Entnommen
- 650 Jahre Stadt Euskirchen - Festschrift zum Stadtjubiläum,
Euskirchen, 1952
Euskirchen, der
Verkehrs-Knotenpunkt am Nordrand der Eifel
Von
Friedrich Carl Hardt
Außer den zahlreichen Industriezweigen, die sich in früherer und neuerer Zeit in Euskirchen angesiedelt haben, hat die günstigste verkehrsgeographische Lage dazu beigetragen, der Stadt das ihr eigene Gepräge zu geben. In der Frühzeit der künstlichen Verkehrswege hatten die Römer neben der bekannten Heerstraße, die von Trier über Zülpich nach Köln führte, eine Straße gebaut, die in Marmagen i.d. Eifel von der Hauptstraße abzweigte und über das Römerlager Belgica (Billig) bei Euskirchen in gerader Richtung nach Wesseling führte und dort in die von Bonn nach Köln laufende Römerstraße mündete.
Abb.
64 - Blick auf Bahnhof und Stadt Euskirchen im Jahre 1903
Im Mittelalter führte jahrhundertelang eine wichtige Verkehrsstraße von Aachen über Düren, unmittelbar nördlich an Euskirchen vorbei, über Rheinbach und Sinzig nach Frankfurt. E ist nicht zu verwundern, daß Euskirchen bei einer so günstigen Lage als Schnittpunkt der Linien Köln - Trier und Aachen - Mittelrhein im 19. Jahrhundert zu einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt wurde. Allerdings hat es erheblicher Anstrengungen von seiten der Eifeler Bevölkerung und der Rheinischen Eisenbahngesellschaft bedurft, um alle Schwierigkeiten zu überwinden, die dem Bau der von Euskirchen ausgehenden Eisenbahnstrecken entgegenstanden.
Im Jahre 1843 war der Bau der Strecke Köln - Düren - Aachen - Herbesthal vollendet. Zur gleichen Zeit hatte eine belgische Eisenbahn-Gesellschaft die Strecke Antwerpen - Brüssel - Lüttich - Herbesthal fertiggestellt, so daß eine durchgehende Verbindung von Köln nach Antwerpen bestand. 1847 erhielt die Strecke Anschluß an die französische Nordbahn. Dadurch war eine unmittelbare Verbindung von Köln, Düren und Aachen nach Paris geschaffen. Von Köln aus bestand seit 1843 eine in den Händen einer anderen Eisenbahngesellschaft liegende Verbindung über Kalscheuren und Brühl nach Bonn. Zu dieser Zeit wurden in dem bereits stark industrialisierten Schleidener Tal lebhafte Stimmen laut, die einen Anschluß der Eifeler Kleineisenindustrie und des Eifeler Bleibergbaues an die Strecke Köln - Aachen verlangten. Die Erschließung der Eifel sollte von Düren aus erfolgen. Im Jahre 1845 fand die Vermessung der geplanten Strecke Düren - Zülpich - Kommern statt, die von dort über Kall und Gemünd nach Schleiden weitergeführt werden sollte. Zehn Jahre später begann eine englische Firma mit den Bauarbeiten, die aber infolge Kapitalmangels bald eingestellt werden mußten. Hinzu kam, daß es der Rheinischen-Eisenbahngesellschaft, die als Privatgesellschaft auf die Erzielung eines Gewinnes bedacht sein mußte, nun zweifelhaft erschien, ob sich der Bau einer Eisenbahn in die zu einem großen Teil land-forstwirtschaftlich orientierte Eifel lohnen werde. Außerdem bestand noch das Bedenken, daß bei der in Erwägung gezogenen Weiterführung der Eifelbahn von Kall über Jünkerath nach Trier zahlreiche Tunnel zu bauen und erhebliche Steigungen zu überwinden seien. Da eine würde den Bau, das andere die spätere Betriebsführung der Strecke erheblich verteuern. Mit diesen