- Liegt das
Rheingold in Rheinbach-Loch bei Bonn?
Von
Rudolf Patzwaldt, Bonn/München -
- Bis zum Jahr 1983 waren die
Nibelungen für mich nur ein Qual-Thema für Gymnasiasten,
dem ich keine Bedeutung beigemessen habe; zu viel durchgegangene
Phantasien hatten meines Erachtens das Epos (Nibelungenlied)
durchwirkt. Eines Tages wurde ich auf das Buch Die Nibelungen
zogen nordwärts von Heinz Ritter hingewiesen, ein Buch
zum Thema Nibelungen-Untergang gemäß der nordischen
Thidrekssaga. Bislang hatten es mir die Römer und Franken im
Rheinland wie der historische Bergbau ich bin in München
geboren, aber in Essen aufgewachsen angetan. Danach begann
ich, mich mit dem Nibelungen-Thema zu beschäftigen, allerdings
habe ich meine Forschungen unter besonderen fiskalischen und
monetären Gesichtspunkten betrieben.
-
Was war mit dem berühmten
Schatz der Nibelungen, dem so genannten Rheingold?
Niemand wirft ein Riesenvermögen, ohne das die
Nibelungen-Geschichte wohl kaum über Jahrhunderte der
Überlieferung wert gewesen wäre, in die Fluten des
Rheines, wie es das Denkmal in Worms vortäuscht.
Diese
Rheingold-Verschollenheits-Wahnvorstellung macht außer
zur Verwertung in Opern keinen Sinn (Wagners Rheintöchter
lassen schön grüßen), war aber für mich Grund
genug, Recherchen nach dem Verbleib des Hortes, um den sich die
ganze Geschichte dreht, aufzunehmen. Mehrfach habe ich das
Ritter-Buch und die Thidrekssaga neben der Edda (Übersetzung
nach Genzmer) und dem Nibelungenlied (Übersetzung des Bonner
Professors Simrock) studiert. Und zwar habe ich unvoreingenommen
alle Quellen erst einmal gleichberechtigt nebeneinander zugelassen.
Dabei habe ich besonders die topographischen Bezüge und die
Aussagen um den Verbleib des Hortes verglichen und versucht, sie in
Beziehung zu setzen. -
Der Neffelgau, die
Zwerge und ihr Schatz -
Zur H e r k u n f t des Hortes
und der Nibelungen kann nur die Edda herangezogen werden. Hiernach
(das andere Lied von Sigurd dem Fafnirstöter,
Übersetzung von Genzmer) gehörte der Hort zunächst
dem Zwergengeschlecht der Nibelungen. Ritter vermutet, daß die
Nibelungen im Raume Zülpich dem Neffelbach den Namen gegeben
haben. Weitere Hinweise dazu fehlen. Fest steht aber und das
hat Ritter nicht gewußt, sonst hätte er darüber
geschrieben: Im Quellgebiet der Neffel im Dorf Berg vor Nideggen
liegt das größte zusammenhängende und bereits zu
römischer Zeit genutzte Bergbaugebiet, das vom Rheinischen
Landesmuseum (Bonn) untersucht worden ist. Unbestritten waren hier
in antiker Zeit über einen längeren Zeitraum Bergleute im
Untertagebau tätig. Eine bis zum heutigen Tag in diesem
Quellgebiet der Neffel anhängige Ortssage spricht von den
Unterirdischen, deren Oberhaupt ein König mit Namen Niff war.
Das ist ein Faktum, von dem Ritter keine Ahnung hatte. -
Fest steht auch, daß die
Neffel mit einer konstanten Temperatur von 8 Grad Celsius
entspringt, dies selbst in den kältesten Wintern; deshalb
friert der Fluss dann erst nach einigen hundert Metern Lauf zu. Bei
Temperaturen unterhalb der 8 Grad Celsius wird das Quellgebiet der
Neffel konstant in Nebel gehüllt, wovon sich jeder heute noch
einen Eindruck verschaffen kann. Die Bergleute im unmittelbar
daneben liegenden Bergbaugebiet (Zwerge) mit ihren
Lichtern sich schemenhaft durch den Nebel bewegen zu sehen, mußte
die Phantasie der Altvorderen in besonderem Maße anregen.
