Aachener Volkszeitung vom 8. 11.
1947
In einer lieblichen Au, am rechten Rurufer, erbauten sich die Kreuzauer dereinst ihr Dorf, da auch in alten urkunden Aue superier geheißen wird, bis man im 15. Jahrhundert den Namen der Pfarrkirche, die dem heiligen Kreuz geweiht war, vor die Ortsbezeichnung setzte, woraus dann Kreuzau wurde.
Nicht zu fern von der Kreisstadt, an günstigen Verkehrsstraßen und der Bahnstrecke Düren - Heimbach gelegen, trugen diese Gegebenheiten wesentlich zur Ausdehnung des Dorfes und zum Ausbau seiner Industrie bei. Der Dorfweg ist eine dreigeteilte, breite Straße, die mit schattigen Linden und breitausladenden Kastanien bepflanzt ist. Die Hauptstraße mit ihren vielen Geschäften und Verkaufsläden gibt dem Dorf ein kleinstädtisches Gepräge. Wenn die Auslagen der Schaufenster auch noch zeitbedingt sehr knapp sind, so lebt Handel und Wandel doch wieder auf. Ein gesundes handwerkliches Gewerbe, das fast alle handwerksberufe umfaßt, dazu großangelegte Gärtnereien sind der Ausdruck des dörflichen Gewerbefleißes.
Die hohen Schornsteine der seit altersher ansässigen Papierindustrie, die die gedruckten Häuschen des Ortes gleichsam wohlwollend überragen, sind der symbolhafte Ausdruck der eigentlichen lebensspendenden kraft für das Dorf und seine Umgebung. Das weiche Wasser der Rur, das in einem Teich zur Papierfabrik und durch das Dorf geleitet wird, war von jeh die Vorbedingung für eine rege Papierindustrie. Schon 1666 wird ein Hans Klein als Pappiermacher in Urkunden erwähnt. In späteren Jahren erscheint dann die Familie Strepp als Hersteller, die diese Tradition bis auf den heutigen Tag weiterführt. Neben den Firmen Kaiser und Lüttgen steht die Hoesch-Papierfabrik, deren Fertigung Weltruf besitzt, an der Spitze der Papierproduktion. Im nördlichen Ortsteil Friedenau steht ebenfalls wieder eine alteingesessene Papierfabrik, die Melitta Werke, vor dem Anlaufen ihrer Produktion, nachdem die Fabrikanlagen im letzten Krieg sehr stark beschädigt worden waren.
Mittelpunkt des dörflichen Lebens und Treibens bildet auch heute noch trotz der zahlreichen zerstörungen der Brings Eck an der schon seit undenklichen Zeiten die Jugend tagt, die wichtigsten Ereignisse bespricht und ihren Dorfbummel hält. Das kulturelle Leben des Dorfes ist maßgebend für die gesamte Umgebung. Die Volkshochschule, Sing- und Spielscharen und gesellige Vereinigungen tragen mit ihren Veranstaltungen rege gesellige und kulturelle Betätigung in die Dorfgemeinschaft, deren Bestreben es immer war, sich neben dem kulturellen Zentrum Dürens ein mit ortseigenen Kräften bestrittenes kulturelles Dorfleben zu schaffen.
Wie fast alle Dörfer rechts der Rur, wurde auch Kreuzau vom Krieg hart betroffen. Bomben und Granaten rissen schon vor der Evakuierung viele Wunden. Fleißige Hände regen sich heute, den geschlagenen Schaden zu beheben. Im Ortsbild schließt sich Lücke um Lücke. Nur die Kirche weist noch sehr starke Schäden auf. Auf der alten Burg hat man inzwischen auch mit den Wiederaufbauarbeiten begonnen, doch wird es noch eine Weile dauern, bis die beiden historischen Gebäude wieder ihre alte Form zurückerlangt haben.
Verkehrstechnisch hatte Kreuzau den meisten Orten des kreises Düren einen erheblichen Vorsprung. Gute Straßen, Eisenbahnanschluß und eine Straßenbahnverbindung mit der Kreisstadt waren dazu angetan, einen regen wirtschaftlichen Austausch mit der Kreisstadt aufrechtzuerhalten und auf der anderen Seite Kreuzau für die vielen Fremden zum Ausgangspunkt der beliebten Eifelwanderungen werden zu lassen.
Im Westen wird das Dorf vom Richelberg, im Süden von einem Bergrücken nach Stockheim hin flankiert. Weit heben sich die weißen Sandhalden vom dunklen Kranz der Laubwälder ab. An Bausand mangelt es nicht. Er ist ein besonders geschätztes Aufbaumaterial und wandert durch den ganzen Kreis bis weit in die Eifel hinein. Ein Blick von der Richelberger Höhe auf das idyllische Dorf zu den Füßen enthüllt seine schöne Lage. Kreuzau, das mit der Neuzeit geht, hat seinen dörflichen Charakter nicht verloren, es legt aber beredtes Zeugnis ab von Zähigkeit, Fleiß und Lebensbejahung seiner Einwohner, die sie aus der augenblicklichen Notzeit wieder in eine bessere Zukunft hineintragen werden.
M.G.