4.5 Hexenwahn

Bereits im Jahr 1501 wird aus Ahrweiler von einer Hexenverbrennung berichtet (Tryne van Eich). Im Jahre 1606 berichtet ein Johann Hannen und ein Thomas Müller über das, was sie erlebt haben vor den Ahrweiler Schöffen:

Johann Hannen: ca. 1530 führten die Wadenheimer zwei wegen Zauberei gefangen genommene Weiber auf einer Karre nach Saffenburg.

Thomas Müller: ca. 1550 wurden vier durch Zauberei berüchtigte Weiber zu Wadenheim ergriffen. Zwei wurden nach Saffenburg, zwei nach Rheinbach ins Gefängnis gebracht. Eine wurde bei Eckendorf auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

In den Jahren 1628 und 1629 werden in Ahrweiler unter den Hexenkommissaren Dr. Möden und Dr. Buirmann mindestens 26 namentliche bekannte Personen angeklagt und hingerichtet. Unter anderem wird auch der langjährige Schöffe, Bürgermeister und prümsche Hofschultheiss Nikolaus Stapelberg hingerichtet. Die vorliegenden Rechnungen zeigen, dass dies für die Hexenkommissare offensichtlich ein einträgliches Geschäft war.

Ein Kloster aus Köln (1631) klagt die überhöhten Hexenrechnungen des Ahrweiler Schöffengerichts, im Zusammenhang mit der Hinrichtung der Gundula Hansmans an. Es wird festgestellt, das mit der Hinterlassenschaft der Hingerichteten seltsam umgegangen worden ist (..sonderlich auch von D. Burrmann).

Was man im Ahrraum, insbesondere in Ahrweiler, zu diesem Thema dachte, wird aus einer Akte aus dem Jahr 1632 (September) deutlich:

Die Bürger von Ahrweiler beklagen sich beim Hofrat in Bonn über die ihrer Meinung nach nur zögerlich durchgeführten Hexenprozesse. Der Hofrat hält die Bürger von Ahrweiler an, sich strikt an die Anweisungen zu halten und schleunigst die Prozesse wieder aufzunehmen. Da den Ahrweiler Bürgern die Handhabung der Bonner offensichtlich nicht schnell genug geht, schalten sie den Kölner Hexenkommissar von der Stegen ein. In 1632 werden sechs Menschen hingerichtet mit Dietrich von der Stegen als Hexenkommissar.

Erneut kommt es 1634 zu einer Klage vor dem Hofrat in Bonn wegen zu hoher Hexenabrechnungen. Tilmann Knieps aus Ahrweiler beschwert sich, wegen zu hoher Rechnungen wegen der Hinrichtung seiner Frau. Der Hofrat hält die Rechnungen für unrichtig und übermäßig erhöht und stoppt die Zwangsvollstreckung.

In einer Checkliste aus der Zeit vor 1636 wird aufgeführt, dass die Ahrweiler Sendschöffen u. a. darauf zu achten haben, ob Zauberer, Zaubererinnen, Teufelsbeschwörer, Wahrsager und dergleichen Menschen da seien oder sich merken ließen. Dies ist nur einer von mehr als siebzig Punkten auf die geachtet werden muss.

In welchem schlimmen Umfeld gegenseitiger Verdächtigungen und Beschuldigungen man damals lebte, zeigt ein Bericht aus 1639:

Vier Ahrweiler Bürger fordern in einer Eingabe an den Hofrat zu Bonn die Wiederaufnahme der Hexenprozesse. Ihre Mütter und Weiber seinen wegen der Hexerei hingerichtet worden und es gäbe in Ahrweiler noch mehr verdächtige Personen, die mit diesem Laster behaftet seien und auch abgeurteilt werden müssten.

Aus dieser Zeit stammt auch der Bericht des ehemaligen Mayschosser Bürgermeisters Nikolaus Colborn (S.W. Schmitz, 1985) der detailliert über einen solchen Hexenprozess berichtet:

Anfang Mai 1630 wurde Catharina Creutzberg aus Dernau -eine als völlig untadelig bekannte Person- in Ketten gelegt und von Knechten bewacht, auf einem Holzkarren zur Saffenburg in den Hexenturm gebracht. Catharina, die seit Jahren einen Verkaufsstand auf dem Ahrweiler Wochenmarkt hatte, um dort Eier und Käse zu verkaufen, war offensichtlich von einer dortigen Marktfrau denunziert worden, möglicherweise wurde ihr Name auch unter dem Einfluss der Folter von einer anderen Angeklagten genannt. Dies reichte für eine Festnahme.

