Dürener
Zeitung vom 27. Mai 1950
Besuch
in der Reflex-Papier-Fabrik - Unfallschutz in Dürener
Großbetrieben
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Vom
Fichtenstamm zum weltbekannten Feinpapier
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Wenn sich Fräulein Lili in
einem Schreibwarengeschäft eine neue Briefkassette kauft, die -
mit dem weltbekannten Markenzeichen der Dürener Papierindustrie
versehen - alleine anzusehen eine helle Freude ist, wird sie wohl
kaum daran denken, daß bei der Herstellung dieses Papiers
jemand verunglückt sein könnte. Wenn es ein Walzwerk wäre
oder eine Metallfabrik, - aber eine Papierfabrik? Und doch gibt es
Leute, die von den Berufsgenossenschaften eigens dafür
eingesetzt sind, den Unfallschutz in Papierfabriken zu überprüfen.
Technische Aufsichtsbeamte heißen diese Männer,
denen in jedem Betrieb Unfallvertrauensmänner aus den Reihen
der Belegschaftsmitglieder zur Seite stehen. Wir hatten Gelegenheit,
mit einem dieser Technischen Aufsichtsbeamten, seinem
Unfallvertrauensmann und dem Sicherheits-Ingenieur der Firma, die
Dürener Reflex - Feinpapier - Fabrik zu besuchen. Es war eine
Besichtigung, die uns die Papierherstellung vom Fichtenstamm bis zum
wertvollsten Feinpapier aller Schattierung und Sorten aus der
Perspektive der Unfallverhütung zeigte.
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Selbstverständlichkeiten,
die wichtig sind
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Es sind meist ganz alltägliche
Dinge, die, wenn man darauf aufmerksam gemacht wird,
selbstverständlich erscheinen. Wem fallen schon die
Stopschilder für Kraftfahrzeuge am Portal einer Fabrik auf. Wer
denkt sich etwas bei der Warnung Offenes Licht verboten
und wo ist das Schutzgitter um einen Fabrikteich etwas Besonderes?
Auf wen macht der gezackte Blitz mit der Warnung Achtung
Hochspannung noch einen besonderen Eindruck? Und trotzdem sind
es gerade diese Alltäglichkeiten, die unbeachtet als Gefahren
hinter jeder Tür und in jeder Ecke der weitverzweigten
Fabrikanlage lauern.
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600 Menschen verlangen Schutz
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Die Dürener Reflex-Papierfabrik
ist das einzige Papierwerk des Dürener Raumes, das den Rohstoff
zur Papierherstellung, die Zellulose, im eigenen Werk produziert.
Von der Hauptstraße zwischen Düren und Birkesdorf bis an
die Rurufer reicht das ausgedehnte Gelände der Fabrik. Wie in
den meisten Dürener Industriebetrieben, hat auch hier der Krieg
sich ganz gehörig ausgetobt und seine heute noch sichtbaren
Spuren in den Ruinen einer Anzahl von Fabrikgebäuden
hinterlassen. Trotzdem brachten es Dürener Fleiß und die
Energie der Unternehmer fertig, das Werk wieder auf den Stand der
Vorkriegskapazität zu bringen. Über 600 Arbeiter und
Angestellte stellen an ihren Arbeitsplätzen ihren Mann und
helfen mit, der Dürener Papierindustrie wieder Weltgeltung zu
verschaffen. Das Exportgeschäft ist wieder angelaufen und
Papier- und Zellulosesendungen nach Holland und England verlassen
den Fabrikhof auf Lastkraftwagen und dem Gleisanschluß zum
Dürener Bahnhof.
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Schon beim Holz fängt es an
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Am Rurufer, hinter dem eigentlichen
Werksglände, glaubt man sich in ein riesiges Holz- und
Strohlager versetzt. Hier schon, am Urbeginn der Papierproduktion,
greift der Unfallschutz mit Bestimmungen und Verordnungen ein. Holz
und Stroh sind höchst feuergefährlich, und der Feuerschutz
verlangt sein besonderes Recht. Täglich wandern 120 bis 130
Raummeter Fichtenholz in etwa zwei Meter langen Stämmen durch
eine Hackmaschine, die die schweren Baumklötze wie Möhren
in einer Schnippelmaschine zerkleinert. Je nach der herzustellenden
Papiersorte können es auch etwa 70 Tonnen Ballenstroh täglich
sein, die durch eine riesige Häxelmaschine gedreht werden.
Schon an diesen Maschinen weist der Technische Aufsichtsbeamte
wieder auf die mannigfaltigsten Schutzvorrichtungen, wi
Kettenkasten, Kurbelwellenverkleidungen und Zahnradschutz hin. Auf
Schritt und Tritt im gesamten Werk breitet der Unfall-Schutzgeist
seine schützenden Arme aus. Interessant ist in diesem
Zusammenhang, daß die wenigsten Unfälle - und das trifft
für alle Industriebetriebe zu - an den Maschinen un im
eigentlichen Produktionsgang geschehen, sondern durch
Nebensächlichkeiten wie Ausrutschen, Stolpern und viele andere
unberechenbare Tücken zustande kommen.
