Wie wird in Düren aufgebaut ?

Aachener Volkszeitung vom 22.1.1947


Das vergangene Jahr ha uns einen guten Schritt auf dem Wege der Neuerstehung Dürens weitergebracht. Auf einer der letzten Stadtratssitzungen konnte die Stadtverwaltung der Bevölkerung mitteilen, daß die Grundarbeiten als erste Voraussetzung für den Wiederaufbau vor der Vollendung stehen. Aber noch sind gewaltige Aufgaben unbedingt nötiger Vorarbeiten zu erfüllen.

Naturgemäß muße der Wohnungsbau vor diesen wichtigen Arbeiten zurückstehen und die Einwohner der Stadt fristen in den meisten Fällen in einem unbeschreiblichen Wohnungselend, eng zusammengepfercht, in den noch übrig gebliebenen Häusern, ihr Dasein. Wohl hat ein Teil der Bürger, die ihre Wohnungen und Häuser verloren haben, sich durch Eigeninitiative und tatkräftigen persönlichen Einsatz aus den Trümmern der zerfallenen Gebäude wieder ein bescheidenes Heim errichtet, doch ist durch diese Bauweise im Vergleich zur allgemeinen Wohnungsnot eine Besserung nicht sonderlich spürbar geworden. Der Grund hierfür liegt - und das ist eine traurige Feststellung - in dem Bestreben , nur den allernötigsten Wohnraum für den Eigenbedarf herzurichten. Daneben liegen hunderte von Häusern mit relativ geringen Beschädigungen noch unbewohnbar, deren Fertigstellung eine wirkliche Auflockerung im Wohnungsmarkt bedeuten würde.

Die durch die Wohnungsämter durchgeführte Verteilung des vorhandenen Wohnraumes hat gleichfalls keine wesentliche Linderung der Wohnraumnot erzielt. Im großen gesehen sind alle zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten so belegt, daß eine weitere Ausnutzung zu der Katastrophe führt, die bevorstände, wenn alle Anträge auf Zuzugsgenehmigung alter Dürener Bürger genehmigt würden. Da aus der Not heraus entstandene eigenwillige Bauen erweckt in manchen Stadtteilen eher den Eindruck eines entstehenden Goldgräberdorfes, denn einer planmäßig werdenden Mittelstadt, und das Bestreben, nur den selbstbenötigten Wohnraum zu schaffen, führte zur Bildung von ganzen Barackenvierteln.

Die Zeit ist nun gekommen, daß dieser wilden Bauweise energisch Einhalt geboten wird. Zur Behebung der katastrophalen Wohnzustände kann nur ein geplantes Bauen führen, das sich schon heute dem neu erstehenden Stadtbild anpaßt. Der erste Schritt hierzu ist der Ausbau der ausgebrannten und weniger beschädigten Ruinen in noch bestehenden Straßenzügen. Daran anschließend soll mit dem Aufbau der vollkommenen zerstörten Stadtmitte begonnen werden. Im Hinblick auf die drängende Frage der Lösung des Wohnungsproblems und das bevorstehende günstige Bauwetter des kommenden Frühjahres ist keine Zeit mehr zu verlieren.

Die erste Regung einer geplanten Selbsthilfe der Bürgerschaft ist bereits in der Gründung der „Gesellschaft der Freunde des Wiederaufbaues der Stadt“ zu erblicken. Die auf der Basis der Gemeinschaftshilfe allen Bauinteressenten schnellstens die Vorbedingung zum Aufbau ihres Heimes schaffen will. Im großen Ganzen kann man feststellen, daß die Dürener ihre Vaterstadt wieder in den alten Grundzügen erbauen wollen, ausgenommen die schon seit Jahrzehnten bekannten verkehrstechnischen Gefahrenstellen.

Der vor einiger Zeit einem kleinen Kreis von der Stadtverwaltung vorgezeigte Neubauplan entspricht nicht diesen Wünschen. Eine Planung unter Einbeziehung der Vorschläge der Bürgerschaft durch freie Architekten könnte hier Abhilfe schaffen. Die neugeschaffene Organisation der Bürgerschaft wird hier ihre erste Aufgabe sehen, um auf einer realen Grundlage mit der Lösung des drängenden Bauproblems so schnell wie möglich zu beginnen. Nach Fertigstellung des Gesamtentwurfes ist auf dem Wege einer Gemeinschaftsarbeit die Enttrümmerung der Baugrundstücke selbst vorgesehen und zwar so, daß Bauinteressenten, Grundstückseigentümer und eventuell schon vorher festgelegte Mieter der entstehenden Häuser in Arbeitsgemeinschaften kräftig mit zufassen.

Bei dieser Bildung von Arbeitsgruppen wird so von Grundstück zu Grundstück die Voraussetzung zum Aufbau der Gebäude geschaffen und das noch brauchbare Baumaterial ausgesondert. Auf genossenschaftlicher Basis kann dann schon bald mit der Beschaffung der zusätzlichen Baustoffe begonnen werden. Die Bauarbeiten selbst sollen wieder durch Mitarbeit der Interessenten unter Leitung von Bauhandwerkern in den einzelnen Bausparten geleistet werden.

Wie die Durchführung dieses gewaltigen Planes im einzelnen vonstatten geht, hängt weitgehend von der Lage auf dem Baumaterialienmarkt ab. Wichtig ist, daß den vielen tausenden Betroffenen ein gangbarer Weg gewiesen wird und der fast verlorene Mut zum Wiederaufbau unserer Heimatstadt neue Impulse empfängt.

B.S.

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