Gleichfalls wurden bei Berg vor Nideggen von den Archäologen
Öfen römerzeitlicher Verhüttung entdeckt und
ausgegraben. Wenngleich unter heutigen Hüttenfachleuten noch
sehr umstritten, steht doch sehr zu vermuten, daß hier an der
Neffelquelle bereits Silber von Blei geschieden wurde (H. v.
Petrikovits, Rheinische Geschichte, Bd. I, S. 130). -
Die Bevölkerung um Nideggen und
insbesondere Berg und Umgebung weist immer wieder auf die Vermutung
hin, daß wenige hundert Meter oberhalb der Neffelquelle am
Forsthaus, dort wo das Steilufer der Rur abfällt, Aduatuca
gelegen habe, der Hauptsitz des keltischen Stammes der Eburonen.
Hier ist es um das Jahr 53 v.Chr. dem Eburonenfürsten Ambiorix
gelungen, anderthalb Legionen des Julius Caesar, die in seinem
Gebiet überwinterten, zu vernichten. Unter dem Vorwand, die
Ehre Roms erfordere es, ließ Caesar nach der schließlichen
Eroberung Aduatucas das ganze Land der Eburonen brandschatzen. Die
Kämpfe spielten sich sicherlich in der Eifel und in der Kölner
Börde ab (H. v. Petrikovits, a. a. O., S. 50). Caesar war es
wegen der besonderen Lage von Aduatuca nur unter großen
Schwierigkeiten möglich, diesen Hauptort der Eburonen zu
erobern, der nur von einer Seite angreifbar war (Caesar, Gallischer
Krieg, Buch VI). Die topographischen Gegebenheiten zwischen
Neffelquelle und dem Steilufer der Rur stimmen jedenfalls
verblüffend überein mit Caesars Beschreibung der
Örtlichkeit.
-
Mehr als auf die Ehre Roms
scheint Caesar es hingegen auf den Stammesschatz der Eburonen
abgesehen zu haben, dessen er nicht habhaft geworden ist. Mit
Sicherheit ist dieses Stammesvermögen rechtzeitig vor der
Einnahme Aduatucas versteckt worden. Die Vermutung hat ihren
besonderen Reiz, daß dieser Schatz durch die später an
dieser Stelle tätig gewordenen Bergleute (Zwerge)
der Verschollenheit wieder entzogen wurde. Dann würden sich die
Nebel um den mythologischen Ursprung des anfänglich dem
Zwergengeschlecht der Nibelungen gehörenden Hortes
lichten, der sich mithin substantiell auf den Stammesschatz der
Eburonen gründen könnte. -
Wo stand Regins
Schmiede? -
Gemäß der Edda ging
der Zwergen Hort auf einen Hreidmar über, dessen Söhne
sich über das Erbe nicht einigen konnten. Einer der Söhne
hieß Regin. Das ist ein redender germanischer Name, sinngemäß
kluger, kundiger Ratgeber. Heute sagen wir Reinhard oder
Reiner. Im rheinischen Sprachgebrauch darf man den Reiner heute noch
Rein nennen, ohne daß dieser sich wundern würde. -
Regin war Schmied und wurde der
Ziehvater Sigurds/Siegfrieds. Um seinen väterlichen Erbanteil
am Hort ist der Schmied Regin von seinem Bruder Fafnir betrogen
worden, der als Drache/Wurm/Schlange bezeichnet wurde.
Vielleicht gerade im Gegensatz zum klugen kundigen Ratgeber wird er
als verschlagen, hinterlistig und mit falscher (doppelter
oder gespaltener) Zunge ausgerüstet beschrieben.
