Dürener Zeitung vom 2.10.1950

Ausländische Studenten besuchten die Biag Zukunft - Neue Pläne für die Braunkohlengewinnung - Fünf Dörfer werden abgebaggert

Zwischen Brikettpressen, Dampfturbinen und Mammutbaggern

Weisweiler. - 26 Studentinnen und Studenten aus Frankreich, England, Amerika, Italien und Deutschland statteten der Biag-Zukunft einen Besuch ab, wobei sowohl die Bergwerksanlagen als auch die Brikettfabriken und die Kraftstromanlagen besichtigt wurden.

Hundertfältige Eindrücke

In der Brikettfabrik machte man den Anfang. Die Besucher staunten über die schweren Pressen, die mit einem Druck von 1200 Atmosphären ein Brikett nach dem anderen formten und ruckweise ausstießen. Der Lärm der Maschinen übertönte fast jedes Wort. Vorbei ging es an riesigen Rohrentrommeln zur Trocknung des Brikettstaubes, an Motoren, Schwungrädern, Rohrsystem und Entlüftungsanlagen. Hundertfältig drängten sich die eindrücke auf in dem Gewirr technischer Wunderwerke. Noch standen die Besucher im Kesselhaus vor den Dampfkesseln. Ein Blick in einen der Feuerschächte, das war die Hölle! 1200 Grad Hitze herrschten dann. Der Dampf der Dadurch erzeugt wurde, jagte mit 100 Atmosphären Druck in die Höchstdruckturbine, dann weiter in eine Mitteldruck- und schließlich noch in eine Niederdruckturbine.

Wie gebändigte Raubtiere

lagen die schweren eisernen Kolosse in der Turbinenhalle. In ihrem Inneren sauste und dröhnte es unaufhörlich. Mit rasender Geschwindigkeit drehten sich die Laufräder und trieben den Generator an, der seinen 5000 Volt starken Strom durch die Schaltzentrale hindurch zu den Transformatoren sandte. Und dann weiter durch die Freileitung über Land mit 25.000, 100.000 oder 200.000 Volt Spannung.

Ein Bruder des „Langen Heinrich“

Zu kurz war die Zeit, um die zahlreichen Arbeitsgänge im Kraftwerk alle zu verfolgen. Weiter ging es an der Baustelle des Kraftwerkanbaus mit dem bereits fertiggestellten, neuen, 80 Meter hohen Schornstein vorbei, der sich neben seinem großen Bruder, dem doppelt so hohen „Langen Heinrich“, ein wenig zurückgeblieben vorkommt, dafür aber ein moderneres und leistungsfähigeres Gebläse erhalten wird. Hinein in den Sonderwagen der Aachener Straßenbahn und auf nach Hehlrath ins „Baggerloch“, wo die ganze Gesellschaft ein kräftiges Mittagsmahl zu sich nahm. Anschließend erzählte Dr. Freckmann den Gästen in anschaulicher Form einiges über die Biag Zukunft, die mit ihren insgesamt 2800 Beschäftigten in der Elektrizitätsversorgung des Westens eine ganz bedeutende Rolle spielt. Dr. Freckmann ging kurz auf die Pläne der Biag zur Erweiterung des Tagebaues ein. Im Laufe der nächsten Jahre würden fünf Dörfer, die auf der Kohle ständen, den Baggern wieder weichen müssen. Der kürzlich in Betrieb genommene große Löffelbagger, der einen ganzen Kohlenzug innerhalb von 6 Minuten mit 350 Tonnen Braunkohle belade, werde in fünf oder sechs Jahren, wenn man weitere Riesenbagger in Betrieb genommen habe, einer der kleinsten sein. Die im Braunkohlengebiet der Biag Zukunft lagernde Kohle reiche, bei einem Abbau großen Stils, noch für 50 Jahre. Bis dahin, meinte Dr. Freckmann werde man wohl soweit sein, daß man die Atomkraft verwenden könne.

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Hoch in den Himmel hinauf recken sich die Isolatoren der Freiluft-Schaltanlage. Strom mit 200.000 volt Spannung wird durch die Freileitung über Land transportiert
Fotos (2): Richter


Vor 30 Millionen Jahren

Nach dem Essen führte der Weg die Teilnehmer von Hehlrath aus in den Tagebau West der Biag Zukunft. Die Bagger fraßen sich in das schwarze Erdreich hinein und spukten die Kohle in die bereitstehenden Waggons. Und dann ratterten die elektrischen Züge vorbei, ihre schwer mit Kohle beladenen Waggons in Richtung Kraftwerk entführend. Vor 30 Millionen Jahren war das schwarze Erdreich, auf dem die Besucher standen, blühende Vegetation gewesen. Noch heute finden sich manchmal, in die Braunkohle eingebettet, Spuren von Palmen, Zedern oder anderen tropischen Hölzern.

Ein neues Gerät

Auf Dürwiß zu wurde ein neues, 1000 Tonnen schweres Absetzgerät montiert, das in den nächsten Wochen in Betrieb genommen werden soll. Es wird den Abraum, das über die Kohle lagernde Erdreich, das im Westen und Norden weggeschafft werden muß, im Osten und Südosten wieder anschütten. Später wird man dann versuchen, das angeschüttete Erdreich wieder fruchtbar zu machen.

Die Stunden eilten im Fluge vorbei. Die Zeit reichte nicht hin um Einzelheiten zu erklären. Nur einen großen Gesamtüberblick über das Werden der elektrischen Energie aus der Braunkohle konnten die Teilnehmer gewinnen. Das aber, was sie sahen, wird in ihnen ein Gefühl der Hochachtung vor den gewaltigen Leistungen der Technik und des dahinter stehenden Menschengeistes geweckt haben.

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Hier frißt ein Löffelbagger den Abraum über die Kohle weg


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