6. Erzählungen der Alten
Ohne weitere Kommentierung möchte ich im folgenden einige Erzählungen wiedergeben, die von den Geschwistern meines Großvaters (Trautchen, Mathes) meiner Mutter erzählt wurden. Sicherlich ist bei solchen Erzählungen meist ein Portion Skepsis geboten, was den historischen Wert angeht, trotzdem sollen sie berichtet werden. Ich selbst habe sie mir 1986 notiert.
Fang und Verkauf von Rümpchen u.a.
Johann Josef Bertram (Urgroßvater von Matthias) pflegte Ende des letzten Jahrhunderts zweimal wöchentlich kleine Fische in der Ahr zu fangen und zum Verkauf nach Bonn zu tragen. Gefangen wurde üblicherweise abends mit Einbruch der Dunkelheit mit dem Hever. Nach dem Fang wurden die Fische abgebrüht und in Laatschenblätter eingepackt und mit einer "Roetz" (Holzkiepe) nach Bonn getragen. Verkauft wurden die Fische an vermögende Privatkunden (Beamte, Richter etc.), dies, obwohl es offiziell verboten war. Erlöst wurden für ein Pfund Fischchen drei Mark, dies war zu dieser Zeit mehr als ein Tagelöhner für einen Tag Arbeit erhielt. Nachmittags kam der Urgroßvater aus Bonn zurück und soll dann, so wird erzählt, anschließend häufig noch in den Wald gegangen sein, um mit der Dükar (Abb. 27) Holz nach Hause zu holen.
Abb.
27 Winzer bei der Arbeit Walporzheim
Durch diesen Ruempchesverkauf konnte er sich im Laufe der Jahre einen gewissen Wohlstand erwerben. So wurde in dieser Zeit das Haus in der Dichjass abgerissen und ein neues gebaut. Die Steine für dieses neue Bruchsteinhaus wurden von seinen drei Söhnen in einem Steinbruch in der Hambach in Marienthal gebrochen. Zur gleichen Zeit war er finanziell in der Lage den Weinberg in der Orbach (Ludewig's Bergelsche) und im Benge, beide mit ca. 800 Rebstöcken, zu kaufen. Dies waren zu dieser Zeit recht große Parzellen. Schon vor dieser Zeit waren die Brüder (!) Bertram wesentlich mitbeteiligt an der Gründung des Dernauer Winzervereins. Sein Bruder (Peter Josef) wurde der erste Präsident des Vereins. Laut Tante Trautchen soll jede vierte Dachziegel des neuen Vereins den Bertrams gehört haben (???). Ebenfalls wurde um diese Zeit von den Bertrams (Peter Josef) das Haus in der Brandesjass gekauft. Es stand dort, wo heute die Turnhalle der Schule steht.
Peter Josef Bertram zog selbst aber nie in dieses Haus, sondern blieb weiter mit in der Dichjass wohnen (teils sehr zum Ärger der Kinder meines Urgroßvaters, wie ich noch erzählen hörte). In das gekaufte Haus in der Brandesjass zog eine der beiden Töchter von Peter Josef, die spätere Mutter von Josef Paetz, genannt "de Einelei". Die andere Tochter heiratete einen Gies aus Dernau.
Gründung von Winzerverein und Weinbauverein in Dernau
In den 60 Jahren des letzten Jahrhunderts war in Mayschoss der erste Winzerverein in Deutschland gegründet worden. In Dernau wurde ein Winzerverein unter dem ersten Präsidenten Peter Josef Bertram in 1873 gegründet. Die Familie Bertram soll sich dabei stark finanziell engagiert haben. Peter Josef Bertram blieb bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1901 Präsident. In den achtziger und neunziger Jahren kam es dann zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Familien Bertram und Schreiner im Dorf. Ein Grund war wohl, dass eine Gruppe innerhalb des Winzervereins die Neumitgliedschaft im Verein an sehr hohe Bedingungen knüpfen wollte, die andere diese Schranken nicht so hoch ansetzten wollte. Einer dieser nicht akzeptierten Neumitglieder war Matthias Liersch, der zukünftige Schwiegervater meines Grossvaters Josef Hubert Bertram. Im Streit um diese Mitgliedschaften entstanden zwei unversöhnliche Gruppen im Dorf, mit dem Ergebnis, dass 1881 unter Mitwirkung von Matthias Liersch und dem damaligen Pastor Hehn mit dem Dernauer Weinbau Verein eine eigene Genossenschaft gegründet wurde. Ergebnis dieser Streitigkeiten war auch, dass die drei Söhne des Johann Josef Bertram 1904 aus dem Winzerverein austraten und sich als Gebrüder Bertram 1905 selbstständig machten.
