Dürener Zeitung vom 18.1.1950


Wiederaufbau der Eisenbahnstrecke Aachen - Kalterherberg tut not

SOS-Ruf aus Monschau

Seit nunmehr fast fünf Jahren bemühen sich die Kreisvertretung und Kreisverwaltung des Grenzlandkreises Monschau um die Inbetriebnahme der eisenbahnstrecke Aachen - Kalterherberg. Obwohl alle zuständigen Stellen der Bezirks- und Landesregierung der Besatzungsmacht sowie der Bundesbahndirektion Köln, die durch das Fehlen jeglicher Bahnverbindung unhaltbaren Verhältnisse im Kreis Monschau klar erkannten und ihre Unterstützung zu sagten, konnte bis heute der Personen- und uneingeschränkte Güterverkehr noch nicht wieder aufgenommen werden. Dies gibt uns Anlaß dieses vordringliche Grenzlandproblem anzugreifen und das Für und Wider abzuwägen.

Staatsvertrag regelte Eisenbahnverkehr

Als nach dem ersten Weltkrieg durch den Versailler Vertrag Eupen - Malmedy - St. Vith an Belgien fiel, und die Vennbahn Aachen - St. Vith ab Schmidthof belgisches Hoheitsgebiet kreuzte, wurden die rechtlichen Schwierigkeiten in einen Staatsvertrag recht bald, nämlich schon 1920, überwunden. In diesem deutsch-belgischen Vertrag wurden neue Einzelheiten geregelt, die die Geld-, Zoll-, Paß- und Grenzkontrollfragen betrafen. Der Verkehr lief danach reibungslos und in bester Zusammenarbeit der deutsch - belgischen Stellen.

300 Quadratkilometer ohne Schienenweg

Heute besitzt der aus den Wunden des zweiten Weltkrieges noch stark blutende Grenzlandkreis Monschau in einer Ausdehnung von 300 Quadratkilometern keinen einzigen in Benutzung befindlichen Meter Schienenweg, ein Zustand, der schon für sich allein im Lande Nordrhein - Westfalen, ja wenn nicht in ganz Westeuropa, ohne Beispiel dastehen dürfte. Hat der verstärkte Einsatz von Omnibussen der Bundesbahn, der Post und der Privatunternehmer zwar für die Personenbeförderung wesentliche Erleichterungen gebracht, so können alle Straßenverkehrsunternehmen doch nicht restlos den Notstand beseitigen.

Fremdenverkehr steht und fällt mit der Bahn

Ein Wiederaufleben des Fremdenverkehrs in den zu allen Jahreszeiten besonders aber im Sommer und Winter so gerne besuchten Gemeinden, kann erst dann erfolgen, wenn mit Sonderzügen (hohe Fahrpreisermäßigung) wieder viele Menschen herangeführt werden können. Gerade aus dem benachbarten Belgien kamen vor dem letzten Krieg zahlreiche Gäste, die in den idyllisch gelegenen Orten der Eifel Erholung suchten und fanden. Die Monschauer Festspiele und die jetzt alljährlich stattfindenden „Burgring“ - Motorradrennen haben klar erwiesen, daß die Heranführung von Besuchern über die Grenze des Regierungsbezirks hinaus eine reine Verkehrsfrage ist, die aus finanziellen Erwägungen nicht durch einen noch so großzügigen Einsatz von Omnibussen gelöst werden kann.

Tausend Fahrgäste täglich

Zudem sind nach neuerlichen Feststellungen täglich mehr als 1000 Fahrgäste (bei Hin- und Rückfahrt) aus beruflichen, geschäftlichen oder privaten Gründen über die Kreisgrenzen hinaus auf ein öffentliches Verkehrsmittel angewiesen. Diese Zahl würde sich sicherlich erheblich vergrößern, wenn durch Bahnverbindung gewährleistet wäre, die Regierungsbezirks - Hauptstadt Aachen und darüber hinaus das Innere des Landes schnell und bequem zu erreichen. Die Relation: Verkehrsmöglichkeit hebt die Verkehrsnotwendigkeit, ist eine alte, immer wieder gemachte Erfahrung.

Industrie und Handel leiden am schwersten

Das Fehlen der Eisenbahnverbindung Aachen - Raeren - Kalterherberg bringt vor allem für die Industrie, den Handel und das Gewerbe ernstliche Schwierigkeiten, da sie in bezug auf den Transport von Fracht- und Stückgütern ausschließlich auf die Benutzung motorisierter Fahrzeuge angewiesen sind. Dieser Umstand hat um ein Vielfaches erhöhte Transportkosten zur Folge, was einerseits die produzierende Industrie in ihrer Konkurrenzfähigkeit schmälert, andererseits dem Verbraucher letzten Endes schwer belastet.

Jetzige Lösung unbefriedigend

Der heute von Stolberg über Walheim, Schmidthof nach Raeren täglich verkehrende Güterzug, der von der belgischen Bahn an alle belgischen Bahnhöfe der Vennbahn weitergeleitet wird, hat zwar eine begrüßenswerte Entspannung im Transport von Massengütern (Kohlen usw.) gebracht, kann aber unter keinen Umständen als eine befriedigende
Lösung der Transportfrage angesehen werden. Die Weiterleitung der Waggons ist mit erheblichen Schwierigkeiten, wie internationaler Frachtbrief, doppelte Abfertigungs- und Streckentarife usw. verbunden. Tatsache ist, daß bis heute der weitaus größte Teil des Transportgutes aller für den Kreis Monschau bestimmter Waggonladungen und Stückgüter nur bis zu dem deutschen Bahnhof Walheim durchgeführt wird und von dort durch Lastkraftwagen in die einzelnen Orte herangebracht werden muß.