Die Bürger des Saffenberger Gebietes wird befohlen, alles, was sie über die Angeklagte wissen, auszusagen. Die Schöffen des Saffenberger Gerichts werden aufgefordert, sich am nächsten Tag, dem 10. Mai auf der Saffenburg einzufinden.

Bei dieser Vernehmung sind neben den Schöffen aus Dernau, Mayschoss, Rech und Laach anwesend: der Amtmann, der Gerichtsschreiber, der Richter, der Gerichtsdiener und drei dunkel gekleidete Hexenjäger. Catharina, von Kerker und Angst gezeichnet, wird verängstigt in den Saal gedrängt und die Anklage verlesen:

Im Namen des Herren. Amen:

Im Jahr 1630 von der Geburt unseres Herren am 4. Tag des Monats April, ist zu Kenntnis des Gerichtes gekommen, dass die Catharina aus Dernau folgende Vergehen gegen die Heilige Schrift und die Gesetze des Reiches begangen haben soll:

1. an Hexentänzen an der Teufelsley, neben anderen Frauen des Ländchens, teilgenommen zu haben.

2. Dabei sei sie mit dem Teufel, der als schwarzer Bock anwesend war, eine Buhlschaft eingegangen..

3. Des weiteren habe sie in den vergangenen Jahren in den Dörfern Dernau und Mayschoss ein Pferd, drei Kühe und zwei Ochsen mit schwarzer Materie vergiftet und so getötet.

4. Weiter soll sie mehrfach, auf den Bergen zwischen Mayschoss und Dernau stehend, durch bestimmte Zeremonien und Sprüche, Unwetter herbeigezogen und so versucht haben, den Sommerfrüchten zu schaden.

Catharina bestätigt, sie glaube, dass es Teufel und Hexen gebe, dass sie die ihr vorgeworfenen Taten aber nicht begangen habe. Auch Versprechungen und Drohungen können sie nicht umstimmen.

Daraufhin verliest der Richter folgenden Beschluss:

Wir, der Richter und die Beisitzer (!) des Saffenberger Gerichts befinden, dass die Angeklagte Catharina Creutzberg aus Dernau, trotz nachhaltiger Ermahnungen, nicht gewillt ist, ihr Gewissen zu erleichtern und die gegen sie vorgebrachte Anklage gesteht. Zur Wahrheitsfindung fühlen wir uns daher genötigt, sie der peinlichen Befragung und der Folter auszusetzen. Der Termin ist auf den 11. Mai angesetzt. So geschehen zu Saffenburg. Gezeichnet Richter

Von seinem Freund, dem Gerichtsschreiber, wird Colborn berichtet, was anschließend, nachdem die Schöffen gegangen waren, mit Catharina geschah:

Die Rüstkammer der Burg war zu einer Folterkammer umgerüstet worden. Der Schmied Niclas schleift Catharina in Ketten in die Kammer. Die Kleider werden Ihr vom Leib gerissen und dieser nach versteckten diabolischen Zeichen untersucht. Man stößt fingertief große silberne Nadeln in ihren Körper, um zu prüfen, ob sie eine Hexe ist. Wenn beim Herausziehen kein Blut fließt, soll dies ein Zeichen sein, dass sie eine Hexe ist. Da sie nach langer Tortur nicht mehr in der Lage ist Tränen zu vergießen, wird vermutet, dass sie auf Grund fehlender Tränen vom Teufel geschützt sei. Während dieser Tortur zitiert eine anwesende Person immer wieder Passagen aus der Bibel. Zwischendurch immer wieder die Frage, ob sie nicht gestehen wolle.

Am Nachmittag setzte Catharina den Qualen ein Ende und legte ein Geständnis ab:

Ja, sie sei vor zwei Jahren abends auf dem Nachhauseweg über den Dernauerberg gegangen. Kurz hinter dem Wegkreuz, am dritten Heiligenhäuschen sei ihr der Teufel erschienen und habe sie unter allerlei Versprechungen dazu gebracht, vor dem Heiligenhäuschen Gott ab und dem Satan Treue zu schwören. Gleich darauf habe sie, mit schwarzer Macht ausgestattet, eine Hand voll Erde Richtung Dernau geschleudert. Sofort habe sich ein schlimmes Unwetter über dem Ort zusammengezogen.

