Dürener Zeitung vom 22. 11. 1950

Land will Elektrifizierung der Bundesbahn vorantreiben

300 km Ruhrstrecke in den ersten vier Jahren - Arbeit für 20 Industrie- und Gewerbezweige

Düsseldorf (Inw.) - Das Land Nordrhein-Westfalen will jetzt die Elektrifizierung wichtiger Strecken selbst übernehmen und der Landesfinanzminister Dr. Weitz ist gebeten worden, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. In einem ersten Vierjahresplan soll zunächst eine Streckenlänge von 300 km elektrifiziert werden, und zwar:
1. Die Strecke Hamm - Dortmund - Essen - Duisburg - Düsseldorf - Köln - Bonn - Remagen.
2. Dortmund - Wanne-Eickel - Oberhausen - Duisburg.
3. Essen Hbf. - Gelsenkirchen.
4. Mülheim - Oberhausen.

Die Kosten für den Ausbau dieser Strecken werden auf rund 126 Millionen DM veranschlagt. Bereits zu Beginn des dritten Baujahres wird die erste Strecke von Hamm bis Duisburg in Betrieb genommen werden können. Nach der Fertigstellung dieser ersten vier Streckenabschnitte soll sofort mit dem Ausbau der Strecke Hamm - Hagen - Wuppertal - Köln begonnen werden und mit der Ruhr-Sieg-Strecke bis Siegen.

Hoffnung für heimische Waggonindustrie

Auf den elektrifizierten Strecken soll zuerst der Personen- und Berufsverkehr mit Schnelltriebwagen einsetzen. Es wird in Nordrhein-Westfalen als eine Groteske empfunden, daß das streckenreichste und verkehrsdichteste Land der Bundesrepublik im technischen Aufbau am weitesten zurückliegt, und zwar schätzungsweise um rund 30 Jahre. Die Landesregierung ist sich darüber klar, daß die Bundesbahn bei ihrer enormen Belastung den elektrischen Ausbau nicht tragen kann. Sie hat sich daher entschlossen, zugunsten der Industrie und der Bevölkerung des Landes die Elektrifizierung selbst zu übernehmen. 20 verschiedene Industrie- und Gewerbezweige werden durch das Programm auf Jahre hinaus Beschäftigung finden, vor allem die Waggonindustrie, der Lokomotivbau und die Bahnabteilungen der großen Elektro-Betriebe, die bisher von dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung noch nicht berührt wurden.

Erhöhte Geschwindigkeiten - schnellere Zugfolge

Die Schnelltriebwagen, die auf den elektrifizierten Strecken eingesetzt werden sollen, erreichen bereits nach 30 Sekunden eine Geschwindigkeit von 76 km und nach einer Minute ihre Höchstgeschwindigkeit von 120 km pro Stunde. Sie bringen daher eine völlige Umwälzung des Verkehrs im Ruhrgebiet. Die Züge können in einem Zugabstand von drei bis fünf Kilometer gefahren werden und erreichen eine mittlere Reisegeschwindigkeit von 80 km, einschließlich der Aufenthalte auf den Bahnhöfen. Die Strecke Dortmund - Köln kann in 1 ½ Stunden zurückgelegt werden, während heute noch die Dieseltriebwagen 2 Stunden, die D-Züge 2 ½ und die Ruhr-Schnellzüge 3 bis 3 ½ Stunden benötigen.

Sparsamer

Die Einsparungen durch die Elektrifizierung werden als enorm bezeichnet. Die Bundesbahn hat geschätzt, daß auf der vollelektrifizierten Strecke Hamm - München jährlich 90 Mill. DM gegenüber dem Dampfzugverkehr eingespart werden könnten. Für noch bedeutsamer hält man aber in Düsseldorf die Vorteile, die der Industrie und dem Export zukommen werden. Während heute wertvolle Fettkohle mit einem Nutzeffekt von fünf Prozent durch die Schornsteine der Lokomotiven gejagt wird, könnte die Fettkohle wesentlich wertvollere Dienste leisten für die Stahl- und Eisenindustrie, für die Teer-, Benzin und zahlreiche andere Industrien. Vor allem weist man auf die Tatsache hin, daß der Export wesentlich besser bedient werden könnte, so daß sich Schwierigkeiten der internationalen Ruhr-Kohlenverteilung lösen ließen, über die man zur Zeit innerhalb der Ruhrbehörde verhandelt. Das Ruhr-Elektrifizierungsprojekt wird auch unter diesem Aspekt als International bedeutsam angesehen.

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