Bedenken fanden sich die Vertreter der Wirtschaft der Kreise Schleiden und Euskirchen sowie die Industrie- und Handelskammer in Trier jedoch nicht ab. Eifeler Industrielle boten der Rheinischen-Eisenbahngesellschaft eine Zinsgarantie für das zu investierende Kapital an, wenn die Verbindung des Schleidener Tales mit der Strecke Köln - Aachen geschaffen werde. Da entschied sich die Rheinische-Eisenbahngesellschaft im Jahre 1857 für eine neue Streckenführung. Es schien ihr ein Fehler zu sein, den alten Plan einer unmittelbaren Verbindung von Düren nach Schleiden weiterzuverfolgen und an der in einem erfreulichen Aufschwung begriffenen Stadt Euskirchen vorbeizugehen. Bei dieser Überlegung war ausschlaggebend, daß die Eifelbahn nach Trier von Köln ausgehen und den von der Natur als kürzeste Verbindung vorgeschriebenen Weg über Euskirchen nehmen müsse. Mitentscheidend war die Tatsache, daß die von Köln über Kalscheuren nach Bonn führende Eisenbahn und damit das nördlichste Stück der Eifelbahn, nämlich die Strecke Köln - Kalscheuren, im Jahre 1857 in das Eigentum der Rheinischen-Eisenbahngesellschaft überging. Dadurch war die Gesellschaft in der Lage, freier und zweckentsprechender zu planen.
Im Jahre 1862 setzten die Arbeiten zum Bau der Strecke Düren - Euskirchen - Kall ein. Von Euskirchen bis Kall wurde die Strecke im Hinblick auf den erwarteten starken Durchgangsverkehr von Anfang an zweigleisig gebaut und etwa 6 Jahre später unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Betrieb genommen. Im Jahre 1871 war auch die Strecke Kall - Trier fertiggestellt und nach weiteren fünf Jahren wurde das noch fehlende Stück der Strecke Euskirchen - Kalscheuren dem Betrieb übergeben. Damit war eine unmittelbare und durchgehende Verbindung vom Ruhrgebiet über Köln nach Trier und zur Saar geschaffen. 1880 erhielt die Strecke Düren - Euskirchen nach Osten hin Anschluß an die Hauptbahn Köln - Bonn - Koblenz - Mainz. Vier Jahre später wurde das Schleidener Tal durch eine Querverbindung von Kall nach Hellenthal mit der Eifelbahn verbunden. Als letzte Strecke, die im Euskirchener Raum in Betrieb genommen wurde, folgte im Jahre 1890 die Verbindung von Euskirchen nach Münstereifel. Dadurch war Euskirchen zum Knotenpunkt von fünf zusammenlaufenden Eisenbahnstrecken geworden. 1896 wurde der Schnellzugverkehr Köln - Trier - Saarbrücken eingeführt. Während des Passiven Widerstandes nach dem ersten Weltkrieg ließen die französischen Besatzungstruppen die Strecke Bonn - Euskirchen - Düren zur Verbesserung des Nachschubs der französischen Zone zweigleisig ausbauen.
Bot der Bau der ersten Eisenbahnlinie Düren - Euskirchen wegen ihrer Führung durch fast ebenes Gelände technisch keine Schwierigkeiten, so stellte die Strecke Euskirchen - Kall dem Baudienst der Rheinischen-Eisenbahngesellschaft erheblich größere Aufgaben. Galt es doch den zweigleisigen Tunnel bei Kall zu schaffen, dessen Kosten über 300.000 Thaler betrugen, wobei allein für den Einbau der Stützhölzer rund 30.000 Thaler aufgewendet wurden. Am 8.8.1867 konnte der Erbauer des Tunnels, der Geheime Oberbaurat Hartwig, in Anwesenheit zahlreicher Gäste, darunter auch vieler Stadtvertreter von Euskirchen, den Tunnel seiner Bestimmung übergeben.
