Der
Kampf um die Schiene - Zur Entwicklung der Bergheimer
Kreisbahnen
Aus An Erft und Gilbach,
Heimatblätter für den Kreis Bergheim, Beilage der
Kölnischen Rundschau Nr. 3, März 1951, Ausgabe Kreis
Bergheim
Der Kampf um die Schiene
Zur Entwicklung der Bergheimer Kreisbahnen
[ ohne Verfasserangabe ]
Als Ende der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts Peter Rosegger, der Waldbauernbub, zum ersten Male auf dem Dampfwagen der Semmeringbahn saß, der seinem mitfahrenden Paten noch als Teufelsblendwerk erscheinen wollte, galt er den Bauern des Kreises Bergheim längst als eine Selbstverständlichkeit, denn damals war die Strecke Köln-Aachen mit den kreiseigenen Stationen Horrem und Buir schon länger als 15 Jahre in Betrieb. Es sollte auch nicht lange mehr währen, da eine von Düren nach Neuß führende Stichbahn dem Kreis zusätzliche drei Haltestellen einbrachte: Elsdorf, Bedburg und Harff. Das war um 1869. Jedoch blieb das Kerngebietes des Kreises vom Schienennetz der rasch aufblühenden Eisenbahnen weiterhin unberührt. Wie ehedem fuhren die Bauern ihre Rüben auf Fuhrwerken fort, und wer zum Amte wollte, muße anspannen lassen, um in das entfernte Bergheim zu gelangen, es führte keine Schienenspur dahin. Freilich waren Bürgermeister und Landrat durchaus nicht müßig gewesen, um die Gemeinden der Erftniederung eines Tages durch Lokomotivgepfeife aus ihrem Dornröschenschlaf zu reißen, ja solche Erweckung war angesichts der fortschreitenden Entwicklung des Braunkohlenabbaus am Rande der Ville mittlerweile zwingend notwendig geworden, doch scheiterten alle ihre Planungen an der Kostenfrage, weil die von den Gemeinden gezeichneten Beträge dem Ministerium nicht hoch genug erschienen, um die Finanzierung des Bahnbaus zu sichern. Inzwischen war der Siebzigerkrieg mit seinen Folgeerscheinungen, der Gründerzeit und den vielen Bankkrachs verrauscht, der alte Kaiser war gestorben, Bismarck entlassen und in Afrika die erste Kolonie erworben worden, im Ruhrgebiet wuchsen die Städte ineinander und im nahen Köln war die alte Stadtmauer gesprengt; - dicht und dichter spann sich das Schienennetz über die Länder des alten Reiches, nur Bergheim lag immer noch abseits. Da erschien im Juli 1892 ein Gesetz über Klein- und Privatanschlußbahnen, das mit einem Schlag alle Hemmnisse zu beseitigen schien, weil es dem freien Unternehmergeist Tür und Tor öffnete. Zudem war jüngst im benachbarten Frechener Braunkohlengebiet bereits eine Schmalspurbahn in Betrieb genommen worden; was lag also näher für das Amt Bergheim, als durch ein Netz weiterer Schmalspurbahnen die Hauptverkehrspunkte des Kreises mit der Frechener Bahn zu verbinden. Im Oktober 1893 wurde darüber ein Beschluß gefaßt, der aber erst 1894 vom Kreistag gebilligt worden ist. Der Plan sah den Bau von Schmalspurbahnen auf den vier Linien Bedburg-Horrem-Mödrath, Frechen-Kerpen-Blatzheim-Buir, Bedburg-Ameln und Bergheim-Rheidt vor. Die Ein-Meter-Spur schien am vorteilhaftesten zu sein - wegen des Rübenverkehrs - und war vor allem billiger als das Vollspursystem. Das gab den Ausschlag. Der Bahnbau wurde einer Stettiner Gesellschaft überantwortet, welcher man zugleich auch die Lizenz übertrug. Sie zahlte dafür eine jährliche Pachtsumme, die