Dürener Zeitung vom 24.1.1950

Dürener Trümmerschrott geht nach Amerika


Verrostetes Eisen begehrte Exportware - Panzer und Blindgänger werden zersägt

Düren produziert eifrig und am laufenden Band, nicht nur Teppiche, Tuche und Glas, sondern auch Dinge, die als Ausfuhrartikel in aller Welt ebenso begehrt sind - nämlich Schrott. Seit Kriegsende blüht der Schrotthandel in Düren. Tonnenweise werden Eisengitter, zerbeulte herde, Stahldrähte, verbogene Laternenpfähle und Eisenträger und Fragmente von Wasserrohren aus den Trümmern hervorgeholt, gesammelt, zum Güterbahnhof transportiert und dort in Waggons verladen. Die Hälfte des Schrottes, etwa 300000 Tonnen aus ganz Westdeutschland, verbleibt dem Inland, die andere Hälfte wird zu den Nordseehäfen transportiert, um die Reise nach England, Schweden oder nach Amerika anzutreten. Vor einigen Tagen gingen einige Waggons von Düren ab, die für Pakistan bestimmt sind!

Früher hatte Deutschland zu wenig Schrott und mußte importieren - und heute kann es sich vor lauter altem Stahl und Eisen, die als Folge des Krieges im Übermaß vorhanden sind, nicht mehr retten. Nun, auch der deutschen Industrie ist der Trümmerschrott keineswegs unwillkommen. Die Hochöfen des Ruhrgebietes schlucken ungeheure Mengen, die ihnen laufend von den zerstörten westdeutschen Städten zugestellt werden.

Aus alt mach neu

Zwei in Düren ansässige Schrottgroßhändler haben die Aufgabe, den von allen Seiten herbeigeschleppten Schrott für den Versand fertig zu machen. Einer von ihnen, der am Altenteich sein Schrottlager unterhält, befaßt sich gleichzeitig mit der Sprengung und dem „Ausschlachten“ der Westwallbunker. Auch hier gewinnt man tausende Tonnen Schrott aus Eisenträgern und Stahlkuppeln. Eisenträger, die nicht zu stark verbogen sind oder durch Feuer gelitten haben, werden in einer Hydraulischen Presse wieder gerade gebogen und zum halben Preis an Baulustige als vollwertige Träger verkauft.


In einer hydraulischen Presse erhalten verbogene Eisenträger wieder ihre ursprüngliche Gestalt.
Fotos (2): Treppmann

Wenn es kalt ist, haben die Arbeiter im Schrottlager ruhige Tage. Kein Unternehmer wird von ihnen verlangen, das kalte Eisen anzufassen, an dem die bloßen Hände festkleben. In den vergangenen Jahren haben die Männer Panzer mit ihren Schneidbrennern zerkleinert und die Überreste dieser Kolosse, die überall in den Straßen und Gärten Dürens herumlagen, zur Fahrt in den Schmelzofen verladen. Viele Tausende Granaten und Blindgänger wurden ebenfalls, nachdem sie entschärft waren, auf die Schrottplätze geschafft. Aus ihnen sind nun schon lange friedliche Maschinen, Brückenteile, Ofenrohre oder Straßenbahnschienen geworden.

36 Sorten Schrott

Nun - die Industrie nimmt nicht jeden Schrott. Es gibt allein 36 Sorten, und der Hochofen braucht wieder anderen Schrott als die Gießerei oder der Martinofen, Böckingen benötigt für seine Produktion und für seine Öfen eine Schrottsorte, mit der das Werk Rheinhausen wiederum nichts anfangen kann. Und hier liegt die eigentliche Arbeit eines Schrotthändlers: Er muß das gesammelte Altmaterial sichten und sortieren, bevor es den Weg in die Welt geht, er muß die Wünsche seiner Kunden, der Hüttenwerke, kennen und nach ihnen seine Sendungen zusammenstellen.




Am Güterbahnhof wird der angefahrene Schrott mitsamt dem Pferdefuhrwerk gewogen, ehe er seine Reise in die Welt antritt.

Eine kleine Kostprobe aus der Liste der Schrottsorten: Da gibt es den Lokomotivschrott, Stahlgranaten, Stahlspäne und Hufeisen, auch Gußblöcke aus Fabrikationsabfällen, die in Fachkreisen unter dem Namen „Rollmöpse“ bekannt sind. Die vielen kleinen Schrotthändler in Düren und die Enttrümmerungsfirma Milke sorgen dafür, daß laufend Schrott aus den einzelnen Sparten in die Waggons verladen werden können.

Noch auf Jahre hinaus wird Düren einer der besten Lieferanten für Trümmerschrott sein. Nebenbei finden sich noch andere begehrte Dinge, wie Blei, Zink, Kupfer und Messing. Diese Metalle sind in Deutschland Mangelartikel und die Mengen, die die Bagger und Trümmersortiermaschinen täglich ans Tageslicht bringen, spielen eine große Rolle auf dem deutschen Rohstoffmarkt.

Und wenn einmal die Enttrümmerung beendet ist und der Schrott-Segen spärlicher wird? Dann machen wir es, wie die beiden kleinen Jungen, denen man vor einigen Tagen auf die Schliche kam. Sie klauten einem Schrotthändler in seinem abgelegenen Schrottlager die aufgestapelten Vorräte und verkauften sie ihm vorne am Eingang wieder.

-tr-

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