Köln-Bonner Eisenbahnen




Einführung


Im Rheinischen Industriebahn- Museum in Köln steht der Doppeltriebwagen ET 57 der ehemaligen Köln-Bonner Eisenbahnen. 3 Schwestermodelle des gleichen Typs, die ET 55, 59 und 60 wurden seinerzeit an die Linzer Lokalbahn verkauft und sind dort noch im Einsatz. Neben dem berühmten Silberpfeil ET 201, der sich im Besitz der Köln-Bonner Eisenbahnfreunde in Vochem bei Brühl befindet, ist er der einzige erhaltene Triebwagen der Köln-Bonner Eisenbahnen in Deutschland.

Für museale Zwecke wurde er von Oliver Zaude für das Rheinische Industriebahn- Museum RIM erworben und wird von ihm in Köln-Longerich restauriert. Die folgenden Texte stammen von ihm selbst. Die Bilder entstammen der Sammlung Andreas Otterbein, RIM.

Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers




ET 57

Der letzte Doppeltriebwagen der Köln-Bonner Eisenbahnen

von Oliver Zaude





Gliederung



1. Vorwort



2. Einleitung



3. Die KBE - Triebwagen



4. Der Triebwagen ET 57



5. Die Geschichte des ET 57



6. Der ET 57 aus heutiger Sicht



7. Technische Angaben





EINLEITUNG

Die Köln-Bonner Eisenbahnen AG (KBE) nahm unter den deutschen Privatbahnen immer eine besondere Stellung ein, orientierte sie doch ihren Betrieb weitestgehend an dem der Deutschen Bundesbahn. So gab es bis 1975 Raucher- und Nichtraucherabteile, die 1. und 2. Wagenklasse und einen Zugverkehr mit Personen-, Eil- und Schnellzügen. Ihre beiden elektrifizierten Hauptstrecken verbanden die Städte Köln und Bonn zum einen entlang des Rheines über Wesseling mit der Rheinuferbahn, der heutigen Linie 16, zum anderen entlang des Vorgebirges über Brühl mit der Vorgebirgsbahn, der heutigen Linie 18. Außerdem existierte ein elektrischer Betrieb auf der Querbahn Wesseling-Brühl.


Die KBE war in ihrer technischen Entwicklung den Staatsbahnen stets voraus. So war die Rheinuferbahn nach ihrer Eröffnung im Jahre 1905 als erste elektrische Schnellbahn Deutschlands, die zudem auch noch mit der für die damalige Zeit ungewöhnlich hohen Gleichspannung von 1 000 Volt betrieben wurde, lange Zeit eine international beachtete Sensation. 1 960 nahm die KBE eines der ersten Unterwerke mit den damals neuartigen Silizium-Gleichrichtern in Betrieb und im Jahre 1964 stellte sie mit den sogenannten "Silberpfeilen" die ersten vollgeschweißten Aluminium-Schienenfahrzeuge der Welt in Dienst, die ihrer Zeit weit voraus waren und eine Keimzelle für den weltweiten Einsatz des Werkstoffes Aluminium im Schienenfahrzeugbau bildeten. Schon vier Jahre zuvor war mit einem noch teilweise genieteten Prototyp ein neuer Maßstab im Nahverkehr gesetzt worden.

Auch in der Sicherungstechnik hatte die KBE stets die Nase vorne: 1952 ging im Bahnhof Brühl-Vochem das erste größere Drucktastenstellwerk der Bauart DrS in Deutschland in Betrieb und 1986 war das Mikrocomputerstellwerk in Kendenich wieder die erste größere Anlage einer neuen Stellwerksgeneration.

Seit dem 1. Juli 1992 existiert die KBE nicht mehr. ihren Güterverkehr übernahm die neu gegründete Häfen- und Güterverkehr Köln (HGK), den Personenverkehr teilen sich die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) mit den Stadtwerken Bonn (SWB).




DIE KBE - TRIEBWAGEN

Der ET 57 spielt in der Geschichte des öffentlichen Personennahverkehrs in der Region Köln-Bonn eine ganz besondere Rolle: Er ist der letzte Vertreter einer ganzen Reihe von Fahrzeugen, die speziell für den Personenverkehr der ehemaligen Köln-Bonner Eisenbahnen AG entwickelt wurden. Die Entwicklungsgeschichte dieser elektrischen Triebwagen soll hier kurz skizziert werden.

Waren auf der Rheinuferbahn in den ersten Jahren nach der Eröffnung zunächst Einzeltrieb- und Beiwagen mit blechverkleidetem Holzaufbau im Einsatz, so ging die KBE ab den Zwanziger Jahren dazu über einige Triebwagen fest mit je einem Beiwagen durch einen Faltenbalgübergang zu kuppeln, um Zugbegleitpersonal einzusparen.

Im Jahre 1930 wurden erstmals schwere genietete Stahltriebwagen mit festgekuppelten Steuerwagen eingesetzt, die mehr Komfort für die Fahrgäste boten 'und durch eine höhere installierte Antriebsleistung eine größere Reisegeschwindigkeit ermöglichten.

Sechs Jahre später entstanden die ersten beiden Doppeltriebwagen (die späteren ET 32 und 33), die als Erprobungsträger für die zukünftig zu entwickelnden Triebwagen der KBE galten. Bei diesen Doppeltriebwagen wurden Motoren und Antriebsausrüstung gleichmäßig auf beide wagen verteilt und erstmals druckluftbetriebene Doppelschiebetüren mit den für die KBE so charakteristischen Klapptrittstufen eingeführt, die ein bequemes Einsteigen sowohl von Bahnsteigen, als auch von der Straßenoberfläche aus ermöglichten.

1940 wurden dann die ersten 3 Doppeltriebwagen in Stahlleichtbauweise in Dienst gestellt, die die Grundbauform für alle weiteren 18 bis 1956 beschafften Triebwagen festlegten.

Die weiteren Lieferungen von 1950 (6 Triebwagen), 1951 (4 Trieb- und 4 Steuerwagen), 1953 (4 Steuerwagen), 1954 (3 Triebwagen) und 1956 (5 Trieb- und 4 Steuerwagen) wurden jeweils aus den gewonnenen Erfahrungen der technischen Entwicklung angepaßt, blieben aber in ihren Grundabmessungen im wesentlichen unverändert. Einige von ihnen besaßen Packabteile zum Transport von Post und Gepäck.

