100 Jahre Erfttalbahn
Aus der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Bahnstrecke Euskirchen - Bad Münstereifel 1890 - 1990


Beschreibung des Vertrages über den „Bau einer Eisenbahn von Euskirchen nach Münstereifel

Von Harald Bongart




Der Vertrag liegt im Archiv der Stadt Bad Münstereifel in der II. Nebenausfertigung vor. Die I. Nebenausfertigung wurde für die Stadtgemeinde Euskirchen erstellt, während die Hauptausfertigung bei der "Königlichen Eisenbahn-Direction (linksrheinische)" verblieb.

Auf der 1. Seite des Vertrages ist links oben eine Wertmarke im Wert von einer Mark aufgeklebt und mit dem Stempel der königlichen Eisenbahndirektion entwertet worden. Da im preußischen Staat alles seine verwaltungsmäßige Richtigkeit haben mußte, ist am gegenüberliegenden rechten Rand vermerkt, daß es sich um die II. Nebenausfertigung handelt, zu der - ebenso wie zur Hauptausfertigung und zur I. Nebenausfertigung - "ein Stempel von je eine Mark in Marken entwerthet" worden ist. Datum. Unterschrift.

Der Leser liest also rechts oben, was er links oben sieht und darf folglich seinen Augen trauen. Damit nicht genug, enthält der letzte Paragraph des Vertrages, § 5, die Vereinbarung über die Stempelkosten. Diese tragen die Stadtgemeinden Euskirchen und Münstereifel zur Hälfte, während die andere, auf den königlichen Fiskus entfallende Hälfte "außer Ansatz bleibt." Die Stempelberechnung hat ein Eisenbahn-Secretair Rudat auf der Rückseite der letzten Vertragsseite mit peinlicher Genauigkeit ausgeführt.

Doch wenden wir uns nun von § 5 ab und den wichtigeren Vertragspunkten zu. Geschlossen wurde der Vertrag zwischen beiden Parteien, dem Königlichen Fiskus - vertreten durch die Königliche Eisenbahn-Direktion (linksrheinisch) zu Köln - einerseits und den Stadtgemeinden Euskirchen und Münstereifel anderseits. Hierbei wurde die Stadtgemeinde durch ihren Bürgermeister Carl Otto SeIbach vertreten, die Vertretung der Stadtgemeinde Münstereifel oblag Bürgermeister Wilhelm Joseph Roth. Möglich wurde der Vertragsabschluß durch die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlungen zu Münstereifel am 4. 0ktober 1886 und zu Euskirchen am 7. 0ktober 1886.

Laut der Präambel blieb die Rechtsgültigkeit des Vertrages der Genehmigung seitens der Stadtverordnetenversammlungen Münstereifel und Euskirchen sowie der Königlichen Regierung zu Köln vorbehalten.




Die § § 1-4 regeln dann das Verfahren für den Bau der Eisenbahnlinie.

1. Das Gesetz, betreffend die weitere Herstellung neuer Eisenbahnlinien für Rechnung des Staates vom 1.4.1887;
2. Das Gesetz über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3.11.1838;
3. Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum vom 11.6.1874.
Im "Gesetz betreffend die weitere Herstellung" etc. ist unter § 1 Ia Nr. 17 die Strecke Euskirchen Münstereifel genannt und mit einer Summe in Höhe von 1.136.000 Goldmark veranschlagt. Diese Kosten würde der Staat übernehmen und mit dem Bahnbau beginnen, sofern

a)"der gesamte, zum Bau der Bahn und deren Nebenanlagen ...nach Maßgabe der von dem Minister der öffentlichen Arbeiten oder im Enteignungsverfahren festzustellenden Projecte erforderliche Grund und Boden in dem Umfange ...der Staatsregierung unentgeltlich und lastenfrei ...überwiesen oder die Erstattung der sämmtlichen staatsseitig für dessen Beschaffung im Wege der freien Vereinbarung oder der Enteignung aufzuwedenden Kosten, einschließlich aller Nebenentschädigungen für Wirthschaftserschwernisse und sonstige Nachtheile, in rechtsgültiger Form übernommen und sicher gestellt"

ist (§ 1, Littera A).

Die hierzu anzuwendenden Verfahren beruhen auf den unter 2. und 3. genannten Rechtsgrundlagen. Das Enteignungsverfahren war nach § 23 des Gesetzes über die Enteignung von Grundeigentum insbesondere auf den Grund und Boden anzuwenden, der für die Erstellung des Bahnhofgebäudes sowie sonstiger Gebäude benötigt wurde; des weiteren für Erde und Schutt, die bei Abtragungen, Einschnitten und Tunnelbauten unterzubringen waren; für die Errichtung aller sonstigen Anlagen sowie das notwendige Schüttungsmaterial.

