Kölner Stadt-Anzeiger vom 22. Mai 1957

Endstation liegt im Acker
Erste Alweg-Strecke in normaler Größe fast fertig - Bahnsteig ist 4,50 m hoch

Von unserem Redaktionsmitglied Horst Schubert

In einigen Wochen steht Köln eine Premiere besonderer Art bevor. Das erstemal in ihrer recht bewegten Geschichte wird die Alweg-Forschungs-Gesellschaft ein original großes Einschienen-Fahrzeug auf eine Probestrecke von 1,8 kilometer Länge schicken. Das in lichtem Gelb und Blau gehaltene Fahrzeug, dessen beide Wagenteile vorige Woche über die Autobahn angeliefert worden sind, wird dann langsam in einem Hoch-Bahnhof einrollen, der inmitten eines Ackers bei Fühlingen errichtet wurde.


In etwa 4,50 Höhe überquert die Strecke der Einschienenbahn die Bundesstraße Köln - Neuß. Der Fahrbalken ist 80 Zentimeter breit und 1,40 Meter hoch.

Noch liegt der alwegübliche hauchdünne Schleier des Geheimnisses über dem Ereignis, das durchaus in der ganzen Welt beachtet werden wird, bestimmt aber in Sao Paulo und in Kanada. Dort nämlich hat man sich zuerst entschlossen, des schwedischen Millionärs Axel Wenner-Grens Idee vom Fahrzeug auf nur einer Schiene für die Praxis realisieren zu lassen. In Köln, auf dessen Boden bei Fühlingen die Idee zur Endausführung reif experimentiert worden ist, übte man bekanntlich Zurückhaltung. Das Projekt eines Teistreckenbaus Köln - Opladen zerschlug sich, einer Probelinie Weidenpesch - Merkenich stimmt die Stadt zwar zu, bestand aber darauf daß dieser Bau unverbindlich für sie bleibe.

Über die Straße hinweg

Was die Alweg-Gesellschaft in den letzten Monaten nun auf Weisung von Axel Wenner-Gren baute ist eine Probestrecke in normaler Größe. Sie ist anzuschauen wie eine römische Wasserleitung und schwingt sich in leichtem Bogen, 4,5 Meter hoch, aus dem Versuchsgelände heraus über die Bundesstraße Köln - Neuß knapp vor Fühlingen hinweg und führt ein gutes Stück über Ackergelände zu einer Art Bahnhof, der sich als Haltestelle ähnlich unkonventionell ausnimmt wie die Bahn die hier einrollen soll. Eine steile Treppe führt zu einer Plattform, über die sich ein leuchtendgelber, zur Bahnsteigkante hin offener Kunststoffschirm schwingt. Selbst der eiligste Autofahrer, dessen Blick auf den luftigen Bahnsteig fällt, nimmt überrascht das Gas weg.


Mitten im Acker bei Fühlingen erhebt sich der Hochbahnhof der neuen in normaler Größe gebauten Alweg-Bahnstecke. Der Fahrbalken wird noch ein kleines Stück über den Bahnhof hinaus geführt. Er endet an einem Wäldchen. Die Frage ist, ob diese Strecke eines Tages nach Köln weitergebaut wird.
Foto: H. Koch

Was dort draußen mit Beton in den kölnischen Boden gestampft wird, ist also ein neues Stück Geschichte der Fortbewegungsmittel. Bei der Alweg-Gesellschaft verspricht man sich, daß schon die 1,8 Kilometer lange Strecke in natürlicher Größe das Interesse zu erwecken vermag, das nach Meinung der Gesellschaft der Einschienenbahn als Stadt- und Bezirksbahn zukommen sollte. Der Zug soll schon auf dieser kurzen Strecke eine Geschwindigkeit von 80 km/st erreichen können.

Bau mit Spezialgerät

Der Bau der Hochstrecke wurde nach eigenem Verfahren vorangetrieben. In Alweg-Regie hergestellte Betonbalken von 15 Meter Länge werden mit einem eigens angefertigten Gerät im sogenannten Streckenvorbau montiert. Der Einbau eines Fahrbalkens dauert etwa eineinhalb Stunden. Vorweg sind die Betonstützen in den Boden getrieben worden. Stützen und Balken verbinden stählerne Zwischenglieder. Zur Zeit sind die Monteure der Gesellschaft dabei, von besonderen Montagewagen aus die Stromschienen einzubauen. Eine Malerkolonne hat bereits drei Probeanstriche für die Betonbahn in Hellgelb, Kölner Brückengrün und Hellgrau geliefert.

Für hundert Fahrgäste

Die beiden Wagen des originalen Alweg-Zuges ruhen noch unter Verschluß in einer Halle des Versuchsgeländes. Einer von den Wagen hat beim Antransport von Salzgitter erhebliche Karosserieschäden erlitten, so daß sich die Jungfernfahrt etwas verzögert. Der Zug ähnelt dem Modell, seine Wagen weisen aber in der Mitte Falttüren auf, die automatisch geöffnet und geschlossen werden können. Hundert Fahrgäste können an der Eröffnungsfahrt teilnehmen.


In sanftem Schwung verläuft die Strecke das Versuchsgelände der Alweg-Gesellschaft bei Fühlingen, führt über die Straße und endet im Acker. Fahrbahn und Stützen wurden in eigener Regie der Gesellschaft hergestellt. Auch das Spezialgerät, mit dem die 15 m lange Betonbalken im sogenannten Streckenvorbau zur Fahrbahn zusammengefügt wurden, ist von Alweg entwickelt worden. Ebenso sind die Montagewagen (Foto) eine Erfindung der Alweg-Konstrukteure. Die Entfernung der Stützpfeiler beträgt 10 Meter.

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