Nach Ablieferung der letzten Bauserie von 1956, der auch der ET 57 entstammt, begann die KBE mit der Entwicklung eines völlig neuen Schnelltriebwagentyps aus Aluminium. Die "Silberpfeile" waren geboren. Es würde den Rahmen dieser Schrift sprengen, wollte man auf alle Vorzüge des im Jahre 1960 unter dem Motto "leichter-schneller-bequemer" in Dienst gestellten Prototyps ET 201 eingehen, der eine weltweite Beachtung erfuhr. Im Gegensatz zu den sechs im Jahre 1964 gebauten Serienfahrzeugen, von denen die letzten 1994 in Österreich verschrottet wurden, befindet sich der ET 201 heute im Besitz der Köln-Bonner Eisenbahn Freunde.

Die zwischen 1936 und 1956 gebauten Doppeltriebwagen aus Stahl jedoch bildeten seit dem letzten Krieg das Rückgrad des Personenverkehrs der KBE. Wer kennt sie nicht, die gemütlichen rotelfenbeinfarbenen Triebwagen, die noch bis Mitte der Achtziger Jahre zwischen den Städten Köln und Bonn umherschaukelten? Die Fahrzeuge waren robust, zuverlässig und bei den Fahrgästen recht beliebt, garantierten sie doch große Pünktlichkeit und bequemes Reisen. Einige von ihnen standen mehr als vierzig Jahre lang im Einsatz. Von den 23 gebauten Doppeltriebwagen existieren heute nur noch vier. Drei davon, die ET 55, 59 und 60, fahren noch immer, wenn auch in veränderter Form, in Österreich bei der Linzer Lokalbahn. Der ET 57 ist damit der letzte Vertreter dieser für den Köln-Bonner Raum so typischen Fahrzeuge, mit denen Millionen von Menschen zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen, zu Bekannten oder einfach nur so zum Ausflug ins Vorgebirge gefahren sind. Er ist zudem auch als einziges Fahrzeug noch nahezu im Originalzustand von 1956 erhalten geblieben. Seine besondere Konstruktion ist im Folgenden beschrieben.




DER TRIEBWAGEN ET 57


Der ET 57 wurde 1956 in einer Serie aus 5 Trieb- und 4 Steuerwagen bei der Westwaggon AG in Köln-Deutz gebaut und von den Siemens-Schuckert-Werken elektrisch ausgerüstet. Der Anschaffungswert des Doppeltriebwagens betrug 1956 ca. 650.000,-DM. Wie bereits weiter oben erwähnt, entsprach das Fahrzeug im wesentlichen den bereits seit 1940 beschafften Doppeltriebwagen, wobei jedoch der technische Fortschritt und die betrieblichen Erfahrungen zu einigen Änderungen führten. Der Einsatz von Doppeltriebwagen sparte Zugbegleitpersonal ein und die zusätzlichen Steuerwagen sollten die Investitions- und Unterhaltungskosten für den dreifachen Fahrzeugbedarf während der kurzen Zeiten des Berufsverkehrs mindern.

Der Betrieb der KBE wies einige Besonderheiten auf. Die Fahrzeuge mußten sowohl auf den mit 1200 Volt Gleichspannung elektrifizierten Hauptstrecken verkehren, als auch im Stadtgebiet von Köln die mit nur 800 Volt elektrifizierten Gleise der Straßenbahn auf den im Straßenplanum verlegten Rillenschienen mitbenutzen. Sie mußten sowohl nach der Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung (EBO) als auch nach der Betriebsordnung für Straßenbahnen (BOStrab) zugelassen sein. Deshalb war die maximale Wagenbreite nach BOStrab auf 2,70 m begrenzt und die Spurkränze der Radreifen erhielten ein Spezialprofil, das beiden Ansprüchen gerecht wurde. Auch mußten große Fahrerstandsfenster das bei der Straßenbahn übliche Fahren auf Sicht ermöglichen und der Wagen durch Fahrgäste von der Straßenfahrbahn aus bestiegen werden können. Da der Triebwagen auch im öffentlichen Verkehrsraum lief, sind auch Blink- und Bremsleuchten vorhanden, was für ein Eisenbahnfahrzeug eher ungewöhnlich ist.





Der Et 57 in seiner jetzigen Heimat, dem ehemaligen Betriebswerk Köln-Nippes unweit des RIM in Köln-Longerich





Foto: Andreas Otterbein, Rheinisches Industriemuseum





Da schon bei der Serie 1940 die Stahlleichtbauweise zur Anwendung kam und sich die Grundform bewährt hatte, wurde an den Hauptabmessungen der Wagen und der Anordnung der Abteile nichts Wesentliches verändert. Die mittig angeordneten Einstiegsräume haben Leichtmetall-Doppelschiebetüren, die vom Fahrerstand aus elektropneumatisch geöffnet und vom Schaffner in den Einstiegsräumen auf Knopfdruck wieder geschlossen werden konnten. Seit der Einführung des Einmannbetriebes bei der KBE im Jahre 1982 können die Türen auch vom Fahrerstand aus geschlossen werden, wobei vor dem Schließen der Türen etwa 3 Sekunden lang automatisch ein Warnsignal ertönt. Die Fußbodenhöhe von 1030 mm in der Wagenmitte muß in drei Stufen von 380, 360 und 290 mm Höhe erstiegen werden. Die untersten Tritte wurden als elektropneumatisch angetriebene Klapptrittstufen ausgeführt. Dadurch brauchte der Wagenunterbau an den Einstiegen nur um eine Stufenbreite eingeschnürt werden. Diese Bauweise bot mehr Platz in den Einstiegsräumen und ersparte eine schwere Ersatzkonstruktion für das Umleiten der Kräfte an den geschwächten Trägerteilen. Über den beiden äußeren Motordrehgestellen ist der Fußboden 90 mm höher, was durch eine leichte Rampe ausgeglichen wird.

Zwischen den beiden Wagen eines Doppeltriebwagens befindet sich ein seitenverschiebbarer Faltenbalg, der einen sicheren und trockenen Übergang zwischen den Wagen auch für die Fahrgäste gestattet.