Taufe von Willibald Bertram
Bei der Taufe meines Vaters im Jahre 1908 soll sich folgender Zwischenfall ereignet haben. In Anwesenheit von Hebamme, Patentante Tant Billa (Broeckemöll), Patenonkel Ohm Mathes sollte das Kind von Pastor Muench auf den Namen Willibald getauft werden. Statt Willibald verwendete der Pastor aber den Namen Willibrord. Nachdem der Pastor zweimal von Ohm Mathes korrigiert worden war, kam es zum Streit zwischen ihnen, den der Pastor mit den Worten "Stören sie mich nicht bei der Heiligen Handlung" zu beenden suchte. Ohm Mathes war so erbost über das Verhalten des Pastors, dass er einen Beschwerdebrief an den Bischof von Trier aufsetzte. Erst nachdem die Koechin des Pastors verschiedentlich in der Dichjass darum gebeten hatte, wurde der Brief dann nicht abgeschickt.
Burgen und Höfe in Dernau
(von Hoenigs Max Ohm
Mathes erzählt)
Das Haus von Willi Winten -frühere Besitzer Familien Schweizer und Arens- im Oberdorf hiess früher die "Luxemburg", da das Gebäude wohl ehemals einem Luxemburger gehörte.
Oberhalb der Burgstrasse, hinter dem Haus von Otto Wirball, soll eine "Susannaburg" gestanden haben. Dies Burg soll mit einem Wassergraben umgeben gewesen sein. (siehe auch Abb. 10)
Unterhalb der Burgstrasse soll die "Henschesburg" gestanden haben. Diese Burg soll mit zwei Wassergräben umgeben gewesen sein. Deshalb heiße die Ortsbezeichnung dort noch gelegentlich "Im Graben". Unter den Mauerresten sei Arnold Heimermann auf einen gewölbten Keller gestoßen, der voll Schutt lag. Es wird vermutet, dass beide Burgen eine unterirdische Verbindung hatten.
Neben dem Winzerverein (südlich), in dem Haus in dem früher Frau Vrind (?) wohnte, wohnte der Pate von Willibald Bertrams Großvater -ein Johann Josef Bertram (gleicher Name wie der Großvater selbst, wohl geb. 26.12.1819 als Sohn von Bernard Bertram und Anna Maria Peez). Dieses Haus soll früher die "Bertramsburg" geheißen haben. Noch bis in die fünfziger Jahre stand dort ein Rundbogen als Hofeinfahrt.
Vor dem Muehlenberg (heute unterer Bereich der Hardtbergstrasse in der Maar) heißt es noch heute "Palleburg". Möglicherweise stand dort einmal eine Burg.
(Bemerkung Matthias Bertram: Ich hoffe, dass jeder diese Häufung von Burgen richtig zu interpretieren weiß)
Mühlen und Mühlenteiche in Dernau
Die Steinbergsmühle an der oberen Ahrbrücke auf der rechten Ahrseite gelegen, war ursprünglich im Besitz von Matthias Paetz, eines Vorfahren meiner Mutter (Urgroßvater). Seine Eltern waren früh gestorben, so dass er im Dorf bei Familie Bertram in der Dichjass aufwuchs. Da seine Frau Veronika Geuer nicht auf die Mühle ziehen wollte, verkaufte er die Mühle an jemanden namens Valder aus Embken bei Düren. Er wohnte dann in dem Haus in der Dichjass, wo später Jakob Kreuzberg mit seiner Frau Gertrud geb. Paetz und jetzt eine Cousine meiner Mutter (Gertrud Frings) wohnt.
Matthias Paetz hatte noch Verwandte Namens Winten auf der Weidenbacher Mühle bei Kesseling/Fronrath. Das Haus in der Dichjass wurde im zweiten Weltkrieg 1944 bei einem Bombenangriff zerstört.
Eine weitere Mühle soll im Bereich "Maar" existiert haben. Die Lagebezeichnungen "Am Muehlenberg" und "Muehlenpfad" sollen darauf hinweisen.
Abb.
28 Auszug aus dem Urkataster Dernau ca. 1826
Abb.29
Peststein auf dem Dernauer Kirchhof
Abb
30 Takenplatte der Aremberger
Abb.
31 Takenplatte i.d. Dichjass
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