Die Bezeichnungen des Brüderpaares lassen durchaus Deutungen
auf deren verschiedene Wesensarten zu. Siegfried wurde von Regin (im
Nibelungenlied Mime) mit bester Waffe gerüstet und zum Mord am
Drachen überredet. Siegfried, nicht dumm, bringt
beide um und wird Herr des Hortes. -
Zum V e r b l e i b des Hortes
sagt die Edda noch, daß die Burgunden (hier: Gjukungen) sich
nach der Ermordung Siegfrieds dessen bemächtigten. Hagen
widerstrebt ein Mord aus niederen Motiven, denn er fragt die Könige
ausdrücklich, ob man denn Siegfried wegen des Rheines
Erzes umbringen wolle (Drittes Lied von Sigurd dem
Fafnirstöter, Str. 16 u. 17). Nein, Grund zum Mord ist die
Staatsraison: Siegfried hat öffentlich erklärt, schon vor
Gunter mit Brunhild geschlafen zu haben. Hier gebietet die verlorene
Ehre den Mord, nicht etwa Raffgier. Allerdings mußte man
Kriemhild, die als Frau zwar kein Grundvermögen, so doch
bewegliche Habe wie den Hort erben konnte, dieses Machtmittel der
Rache entziehen. -
Warum übersetzt Genzmer
hier bereits des Rheines Erz? Wohlgemerkt, Rhein
mit h! Der Hort wurde doch erst weit nach Siegfrieds Tod
zum angeblichen Rheingold? Der Bezug zum großen
deutschen Strom macht hier überhaupt noch keinen Sinn und ist
von der Zeitfolge her völlig deplatziert. Hierüber findet
sich in den literaturhistorischen Schriften nichts. Der Umstand ist
offenbar bisher niemandem aufgefallen. Wenn allerdings Regins
Erz gemeint sein sollte, stimmt die Überlieferung der
Edda. Dann hat aber der große Fluß hier nichts zu
suchen. -
Wenn die Sagen in den Kölner
Sprachraum zurückreichen und hier ihren Ursprung haben, ist
auch zu bedenken, daß der ripuarisch-fränkische (heute
Kölner) Sprachschatz nach Prof. Adam Wrede kein g
kennt. Es gibt in diesem Raum sprachlich nur ersatzweise das j.
Das Wasser von Köln ist nicht gut, sondern joot.
Günter spricht sich hier Jünter.
Ursache ist hier die gleiche Lautverschiebung, die den deutschen
Tag im Englischen zu Day, wenn auch mit y
und nicht mit j, gemacht hat. Folglich war Regin
sprachlich hier Rejin, Rein. Leider wurde das Wort von Genzmer bei
der Edda-Übersetzung mit dem sinnverfälschenden h
hinter dem Anfangsbuchstaben versehen. Möglicherweise hat hier
die Assoziation mit dem Rheingold des Nibelungenliedes
in den romantischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts gewirkt. Der
Fluß Rhein wird hingegen im Kölner Raum schon immer als
Ring gesprochen. -
Erstaunlicherweise ist dieses
falschgesetzte h vielleicht der Schlüssel zum
Hort! -
Was hat der
Rhein-Strom mit Siegfrieds Tod zu tun? -
Topographisch allerdings sehr
bemerkenswert ist in der Edda lediglich der zunächst völlig
unverständliche Hinweis auf den Ort, an dem Siegfried e r
m o r d e t wurde. Es heißt hier (Genzmer): Siegfried
ward erschlagen südlich des Rheins (Brot af
Brynhildarkvidu, Strophe 5, Übersetzung Genzmer). Wieder dieser
Rhein mit h. Diese Angabe ist bezogen auf den in
Süd-Nord-Richtung fließenden Strom völlig sinnlos
und nichtssagend. Südlich Wesels, Kölns, Mainz? Wozu eine
solche Aussage? Im Nibelungen-Epos findet sich hingegen nur der
Hinweis, daß Siegfried an einem kalten Brunnen
ermordet wurde. -
Zum Ort des V e r b l e i b e n
s des Nibelungen-Hortes nach Aneignung durch die Gjukungen sagt die
Edda hingegen nichts. Hier können Schlüsse nur aus der
schon oftmals analysierten so genannten Hort-Erfragungs-Szene
gezogen werden. In allen Handschriften der Thidrekssaga gibt Hagen
vor seinem Ableben den Hinweis, der Schatz befände sich im
Siegfriedskeller, wohin irgendwelche Schlüssel führen. Mit
dem Schlüssel ist allegorisch vielleicht eine Verschlüsselung -
gemeint. Jedenfalls ist der Keller
eindeutig Indiz für ein unterir-disches Versteck, von
Rheingold keine Rede.