Wie schon bei den Lieferungen 1953 und 1954 sind die Fenster, deren oberer Teil zunächst aus hellgrün eingefärbten Schiebefenstern aus Katacalorglas bestand, um die Sonneneinstrahlung zu mindern, in Gummi gefaßt. Diese Fenster wurden 1962 durch die auch heute noch eingebauten Alux-Oberlichtklappfenster ersetzt.

Die im a-Wagen angeordneten Einzelabteile der 1. Klasse sind durch Pendeltüren voneinander getrennt, um Raucher- und Nichtraucherabteile zu bilden. Die Sitze mit Schlaraffia-Federung waren hier früher mit grünem Plüsch bezogen und an den Fenstern konnten mattbraune Gardinen zugezogen werden. Die Wandverkleidung aus Schweizer Birnbaumfurnier war früher mit geschmackvollen Bildern verziert. Es gab einen "französischen Wagen", einen "spanischen Wagen", einen "Schweizer Wagen" und einen "Berliner Wagen". Später wurden diese Bilder teilweise durch Fotos aus dem Köln Bonner Raum und noch später durch Werbung ersetzt. Nach der Aufhebung der 1. Wagenklasse wurden die Plüschsitze mit blauem Kunstleder überzogen und die weißen Kopfstützen sowie die Pendeltüren entfernt. Die drei Großraumabteile der 2. Wagenklasse sind oben mit poliertem Rüsterfurnier und unten mit einer Resopal-Verkleidung versehen, an deren Stelle sich früher blaue Kunstledertapete befand. Buntgemusterte Gardinen verzierten nach dem damaligen Geschmack auch hier die Fenster, während die Sitze mit blauem Kunstleder überzogen sind. Alle Beschläge des Wagens wie Griffe, Aschenbecher, Gepäckträger, etc. bestehen aus blankeloxiertem Leichtmetall. Die Seitenwände und der Fußboden enthalten einen Schalldämmbelag.

War der ET 57 anfangs in den Farben weinrot und elfenbein lackiert, so präsentiert er sich heute in den Farben hellelfenbein (RAL 101 5) und karminrot (RAL 3002). Das Dach ist eigentlich mausgrau (RAL 7005), jedoch wurde es durch den Abrieb von Oberleitung und Stromabnehmern tiefbraun gefärbt. Bei der Lieferung 1956 bekamen die Stirnwände auch die für' die KBE-Züge charakteristische "Nase" und zusammen mit den Scharfenbergkupplungen und den erstmalig eingebauten Bremsleuchten ein neues schnittiges Design, das im Jahre 1956 topmodern war. Außerdem wurden die Schlußsignallampen von den Scheinwerfern getrennt, wodurch man die Fahrzeuge der Lieferung 1956 bis Ende der siebziger Jahre von den Übrigen unterscheiden konnte. Nach 1956 wurde der ganze Wagenpark des KBE-Personenverkehrs auf die selbsttätige Scharfenbergkupplung umgerüstet, die das Kuppeln gegenüber den bisher verwendeten Mittelpufferkupplungen erheblich erleichterte und dadurch Zeit beim An- und Abkuppeln einsparte. Auch brachte sie eine Verbesserung der mechanischen Verbindung zwischen den Wagen, die nun ohne Spiel gekuppelt werden konnten. Die elektrischen Verbindungen werden gleichfalls automatisch mit dem auf der Kupplung sitzenden elektrischen Kuppelkopf hergestellt. Das Problem, durch diese Kupplung auch die Heizspannung von 1200 Volt für die Steuerwagen zu übertragen, wurde durch ausreichende Isolationsabstände auf dem Kontaktträger gelöst. Außerdem schalten zwei sogenannte Kuppelschütze durch gesonderte Kontakte die Hochspannung unmittelbar vor dem Entkuppeln sicher ab. Da die Triebwagen im Betrieb immer nur in einer Richtung standen, brauchten die elektrischen Kontakte nur einfach vorhanden sein.

Wie schon bei der Lieferung 1953 wurden neue, leichte Drehgestelle der Bauart Minden-Deutz mit doppelt gewellten Leichtradsätzen zur Geräuschdämmung eingebaut, die gegenüber den früher verwendeten Drehgestellen der Bauart Görlitz eine Gewichtsersparnis, größere Laufruhe, sowie eine verschleißfreie Achslagerführung mit sich brachten. Das Motordrehgestell wiegt 7980 kg, das Laufdrehgestell nur 4690 kg. Alle Achsen sind rollengelagert und die bisher verwendeten durchgehenden Bahnräumer wurden durch einzelne leichte Schienenräumer aus Kunststoff ersetzt.

Die Hauptbetriebsbremse ist eine mehrlösige Druckluft-Klotzbremse der Bauart Knorr Kbr VI. Diese Bremsbauart wurde speziell für leichte Städteschnellbahnen konstruiert, fand aber auch im Braunkohlentagebau ihre Anwendung. Jeder der beiden Wagen hat einen eigenen 100-Liter-Hilfsluftbehälter und ein eigenes Steuerventil F 111. Dieses steuert jeweils einen 12-Zoll-Bremszylinder, der über ein Gestänge auf die 16 Graugußbremsklötze eines Wagens wirkt. Die beiden Hauptluftbehälter, die 150 Liter Druckluft fassen, werden von dem unter dem b-Wagen angebrachten Motorkompressor des Typs VV 100/75 gespeist, der pro Minute mehr als 650 Liter Luft auf 8,5 Bar verdichten kann. Dieser wird von einem 5-kW-Elektromotor angetrieben, der direkt aus der Fahrleitung versorgt wird. Ein Druckwächter schaltet ihn unterhalb 5,5 Bar ein und bei 8,5 Bar wieder aus. Der Betriebsdruck der Hauptluftleitung beträgt 5 Bar, der des Bremszylinders maximal 3,9 Bar. In jedem Fahrerstand befindet sich eine Handbremse, die über eine Spindel direkt auf das jeweils vordere Drehgestell wirkt.