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Ein Zug an der Zigarette ist
gefährlich
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Unter einem Druck von acht
Atmosphären werden die Holz- oder Strohschnitzel in einem
gewaltigen Kocherhaus in Sturzkochern unter Zusatz von ätzender
Kochlauge zu brei verkocht. In dieser Werkshalle tritt der
Unfallschutz in Form von periodischen Überprüfungen der
großen Kocher durch den Dampfkesselüberwachungsverein in
Aktion. Auch das verruste Schild Rauchen verboten
erinnert daran, aß das Spiel mit Feuer für Mensch und
Betriebsanlage zum Verhängnis werden kann. Treppauf und treppab
folgen wir dem aus dem Kocher gewonnenen Zellulosebrei in seinem
Reinigungs- und Bleichprozeß. Von der Saunahitze bis zur
Zugluft müssen wir alle Temperaturschwankungen über uns
ergehen lassen und als besondere Beigabe erhalten wir den typischen
Geruch der Strohfabrik, der jeden Norddürener allzu
gut bekannt ist, aus erster Hand serviert. Nachdem der Zellulosebrei
im Holländer gebleicht und in den Kollergängen restlos und
gleichmäßig zerfaßt ist, kommt er auf die
Zellulosemaschine, ein 60 bis 70 Meter langes Monstrum, die den Brei
durch Entwässerung und eine Trockenanlage zu versandfertigen
Zellusloserollen werden läßt. Der erste Abschnitt der
Papierherstellung ist mit der Fertigstellung dieses Rohproduktes
abgeschlossen.
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Hand weg - Messer
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In dem Wust der tausendfältigen
Eindrücke, die ein derartiges Werk mit seinen zahllosen
Maschinen, Arbeitsgängen und Werkshallen vermittelt, blüht
der Unfallschutz gleichsam wie ein Veilchen im Verborgenen. Erst der
ausdrückliche Hinweis auf die zahlreichen Schutzvorrichtungen
läßt erkennen, daß hier von den
Berufsgenossenschaften und dem Sicherheitsdienst des Betriebes eine
wirklich segensreiche Tätigkeit entwickelt wird. Dem einzelnen
Arbeiter, der durch die Gewohnheit abgestumpft ist, kommt diese
Hilfestellung kaum och zum Bewußtsein.
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Ähnlich liegen die Verhältnisse
in der zweiten Abteilung des Werkes, der eigentlichen
Papierherstellung. Schon bei der Wasserturbine, die mit dem für
die Dürener Papierherstellung unentbehrlichen Rurwasser, durch
einen Teich abgeleitet, fängt es an. Schutzgitter und roste
bieten eine Sicherung gegen unangenehme Bekanntschaften mit dem
feuchten und in der Nähe der Maschine gefährlichen nassen
Element. Die Zellulose durchläuft als Papierrohstoff einen der
Zelluloseherstellung ähnlichen Produktionsweg, um dann wiederum
auf drei riesigen Papiermaschinen zum weltbekannten Dürener
Papier verarbeitet zu werden. An jeder der zahlreichen Maschinen,
den Mahlholländern, dem Kalender, den Schneidemaschinen und bei
allen anderen Produktionsgängen kann uns der
Sicherheits-Ingenieur auf besondere Unfallverhütungsanlagen
aufmerksam machen. Hier ist es ein kleines Schild, Hand weg,
Messer, das einen kategorischen Befehl zu erteilen scheint.
Dort sind es durch langjährige Erfahrungen entwickelte
Schutzvorrichtungen, die immer wieder dem Unfallteufel Halt
gebieten.
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Arzt und Krankenschwester sind
zur Stelle
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Selbstverständlich hat die von
uns besichtigte Papierfabrik, wie alle größeren Werke des
Dürener Industrieraumes, ein Sanitätszimmer, in dem eine
ausgebildete Krankenschwester schaltet und waltet. Medikamente und
Verbandszeug sind ausreichend vorhanden, so daß für einen
auftretenden Unglücksfall die erste Hilfe gesichert ist. Für
schlimmere Fälle kann der in der Nähe des Werkes wohnende
Arzt innerhalb weniger Minuten telefonisch herbeigeholt werden.
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Zur Bekämpfung von Werksbränden
ist eine dauernde Feuerwache eingerichtet, die mit dem notwendigen
Gerät ausgerüstet ist. Unter dem Aspekt der
Unfallverhütung betrachtet, muß der Besucher die
Überzeugung gewinnen, daß dank dem Verständnis der
Werksleitung und dank der intensiven Arbeit der
Berufsgenossenschaften dem Unfallschutz hier, wie wohl auch in allen
Industriezweigen auch, wirklich eine vordringliche Bedeutung
beigemessen wird.
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