-
Wenn Heinz Ritter den Schatz in
einer westfälischen Höhle wähnt, (im Hohlen
Stein bei Kallenhardt im Sauerland), so dies doch nur auf
Grund der so genannten Geschichte von Aldrians Rache, die in allen
Thidrekssaga-Hand-schriften angehängt ist. Bemerkenswerterweise
folgt diese Geschichte jeweils erst nach den Versicherungen der
Männer aus Soest, die Geschichte wahrhaftig berichtet zu haben.
Diese Überlieferung kann daher nicht als einhellig verbürgt
gelten. Zudem sagt keine der Quellen, daß der Schatz auf der
Fahrt zu Kriemhild mitgenommen worden sei. Der Umstand wäre mit
Sicherheit aufgefallen. Man hätte das Riesenvermögen erst
aus dem Versteck holen müssen, um es etwa Kriemhild in die
Hände zu spielen!? Hier hätte Ritter doch seine Quelle
kritischer betrachten müssen bzw. auch die anderen Quellen zur
Kenntnis nehmen sollen. -
Gemäß dem in der Edda
geschilderten Nibelungen-Untergang erwidert Hagen auf Kriemhilds
Frage nach dem Hort, eher würden der Wolf und der Bär
des Hortes walten als sie (Atlakvida, Str. 11). Dies ist
gleichfalls ein Hinweis auf ein unterirdisches Versteck, denn Wolf
und Bär sind zoologisch den typischen Höhlenschläfern
zuzuordnen. Kein Rheingold in Sicht! -
Sogar im Nibelungenlied (Strophe
2442) antwortet Hagen der Kriemhild, daß nach der Ermordung
der Burgunden außer Gott und ihm keiner wisse, wo der Schatz
sei, Kriemhild bliebe er für immer verhohlen
(Übersetzung Simrock). Diesen Begriff man darf an die
Begriffe Höhle und Hehler denken
hätte Hagen nicht verwendet, wenn er den Hort in die Fluten des
Rheines verklappt hätte. Auch das verhohlen
ist eher geeignet, ein unterirdisches Versteck zu indizieren. Warum
zum Teufel sagt andererseits das Nibelungenlied, Hagen sancte
den Hort ze Loche in den Rhein? Wieder dieses h
(Strophe 1158)! Und warum übersetzt Simrock das Senken,
für mich völlig grundlos, mit Versenken? Warum
diese Vorsilbe? Dies ist nur erklärlich, wenn man sich vom
alten Vater Rhein leiten läßt. Sancte könnte
gleichwohl auch eine feierliche Kult- und Weihehandlung darstellen.
Sagte Hagen nicht, außer Gott und ihm wüßte nun
niemand, wo der Schatz sei?! Man hat stets daran gezweifelt, daß
Hagen hier den Christengott gemeint hat, weil er bei der Überfahrt
über den Rhein kurz vorher noch einen christlichen Priester ins
Jenseits befördert hat. -
Hinter dem Loch kann
wegen der mittelhochdeutschen Großschreibung nur ein Ortsbezug
stehen, nicht etwa das gegrabene (Erd-)Loch. Wie, wenn Hagen den
keltischen Betrugs- und Unterweltsgott Lug (germanisch Loki) gemeint
hat? Den Namengeber von Lyon (Lugdunum), wie jeder Asterix-Leser
weiß. Der Gott ist heute noch gegenwärtig, wenn es um
Lug und Betrug geht, und auch der Lüge
ist er Namenspatron. Im ripuarisch-fränkischen Sprachraum, also
auf joot kölsch, heißt es Loch und
Bedroch. -
Sancte ze Loche in (den)
R(h)ein! Äußerst raffiniert, wenn Hagen den Hort,
um den er Kriemhild betrogen hat, dem Betrugs- und Unterweltsgott
geweiht haben sollte. Damit wäre seine Tat sanktioniert oder
sanctioniert. -
Nebenbei bemerkt nennt der
Bergmann in seiner althergebrachten und traditionsreichen eigenen
Sprache den schräg hinabreichenden Gang Gesenk. -
Überraschende
geographische Erkenntnisse -
Eines Sonntags fuhr ich entlang
der Autobahn von Bonn nach Zülpich durch den gemutmaßten
Hoheitsbereich der historischen Nibelungen gemäß der
Thidreks-saga. Zur Linken auf dem Bergkegel die Ruine der Tomburg,
des Wahrzeichens der Stadt Rheinbach. Vor mir tauchte zur Rechten
das Autobahn-Abfahrtsschild Rheinbach mit gewohnter
Pfeilrichtung nach rechts auf, also praktisch Richtung Bonn und an
den Rhein weisend. -
Welch herrlicher
Widerspruch! -
Der Abfahrtspfeil des
Verkehrschildes wies in die entgegengesetzte Richtung
fälschlicherweise an den Rhein. Mich wies er an diesem morgen
in eine andere Richtung. -
Warum führt die Stadt zur
Linken der Autobahn das h im Namen? Rheinbach hat doch
niemals am Rhein gelegen?! Hat sich hier etwa der gleiche Fehler wie
in den Überlieferungen und den Übersetzungen von Edda und
Nibelungenlied eingeschlichen? Zudem noch im Namen eines Ortes
innerhalb des zu vermutenden Herrschaftsbereiches der historischen
Nibelungen? -
Wie stellen sich die
Überlieferungen dar, wenn man den Ort Rheinbach für das
setzt, für das später der Fluß Rhein gegolten hat?