Erstmals erhielten die Drehgestelle auch Magnetschienenbremsen in Hochaufhängung, die bei Betätigung mittels kleiner Druckluftzylinder auf die Schienen abgelassen werden konnten und aus der 72-Volt-Niederspannung einen Anpreßdruck von je 9000 kg erzeugten. Später wurden diese durch solche in Tiefaufhängung ersetzt, wodurch auf die Hubzylinder verzichtet werden konnte. Das brachte eine Gewichtsersparnis und ermöglichte ein schnelleres Ansprechen. Die Schienenbremse wurde erforderlich, um diese Triebwagen, die auf der Rheinuferbahn mit 110 km/h Geschwindigkeit fahren sollten, noch im Vorsignalabstand von nur 440 m sicher zum Stehen zu bringen.

Der Führerstand wurde bei dieser Serie ganz für eine Bedienung im Sitzen eingerichtet, wobei der anfangs verwendete Bürodrehstuhl im ET 57 später durch einen festen abgefederten Fahrersitz ersetzt wurde. Neu waren auch die eingebauten Fußpedale, die dem Triebwagenführer das Bedienen von Schaltern ermöglichen, ohne seine Hände von den Griffen des Fahrschalters oder des Führerbremsventils nehmen zu müssen. Mit den 4 Pedalen werden die Lautsprecheranlage, der Sandstreuer, das Rasselwerk sowie die Luftpfeife und die Sicherheitsfahrschaltung betätigt, die im Falle des Loslassens den Steuerstrom unterbricht und nach einer Verzögerung von 3 Sekunden selbsttätig eine Schnellbremsung einleitet. Die Fahrerstände die erstmals auch eigene Dachlüfter erhielten, haben jeweils eine Tür zum Innenraum des Wagens und eine nach außen, damit Triebwagenführer diese Räume auch ohne Störung der Fahrgäste betreten kann.





ET-Umbau der Linzer Lokalbahn





Foto: Sammlung Andreas Otterbein, Rheinisches Industriemuseum Köln-Longerich





In den beiden äußeren Drehgestellen des ET 57 befinden sich insgesamt 4 tatzgelagerte Gleichstrom-Reihenschluß-Fahrmotoren. Erneut wurden die bewährten, bereits seit 1930 im Einsatz befindlichen Siemens-Maschinen vom Typ Dy 803 a mit je 108 kW Stundenleistung verwendet, wobei das Drehmoment über ein zur Geräuschminderung schrägverzahntes Getriebe mit der Übersetzung 1 : 3,3 auf die Radsätze übertragen wird. Beide Fahrmotoren eines Drehgestells sind dauernd in Reihe zu einer Gruppe geschaltet. Die beiden so gebildeten Motorgruppen, werden durch ein motorgetriebenes automatisches Nockenschaltwerk in 12 Fahrstufen zunächst in Reihe dann in weiteren 8 Stufen parallel geschaltet. In einer weiteren sogenannten Shunt-Stufe werden die Erregerfelder der Fahrmotoren um 33 % geschwächt, was die Motoren zu einer Drehzahlsteigerung zwingt. Diese Fahrstufe führte aber besonders beim Mitführen der Steuerwagen oft zu Überhitzungen der Fahrmotoren. Auch neigten die selbstbelüfteten Maschinen im Winter bei Schneetreiben dazu, mit der Kühlluft auch Pulverschnee anzusaugen, der dann gelegentlich Kurzschlüsse verursachte. Die einzelnen Fahrstufen werden durch vorgeschaltete Widerstände realisiert, die unter dem Wagenboden der 1. Klasse angeordnet sind und durch den Fahrtwind gekühlt werden. Der Anfahrvorgang wird dabei von einem Stromwächter überwacht, der das Schaltwerk bei Erreichen des eingestellten maximalen Motorstromes automatisch auf der jeweiligen Fahrstufe anhält und erst wieder freigibt, wenn dieser Sollwert unterschritten wird. Dadurch wird eine jeweils den Anforderungen des Betriebes entsprechende maximale Beschleunigung erzielt. Der Nachteil dieses einfachen und wirkungsvollen Systems liegt darin, daß das Schaltwerk bei einem Schleudern der Achsen weiter aufschaltet, da in diesem Fall der Motorstrom stark absinkt. Dem Fahrer bleibt nichts anderes übrig, als den Fahrstrom zu unterbrechen und den Anfahrvorgang über den gesamten Anfahrwiderstand zu wiederholen. In der Praxis trat das Schleudern der Achsen vor allem im Herbst auf dem Streckenabschnitt der Luxemburger Straße in Köln auf, wenn das auf die Schienen gefallene Laub zu einer stark schmierenden Substanz zerquetscht wurde.

Der Fahrer kann mit dem Fahrschalter nur die Stufen "R" (Rangieren), "S" (Serienfahrt), "P" (Parallelfahrt) und "PS" (Shuntfahrt) vorwählen, wobei das Schaltwerk dann jeweils maximal bis zur 1., 12., 20., 21. Fahrstufe läuft. Mit dem Fahrschalter wird auch die verschleißfreie fremderregte elektrische Widerstandsbremse betätigt, indem die Kurbel in die andere Richtung gegen einen Federdruck in die Stellungen "B1” und "B2" gedreht wird. Bei dieser Bremse werden die Fahrmotoren als Generatoren geschaltet und die dabei aus der Fahrt gewonnene Energie in den Anfahrwiderständen in Wärme umgesetzt. Das Umschalten in die Bremsstellung geschieht mittels eines Fahrbremswenders, der in das Nockenschaltwerk integriert ist und von einem gesonderten Schaltmotor angetrieben wird. Um eine über einen weiten Geschwindigkeitsbereich relativ konstante Bremskraft zu erzielen, werden die Fahrmotoren aus dem Umformer fremderregt. Da dieser dabei kurzzeitig erheblich überlastet wird, kam es oft zu Schäden. Der Umformer mit 8 kW Dauerleistung liefert auch die Niederspannung von 72 Volt, die im wesentlichen die Beleuchtung, die Schienenbremse und die Wagensteuerung versorgt. Für die Pufferung ist eine 64-Volt-Panzerplatten-Batterie mit 165 Amperestunden Kapazität vorhanden, deren 8 Tröge sich in 2 Kästen unter dem Wagenfußboden befinden. Die Beleuchtung besteht aus Gleichspannungsleuchtstoffröhren, die direkt mit 72 Volt betrieben werden und damals eine neue, aber nicht weiter verfolgte Entwicklung darstellten. jeweils 2 der Röhren sind in den halbversenkten ovalen Deckenleuchten untergebracht, die den damaligen Zeitgeschmack der fünfziger Jahre repräsentieren. Gegenüber der herkömmlichen Glühlampenbeleuchtung konnte die Beleuchtungsstärke 1 m über dem Fußboden von 60-80 Lux auf ca. 120 Lux gesteigert werden. Zusätzlich wurde noch eine Glühlampennotbeleuchtung in die Abteilquerwände eingebaut, die bei einem Absinken der Batteriespannung eingeschaltet werden kann. Für ein angenehmes Klima in den Fahrgasträumen sorgen die thermostatgesteuerten Heizkörper unter den Sitzbänken und die im Dach eingebauten Motorlüfter, die in der 2. Klasse vom Schaffner und in der 1. Klasse von den Fahrgästen selbst in jedem Abteil individuell eingeschaltet werden können.

