Von Josef Matthias Ohlert
1.
Abriß der Bedeutung des Verkehrswesens in früherer
Zeit
Nach der Gründung des Prümer
Filialkloster um 830 n.Chr. und der Übertragung der Reliquien
des römischen Märtyrer-Ehepaares Chrysanthus und Daria
entwickelte sich aus der Wallfahrt zu deren Grab ein Warenaustausch
zwischen Ebene und Bergland. Dieser "Markt" wurde im Jahre
898 durch den lothringischen König Zwentibold rechtskräftig:
das neue Kloster erhielt Markt-, Münz- und Zollrechte. Durch
günstige natürliche Bedingungen entstand vor den
Klostertoren eine Marktsiedlung, in der sich neben den üblichen
Handwerkern, die die entstehende Gemeinde versorgten, auch
Gewerbetreibende niederließen, die von überörtlicher
Bedeutung waren: Wollweber, Gerber und Brauer. Insbesondere die
Wollweber, deren Erzeugnisse auf den Messen in Köln als
Qualitätsware verkauft wurden, waren für die
Stadtentwicklung von großer Bedeutung. Sie selbst waren zwar
nicht ratsfähig, aber ihre Abnehmer, die Tuchhändler,
vertraten auch die Interessen der Wollweber im Rat. So weitete sich
im Laufe der Jahrhunderte der Markt zu sogenannten Messen aus.
Auswärtige Handelsleute, insbesondere Kölner, kauften
Münstereifeler Tuch auf und brachten es nach Köln und von
dort auf die Messen in Frankfurt/Main, Brabant und Flandern.
Erst die anhaltenden Kriege des 16. bis 18. Jahrhunderts und vor allem die Zeit, in der das linke Rheinufer zu Frankreich gehörte (1794 - 1815), in der auch die wirtschaftlichen Verhältnisse sich änderten (z.B. Aufhebung des Zunftzwanges), vernichteten Münstereifels wirtschaftliche Blüte. Die Mehrzahl der Bürger verarmte oder verzog. Die Straßen wurden nicht mehr gepflegt und verkamen, der Verkehr kam fast zum Erliegen.
Um die schlechte wirtschaftliche Lage Münstereifels in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, etwa ab 1815, als das Rheinland Preussen zugeschlagen wurde, zu verbessern, bedurfte es des Straßenbaus. Durch die Kriegszüge, aber auch durch die Überschwemmungen der Erft zu Beginn des Jahrhunderts, hatte besonders die Departementsstraße von Köln nach Trier, die durch Münstereifel verlief, sehr gelitten und war nicht ausreichend wiederhergestellt worden, denn sie war keine Heerstraße.
Die ehemalige Departementsstraße
Köln - Trier über Münstereifel wurde zum Kommunalweg
abgestuft. Das bedeutete, daß die anliegenden Gemeinden diese
instand halten bzw. ausbauen mußten. Staatliche Zuschüsse
gab es nur für "Kunstbauten" wie Brücken und
Böschungsmauern.
Nun begann ein zähes Ringen
um den Straßenbau. Der Stadtrat von Münstereifel, um die
wirtschaftliche Belebung der Stadt bemüht, wollte
Entscheidungen diesbezüglich bei "höheren Behörden
" erreichen und überbrachte 1833 dem Kronprinzen bei
dessen Besuch in Prüm eine Bittschrift, aus der hervorgeht, daß
man die Unterstützung des Kommunalwegebaus durch die Regierung
in Köln für inkonsequent hielt: man könne den
Gemeinden einer "'unwirtschaftlichen und unbevölkerten
Gegend" -was jedoch in diesem Falle nicht den Tatsachen
entsprach - nicht so harte Lasten auferlegen. Auch wurde erwähnt,
daß der Postverkehr Köln - Trier weiterhin über
diese schlechte Straße gehe und die Weiterführung der
Bezirksstraße aus dem Schleidener Tal nach Prüm mit
erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei. Zum Schluß sang man
das Lied von der alten Herrlichkeit, die durch die
Verlegung der Straße entschwunden sei, und von der gänzlichen
Gewerbelosigkeit die die meisten Einwohner zu armen
Tagelöhnern gemacht habe.
Infolge dieses
Bittgesuchs verfügte dann der Oberpräsident der
Rheinprovinz 1835, die Hauptkosten des Kommunalwegebaus aus
Staatsmitteln zu bestreiten. Er ermahnte die Regierungen in Köln
und Aachen, den Eifeler Straßenbau voranzutreiben, damit diese
Bezirke nicht hinter anderen zurückblieben. Daraufhin wurde von
1839 bis 1844 der Kommunalweg von Euskirchen bis zur Bezirksgrenze
zwischen Eicherscheid und dem Weißen Stein chaussiert.