Wie bei der Dunowe/Donau (laut Ritter die Dhün, Nebenfluß
des Rheins bei Leverkusen). Dem Nibelungenlied-Schreiber (wie in der
Folge auch den Übersetzern) konnte bei der Bezeichnung Rhein
oder Rheinbach/Reinbach nur der große deutsche Strom
einfallen. -
Woher hat Rheinbach seinen
Namen? Die Frage blieb an diesem Morgen unbeantwortet. Ich bin
jedoch nicht nach Zülpich gefahren, sondern habe die Umgebung
zunächst anhand des handelsüblichen Shell-Atlas studiert.
Eine halbe Stunde später war ich in dem kleinen, zu Rheinbach
eingemeindeten Ort Loch. Rheinbach-Loch: Ein Loch ze
Rheine. Hier hatte ich in der Ortsmitte den Wagen abgestellt, um
einen Spaziergang anzutreten. Der erste Blick fiel auf das auf einen
Hohlweg weisende Straßenschild Alte Höhle.
Tatsächlich gab es hier einen Hinweis auf unterirdische Räume. -
Der Besuch der Bibliothek des
Rheinischen Landesmuseums in Bonn ergab einige Tage später, daß
der Name Rheinbach aus Reginsbach entstanden ist. So ist
die erste urkundliche Erwähnung: Ort am Bache, an dem einmal
ein fränkischer Herr mit Namen Regin ansässig gewesen sein
muß. Erst in späteren Urkunden hat sich aus nicht mehr
feststellbaren Gründen das trügerische h auch
hier hinter den Anfangsbuchstaben gestellt. -
Im Landesvermessungsamt in
Bonn-Bad Godesberg stieß ich auf Hinweise, daß der
Hohlweg nicht, wie beschildert, Alte Höhle, sondern
An den Höhlen heißt. Höhlen sind vor Ort
zwar nicht bekannt, bestenfalls sei der Hohlweg damit gemeint,
behauptete man in Loch. Der Hohlweg wäre im Rheinischen dann
jedoch eher ohne Präposition als Holle oder In
der Holle, eventuell auch Hölle, bezeichnet
worden. Die oberhalb des Hohlweges befindlichen Parzellen und
Flurstücke heißen Auf den Höhlen. Wenn
sich unter dem Acker heute nicht mehr bekannte Höhlen befinden,
sollte man hier beginnen, nach dem Nibelungenschatz zu suchen.