Zur Information der Fahrgäste ist eine Lautsprecheranlage installiert. Sie konnte sowohl von den Fahrerständen als auch vom Einstiegsraum im a-Wagen aus besprochen werden. Wurde sie anfangs mit zwei Röhrenverstärkern betrieben, die ihre hohe Betriebsspannung von 310 Volt aus gesonderten kleinen Umformern bezogen, so ist heute ein Transistorfahrzeugverstärker von Wandel & Goltermann im Einsatz.

Die beiden auf dem Dach befindlichen Stromabnehmer des Typs Stemmann BS 70 werden elektrisch durch kleine Getriebemotoren gehoben und gesenkt. Ferner befinden sich auf dem Dach die 625-A-Hauptstromsicherung und zwei 100-A-Hilfsbetriebesicherungen für die Absicherung der Hochspannungskabel, sowie ein Kathodenfallableiter, der die elektrische Anlage vor Überspannung schützt, die überwiegend von Blitzeinschlägen in die Fahrleitung verursacht wird. Die Fahrmotoren werden zusätzlich durch einen von den Fahrerständen aus fernbedienten elektropneumatischen Überstromselbstschalter vor Überlastung schützt.




DIE GESCHICHTE DES ET 57

Der ET 57 traf am 20. November 1956 im Bahnbetriebswerk Wesseling der KBE ein, wo er auch während seines ganzen aktiven Dienstes beheimatet war. Der Triebwagen wurde nach der Abnahme zunächst im Schnellzugdienst auf der Rheinuferbahn eingesetzt, kam später aber auch im Personen- und Eilzugdienst auf den übrigen Strecken zum Einsatz.

1959 wurde der Überstromselbstschalter (Automat) des ET 57 probeweise mit einem neuen Druckluftantrieb ausgerüstet, der später auch bei den anderen KBE-Triebwagen Anwendung fand.

Im Rahmen seiner ersten Hauptuntersuchung wurde der ET 57 Ende 1960 versuchsweise mit Kunststoff-Bremsklötzen ausgerüstet, die sich jedoch nicht bewährten, sodaß die eigens dafür montierten Bremsgestänge wieder rückgebaut wurden. Gleichzeitig wurden an den Achslagern auch die Schraubenfedern und Stoßdämpfer entfernt und gegen Gummielemente ausgetauscht, da der Wagen zu sehr zum Wanken neigte. Bei dieser Untersuchung erhielt der Triebwagen auch schon die später bei den "Silberpfeilen" eingesetzten Schnellfahrstromabnehmer vom Typ BS 70 der Firma Stemmann mit Einholm-Unterschere.

1962 wurden die grünen Schiebefenster durch Oberlichtklappfenster der Firma Alux ersetzt.

Zu Beginn der siebziger Jahre wurden die beiden Fahrpulte auf die Einheitskippschalter der Deutschen Bundesbahn umgerüstet. Auch mußten die äußeren Zierleisten unter den Fenstern und an den Kopfschürzen entfernt werden, da sich dort immer wieder Roststellen bildeten.

Am 5. November 1971 kam es an der Einfahrt zum Kölner Hafen zu einem Zusammenstoß mit einem PKW mit Einachsanhänger. Eine der Scharfenbergkupplungen mußte ersetzt werden.

Noch kein Jahr später, am 12. September 1972 stieß der ET 57 wiederum an der Hafeneinfahrt in Köln diesmal mit einem Tankwagen zusammen, wobei der b-Führerstand schwer beschädigt wurde.

Am Nachmittag des 30. August 1975 verkehrte auf der Rheinuferbahn mit dem D 44 der letzte Schnellzug einer nichtbundeseigenen Eisenbahn und der ET 57 hatte diesen Dienst zu leisten.

Mit dem Beitritt der KBE zur neugegründeten Verkehrs- und Tarifgemeinschaft Rhein Sieg (VRS) am 1. Oktober 1 976 erhielten alle Trieb- und Steuerwagen Fahrscheinentwerter.

Am 7. Februar 1977 ereignete sich an der Hafeneinfahrt in Köln abermals ein schwerer Unfall mit einem LKW, bei dem der Triebwagen vom Kopf des a-Wagens bis zum Mitteleinstieg des b-Wagens auf der Rheinseite schwer beschädigt wurde. Vom 8. März bis zum 9. Mai 1977 verweilte der Zug deshalb bei der Waggonfabrik Uerdingen AG in Düsseldorf, wo ein großer Teil der Beblechung erneuert und der ganze Wagenkasten neu lackiert wurde. Dabei geriet auch der charakteristische Knick in die Lackierung der Stirnwandnasen, der es ermöglichte, den ET 57 schon von weitem von allen anderen Triebwagen der KBE zu unterscheiden. Bei der anschließenden Hauptuntersuchung wurden u.a. neue Schienenbremsen mit Gliedermagneten in Tiefaufhängung eingebaut.

Um ihre Werbeverträge zu erfüllen, versah die KBE den ET 57 am 13. Juli 1977 mit “IKEA"-Reklame als Ersatz für den am 30. Juni in Brühl-Mitte ausgebrannten ET 60.