Die Anlagen des Bahnhofs Euskirchen selbst sind um die Jahrhundertwende bei der Einführung neuer Strecken so erweitert und ergänzt worden, wie es die jeweils zusätzlich hinzukommende Betriebsbelastung erforderte (vg. Abb 64, S 325). Mit der späteren Zunahme der Industrialisierung und des Verkehrs waren nur noch kleinere Umbauten der Eisenbahnanlagen in Euskirchen notwendig. So verlangte 1908 der vermehrte Stückgutverkehr die Vergrößerung des Güterschuppens um ein Drittel. In den Jahren 1909/1910 mußten die Stellwerksanlagen erheblich erweitert werden. 1915 und 1925 wurde das Empfangsgebäude des Bahnhofs jeweils ein Stück erweitert. Der gesteigerte Straßen- und Eisenbahnverkehr bedingte die Verbesserung der Kreuzungsstellen mit den Gleisanlagen im Bereich des Bahnhofs Euskirchen. Die vorhandene Unterführung der Münstereifeler Straße mußte 1928 von 8 m auf 12 m lichter Durchfahrtsbreite gebracht werden, nachdem bereits im Jahre 1914 die schienengleiche Kreuzung der Bonner Straße durch eine Unterführung ersetzt worden war.
Abb.
65 - Bahnhofs-Empfangsgebäude nach der Aufräumung und der
Wiederherstellung der Geleise (1946)
Um auch den
größten Teil der zum Kreise Euskirchen gehörenden
Gemeinden untereinander und mit der Kreisstadt durch ein
Eisenbahnnetz zu verbinden, beschloß der Euskirchener Kreistag
im Jahre 1893 den Bau der Euskirchener Kreisbahnen. Die Bauarbeiten
nahmen im folgenden Jahre ihren Anfang und wurden nach nicht ganz
einjähriger Bauzeit vollendet. Während die Tätigkeit
der Euskirchener Kreisbahnen von Anfang an auf Erfüllung der im
Landkreis Euskirchen anfallenden verkehrlichen Aufgaben abgestellt
war, handelte es sich bei dem Verkehr auf den oben beschriebenen
Strecken in erster Linie um Durchgangsverkehr. Die Holzsendungen und
die landwirtschaftlichen Produkte der Eifel gehen ebenso wie das
zeitweilig beachtliche Aufkommen der in der Eifel verbreiteten
Industrie der Steine und Erden über die Eifelbahn in die Städte
des Rheinisch-Westfälischen Industriegebietes. Die Produkte des
Mechernicher Bleibergbaues und der Industrie des Schleidener Tals
wurden und werden auch heute noch zum größten Teil auf der
Schiene abbefördert. Seit Jahrzehnten gehen auch die mit
besonderer Beschleunigung zu befördernden Obst- und
Gemüsesendungen von Südfrankreich und Lothringen in
geschlossenen Zügen über die Eifelstrecke nach Köln
und darüber hinaus bis nach Berlin. In umgekehrter Richtung
wurden früher trotz der großen Steigungen in der Eifel,
deren höchste zwischen Dahlem und Schmidtheim mit 553 m über
NN liegt, große Teile des vom Aachener Kohlenrevier kommenden
Kokses über die Eifel nach Lothringen und Luxemburg befördert.
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Empfang |
Versand |
1895 |
5.697 to |
5.344 to |
Im
Wagenladungsverkehr waren es (ohne Militär-, Besatzungs- und
Dienstgutverkehr):
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Empfang |
Versand |
1895 |
151.394 to |
81.647 to |
Abb.
66 - Bahnsteige des Bahnhofs Euskirchen, Frühjahr 1945
Aus diesen Zahlen geht eindeutig
hervor, wie stark die Eisenbahn an der Aufwärtsentwicklung der
Euskirchener Wirtschaft, insbesondere als Verkehrsträger für
die von der Industrie benötigten Massengüter (Kohle, Koks,
Zuckerrüben, Rohstoffe der Textil-, Metall-, Papier-,
Düngemittel- und Glasindustrie) beteiligt ist. Wie lebhaft der
über die Schiene laufende Güterverkehr zwischen der
Landwirtschaft und der Euskirchener Zuckerfabrik ist, bewiesen die im
Jahre 1951 beförderten Mengen an Zuckerrüben nach
Euskirchen:
114.000 to über die Bundesbahn,
98.000 to
unmittelbar vom Erzeuger über die Landstraße,
66.000 to
über die Euskirchener Kreisbahnen.