Vor der Versammlung am nächsten Tag treffen sich die Schöffen von Dernau und Mayschoss. Die Dernauer haben eine Bittschrift der Dernauer Gemeinde dabei, worin der untadelige Lebenswandel Catharinas beschworen und um Gnade für sie gebeten wird. Nachdem die Bittschrift vorgetragen war, entgegnete einer der Hexenrichter, dass es demjenigen, der einer geständigen Hexe beistehe, leicht zum Verhängnis werden könne. Es sei auch schon mancher Schöffe als Helfershelfer überführt und in die Flammen geschickt worden. Wer den Prozessablauf störe, werde verhaftet.

Anschließend wird Catharina in den Raum geführt und das Geständnis des Vortages vorgelesen. Auf die Frage, ob sie ihre Aussage nochmals bestätigen wolle, antwortet sie:

Nur unter entsetzlicher Folter habe sie dies ausgesagt. Dies seien Worte des Schmerzes gewesen. Sie sei keine Hexe und -bei der heiligen Jungfrau- man quäle hier eine Unschuldige.

Sie wird von einem der Hexenjäger unterbrochen und durch Beschluss des Richters wird die Verhandlung beendet und für den nächsten Tag neu angesetzt.

Der Pfarrer von Mayschoss erklärt dem Niklas Colborn, dass er an den Geschehnissen im Ort, selbst unter Einsatz seines Lebens, nichts ändern könne.

Noch am gleichen Tag wird Colborn vom Gerichtsschreiber wieder berichtet, was auf der Burg nach Ende der Verhandlung geschehen ist:

Den ganzen Tag habe man Catharina gefoltert. Sie an den Händen aufgehangen, sie mit Gewichten beschwert und die Gelenke auseinandergerissen. Den Körper habe man mit glühenden Eisen verbrannt und jedes Mal, wenn sie bewusstlos wurde, habe man sie mit Wasser überschüttet. Am Abend habe sie gestanden.

Am nächsten Morgen um acht werden die Schöffen von den Waffenknechten abgeholt und zu Burg geführt. Catharina wird in den Saal geschleift und kauert auf dem Boden vor dem Richtertisch. Mit gebrochenem, wirren Blick ist sie nicht mehr in der Lage den Anschuldigungen zu folgen und sagt nur noch:

Ja, ja ich gestehe alles.

Daraufhin das Urteil:

Nach Kaiser Karl V und des heiligen Römischen Reiches Peinlicher Halsordnung, wie auch der heiligen Schrift, wonach man keinen Zauberer oder Zaubererin solle leben lassen, sei die Angeklagte dergestalt peinlich vom Leben zum Tode zu verurteilen und zu verdammen.

So gegeben 1630 am 11.Mai zu Saffenburg

Zwei Jahren später am 10. Dez. 1632 fliehen aus Ahrweiler Bürgermeister Stapelberg, die meisten Ratsherren -in ihrem Gefolge auch die Hexenrichter- mit den wichtigsten Unterlagen und Wertsachen vor den anrückenden Truppen des schwedischen Königs Gustav Adolfs unter General Baudissin um auf der Saffenburg Schutz zu suchen. Um diese feine Gesellschaft zu greifen, zogen die Schweden, nachdem sich Ahrweiler ergeben hatte, zur Saffenburg. Am 13. Dezember forderten sie, die Burg gegen freies Geleit der Besatzung zu übergeben. Kein Bewohner des Saffenburger Ländchens sollte zu Schaden kommen. Das Leben der Hexenjäger allerdings könnte nicht geschont werden, da sie sich mit dem Blut Unschuldiger befleckt hätten. Da dem nicht Folge geleistet wurde, wurde die Burg von der gegenüberliegenden Talseite aus mit Kanonen beschossen, nach intensivem Kampf von den Schweden eingenommen. Die Hexenjäger hatten kurz vorher Richtung Laach entkommen können. Auf ihrer Flucht wurden sie von Johann Bertrumb von der Kalten Herberge (zwischen Saffenburg und Lochmühle gelegen) gesehen. Der Amtmann und einige Fremde (darunter die Hexenjäger) versteckten sich in Reimerzhoven und wurden dort später von den Schweden gefasst.

Die Dörfer im Saffenburger Land (Dernau, Mayschoss, Rech) wurden anschließend von den Schweden geplündert.

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