Im Sommer 1978 erhielt auch der ET 57 eine Funkanlage, was man an den auf den Führerstandsdächern angebrachten Antennen erkennen konnte.

Nach der Einstellung des Eisenbahnbetriebes auf der Rheinuferbahn wurde Ende der siebziger Jahre die Shunt-Fahrstufe zum Schnellfahren abgeklemmt, da es besonders im Steuerwagenverkehr immer wieder zu Motorschäden kam. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde auf 100 km/h herabgesetzt, da eine größere Geschwindigkeit für den Restbetrieb auf \/orgebirgs- und Querbahn ohnehin weder nötig noch zulässig war.

Bis zum 1. November 1982 wurden alle verbliebenen Triebwagen auf den Einmannbetrieb umgerüstet, um auf den personalintensiven Schaffnereinsatz zu verzichten. Hierfür wurde die Türsteuerung umgebaut, an den Fahrerständen Außenspiegel montiert und im b-Wagen ein Fahrscheinverkaufsautomat anstelle der rheinseitigen Längssitzbank im äußeren Großraumabteil installiert. Außerdem erhielt der ET 57 in dieser Zeit die heutigen Doppelleuchten, die den Einheitslampen der Elektrolokomotiven der Deutschen Bundesbahn entsprechen.

Im April 1983 geriet die elektrische Ausrüstung unter dem 1.-Klasse-Abteil in Brand und der ET 57 mußte für 2 Monate in die Werkstatt. Neben den elektrischen Instandsetzungsarbeiten wurden die grünen Plüschpolster der 1. Klasse durch Kunstlederbezüge ersetzt und der Bodenbelag erneuert.

1984 wurde bei allen Triebwagen der KBE die elektrische Bremse außer Betrieb genommen, da immer wieder Schäden an den Umformern auftraten.

Am 10. Juli 1985 erhielt der ET 57 noch einmal eine Hauptuntersuchung, da der Triebwagen vorerst nicht entbehrlich war und die KBE noch auf einen Weiterverkauf spekulieren konnte.

Mit der Einstellung des Eisenbahnbetriebes auf der Vorgebirgsbahn am 8. November 1986 schied der ET 57 dann nach mehr als 3 Millionen Kilometern Laufleistung aus seinem aktiven Dienst aus. Er hatte an diesem Tag zusammen mit dem ET 52 die Ehre, den letzten Eisenbahnzug der Vorgebirgsbahn zu fahren, der gleichzeitig auch der letzte Reisezug der KBE war.

Anschließend wurde der Triebwagen in Brühl-Vochem abgestellt, wovon "Eisenbahnfreunden" leider wertvolle Teile entwendet wurden, die nur mit großem Aufwand wiederzubeschaffen waren. Weiterer Diebstahl konnte dann jedoch durch den Einbau eines Zylinderschlosses verhindert werden. Zusammen mit zwei weiteren Eisenbahnfreunden wollte ich den Triebwagen vor der drohenden Verschrottung retten. Dazu wurden u.a. aus den übrigen abgestellten Triebwagen zahlreiche Ersatzteile sichergestellt und im ET 57 eingelagert.

Als das Projekt ET 57 zu scheitern drohte, da die KBE keinen Abstellplatz vermieten wollte, gelang es einem Mitglied der Bezirksvertretung, den Bonner Stadtrat vom historischen Wert des Triebwagens zu überzeugen. Dieser beschloß dann, das Fahrzeug von der KBE zum Schrottpreis von ca. 5.500,- DM zu erwerben und von den Bonner Stadtwerken als Lok-Denkmal erhalten zu lassen.

Am 16. Juli 1987 wurde der ET 57 dann vom Stadtbahnwagen 7573 über die Quer- und Vorgebirgsbahn vorbei an einigen Hochbahnsteigen in den Betriebshof Dransdorf geschleppt und von SWB-Chef Reiner Schreiber persönlich in Empfang genommen. Dort war der Triebwagen fast zwei Jahre lang schutzlosem Freigelände abgestellt, wodurch ein großer Teil der heutigen Rostschäden entstand.

Um den weiteren Erhalt des Triebwagens sicherzustellen, wurde das 2,70 m breite Fahrzeug am 1 5. April 1989 mit Hilfe zweier Stadtbahnwagen durch die Bonner U-Bahn in den Betriebshof Friesdorf überführt, wo er in der dortigen Halle warm und trocken zwischen den Omnibussen untergestellt werden konnte. Da das Lichtraumprofil der KBE-Triebwagen größer als das der Stadtbahnwagen ist, wurde Tage vorher ein solcher mit dem KBE-Profil aus Styropor beklebt und dabei festgestellt, daß das Dach des ET 57 total abgeräumt werden mußte. Bei diesen Arbeiten ging leider ein Teil der hölzernen Dachaufbauten, auf denen die Stromabnehmer montiert waren, verloren. Sie müssen nun anhand von Fotos rekonstruiert und neu angefertigt werden.

Da der Betriebshof Friesdorf aber 1994 gänzlich auf Omnibusbetrieb umgebaut und die Gleisanlage entfernt werden sollte, war in Bonn kein Platz mehr für den mehr als 38 m langen Triebwagen. Ein Transport über die Schiene an Orte außerhalb Bonns erschien schwierig, da die Häfen und Güterverkehr Köln (HGK) das Fahrzeug aus technischen Gründen nicht auf ihren Gleisanlagen befördern konnte. Als einzige Möglichkeit blieb die Überführung mit einem Straßentieflader in die große Halle des Rheinischen Industriebahn-Museums im ehemaligen Bahnbetriebswerk Köln-Nippes. Dazu mußte ich mich verpflichten, den Triebwagen in mein Eigentum zu übernehmen und damit auch die im Falle des Falles entstehenden hohen Kosten für die Verschrottung selbst zu tragen. Da dies die einzige Möglichkeit zur Erhaltung des formschönen Triebwagens war und dieses einzigartige technische Denkmal sonst unwiederbringlich vernichtet worden wäre, schlug ich ein, zumal die Stadtwerke Bonn bereit waren, die Kosten für eine Überführung auf der Straße zu tragen. Am Nachmittag des 17. März 1994 wurde der ganze Doppeltriebwagen in einem Stück auf einen 40-m-Straßentieflader verladen, wobei sich das Gewicht auf 16 Achsen mit je 4 Rädern verteilte. Ab 22.00 Uhr machte sich das insgesamt mehr als 120 Tonnen schwere Gefährt begleitet von einer Polizeieskorte mit Hilfe einer 500-PS-Zugmaschine auf einen langen Umweg nach Köln, auf dem unter anderem der Rhein zweimal gequert werden mußte, da nicht alle Straßen genügend Platz für dieses lange Ungetüm boten. Am Morgen des 18. März wurde der Triebwagen im Bereich des Verschiebebahnhofs Köln-Nippes abgeladen und mit Hilfe des Zweiwege-Unimogs der Stadtwerke Bonn an seinen Platz in der großen Halle des Bw Köln-Nippes geschleppt.





