Dürener Zeitung vom 3. 4.
1950
Die Gemeinde mit den größten
Chancen - Große Pläne und übereilte Hoffnungen
Düren. - Wenn man in Arnoldsweiler den Weg nach Morschenich einschlägt und sein Vehikel mit Mühe und Not um Schlaglöcher und verschlammte Pfützen lanciert, soll man kaum glauben, daß man sich der Gemeinde des Dürener Landes nähert, der man auch in Fachkreisen die beste Zukunftsaussichten nachsagt. Ja, in Morschenich selbst scheint es unglaublich, daß hier die Keimzelle zu einem neuen Industrieort modernster Prägung sein soll. Die Morschenicher arbeiten wie vor Jahrzehnten und Jahrhunderten auf den Feldern, die jetzt im Frühjahr noch einförmig das Dorf umgeben, und wenn man sie nach ihrer Grube und der Zukunft fragt, winken sie resigniert ab.
Man hatte sich etwas davon versprochen
Man ist zwar in Morschenich nicht allzu schnell für eine Neuerung zu begeistern. Auch hat die neue Braunkohlengrube, die sich in dem benachbarten Wald niedergelassen hat, keinen Rummel ausgelöst, wie es einmal auf den Ölfeldern des goldenen Westens der Fall war. Wenn man aber mit den Morschenichern ins Gespräch kommt, so erfährt man doch, daß sie an eine etwas schnellere Aufwärtsentwicklung ihrer Gemeinde geglaubt haben. Denn daß die 500 Einwohner zählende Gemeinde in wenigen Jahren ihr äußeres Bild und, was noch viel bedeutsamer ist, ihre soziologische Struktur gründlich ändern würde. Hat man den Morschenichern nicht nur sehr oft gesagt, - es war für sie auch die einzig mögliche Folgerung, die sie aus dem glücklichen Start ihrer Grube ziehen konnten.
Um das Eineinhalbfache erweitert
Darüber hat man sich selbstverständlich auch an verantwortliche Stelle Gedanken gemacht. Es gibt sogar feste Baupläne, nach denen die Gemarkungen um Morschenich mit Werkswohnungen und Privathäusern, Kaufläden und Gaststätten bebaut werden sollen. Im großen und ganzen soll die Gemeinde dann folgendermaßen aussehen: An der jetzigen Kirche ist ein langgestreckter Platz vorgesehen, auf der der Verkehr in eine neue, schnurgerade Straße nach Buir einmündet. Im übrigen soll der bisher bestehende Ort sein Bild wahren. Davon unabhängig aber sind ausgedehnte Siedlungen projektiert, die sich nach Osten an da alte Dorf anschließen und sich um einen neuen weiten Dorfplatz gruppieren, an dem auch eine neue Kirche und ein Schulgebäude stehen werden. Morschenich soll nach diesen Plänen sein Gemeindegebiet etwa um das Eineinhalbfache erweitern.
Es ist noch nicht soweit
Wie lange es andererseits bis zur Verwirklichung der Pläne dauern wird und ob sie überhaupt jemals verwirklicht werden, darüber wird die Entwicklung der neuen Braunkohlengrube entscheiden. Die bisherigen Arbeiten in dem Untertagebetrieb waren noch vorbereitender Natur. Jetzt, so sagen sich die Morschenicher, müßte man bald etwas sehen, denn Morschenich hat seine eigenen Wiederaufbaupläne bisher zurückgestellt, weil es auf den größeren Neuaufbau wartete. Jedes Frühjahr aber konnten die Bauern ihre Äcker, die sie schon für die baldige Besiedlung vorgesehen haben, neu bestellen. Es war noch nicht soweit - auch in diesem Jahre nicht.
Das ist auch der Grund, warum man in Morschenich jeden Optimismus beiseite gelegt hat. Übereifrige Ortseinwohner haben zwar schon versucht, ihr Haus zu übersteigerten Preisen an den Mann zu bringen, und wer heute in Morschenich einen Morgen Ackerland erwerben will, wird lange vergeblich danach suchen. Man wartet eben ab. Im übrigen aber zucken die Morschenicher mit den Achseln, wenn man sie nach der Zukunft fragt.
-pl-