Der weitere Ausbau nach Prüm blieb vorläufig ein
frommer Wunsch, obgleich auf dieser Route der sehr besetzte Trierer
Postwagen verkehrte, der jedoch nicht selten im Kothe
steckenblieb.
Ein vierspänniger Schnellwegen legte
1841 die Strecke von Köln nach Trier bei guter Witterung (!)
mit 9 Personen und Gepäck in 24 Stunden zurück.
Pferdewechsel waren in unserem Raum in Münstereifel (Hotel zur
Post), am Weißen Stein, in Buirhaus, am
Mülheimer Häuschen und in Blankenheim.
Erst 1850
übernahm die Regierung auf Antrag Münstereifels die
gesamten Unterhaltungskosten der Strecke, die inzwischen bis nach
Trier ausgebaut war. Für Münstereifel und seine
wirtschaftliche Erschließung war dies ein großer Erfolg,
was u.a. durch das Ansteigen der Einwohnerzahlen belegt wird.
Zwischen 1834 und 1850 erhöhte sich die Zahl der Bürger
von 1790 auf 2009.
Die schon 1855 vom Stadtrat erwogene
Verbesserung der Straßenverbindung nach Schuld wurde erst 1883
verwirklicht und eine Fahrpost nach Adenau eingerichtet. Auch die
Straße über Nöthen nach Mechernich wurde damals
ausgebaut.
Der Eisenbahnbau
Durch den Straßenbau hatte sich die Wirtschaft Münstereifels einigermaßen erholen können. Erneute Schwierigkeiten traten auf, als der Eisenbahnbau in der Eifel begann. 1859 pries Bürgermeister Kemp in einem Brief an den Postpräsidenten und Eisenbahnkommissar in Köln den in Aussicht gestellten Eisenbahnbau durch die Eifel. Mit Recht sprach er von der Bahn als einzigem Mittel, die Eifel verkehrstechnisch zu erschließen und aus ihrer "Lethargie" aufzuwecken. Die Schätze der Eifel: Eisen, Blei und Holz würden erfolgreiche Ausbeutung finden. Auch auf die militärische Bedeutung der Bahn ging Kemp ein.
Es hatten aber bereits Vermessungen in der Gegend von Kommern und KalI stattgefunden. Daher Kemps Anfrage, warum das günstigere Erfttal und die kürzere Strecke über Münstereifel und Kolvenbach nach Blankenheimerdorf nicht berücksichtigt wurden: "Auch scheint diese Bahn eine Hauptverbindung zwischen der Ostsee und dem Mittelmeere zu werden, weshalb es sehr zu beklagen wäre, wenn sie durch kleinliche Rücksichten und einige bei Commern und SchIeiden bestehende Etablissements der schönen Lage im Erfttale gegenüber verunstaltet und um eine Meile weit verlängert würde, indem den bezeichneten Etablissements leicht durch eine Zweigbahn zu helfen sei."
Die Planung nahm auf die schönere Lage im Erfttal jedoch keine Rücksicht. Die bedeutenden Bleivorkommen bei Mechernich gaben den Ausschlag. Die geringen Erzvorkommen im Erfttal und die kleinen Bleibergwerke in der Mutscheid waren nicht von Belang für die Streckenführung der Bahn.
Die Münstereifeler erkannten sehr wohl die Bedeutung der Bahn für ihr Gewerbe, insbesondere für die 15 Gerbereien. Wenn man sich nun den Errungenschaften der Zeit verschloß, wie es die Wollweber bereits getan hatten, würde dem Wirtschaftsleben der Todesstoß versetzt werden. Deshalb bemühte man sich in Rat und Verwaltung erneut um die Verlegung der Bahnstrecke Köln - Trier über Münstereifel und wollte sogar zwei "Hochöfen" - wohl Kalköfen - bauen. Als 1861 Vermessungen seitens der Bahnbehörden im Erfttal und in Kolvenbach von negativem Ergebnis waren - die Steigung bis Bouderath war wohl zu stark -, ließ die Stadt auf eigene Kosten erftaufwärts zwischen Schönau und Holzmülheim Vermessungen für die Gleisführung anstellen. Alle Versuche nutzten nichts; aus Berlin kam 1861 die Nachricht, man sei über die Angelegenheit zur Tagesordnung übergegangen.
Im Jahre 1863 stand fest, daß
die Bahn über Mechernich und KalI nach Blankenheim - Wald
geführt würde, denn der Münstereifeler Stadtrat
lehnte den Antrag der Bürgermeister von Satzvey und Wachendorf
ab, sich für die Errichtung einer Haltestelle in Satzvey
einzusetzen. Warum sollte man sich auch dafür interessieren?