Strecke Aachen - Walheim unterbrochen. - Strecke Stolberg - Walheim - Raeren. Kalterherberg betriebsfähig, ab Raeren nur eingleisig. Grenzverlauf nach dem Stand vor dem 23. April 1949

Das größte Unternehmen der Metallindustrie im Kreise Monschau, die Firma Otto Junkers in Lammersdorf, die früher einen eigenen Bahnanschluß hatte, muß heute sämtliche Rohmaterialien und Fertigwaren per LKW transportieren. Der in Monschau angesiedelte Fabrikationsbetrieb der Gablonzer Glasindustrie, die Textilindustrie in Monschau, Konzen und Roetgen schreien geradezu nach einer billigeren Transportmöglichkeit.

Der durchschnittliche Versand an Expreßgut und Reisegepäck würde sich auf rund 120 Sendungen täglich belaufen. An sTück- und Eilgut kann mit einem Tagesdurchschnitt von etwa 25 Tonnen gerechnet werden. Für den Transport von Brennstoffen (Kohlen, Briketts) Baumaterialien, Dünge- und Futtermitteln, Saatgut, Rohstoffen für die Industrie und deren Fertigwaren werden etwa 25 Wagen täglich benötigt.

Die Haltung Belgiens

Wir dürfen von unseren westlichen Nachbarn, die im Frühjahr 1949 in der Frage der Grenzberichtigungen eine verständnisvolle Einstellung bewiesen haben, eine grundsätzliche Bereitwilligkeit annehmen, deutsche Vorschläge, die auf eine Mitbenutzung der Eisenbahn für die deutsche Bevölkerung auf der Strecke Aachen - Kalterherberg abzielen, entgegenzunehmen und wohlwollend zu prüfen. Dem Vernehmen nach soll die belgische Eisenbahnverwaltung bereit sein, die Benutzung der Vennbahn, bei gleichen Tarifen wie bei der deutschen Bundesbahn, unter der Bedingung zu gestatten, daß deutscherseits die Bahnhofsgebäude und Stellwerkanlagen repariert werden. Das von der belgischen Bahnverwaltung nach dem Kriege entfernte zweite Gleis müßte allerdings auch wieder eingebaut werden. Da die D-Mark nach der Pfundabwertung gegenüber dem belgischen Franc einen wesentlich günstigeren Umrechnungskurs besitzt, dürfte sie für die belgische Eisenbahnverwaltung ein begehrenswertes Zahlungsmittel geworden sein.

Kurzum, wir möchten glauben, daß auf belgischer Seite die Bereitschaft vorhanden ist, dem von 1920 bis 1940 bewährten Staatsvertrag bald ein ähnliches Übereinkommen folgen zu lassen. Man erwartet, wie uns scheint, nur die deutsche Initiative, denn wir wollen und müssen ja zur Besserung der Verkehrslage dieses Grenzkreises durchgreifende Maßnahmen ergreifen.

Wie stehts mit der deutschen Initiative?

Die Bundesbahn, ohnehin arm und mit Aufbauarbeiten überbelastet, geht an diese Strecke mit gemischten Gefühlen heran. Wen wir recht orientiert sind, war die Strecke auch vor dem Krieg unrentabel, deshalb wird man heute die Frage der Rentabilität eingehend untersuchen. Das ist der Bundesbahn gutes Recht. Wenn man heute „schon“ den Entschluß gefaßt hat, den Viadukt bei Kornelimünster wiederherzustellen, und damit den Abschnitt Aachen - Walheim wieder betriebsfähig zu machen, so kann man daraus schließen, daß eine positive Vorentscheidung für die Vennbahn gefallen ist.

Rentabilität darf nicht ausschlaggebend sein

Von Initiative, unbürokratischem Unternehmergeist und wahrer Hilfsbereitschaft gegenüber dem Grenzlandkreis Monschau kann bei dem bisherigen Arbeitstempo aber keineswegs gesprochen werden. Wir gestehen der Bundesbahn das Recht zu, die Rentabilitätsfragen zu prüfen. Wir gestehen ihr aber nie und nimmer zu, die Rentabilität in diesem Falle als ausschlaggebendes Kriterium anzusehen.

In dem seit langem geführten Kampf zwischen Schiene und Straße wird immer wieder das Argument betont, daß die Bundesbahn auch unrentable Strecken betreiben müsse, während sich Privatverkehrsbetriebe von solchen Strecken immer schnell zurückziehen würden. Zugegeben, einmal und irgendwo muß dem Ballast der unrentablen Strecken eine Grenze gesetzt werden, aber nie un nimmer bei der Vennbahn! Hier stehen die Lebensinteressen unserer deutschen Grenzbevölkerung auf dem Spiel. Sie haben sich lange genug verlassen und vergessen gefühlt. Hier muß Abhilfe, und zwar unverzüglich geschaffen werden.

Triebwageneinsatz die Ideallösung

Einsichtige Männer der Bundesbahn haben schon längst erkannt, daß nicht mit einer Drosselung des Kraftverkehrsgewerbes die Lage der bundesbahn gebessert werden kann, sondern nur dadurch, daß man den freien Konkurrenzkampf aufnimmt, d.h. Daß man beweglicher wird, schneller reagiert und Initiative zeigt. Darauf warten wir, darauf wartet die Bevölkerung des Kreises Monschau. Und dazu noch einen konkreten Vorschlag:

Personenverkehr auf der Strecke Aachen - Kalterherberg mit Triebwagen. Diese würden die Rentabilität der Strecke heben, schneller die riesigen Steigungen überwinden und wären allein geeignet, den Vorsprung des Kraftverkehrsgewerbes einzuholen.

- emu.


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