Zwischenzeitlich kann ich aus hier und jetzt nicht genannten Gründen
sicher sein, daß tatsächlich sich unter dem Flurstück
Hohlräume befinden. -
Übrigens liegen die Ruinen
der Rheinbacher Tomburg in einem anderen Ortsteil der Stadt, der
Wormersdorf heißt. Das klingt nicht nur der am Rhein gelegenen
Stadt der späteren Kaiserpfalz ähnlich. Wenn man die
Endung -dorf, die lediglich auf die Besiedlung hinweist,
wegnimmt, bleibt unbestritten ein Worms. -
Nach Prof. Mürkens,
Swisttal, der sich als Erforscher rheinischer Ortsnamen einen
hervorragenden Platz verschafft hat, leitet sich der Name aus dem
althochdeutschen Wort Wurmhari ab, was so viel wie
Drachenkämpfer heißt. Ob hier jemand
drachengleich gekämpft hat oder gegen jemand Drachengleichen,
wird zwar dahingestellt bleiben müssen. Einen solchen Anspruch
kann die Stadt Worms am Rhein jedoch nicht für sich geltend
machen. -
Wenn man allerdings ziemlich
genau südlich der Rheines in meinem Sinne
südlich von Rheinbach-Wormersdorf blickt (der
Shell-Atlas reicht wieder einmal aus), wird man (in einer Entfernung
von 6 Kilometern Luftlinie) den Ort Kalenborn finden. Das heißt
im Rheinischen nichts weiter als kalter Brunnen oder
kalte Quelle. Könnte hier Siegfried ermordet worden
sein? Die Topographie stimmt, hier gibt auch das südlich
des R(h)eines gemäß der Edda tatsächlich einen
Sinn und ist in diesem Zusammenhang völlig zutreffend. In
Kalenborn entspringt die Swist, ein bereits den Kelten heiliger
Fluß, der der Landschaft um Rheinbach den Namen Swisttal
gegeben hat. Gerade an der die Heiligkeit des Flusses verdichtenden
Quelle wäre ein Mord aus höheren, staatspolitischen
Motiven sanktioniert. Der Fluch des durch Mord besudelten heiligen
Ortes hat Hagen (zunächst jedenfalls) nicht getroffen, mithin
war der Mord gerade an und durch die Auswahl dieser heiligen Quelle
gerechtfertigt. -
Übrigens nicht weit von
dieser Quelle, südöstlich über die Ahr hinaus in den
Grenzen eines vernünftigen Jagdausfluges, allerdings von
Wormersdorf abgewandt, findet sich dann die Ortschaft Spessart
innerhalb eines gleichnamigen Waldgebietes (ca. 15 Kilometer in
Luftlinie von Kalenborn entfernt). Es ist der einzige Ort dieses
Namens in Deutschland mit einer Postleitzahl. Und dort, so heißt
es im Nibelungenlied, habe die Jagd stattgefunden, bei der Siegfried
ums Leben kam (Hagen sagt: Lieber Herre mein, ich glaubte, daß
das Pirschen heute sollte sein hinten bei dem Spessart, dorthin
sandte ich den Wein..., Str. 982). -
Ob das Zufall ist? Dies vermag
ich nicht zu beurteilen. Es wäre auch unwissenschaftlich, weil
gerade die Würdigung von Umständen als Spiel des Zufalles
eine rein spekulative Beurteilung darstellt. Man mag an e i n e n
Zufall glauben, aber nicht an vergleichsweise viele, die auch noch
dazu führen, daß alle Überlieferungen zum
Nibelungen-Untergang und zum Verbleib des sagenhaften Schatzes in
ihren topographischen Aussagen schlüssig scheinen. -
Alles in Allem steht hiernach
die Thidrekssaga eben nicht im Gegensatz zum Nibelungen-Epos, dieses
Epos wie auch die Edda unterstreichen geradezu die Aussagen der
Thidrekssaga. -
Zweifel am Burgunderreich
am Mittelrhein-
- Einer der Angelpunkte in Rudolf
Patzwaldts vorstehend abgedrucktem Aufsatz ist die Frage, ob es sich
bei dem heutigen Dorf Wormersdorf (Ortsteil der Stadt Rheinbach b.
Bonn) um das Vorbild des Worms des Nibelungenliedes und
bei dem umliegenden Land um das ehemalige Reich der Burgunder
handeln könnte. Für diese Ansicht führt er einen Text
des anerkannten Fachmanns für frühe Geschichte des
Rheinlands, Prof. Harald von Petrikovits, an (in Bd. I der
dreibändigen Rheinischen Geschichte, hrsg. Von
Franz Petri und Georg Droege, Köln...). Der diese Frage
behandelnde Teil (S. 273, 278 288) wird anschließend
abgedruckt.