Im Güterverkehr der
Deutschen Bundesbahn erfüllt der Knoten Euskirchen die Aufgabe
des Sammelns und Verteilens der anfallenden Güter des Bezirks.
Die Nahgüterzüge der Strecken Euskirchen - Köln,
Euskirchen - Düren, Euskirchen - Trier, Euskirchen -
Münstereifel und Euskirchen - Bonn führen die Wagenladungen
dem Bahnhof Euskirchen zu, der die Industrie der Stadt selbst bedient
und die für ferner gelegenen Orte bestimmten Wagen sammelt. Sie
gehen in Euskirchen auf die Durchgangsgüterzüge über
oder werden den großen Verschiebebahnhöfen des Kölner
Raumes zugeführt. Besonders im Frühjahr, wenn es gilt, die
um Euskirchen liegenden landwirtschaftlichen Betriebe mit
Düngemitteln und Saatgut zu versorgen und im Herbst, wenn sich
Ernteerzeugnisse abgesetzt werden und sich die Güterverkehrsgleise
des Bahnhofs Euskirchen mit Wagenladungen füllen, läuft das
Rangiergeschäft auf Hochtouren. Besonders nachts wird es
lebendig im Bahnhof. Die mit Rüben beladenen Wagen werden der
Zuckerfabrik, andere beladene oder leere Wagen den Anschlußgleisen
der Industriewerk Euskirchens zugeführt. Die Rangierlokomotiven
zerlegen die angekommenen und bilden die abgehenden Nahgüterzüge.
Dazwischen fahren Güterzüge ein und aus, die dem Bahnhof
ständig neue Rangieraufgaben stellen und dafür sorgen, daß
in den Bahnhofsgleisen wieder Platz für erneut zurollende Wagen
geschaffen wird.
Im Frühjahr und vor allem im Herbst
steigt der sonst täglich etwa 350 beladene und leere Wagen
umfassende Wagenausgang auf 440 und mehr an und es bedarf geschickter
Organisation und des vollen Einsatzes des Bahnhofs- und
Rangierpersonals, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Im
Güterschuppen, an seinen Rampen und Gleisen ist gleichlaufend
mit dem Wagenladungsverkehr der Eilstückgut- und Stückgutverkehr
zu bewältigen. Am Güterschuppen häufen sich Kisten und
Behälter, die für die Stadt Euskirchen ankommen oder die
zum Versand gebracht werden. An den Rampen werden die weiterlaufenden
Stückgüter umgeladen. Schnell und gewandt bewegen sich die
Güterbodenarbeiter mit den oft schwer beladenen Stehkarren
zwischen den lagernden Stückgütern und verladen die Güter
in die bereitstehenden gedeckten Wagen. Neben der Beförderung
der Stückgüter auf der Schiene sammeln und verteilen die
zwei Linien des Stückgutkraftverkehrs Euskirchen - Odendorf -
Meckenheim und Euskirchen - Kuchenheim - Weilerswist unter
gleichzeitiger Bedienung der umliegenden Ortschaften die Stückgüter
mit Bundesbahnlastkraftwagen.
Während normalerweise der Knotenpunkt Euskirchen vor allem der Bedienung des Güterverkehrs des Bezirks dient, müssen bei Überbelastung der Rheinstrecke oder bei betrieblichen Störungen auf der Rhein- und Moselbahn Güterzüge nach Trier, die sonst über Koblenz geführt werden, über Euskirchen umgeleitet werden. Es ist nicht immer einfach, dieser erhöhten Belastung gerecht zu werden. Zur Überwindung der Steigung von Euskirchen bis Jünkerath werden in Euskirchen Vorspannlokomotiven vor die schweren Güterzüge gespannt oder bei noch schwererer Zuglast noch eine Schiebelokomotive angesetzt. So kann es dann vorkommen, daß solche Güterzüge mit drei Lokomotiven die Höhen der Eifel überwinden.
