Dürener Zeitung vom 26. Dezember 1949

Nordexpreß fährt über Betonschwelle

Versuchsstrecke Horrem-Sindorf fertiggestellt - Aachen-Köln bald wieder zweigleisig

Horrem im Dezember 1949 - Nach einmonatiger Arbeit ist jetzt zwischen Horrem und Sindorf auf der Strecke Köln - Aachen die erste Versuchsstrecke der Bundesbahndirektionen Köln, Mainz und Frankfurt, bei deren Anlage an Stelle der bisher verwandten Holz- und Eisenschwellen Schienenlager aus Beton gelegt wurden, fertiggestellt. Seit Sonntag brausen die ersten Züge über den neuen Schienenweg hinweg. Im Laufe der Jahre werden die neuen Stahlbetonschwellen beweisen müssen, ob sie den enormen Beanspruchungen, die ihnen auf einer der belebtesten Strecken Deutschlands durch schwere Güterzüge und dahinfliegende Expreßzüge und Triebwagen auferlegt werden, auf Dauer gewachsen sind.

Jede Schwelle 4 Zentner schwer

Von den Stahlbetonschwellen verspricht man sich eine größere Wirtschaftlichkeit gegenüber den gebräuchlichen Holz- oder Eisenschwellen. Holz ist im heutigen Deutschland teuer geworden, ganz abgesehen davon, daß durch gesteigerte Ausfuhren und Eigenversorgung in unseren Wäldern bedenkliche Lücken entstanden sind, die zu sparsamer Verwendung des deutschen Nutzholzes zwingen. Die Bundesbahn hat sich daher schon seit längerer Zeit bemüht, ihren Holzverbrauch zu drosseln und für den Schienenbau einen gleichwertigen Ersatzstoff zu finden. Eine Schienenstrecke von einem Kilometer benötigt allein 250 Festmeter bestes Holz! Die seinerzeit eingeführten Eisenschwellen haben sich nicht so bewährt, wie man es zunächst erwartete.

Die Stahlbetonschwelle erfordert zur Herstellung von allen bisher entwickelten Schwellenarten den geringsten Kostenaufwand. Auch die Verlegekosten der Schwellen halten sich nach den bisherigen Erfahrungen durch die Verwendung von arbeitssparenden Spezialgeräten unter denjenigen, die beim Verlegen von Holzschwellen entstehen. Die Schwelle selbst hat eine Länge von 2,30 m, die Sohle ist 28 cm breit und in der Mitte eingebuchtet, so daß die Schwelle nur mit ihren Enden auf den in einer Höhe von 6 cm aufgeschütteten Splitt liegt und somit ein Durchbrechen des Materials vermieden wird. Durch zwei Stahleinlagen erhält die Schwelle ihre Festigkeit. Ihr Gewicht beträgt über vier Zentner. Die Schienen werden nicht unmittelbar auf den Beton gefestigt. Zwischen Schienen und Schwellen liegen jeweils Holz- und Hartgummiplatten zum Schutz.

Einen Groschen für den Erfinder

Ein Bautrupp der Bundesbahndirektion Köln und Männer der Bahnmeisterei Horrem verlegten von Anfang November bis jetzt die 2,8 Kilometer lange Versuchsstrecke Horrem - Sindorf. Da die 70 Arbeiter mit der neuen Verlegemethode, die die Einführung der Stahlbetonschwelle erforderte, noch nicht vertraut waren, schritt der Streckenbau langsam voran. Die im Eisenbahnzentralamt Göttingen entwickelten automatischen Verlegegeräte können an sich in der Stunde 1000 Schwellen verlegen, im Achtstundentag also 530 Meter Schienenweg bei einem Schwellenabstand von 0,65 m, wenn vorher die Bettung fertig hergerichtet ist. Zum Bau der ganzen Versuchsstrecke werden 4000 Stahlbetonschwellen verlegt. Auf der Baustelle erzählte man sich, daß der Konstrukteur der neuen Schwellenart für jede verlegte Betonschwelle 10 Pfennig auf sein Konto angekreidet erhält.

Was sonst noch erwähnenswert ist: Mit der Inbetriebnahme der Versuchsstrecke Horrem - Sindorf kann auch dieses Streckenstück wieder zweigleisig befahren werden. Wie man hört, soll im Frühjahr die Strecke hinter Buir ebenfalls zweigleisig ausgebaut werden - übrigens wieder unter Verwendung von Stahlbetonschwellen - so daß damit der gesamte Schienenweg Aachen - Köln friedensmäßig hergerichtet ist und unliebsame Zugverspätungen in Zukunft Seltenheitswert erhalten werden.

-tr-

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