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Aachener Volkszeitung vom 30. Juni 1948


In der Reparaturwerkstätte des Dürener Postfuhrparks werden technische Zaubereien geleistet

Wieder einmal hat einer der Postwagen einen Motorschaden, ausgerechnet heute zum Wochenende,wo kein Ersatzwagen zur Verfügung steht. Drei Mechaniker bemühen sich um den patienten, wühlen mit Zange, Schraubenzieher und –schlüssel in seinen Eingeweiden umher und stellen schließlich fest, daß ein Ersatzteil beschafft werden muß. Aber woher nehmen? Der reparaturbedürftige Wagen trägt das Baujahr 1926, pensioniert wurde er bereits vor dem Krieg und blieb beim Rückzug unserer Truppen, nach einigen vergeblichen Versuchen, ihn nochmals in Gang zu setzen, am Straßenrande liegen. Jetzt verrichtet er wieder seit zwei Jahren Dienste. Die Fabrik, die ihn lieferte, ist schon lange bankrott. Ersatzteile waren also selbst in normalen Zeiten nicht mehr zu beschaffen. Was bleibt in diesem Falle anders übrig, als schnell das fehlende Stück selbst anzufertigen? Die Geschicklichkeit des technischen personals rettet wieder einmal die ausweglos erscheinende Situation zu Gunsten der Fahrgäste - der Wagen kann die Werkstatt noch zeitig zum fahrplanmäßigen Einsatz verlassen.

Ein ölbeschmierter Arbeiter der Postwerkstätte weist auf einen Haufen alter Motorteile, Autotüren, Räder, 'Achsen und was sonst noch ein ausgedienter Wagen beim Ausschlachten hergibt. Hier also ist das „Ersatzlager“, das jedesmal sorgfältig durchsucht wird, wenn wieder eine Reparatur erforderlich ist. Bei den vielen verwendeten Autotypen jedoch gleicht eine solche Fahndung einem Hasardspiel. Neben diesen aufgestapelten Erinnerungsstücken einstiger Größen ruhen einige aufgebockte Karosserien und warten. Sie warten, bis jemand wieder irgendwo aus einem Autofriedhof oder einem noch vom Kriege her im Straßengraben ruhenden Wrack ein brauchbares Autoteil auftreibt und ihn an ihren Skeletten befestigt. Lange dauert es, bis alle die zu einem Postwagen gehörenden Stücke zusammengesucht sind, noch vieles muß von den Männern der Werkstatt selbst unter schwierigsten Bedingungen hergestellt werden. Doch die ältesten Modelle werden durch die Not unserer Zeit noch einmal jung und stehen wieder für einige Monate dem Beförderungsdienst zur Verfügung. Unglaublich erscheint es, abe auf diese Art sind alle im Kreise Düren fahrenden Postwagen aus dem alten Wagenpark der Reichspost entstanden, der nur noch als Schrotthaufen den Krieg überstanden hat. Zuweisungen an neuen Wagen sind bisher noch nicht erfolgt.

Vor immer neuen Schwierigkeiten muß der Wille, wieder einen friedensmäßigen Fahrbetrieb einzurichten, kapitulieren. Die Gummireifen der Fahrzeuge werden auf den schlechten Straßen des Kreises immer brüchiger. Die benötigten Reifentypen sind leider auch schon ausgestorben, und so wartet jetzt die ganze Fahrbereitschaft auf das Wunder, das ihr aus der Klemme helfen soll.

Die Volkswagenreparaturwerkstatt der Post, die alle Volkswagen des Aachener Postbezirks betreut, kennt diese Sorgen weniger, obwohl es sogar bei diesem gängigen Autotyp äußerst schwierig ist, das Nötige an Ersatzteilen oder Reifen zu erhalten. Die kleinen wendigen Wagen eignen sich sehr gut für ihre Aufgabe, Briefe und Pakete schnell in Ortschaften zu bringen, die nicht an das Post- oder Reichsbahnnetz angeschlossen sind.

Die Klagen der Fahrgäste über die geringe Anzahl der verwendeten Postwagen und über ihr sagenhaftes Alter sind verständlich. Wer aber Einblick in die entmutigenden Verhältnisse tat, die in unseren heutigen Fahrzeugwesen herrschen, wundert sich, daß der Personenverkehr überhaupt noch in dem bekannten Umfang durchgeführt werden kann. Auf Abbildungen ausländischer Autoausstellungen betrachten wir mit neidvollem Blick die herrlichen modernen Neuproduktionen - wir aber müssen uns noch gedulden und froh sein, wenn der Fahrer unseres klappernden Postwagens überhaupt noch einen Schraubenschlüssel zur Hand hat, wenn auf offener Landstraße ein Defekt zu beseitigen ist.

-tr-

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