Im Reise- und Güterverkehr ist heute in der Abfahrt und Ankunft der Bahnhof Euskirchen täglich mit fast 200 Regelzügen belastet: zwei Drittel davon sind Reisezüge, ein Drittel Güterzüge. Die Linie Köln - Euskirchen - Trier ist am stärksten belegt. Sämtliche Reisezüge halten in Euskirchen. Von den 68 täglich ankommenden und abgehenden Güterzügen werden nur sechs Durchgangsgüterzüge in Euskirchen nicht behandelt; sie haben lediglich Betriebsaufenthalt. Dagegen werden alle anderen Güterzüge in Euskirchen gebildet, aufgelöst oder umgebildet. In den Gleisanlagen des Bahnhofs wird so eine Betriebsleistung erfüllt, die nur mit einem geschulten und arbeitsfreudigen Eisenbahnpersonal bewältigt werden kann. Die heutige betriebliche Belastung des Bahnhofs Euskirchen hat die bisher wohl größte tägliche Belastung des Jahres 1938 fast wieder erreicht. Die derzeitige Leistung liegt um 20 - 25 % über der des Jahres 1932.
Die Anziehungskraft der Stadt Euskirchen als Kreisstadt prägt sich im Fahrplan der verschiedenen Verkehrsträger für den Reiseverkehr deutlich aus. Sowohl die Reisezüge der Bundesbahn als auch die verschiedenen Omnibuslinien erschließen den um Euskirchen liegenden Bezirk. Die Omnibuslinien der Euskirchener Kreisbahnen verbinden die Orte Weiler, Lechenich und Bliesheim, die Linien der Bundespost die Orte Metternich, Kirchheim-Kurtenberg, Floisdorf und Kommern und die der Bundesbahn Münstereifel und Hellenthal mit Euskirchen. Dabei sorgen letztere gleichzeitig dafür, Euskirchen und die berührten Ortschaften mit den Städten Düren, Bonn und Köln zu verbinden.
Dem Charakter des Bezirksverkehrs entsprechend stellen naturgemäß die Personenzüge das Hauptkontingent der in Euskirchen eintreffenden und abgehenden Reisezüge. Wegen des starken Verkehrs in Richtung Köln ist Euskirchen in das Nahschnellverkehrsnetz von Köln einbezogen, wobei 2 der 7 Nahschnellzugpaare Köln - Euskirchen bis Münstereifel durchgeführt werden.
Neben diesen Zügen verkehren zwei Städteschnellzugpaare auf der Strecke Düren - Euskirchen - Bonn zur besseren Verbindung nach der Bundeshauptstadt und ein Städteschnellzugpaar auf der Eifelstrecke von Köln über Euskirchen nach Jünkerath. Auf derselben Strecke stellen zwei D-Zugpaare eine schnelle Verbindung zwischen Köln über Euskirchen mit Trier bzw. Saarbrücken her.
Wer sich davon überzeugen will, wie stark die Spitzen im Reiseverkehr Euskirchen belasten, der braucht nur einmal etwa gegen 17.00 oder kurz nach 18.00 Uhr oder zwischen 21.00 und 21.30 Uhr das Leben und Treiben am Bahnhof zu beobachten. Bis zu sechs Reisezüge halten die Bahnsteiggleise besetzt; Bahnsteige und Bahnhofsvorplatz sind von einem lebhaften Personenverkehr überflutet. Auf dem Bahnhofsvorplatz warten zahlreiche Omnibusse. Der Verkehr der Reisenden von und zur Stadt kreuzt und mischt sich mit dem Umsteigeverkehr von Zug zu Zug, von Omnibus zu Omnibus oder von Omnibus zu Zug. Auf der Schiene allein beläuft sich die Zahl der reisenden von und nach Euskirchen auf rd. 10.000 täglich. Im Euskirchener Raum hat sich vor allem ein starker Berufsreiseverkehr entwickelt. Er beruht zum Teil auf den Erfordernissen der in der näheren und weiteren Umgebung entstandenen Industrien, z.B. Braunkohlenbergbau, Bleibergbau, Tonindustrie, zum Teil aber auch auf dem durch den Krieg in den Städten entstanden Wohnraummangel. So werden z.Zt. auf Grund von Monatskarten bzw. Wochenkarten im täglichen Durchschnitt befördert:
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Auf der Schiene |
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Nach Euskirchen |
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Von Euskirchen |
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4.600 |
Erwachsene |
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2.500 |
Erwachsene |
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Mit dem Bahnomnibus |
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Nach Euskirchen |
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Von Euskirchen |
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2000 |
Erwachsene |
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1000 |
Erwachsene |
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300 |
Schüler |
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100 |
Schüler |
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Bei dieser Aufstellung fällt
vor allem die große Zahl der täglich nach Euskirchen
fahrenden Schüler auf, die zeigt, in welchem Umfang die in
Euskirchen bestehenden Schulen zu Bildungsstätten für die
in einem Umkreis von etwa 35 km um Euskirchen wohnende Bevölkerung
geworden sind.