-
- Die Burgunden, die bisher (vor
405 n. Chr.) nördlich oder östlich der Alamanen gewohnt
hatten, zogen im selben Jahr (407, nach dem Durchzug der Vandalen,
Sueben und Alanen über den Rhein und nach Gallien) über
den Rhein. Vielleicht schloß (der weströmische Kaiser)
Konstantin (III.) mit ihnen einen Vertrag, durch den er ihnen Land
links des Rheins zugestand. Die Frage, wo dieses erste
linksrheinische Wohngebiet der Burgunden lag, ist noch nicht
entschieden. Zwei Lösungsversuche der Frage stehen einander
gegenüber. Nach dem einen steckt in der mittelalterlichen
Überlieferung über Wohnsitze der Burgunden bei Worms (am
Mittelrhein) ein geschichtlicher Kern, andere suchen ihre Wohnsitze
irgendwo in der Germania II. ... Näheres dazu soll S. 288
ausgeführt werden. Hier sei nur gesagt, daß uns die
zweite angeführte Antwort besser begründet zu sein
scheint.
-
- (S. 278) In den Jahren 435 bis
437 kämpfte (der weströmische Heermeister) Aetius wieder
in Gallien. Der Burgundenkönig Guntiarius (Gundic(h)arius) fiel
von seinen Wohnsitzen in der Germania II oder in der Germania I in
die Provinz Belgica I ein. ... Guntiarius erhielt von Aetius einen
Friedensvertrag. Bald darauf, wohl im Jahr 436, überfielen die
Hunnen die Burgunden und setzten ihnen arg zu. ... Es ist
verständlich, daß die (bisher von Aetius als Hilfstruppen
benutzten) Hunnen nunmehr begannen, auch zum eigenen Nutzen Krieg zu
führen, wo Beute zu machen war. Der Untergang der ersten
Burgundenherrschaft links des Rheins klingt noch im Nibelungenlied
nach. Die Burgunden, die den Hunnenüberfall überlebt
hatten, erhielten im Jahr 443 neue Wohnsitze in der Sapaudia
(Savoyen),südlich des Genfer Sees.
-
- (S. 288) Wegen der
Namensgleichheit des Burgundenkönigs Guntiarius mit dem Gunther
des Nibelungenliedes meinte man früher, die linksrheinischen
Wohnsitze der Burgunden ohne weiteres bei Worms annehmen zu können.
Man berief sich dabei auf den lateinischen Waltharius, auf das
Nibelungenlied und die Thidrekssaga. Diese Sagenangaben, die mehr
als ein halbes Jahrtausend jünger sind als die Ereignisse, wird
der Historiker nur ungern heranziehen. Dagegen wird er sich vor
allem mit zwei Nachrichten auseinandersetzen müssen: mit einer
Notiz des zeitgenössischen Historikers ägyptischer
Herkunft Olympiodoros und den Nachrichten der Chronisten Prosper und
Cassiodorus zum Jahr 435.
-
- Olympiodor berichtet, daß
Jovinus in Mundiacum in der Germania II auf Betreiben
des Alanen-Anführers Goar und des Burgundenfürsten
Guntiarius zum Gegenkaiser ausgerufen wurde. Das von den
Olympiodor-Handschriften einhellig überlieferte Mudiacum kennen
wir aus keiner anderen Quelle. Wenn man Mundiacum als Verballhornung
von Moguntiacum (Mainz) ansieht, muß man auch die Angabe für
falsch ansehen, daß Mundiacum in der Germania II lag, was bei
einem Ägypter, der vom behandelten Schauplatz weit entfernt
lebte, möglich wäre. Allerdings sind gleich
-
zwei solche Änderungen des
einheitlich überlieferten Textes bedenklich. Dazu kommt, daß
die schon erwähnten Chroniken zum Jahr 435 berichten, der
Burgundenkönig Gundicarius sei in die Belgica I eingefallen,
von Aetius bekriegt worden, habe aber Frieden erlangt. Bald darauf
hätten die Hunnen ihn und sein Volk vernichtet (S. 278). Es
wäre recht merkwürdig, wenn die Burgunden von Worms aus in
die Belgica I eingefallen wären, dagegen wäre die
Nachricht der Chronisten verständlich, wenn sie Wohnsitze in
der stark entvölkerten Germania II erhalten hätten.
-
- Diese Rekonstruktion der
Ereignisse erscheint und wahrscheinlicher als die Veränderung
verständlicher Texte nur um einer viel späteren
Sagentradition willen, die ja auch sonst viele geographische
Unstimmigkeiten enthält.
-
- Rudolf Patzwaldt,
München/Bonn
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