ET 57 steht im Betriebshof Bonn zur letzten Fahrt nach Köln bereit. Endstation Museum





Foto: Andreas Otterbein, RIM-Köln





Die Stadtwerke Bonn haben sich in vorbildlicher Weise für den Erhalt dieses Triebwagens und seine Überführung nach Nippes eingesetzt. Allen beteiligten Mitarbeitern bin ich dafür zu großem Dank verpflichtet.

Nun steht der Triebwagen in Nippes und soll natürlich im Laufe der Zeit wieder aufgearbeitet werden. Im Jahre 1994 wurde die gesamte elektrische Anlage und ein Teil der Druckluftanlage in mehr als 400-stündiger Arbeit gründlich durchrepariert. Dafür mußten die leider von "Eisenbahnfreunden" abgebauten Teile von verschiedenen Seiten her ersetzt werden. Dies war nicht immer leicht und billig, so führte der Weg unter anderem bis nach Österreich. Mittlerweile sind aber alle Teile wieder weitgehend vollzählig. Nachdem von der RVVTH in Aachen ein Hochspannungstransformator samt Gleichrichter günstig erworben werden konnte, ist die elektrische Anlage wieder voll betriebsbereit. Am 15. Oktober 1994 gelang es sogar zum ersten mal, den Triebwagen aus eigener Kraft mit Hilfe eines Schweißtransformators ein Stück zu bewegen. Dessen Aufgabe soll künftig ein Akkumulator übernehmen. Der ET 57 wird also sozusagen zum ETA 57. Die nächsten Arbeiten am Zug liegen in der Ausbesserung der Rostschäden und in der Montage der beiden Stromabnehmer, wofür jedoch zuerst die beiden Unterbauten neu angefertigt werden müssen.

Dies erfordert, wie Sie gesehen haben, umfangreiche und kostspielige Reparaturen. Da es mir meine momentane Situation als Student nicht ermöglicht, die entstehenden Kosten alleine zu tragen, bin ich auch weiterhin auf Ihre Hilfe angewiesen.




DER ET 57 AUS HEUTIGER SICHT


Eduard Bündgen schrieb in seinem Buch "Die Köln-Bonner Eisenbahnen" über die Triebwagen der Bauserie 1956, der auch der ET 57 angehört: "Zweckmäßigere und schönere Nahverkehrstriebwagen hat es bis heute auf keiner Bahn dieser Betriebsform mehr gegeben, diese Fahrzeuge waren nicht nur formschön, sondern auch für den Fahrgast gebaut."

Heute allerdings sind sie weitestgehend vom technischen Fortschritt überholt. Schon in den letzten Betriebsjahren erwies sich z.B. die geringe Zahl von nur zwei Einstiegen pro Wagenseite als zu wenig, wodurch der Fahrgastwechsel zu lange dauerte und durch den straffen Fahrplan Zugverspätungen entstanden. Auch ist im Einstiegsbereich zu wenig Stauraum für stehende Kurzstreckenfahrgäste vorhanden.

Der Wagenkasten aus Stahl St 37 ist anfällig gegen Korrosion und verhältnismäßig schwer. Heute verwendet man Edelstahl und Aluminiumlegierungen um die Instandhaltungskosten gering zu halten und das Fahrzeuggewicht zu verringern.





Der ET 201 der Köln-Bonner Eisenbahnfreunde





Foto: Sammlung Andreas Otterbein, RIM Köln-Longerich





Auch die Antriebstechnik hat sich inzwischen stark verändert. Der ET 57 hat nur 4 von 8 durch tatzgelagerte Gleichstrommotoren angetriebene Achsen, auf die das Drehmoment über ein Stirnradgertriebe übertragen wird. Heute rückt man zunehmend vom sogenannten Tatzlagerantrieb ab, da bei diesem immer das halbe Motorgewicht unabgefedert auf der Achse liegt. In letzter Zeit geht man in der Niederflurtechnik sogar schon zu einzeln aufgehängten Rädern mit Radnabenmotoren über, wobei diese direkt angetrieben werden und das wartungsintensive verlustbehaftete Getriebe entfällt. Möglich machte dies erst der Drehstrommotor. Er ist kleiner und leichter als der Gleichstrommotor, benötigt keine Wartung und kann heute über eine Leistungselektronik stufenlos und nahezu verlustfrei gesteuert werden. obendrein kann man mit dieser Technik beim Bremsen Energie ins Netz zurückspeisen. 1956 interessierte die Energierückspeisung noch wenig, obwohl die Aachener Straßenbahn schon 1937 ein elektromechanisches System dafür eingeführt hatte. Beim ET 57 werden die Fahrmotoren im Bremsbetrieb aus dem Umformer erregt, um eine konstantere Bremskraft zu erzielen, wofür mehr als 15 kW elektrische Leistung aus der Fahrleitung zugeführt werden muß. Die Erregung ist erforderlich, um die Fahrmotoren als Generatoren betreiben zu können, deren Energie dann in den Widerständen nutzlos in Wärme umgesetzt wird.

Immerhin ist die elektrische Bremse schon eine gute Ergänzung zur Druckluft-Klotzbremse. Deren Grauguß-Bremsklötze verschleißen die Radreifen und erfordern ein häufiges Wechseln, da sie im Betrieb allmählich zu einem feinen Staub zermahlen werden, der Alles entlang der Strecken braun einfärbt.