ungleich höher war als Zinsen und Amortisation für das vom Kreis aufgenommene Kapital. So durften denn die Männer des Kreisausschusses vorderhand recht stolz sein und um so mehr, als am 6. April 1894 bereits die erste Teilstrecke von Kerpen nach Frechen staatsseitig freigegeben worden war. Immerhin sollte es dann noch ein volles Jahr währen, ehe mit den Bauarbeiten begonnen wurde, und abermals ein Jahr, bevor die Strecke erstmals befahren werden konnte. Als nämlich schon alle Schwierigkeiten beseitigt schienen, gesellte sich den vielen Instanzen, die ihre Nase von Amts wegen in die Sache zu stecken hatten, eine damals sehr anspruchsvolle, wohl die gewichtigste zu. Es war die Militärbehörde, welche aus strategischen Gründen die Errichtung eines Kleinbahnnetzes vor den Toren der Festung Köln nicht dulden wollte, weil es im Falle einer Belagerung für den Feind von Nutzen sein werde. So bedurfte es erst noch persönlicher Vorstellungen in Berlin und kostspieliger Brückensicherungen, ehe dieses Veto zurückgezogen wurde.
Ende Oktober 1896 konnte, nach Fertigstellung der Linie Kerpen-Frechen, auch die Strecke Mödrath-Horrem-Bergheim-Elsdorf, zunächst für den Güterverkehr, in Betrieb genommen werden, worüber sich vorab die Bauern freuen durften, welche fortan ihre Rüben zehnmal schneller los würden als bisher. 1897 folgte die Eröffnung der Strecken Bergheim-Bedburg und Bergheim-Rheidt. Weitere Daten in der Entwicklungsgeschichte der Bahnen des Kreises sind der 22. Oktober 1898 für die Freigabe der Strecke Mödrath-Liblar und der 1. März 1899 für die der Strecke Kirchherten-Ameln. Inzwischen aber waren von Horrem nach Ichendorf wie nach Türnich normalspurige Anschlußbahnen durch Hinzubau einer dritten Schiene erstanden, und gerade dieser Umstand ließ den Kreisausschuß alsbald die großen Nachteile des so viel billigeren Schmalspursystems erkennen. Während nämlich die Briketts der Ichendorfer und Türnicher Fabrik in Horrem ohne Umstände auf die Staatsbahn verfrachtet, d.h. auf deren Gleise geschoben werden konnten, mußten die Schmalspurwaggons in zeitraubender Arbeit erst noch umgeladen werden. Hinzu kam, daß die Staatsbahnen damals jede Kleinbahn tariflich als Fuhrwerk einklassierten, was die Güter unnötig verteuerte. Am Ende sah sich der Kreisausschuß genötigt, die Schmalspur in Vollspur umzuwandeln, wozu es aber wiederum einer ministeriellen Genehmigung bedurfte, die dann Jahre auch sich warten ließ. Erst im November 1904 konnte so der vollspurige Nebenbahnbetrieb auf den Hauptstrecken des Kreises eröffnet werden, und 1909 endlich war die letzte Schmalspur aus dem Bergheimer Kreisgebiet verbannt. Wer von den älteren, heute an der Schwelle des Greisenalters stehenden Bergheimern, Kerpenern oder Mödrathern sich noch des friedfertig schnaufenden Lokomotivleins mit trichterförmigem Schornstein erinnert, das damals, um die Jahrhundertwende seine Rübenfrachten gemächlich das Erfttal entlang zog und es in Vergleich setzt zu dessen kräftigeren Nachfahren von heute, wird nicht ohne Rührung der guten alten Zeit gedenken, die wohl auch ihre Sorgen hatte, welche manchem der Altvorderen den Kopf wärmer gemacht haben mögen als uns Nachfahren die unsrigen, die ganz gewiß auch nicht von Pappe sind.