Seit den zwanziger Jahren hat sich Euskirchen in ständig zunehmendem Maße auch zu einem Knotenpunkt von Omnibuslinien entwickelt. Zur Zeit gehen von Euskirchen aus: 5 Linien der Bundesbahn, 4 Linien der Bundespost, 2 Linien der Euskirchener Kreisbahnen.
Durch die Omnibusse der Bundesbahn bestehen unmittelbare tägliche Verbindungen nach:
Bonn
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Fahrten |
Um für die abseits der
Eisenbahnlinien liegenden Ortschaften eine Verbindung mit Euskirchen
zu schaffen, nehmen die Omnibuslinien zum größten Teil
einen anderen Weg als die zu denselben Zielbahnhöfen führenden
Eisenbahnstrecken. Die Linie Köln - Euskirchen - Hellenthal
dient darüber hinaus noch dem Zwecke, eine unmittelbare
Omnibusverbindung von Köln zu der von Aachen über
Hellenthal führenden Bahnschnellbuslinie nach Trier zu bilden.
Die Deutsche Bundesbahn und ihre Vorgänger, die Deutsche Reichsbahn, die Preußische-Hessische Staatsbahn und die Rheinische-Eisenbahngesellschaft, sind nach alledem seit fast einem Jahrhundert durch zahllose Beziehungen mit dem wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Stadt Euskirchen verbunden. Dies kam auch dadurch zum Ausdruck, daß die Preußisch-Hessische Staatsbahn im Jahr 1898 im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung von Euskirchen im linksrheinischen Eisenbahnnetz das noch heute in Euskirchen befindliche Eisenbahnbetriebsamt schuf und ihm die betriebliche und bauliche Führung des Eisenbahnnetzes im Euskirchener Raum bis an die Ahr, bis Jünkerath, Hellenthal und bis kurz vor die Tore von Düren übertrug. Aber noch in anderer Hinsicht hat die Eisenbahn seit Jahrzehnten in ständigen geschäftlichen Beziehungen zu Euskirchen gestanden. Die Euskirchener Tuchindustrie hat bis zum ersten Weltkrieg den überwiegenden Teil des Bedarfs der früheren Preußisch-Hessischen Staatsbahn an Uniformstoffen geliefert. In den 20er Jahren lieferte die Euskirchener Textilindustrie etwa ein Drittel des Tuchbedarfs der Deutschen Reichsbahn. Daran dürfte am deutlichsten zu ersehen sein, welche erfreuliche Zusammenarbeit zwischen Euskirchen und seinen Bewohnern auf der einen Seite und der Deutschen Bundesbahn als dem größten Verkehrsträger auf der anderen Seite besteht und wie beide Teile sich in einem gegenseitigen Geben und Nehmen in ihrer Entwicklung gefördert haben.