Unter § 1, Littera B forderte der Staat als Voraussetzung für den Bahnbau die "Mitbenutzung der Chausseen und öffentlichen Wege ...unentgeltlich und ohne besondere Entschädigung für die Dauer des Bestehens und Betriebes der Bahn" durch alle daran beteiligten Interessenten.

Der Vertragstext des I. Paragraphen ist -bis auf die Einflechtung der unter 2. und 3. genannten spezifischen Rechtsgrundlagen -wörtlich dem § 1 des Gesetzes, betreffend die weitere Herstellung neuer Eisenbahnlinien für Rechnung des Staates entnommen.



Mit § 2 werden die Stadtgemeinden Euskirchen und Münstereifel verpflichtet, die unter § 1 festgelegten Vorausetzungen zu erfüllen. Im einzelnen heißt dies, daß Euskirchen und Münstereifel den für den zum Bau der Bahn und der Nebenanlagen benötigten Grund und Boden von den durch die geplante Bahnstrecke berührten Gemeindebezirken der Kreise Euskirchen und Rheinbach zu erwerben hatten, um ihn zum Bahnbau zur Verfügung zu stellen. Dort wo eine Erwerbung durch freie Vereinbarung nicht möglich sein sollte und das Enteignungsverfahren unumgänglich ist, haben die Stadtgemeinden Euskirchen und Münstereifel die aufzuwendenden Kosten an den Staat zu erstatten. Auch die Nebenentschädigung für Wirtschaftserschwernisse und sonstige Nachteile haben die beiden Städte zu erstatten. Ebenso müssen sie für die "Mitbenutzung der Chausseen und öffentlichen Wege für die Zwecke der Bahnanlage" Sorge tragen, -ohne daß ihnen ein Entgelt oder eine Entschädigung für "die Dauer des Bestehens und Betriebes der Bahn " zusteht oder geltend gemacht werden könnte.

Zu § 2, Littera A ist unter § 3 Näheres ausgeführt. Zur Erfüllung der dort übernommenen Verpflichtungen wird demnach der Stadt Euskirchen nach Genehmigung des Planes ein beglaubigter Auszug, der die Streckenführung im Kreis Euskirchen, samt der zu
erwerbenden bzw. zu enteignenden Grundstücke, zugestellt werden. Ein beglaubigter Auszug des Planes ist für die Bahnführung im Kreis Rheinbach der Stadt Münstereifel zuzuleiten. Innerhalb von sechs Wochen nach Erhalt der Planauszüge haben die Städte Münstereifel und Euskirchen die Eisenbahnverwaltung in den Besitz der benötigten Grundstücke zu setzen. Andernfalls würde die Eisenbahndirektion das Terrain auf dem Wege des Kaufs oder der Enteignung erwerben.

Die Regelung der Kostenerstattung erfolgt unter § 4. Für die Fälle, in denen freie Vereinbarungen oder Enteignungen von staatlicher Seite durchzuführen sind, haben die Stadtgemeinden Münstereifel und Euskirchen die anfallenden Kosten zu tragen. Dies gilt auch für die Nebenentschädigungen. Als Zahlungsfrist sind vier Wochen nach Mitteilung der vorgelegten Beträge gesetzt. Die zu zahlenden Kauf- und Entschädigungsbeträge sind nach § 4 den Stadtgemeinden vor dem Fälligkeitstermin mitzuteilen. Den jeweiligen Stadtkassen sollen die Beträge dann zur Zahlung angewiesen werden.

Den Stadtgemeinden wird zwar eingeräumt, bei den Grunderwerbsverhandlungen, die seitens der Staatsregierung durchzuführen sind, durch einen Vertreter beteiligt zu sein, doch steht diesem allgemein kein materielles Einspruchsrecht zu. D.h., daß den Stadtgemeinden keine Möglichkeit eingeräumt wird, gegen die Höhe der "auf Grund gütlicher Vereinbarung oder im Enteignungswege zu zahlenden Entschädigungsbeträge" Einspruch zu erheben. Generell ist die Beteiligung eines städtischen Vertreters an den Erwerbsverhandlungen bei der Eisenbahnverwaltung zu beantragen.

Der Vertrag wurde am 28. Mai 1887 ausgefertigt, mit dem Stempel der linksrheinischen Eisenbahndirektion zu Köln versehen und von einem Herrn Lohn abgezeichnet.

Unterzeichnet haben am 6. Juni 1887 der Bürgermeister von Euskirchen, SeIbach, und am gleichen Tag auch der Münstereifeler Bürgermeister Roth.

Am 1. Juli 1887 lag der Vertrag wieder in Köln vor, wo er "gesehen und soweit erforderlich genehmigt" wurde.

Unter dem Stempel der Königl. Preußischen Regierung hat ein Herr Schumann von der "Abtheilung des Innem" seine Unterschrift verewigt.

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