Die Bezirksstraße nach Euskirchen war bequemer als der Weg
über Wachendorf nach Satzvey.
Ob die von Karl Hürten in seiner Stadtgeschichte angeführte Ablehnung eines Zuschusses für die Bahnverbindung Münstereifel-Mechemich mit dem oben abgelehnten Gesuch identisch ist, dürfte kaum der Fall sein. Die Äußerung des Kölner Regierungspräsidenten bei der Einweihung der Stichbahnstrecke Euskirchen -Münstereifel am 1. Oktober 1890, die Stadt habe vor 30 Jahren die Verlegung der Strecke Euskirchen - Mechernich über Münstereifel durch das Eschweiler Tal abgelehnt, weil der Bahnhof zu weit vom Stadtkern entfernt läge, entbehrt in Münstereifel der quellenmäßigen Grundlage. In den Ratsprotokollen sind diesbezüglich weder Beratungen aufgezeichnet noch Beschlüsse zu dieser Streckenführung zu finden. Auch die Korrespondenzmappe Wege, Straßen, Eisenbahnen" schweigt in diesem Zusammenhang. Der Zusatz Karl Hürtens, der Rat suchte sogar den Plan zu hintertreiben aus Besorgnis vor fremdem Wettbewerb und mit der Freizügigkeit verbundenen sittlichen Gefahren", kann ebenfalls in den zugänglichen Quellen nicht gefunden werden.
Diese Äußerungen
wären allen bisherigen intensiven Bemühungen auch
entgegengesetzt. Es mag sein, daß der konservative Geist
einiger Münstereifeler Bürger das Gerücht von der
Sittengefährdung hochgespielt hat. Auch mögen gewisse
Kreise, wie etwa die Wollweber, eine ablehnende Haltung aus
Resignation oder Nichterfüllung von Wünschen der Bahn
gegenüber gehabt haben. Konkurrenzgründe haben sicher nur
die Post zum Gegner der Bahn werden lassen. Aber offizielle
Erklärungen des Stadtrates sind nicht auffindbar.
Spätere Äußerungen des Rates lassen erkennen, daß man den fehlenden Bahnanschluß, der den gesamten Verkehr beeinträchtigte, bedauerte. So z.B. steht im Ratsprotokoll vom 1. Februar 1865: Die Eisenbahnanlagen in unserer Nähe berühren den Verkehr hiesiger Stadt sehr empfindlich, und müssen wir leider die gerechte Besorgnis haben, daß mit der weiteren Fortführung derselben dem industriellen Leben hier herbe Wunden geschlagen werden.
Im Jahre 1875 war die gesamte Eifelstrecke von Köln über Euskirchen-Mechernich nach Trier fertiggestellt. Deshalb wurde die Prüm-Euskirchener Post durch eine Lokalpostverbindung von Euskirchen nach Münstereifel und eine solche von Münstereifel nach Mechernich ersetzt.
Mit der Genehmigung des
Landesdirektors der Rheinprovinz, die Provinzialstraße (die
ehemalige Bezirksstraße) als Unterlage der Bahngleise zu
benutzen. und der Eingabe der Städte Euskirchen und
Münstereifel, eine Sekundärbahn" zwischen
beiden zu bauen, begannen 1878 erneut die Bemühungen um den
Bahnanschluß Münstereifels. Das MünstereifeIer
Gewerbe, das wegen des Fehlens einer direkten Bahnverbindung
Absatzschwierigkeiten hatte, sollte durch die so herbeizuführende
Verbilligung der Transportkosten und der Beschleunigung des Verkehrs
konkurrenzfähig werden.
Man erwog schon damals eine Weiterführung der Strecke über Münstereifel hinaus nach Adenau, Mayen und Koblenz. Dieses Projekt kam nicht zur Ausführung, da Adenau an die Ahrtalstrecke Anschluß fand.
Schwierigkeiten verschiedener
Art stellten sich in den Weg. 1882 erklärte die
Regierungsabteilung des Innern ihr Einverständnis mit dem
Bahnbau von Euskirchen nach Münstereifel und wünschte, die
Vorarbeiten zu beginnen. Man hoffte nach deren Beendigung im Herbst
1883 mit den Bauarbeiten anfangen zu können.