Wegen seiner Lage und seiner leistungsfähigen Anlagen war der Bahnhof Euskirchen in den Mobilmachungstagen des ersten Weltkrieges bei den großen Truppentransporten für den Aufmarsch im Westen erheblich beteiligt. Dieselbe Belastung erfuhr er dann im zweiten Weltkrieg, besonders als gegen Ende des Krieges die Front immer näher an Euskirchen heranrückte. Leider führte diese Bedeutung des Bahnhofs für den Nachschub der Front dazu, daß er im verstärkten Maße ein lohnendes Ziel der feindlichen Bomberverbände wurde. Bereits im November 1940 wurden die Bahnhofsanlagen angegriffen und mit einzelnen Bomben belegt, gegen Ende des Krieges aber durch Bombenteppiche buchstäblich umgepflügt. Ganze Gleisjoche wurden vom Luftdruck der Explosionen hochgerissen, Güterwagen wurden von den Gleisen geschleudert, brannten aus und lagen kreuz und quer durcheinander und bildeten mit den Gleisen und eisernen Schwellen einen riesigen Schrotthaufen. Die Hochbauten, Empfangsgebäude, Stellwerke, der Güterschuppen, der Lokomotivschuppen und die gesamte Bahnbetriebwerkanlage waren zerstört. Der Bahnhof Euskirchen bot ein Bild der Verwüstung wie es schlimmer andere Bahnhöfe kaum zeigten. Eine auch nur einigermaßen geordnete Betriebsführung wurde unmöglich, der Eisenbahnverkehr in Euskirchen kam zum Erliegen (vergl. Abb. 65 u. 66 S. 327-328). Nach dem Waffenstillstand im Mai 1945 hatten die Eisenbahner auch in Euskirchen ein schweres Erbe zu übernehmen, zumal nicht nur der Bahnhof so schwer gelitten hatte, sondern auch die nach Euskirchen führenden Strecken durch umfangreiche Sprengungen der Brückenbauwerke völlig unterbrochen waren.
Abb.
67 - Nach Totalzerstörung wiederaufgebautes Stellwerk (Inneres)
Als die Eisenbahnbediensteten aus der Evakuierung im Sommer 1945 zurückkehrten und eine erste Inventur der Zerstörungen in Euskirchen machten, mußten sie feststellen, daß die Gleisanlagen des Bahnhofs nur noch aus zusammenhanglosen Gleisstümpfen bestanden, auf und neben denen mehr als 250 unbrauchbare Personen- und Güterwagen oder ihre Reste standen und lagen. Weiter fanden sie die vier im Bahnhof Euskirchen liegenden Brücken nahezu vollständig zerstört. An der Unterführung Münstereifeler Straße waren sowohl die Widerlager als auch der stählerne Überbau zusammengestürzt; ebenso standen von der Unterführung Rosenthalstraße nur noch die Fundamente. An der Erftbrücke waren teilweise die Widerlager und die Gewölbe getroffen worden und hatten schwer gelitten; auch waren die beiden Überbauten der Unterführung Bonner Straße vollständig und die Widerlager teilweise vernichtet worden. Die Stellwerke Ert, Ebb und Elt sowie ein Rangierstellwerk waren dem Erdboden gleichgemacht. Hinzu kamen die zahlreichen Schäden an den Nebengebäuden und die Zerstörung des Dienstgebäudes des Eisenbahnbetriebsamtes in der Friedrichstraße. Insgesamt beziffern sich die Kriegsschäden im Bahnhof Euskirchen auf mehr als 7 Millionen DM.
Abb.