Die Steuerung der 4 jeweils ca. 1,5 t schweren Reihenschlußmotoren durch ein mechanisches Nockenschaltwerk ist wartungsintensiv und durch die Stufenschaltung nicht ganz ruckfrei, so sind z.B. die Motoren beim Übergang von Serien- auf Parallelschaltung für einen Moment stromlos, was man deutlich spüren kann. Dies ist nicht nur unangenehm, sondern fördert auch den Verschleiß von Motor, Getriebe und Schaltkontakten. Da die Steuerung des Motorstromes beim ET 57 durch simples Vorschalten der Anfahrwiderstände erfolgt, wird der jeweils nicht für die Motoren benötigte Leistungsanteil schlicht und einfach "verheizt”, wobei sinngemäß die größten Verluste beim Anfahren entstehen. Gerade aber im Personenzugdienst mit häufigem Anfahren ist das sehr unwirtschaftlich. Die in den Anfahrwiderständen entstehende Wärmemenge ist so groß, daß in den siebziger Jahren einmal ein Triebwagen in Brand geriet, weil beim Abschleppen eines Anderen zu lange auf einer Widerstandsfahrstufe gefahren wurde.

Hinderlich im Personenzugdienst ist auch die verhältnismäßig geringe installierte spezifische Leistung von nur 7,3 kW/t (zum Vergleich: "Silberpfeil" ET 212: 14,5 kW/t; DB ET 420:17,4 kW/t). Sie ermöglicht zwar einen geringeren Energieverbrauch, erlaubt jedoch keine starke Beschleunigung. Gerade die aber ist im Personenzugdienst mit seinen vielen Halten erforderlich, wenn Fahrzeit eingespart werden soll. Daher wären die leistungsstarken "Silberpfeile" bei der KBE sicherlich besser für diesen Dienst geeignet gewesen, während z.B. die Antriebsleistung des ET 57 für den Schnellzugdienst mehr als ausreichend war. Die KBE aber wollte mit den Silberpfeilen Werbung für ihre moderne Bahn machen und dem Fahrgast, der ja für den Schnellzug einen Zuschlag bezahlte, auch etwas bieten. Schließlich waren die Schnellzüge auch rentabler für die KBE, da hier mit wenig Personal viele Personenkilometer eingefahren werden konnten, während die personalintensiveren Personenzüge auch noch überwiegend von Zeitkarteninhabern sehr preiswert und keinesfalls kostendeckend genutzt wurden.

War das Fahren aus heutiger Sicht auch unwirtschaftlich, so war es doch außerordentlich bequem und komfortabel. Die gemütliche Holzvertäfelung, die Plüschsitze der 1. Wagenklasse und die Gardinen vor den Fenstern waren nur schwer sauberzuhalten, weshalb die heutigen Fahrzeuge innen rationell mit Kunststoffen verkleidet sind. Gemütlichkeit ist im heutigen Nahverkehr auch immer weniger gefragt und außerdem kaum noch bezahlbar. Das entspricht eben der Zeit von heute, denn das Reisen ist zumeist kein Vergnügen mehr, sondern nur noch lästiges Übel zum Zweck, daß es schnell und billig hinter sich zubringen gilt. Nehmen Sie Platz im ET 57 und versuchen Sie, noch einmal ein Stück Gemütlichkeit zu genießen! Besuchen Sie uns wieder!





An Besuchstagen kann man den ET 57 in Köln-Longerich besichtigen. Eine Fahrt ist mangels geeigneter Strecken nicht mehr möglich





Foto: Andreas Otterbein





Text: Oliver Zaude, Oberbilker Allee 99, 40227 Düsseldorf
Gestaltung: Isabell Rink & Oliver Zaude
Fotos: Andreas Otterbein, Kerpen
Literatur: Prof. Dipl.-Ing. Alfred Schieb: "Die neuen elektrischen Trieb- und Steuerwagen der KBE, Baujahr 1956" (Verkehr und Technik 5/1957) "Rekordfahrt zwischen Bonn und Köln" (Nahverkehrspraxis 1957)




TECHNISCHE ANGABEN


Lieferfirmen mechan.: Westwaggon AG, Köln-Deutz
Elektr.: Siemens-Schuckert Werke, Berlin
Baujahr: 1956
Fabriknummern: 192447 +192448
Höchstgeschwindigkeit: 110 km/h
Stundenleistung: 432 kW bei 52 km/b
Fahrdrahtnennspannung: 1200 V =
Gattungszeichen: AB4ü + B4ü
Achsanordnung: Bo'2' + 2'Bo'
Sitzplätze 1.Kl. / 2.KI.: 18/112
Stehplätze 1.Kl. / 2.KI.: 12/138
Länge über Kupplung: 38680 mm
Gesamt-Radstand: 15300 mm
Radstand im Drehgestell: 2500 mm
Breite des Wagenkastens: 2700 mm
Höhe d. Wagenkastens o. Stromabn.- 3570 mm
- mit Stromabnehmer gesenkt: 4285 mm
- mit Stromabnehmer gehoben: 6185 mm
Leergewicht: 59t
Bremsgewicht P: 84t
P+Mg: 140t
H: 20 t + 20 t
Achsdruck max.: 9t
Treibraddurchmesser: 960 mm
Laufraddurchmesser: 960 mm
Fahrmotore: 4 x Dy 803 a (525V, 227-A, 108 kW, 960 U/min)
Getriebeübersetzung: 1 : 3,3
Steuerung: Nockenschaltung mit Fortschaltrelais
Anzahl der Fahrerstände: 2
Bremsen: Knorr Kbr VI, Magnetschienenbremse, fremderregte
elektrische Widerstandsbremse
Steuerventile: 2 x Knorr F 111
Inhalt der Luftbehälter: Hilfsluftbehälter: 2 x 1 00 1
Hauptluftbehälter: 2 x 150 1
Vorratsluftbehälter: 2 x 57 1
Kompressoranlage: Knorr VV100/75 (1200 V= / 5 kW)
Beleuchtung: Leuchtstoffröhren TL-C 65V/15W
Heizung: elektrisch
Sicherheitsfahrschaltung Knorr EV 121




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