche Präsides
das Erbe des Gesellenvaters Adolf Kolping. Unzählige
Vereinshelfer aus allen Ständen, besonders aus der
katholischen Lehrerschaft, haben sich im vergangenen Jahrhundert
um die Fortbildung der jungen Handwerksgesellen bemüht und
verdient gemacht. Diese jungen Handwerker, welche im hause des
Vaters Kolping geschult wurden, wissen, was sie dieser
Lebensschule an Herzens- und Geistesbildung verdanken, und all
die frohen und auch die ernsten Stunden, die sie erbeten, bleiben
ihnen unvergeßlich. |
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DECHANT STOLLMANN |
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Kolpingsfamilie im Kreis Euskirchen |
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Im Kreise Euskirchen bestehen z. Zt. die
Kolpingsfamilien Euskirchen, Münstereifel, Zülpich-Hoven,
Füssenich und Gymnich. Sie bilden zusammen eine
Arbeitsgemeinschaft, in die auch Rheinbach mit einbezogen ist.
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Entnommen: Heimatkalender für den Kreis Euskirchen 1955 |
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