68 - Gesamtanlage des neugeplanten Bahnhofs Euskirchen mit Vorplatz
(Vogelschau)
Inmitten all dieser Trümmer und Zerstörungen war jedoch ein unschätzbarer Aktivposten geblieben, nämlich der durch nichts zu erschütternde Aufbauwille des Eisenbahnpersonals. Die Eisenbahner gingen trotz der Schwierigkeiten der Verpflegung und trotz der laufenden Entwertung ihres Lohnes daran, die Gleise freizumachen, die Wagentrümmer zu beseitigen, die Schienen und Schwellen wieder zu fahrbaren Gleisen zusammenzubauen, Behelfsbrückenbauten zu erstellen, die Verkehrs-, Betriebs- und Diensträume, wenn auch manchmal äußerst behelfsmäßig, herzurichten, die Verbindung mit den Nachbarbahnhöfen wieder herzustellen und einen Behelfsbetrieb auf den schon durch die Besatzung teilweise wieder instandgesetzten Strecken zu organisieren. Schon am 15.8.1945 konnte der Betrieb, der bis dahin auf der kriegsmäßig hergerichteten Strecke Aachen - Düren - Euskirchen - Bonn - Koblenz vom 740. Operativen Amerikanischen Eisenbahnbataillon durchgeführt worden war, wenn auch ohne Bedienung der Signalanlagen, wieder von deutschen Eisenbahnern übernommen werden. Den ohne Rücksicht auf frühere Stellung und Beschäftigung im Aufräumen und Wiederaufbau arbeitenden Bediensteten gelang es bis Ende 1945 rund die Hälfte der zerstörten Gleise und Weichen im Bahnhof Euskirchen wieder befahrbar zu machen, nachdem auch die organisatorischen Voraussetzungen, wie Einrichtung der Diesntstellen, Ämter und Zentralstellen geschaffen waren. Leider war in den Jahren bis zum Wiederaufbau durch das Fehlen oft der einfachsten Geräte und Werkzeuge, durch den Mangel an Braustoffen und Maschinen und insbesondere an ausreichender Nahrung für das Personal stark gehemmt. Für die zerstörten Hochbauten wurden teilweise Baracken als Ersatz aufgestellt, so eine für den Güterschuppen und eine als Ersatz für das Empfangsgebäude. Zug um Zug wurden mit der Wiederherstellung der gesprengten Brücken, auch die nach Euskirchen führenden Strecken wieder in Betrieb genommen und die erforderlichen Anlagen des Betriebs-, Verkehrs- und Betriebsmaschinendienstes in Euskirchen selbst, wenn auch vielfach nur zum Teil oder in Behelfsbauweise, wiederhergestellt.
Abb.
69 - Geplantes Empfangsgebäude des Bahnhofs Euskirchen
Auch nach der Währungsreform ging leider der Wiederaufbau der Eisenbahnanlagen nicht so vonstatten, wie das von der Stadt und der Bevölkerung gewünscht wurde. Es fehlte allenthalben an Mitteln und Krediten. Trotzdem sind bis Ende 1951 Wiederaufbauarbeiten im Werte von etwa 2 ½ Mio DM durchgeführt worden oder befinden sich z.Zt. in Ausführung. So wurde die Erftbrücke wieder hergestellt, der Wiederaufbau der Brücke Münstereifeler Straße angefangen, der Güterschuppen neu errichtet und Teile des Bahnbetriebswerkes wiederhergestellt. Neue leistungsfähige Stellwerke sind entstanden, (vergl. Abb. 67, S. 311) und eine Vielzahl an Weichen und Gleisen gestattet wieder eine glatte Bewältigung der laufenden Betriebsaufgaben. Das zerstörte Gebäude des Eisenbahnbetriebsamtes ist mit verbesserter Geschoßaufteilung neu errichtet worden. Es werden von den beteiligten Stellen gemeinsam Mittel und Wege gesucht werden müssen, ein den Aufgaben Euskirchens entsprechendes Empfangsgebäude in ansprechender Gestalt wieder aufbauen zu können (vergl. Abb. 68 und 69, S. 332, 333). Daneben bleibt noch eine Menge Wiederaufbauarbeit in Euskirchen zu tun, denn die bis heute noch nicht beseitigten Schäden sind beträchtlich.
Für die Zukunft ist nach den
Plänen aller westeuropäischen Länder mit einem engeren
Zusammengehen auf dem Gebiete der Kohle- und Stahlerzeugung sowie der
landwirtschaftlichen Produktion zu rechnen. Dabei dürfte der
Stadt Euskirchen als wichtigem Knotenpunkt auf der Strecke vom
Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet zur Saar, nach Luxemburg
und nach Lothringen eine noch größere Bedeutung als in der
Vergangenheit zukommen. Gemeinsam mit der arbeitsamen Bevölkerung
von Euskirchen und seiner Umgebung wird die Deutsche Bundesbahn diese
Entwicklung nach besten Kräften fördern.
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