Eisenbahnen im Grenzgebiet


Aachener Volkszeitung vom 30.5.1949
Von Dr. Leo Schwering, MdL.


Die deutsche Kapitulation brachte die völlige Stillegung der gesamten Grenzbahnen. Dieser Zustand war in der Geschichte der deutschen Bahnen seit ihrer Entstehung vor mehr als 100 Jahren einmalig und wird es hoffentlich bleiben. Man muß das wissen, um die richtige Beurteilung für die seit Mai 1945 bestehenden Schwierigkeiten zu haben. Aber selbst bei Anerkennung mancher Leistungen der letzten vier Jahre kommt man doch nicht an der Tatsache vorbei, daß die Bahnen des Grenzgebietes über Gebühr vernachlässigt geblieben sind.

Die Öffentlichkeit wird mit Erstaunen vernehmen, daß noch immer acht Strecken still liegen. Es ist weiter festzustellen, daß der einzig Leidtragende der Regierungsbezirk Aachen ist. Liegt es daran, daß er unter allen Bezirken im Westen unter dem Krieg am meisten gelitten hat? Dann hätte er eine besondere Bevorzugung verdient. Alle betroffene Strecken liegen innerhalb der Reichsbahndirektion Köln. Es sind folgende: Oberhausen - Hellenthal, Jülich - Baal, Kornelimünster - Walheim, Zerkall - Heimbach, Baal - Dahlheim, Blankenheim - Dollendorf, Würselen - Kohlscheid. Teilweise handelt es sich um Reststücke einer sonst schon in Betrieb befindlichen Strecke.

In ihrer Gesamtheit mag die Bedeutung der genannten Linien nicht übergroß sein, aber innerhalb des Grenzgebietes werden die Lücken überaus schmerzlich empfunden. Nimmt man noch die bekannte Tatsche hinzu, daß die Straßen des Grenzgebietes notorisch die schlechtesten im ganzen Lande sind, so weiß man, was es bedeutet, daß die Lücken vorhanden sind. Ihre Gesamtlänge beträgt etwa 100 Kilometer. Der Mißstand ist von den Abgeordneten des Gebietes ständig hervorgehoben worden. Noch jüngst hat sich der Verkehrsausschuß des Landtages in zwei Sitzungen damit beschäftigt. Und es ist unausbleiblich, daß, je weiter wir uns vom Jahre 1945 entfernen, desto empfindlicher die Lücken im Verkehrsnetz stören.

Zur Zeit liegen die Hauptschwierigkeiten in der Finanzierung. Die Reichsbahn erklärt sich außerstande. Allein man wird den Eindruck nicht los, daß bei größerem Interesse alles hätte schneller gehen können. Das finanzstärkere Land verhandelt auf der Grundlage 50 zu 50. Wie man hört, stehen die Dinge günstig, und es wurden einem Abgeordneten des Grenzgebietes in dem Punkte beruhigende Erklärungen abgegeben. Die fertigen Pläne wurden ihm sogar zur Einsicht übergeben, und er konnte einen Blick, so zu sagen, in die Zukunft tun. Wenn keine neuen Hindernisse eintreten, laufen Ende 1950 alle Bahnen wieder wie 1930.

Ungelöst bleibt auch fernerhin das Problem der Vennbahn. Der Kreis Monschau wird also weiter das Unikum im ganzen Lande sein - ohne einen Kilometer Schienenbahn. So ist da Problem als Ganzes unerfreulich. Es bildet einen bemerkenswerten Gegensatz zu der allgemeinen Erholung anderswo. Wir stellen also vorläufig fest: Verkehrspolitisch bleibt das Grenzgebiet ein Stiefkind



Artikel der DZ auf gleicher Seite:

Wo bleibt die Gegenseitigkeit?

Der Abg. Dr. Leo Schwering hat an die Landesregierung eine Anfrage gerichtet, die in weiten Teilen des Grenzgebietes lebhaftes Interesse finden wird. Sie lautet:

Bekanntlich ist den belgischen Grenzbewohnern neuerdings gestattet, ihr auf deutschem Hoheitsgebiet liegendes Eigentum wirtschaftlich zu nutzen. Diese Maßnahme ist von der Grenzbevölkerung mit Befriedigung aufgenommen worden. Ihr selbst ist es bisher noch nicht erlaubt, sich des gleichen Vorzugs für ihren Landbesitz auf belgischer Seite zu erfreuen. Die Haltung des belgischen Volkes gegenüber Deutschland bezüglich der Grenzregulierungen ist überall als Anzeichen einer beginnenden freundschaftlichen Atmosphäre dankbar gewertet worden.

Welche Schritte gedenkt die Landesregierung zu tun, um für die deutschen Grenzbewohner die gleiche Behandlung zu erreichen, die Belgien seinen Staatsangehörigen auf deutschem Staatsgebiet ermöglichte?



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