Wegen einer Eingabe
Flamersheims, in der der Wunsch geäußert wurde, die
Erfttalbahn über diesen Ort zu führen, verzögerte
sich der Beginn der Durchführung des Projektes bis 1886. Im
Juli dieses Jahres trat eine Versammlung der zuständigen
Bürgermeister zusammen und beschloß, das notwendige
Gelände auf dem Enteignungswege zur Verfügung zu stellen,
oder sämtliche übrige Kosten zu übernehmen. Der
Münstereifeler Bürgermeister befürchtete, der Bahnbau
könne wegen Uneinigkeit der beteiligten Gemeinden in Frage
gestellt werden. Daher verpflichteten sich die Städte
Euskirchen für die anliegenden Gemeinden des Kreises Euskirchen
( = Euskirchen, Rheder, Weingarten) und Münstereifel für
die Gemeinden im Kreis Rheinbach ( = Münstereifel, Kuchenheim,
Stotzheim, Arloff - Kirspenich, Iversheim), die mit dem Bahnbau
verbundenen Bedingungen zu erfüllen.
Am 28. Mai 1887 wurde der Vertrag zwischen den Städten Münstereifel und Euskirchen, der Regierung in Köln und der Kölner Eisenbahndirektion entworfen. Demnach hatten die Städte für die unentgeltliche und kostenfreie Bereitstellung und Übereignung des Grund und Bodens an die Eisenbahndirektion zu sorgen und zwar sechs Wochen nach Eintreffen der Pläne. Auch die Entschädigung des durch den Bahnbau vorübergehend benutzten Geländes mußten sie tragen, und die der Bahnbehörde entstandenen Kosten binnen vier Wochen erstatten.
Dieser Vertrag wurde am 10. Juni 1887 vom Stadtrat genehmigt, obwohl die Kosten die Leistungsfähigkeit Münstereifels bei weitem überstiegen. Die Gesamtkosten betrugen insgesamt 144000 Goldmark. Davon übernahmen Buskirchen 20000 Mark, Stotzheim ein Viertel der Summe, Kuchenheim 3000 Mark und Iversheim 7000 Mark. Arloff und das Münstereifeler Hinterland verweigerten die Beteiligung. daher sollte Arloff zunächst auch keinen Bahnhof erhalten!
Auf seinen Antrag hin erhielt Münstereifel vom Landesdirektor in Düsseldorf aus dem Meliorationsfonds der Provinzial-Hilfskasse eine Summe von 20000 Mark auf drei Jahre zinsfrei, danach zu 3% Zinsen mit zweiprozentiger Tilgung. Der Rest von 66000 Mark wurde zu 4% mit einprozentiger Amortisation bewilligt.
Am 20. September 1888 genehmigte das Ministerium für öffentliche Arbeiten den Bau, nachdem am 3. Juli 1888 die landespolizeiliche Genehmigung erteilt worden war. Im November begann man mit dem Erwerb des Baugrundes und im Frühjahr 1889 mit dem Bau der Strecke. Am 1. Oktober 1890 war endlich die feierliche Eröffnung der Linie Euskirchen - Münstereifel.
Wie die Einstellung zur Eisenbahn im Münstereifeler und Euskirchener Raum damals war, gibt ein Zeitungsartikel vom 12. Juni 1889 wieder: "Unsere schöne Eifel, welcher anzugehören wir die Ehre haben, ist lange verkannt worden. Engländer, englisierende Touristen und solche, die es werden wollten, glaubten, sie über die Achsel ansehen zu dürfen und ließen sie links liegen. Das ist nun anders geworden. Zuerst hat man begonnen, die Eifel durch Eisenbahnen aufzuschließen. Ein großer Schlüssel hat sie zunächst in Gestalt des Eisenweges Köln -Trier der Längsachse nach aufgeschlossen, kleinere Schlüssel haben dann kreuz und quer nachgearbeitet. Einer der letzten ist auch der Schienenweg Euskirchen - Münstereifel, an dessen Ausführung nunmehr, da Augenschein keine Zauberei ist, auch der ungläubigste Thomas nicht mehr zweifeln wird."
Zwar wurde die Bahnanbindung
Münstereifels für seine Entwicklung zum Fremdenverkehrs-
und Kurort von entscheidender Bedeutung, aber für die
industrielle Entfaltung Münstereifels kam - heute können
wir sagen "Gott Lob" - der Bahnanschluß viel zu
spät. Euskirchen hatte sich zum bedeutenden Bahnknotenpunkt und
Industriezentrum entwickeln können. Erst nach Inbetriebnahme
der Stichbahnstrecke siedelten sich an ihr einige Industriebetriebe
an, wo viele Münstereifeler Arbeit und Brot fanden.
Quellen:
Akten des Stadtarchivs Bad Münstereifel (alte Bezeichnungen!): 18/150; 151; 153; 158 und 22/263; 800.