Aus: Verkehr und Technik 1964, Heft 11


Abschließender Bericht über die Einschienenbahn von Seattle (USA)

Nach authentischen amerikanischen Quellen werden die Schlußfolgerungen über den rationellen Einsatz der Einschienenbahnen gezogen.

Bekanntlich wurde im Jahre 1962 im Rahmen der Weltausstellung „20th Century“ (20. Jahrhundert) in der Stadt Seattle (USA) eine Einschienenbahn in Betrieb genommen, die auf rd. 1,6 km Länge die Innenstadt mit dem Ausstellungsgelände verband. Diese „Monorail“, nach dem System der ALWEG-Bahn als Stützenbahn erbaut, sollte gleichzeitig der Fachwelt den Beweis liefern, daß es möglich sein würde, eine solche „Zukunftsbahn“ auch für die Lösung innerstädtischer Verkehrsprobleme in Anspruch zu nehmen. Man hat daher bewußt nach Beendigung der Ausstellung diese Einschienenbahn in Betrieb gelassen.

Im Hinblick darauf, daß sich viele Großstädte der Welt, auch solche in Deutschland, z.B. Frankfurt, Hamburg und Bremen, bereits mit Plänen für den Bau einer ALWEG-Bahn beschäftigt haben, eine Realisierung solcher Projekte abe durchweg ablehnten, erscheint der kürzlich veröffentlichte

abschließende amerikanische Bericht

über die Anlage in Seattle recht aufschlußreich.

Es hat sich erwiesen, daß eine solche Bahn für den Zweck der Heran- und Zurückbeförderung von Ausstellungsbesuchern sehr geeignet ist, denn ihre maximale stündliche Transportkapazität liegt bei 10.000 Personen. Die auf dem nur rd. eine Meile (1,6 km) langen Streckenstück erzielbare Höchstgeschwindigkeit beträgt etwa 85 km/h (53 MPH). Das sofortige beträchtliche Absinken der Beförderungsfälle nach Beendigung der Ausstellung läßt jedoch den Schluß zu, daß dieses Verkehrsmittel für eine innerstädtische Bedienung ungeeignet ist, da die erreichbaren hohen Geschwindigkeiten überhaupt nicht ausgefahren werden könne, denn im großstädtischen Massenverkehr kommt es in erster Linie auf kurze Haltestellenabstände und gute Beschleunigungsverhältnisse an. Der Report sagt ferner aus, daß die äußere Laufruhe der Bahn ausgezeichnet bis bestechend ist, die innere jedoch nicht von jener in einem gut gefederten Bus abweiche, eine erhöhte Komfortsteigerung für den Fahrgast mithin nicht gegeben sei. Durch die Anordnung der Mittelstützpfeiler in der von der Einschienenbahn befahrenen Straße ist die Verkehrsbehinderung für den allgemeinen Straßenverkehr nicht größer geworden, da die Pfeiler eine gute optische Trennung der Fahrtrichtungen ermöglichen, andererseits aber eine individuelle Spurenaufteilung nach Fahrtrichtungen - wie sie in den Großstädten der USA vielfach gebräuchlich und auch erforderlich ist - ausschließen und einen unverhältnismäßig hohen Flächenraum, der sonst für parkende Kraftwagen verwendet werden könnte, in Anspruch nehmen.

Kostenmäßig

würde sich nach diesen amerikanischen Erfahrungen eine solche Einschienenbahn nur dann tragen können, wenn - auf die Meile (1,6 km) umgerechnet - mindestens 6.000 Fahrgäste stündlich je Richtung befördert würden oder jährlich 18 Millionen Personen. Diese Voraussetzungen träfen aber kaum in irgendeiner Großstadt der Welt zu, denn die anormalen Beförderungszahlen während der kurzfristigen Hauptverkehrszeiten könnten nirgends als eine wirtschaftliche Grundlage für Anlage und Betrieb einer Einschienenbahn angesehen werden.

Günter Stetza, Essen

Zur ALWEG-Startseite
Zur Homepage Wisoveg

© Copyright 2002 wisoveg.de
© Copyright 2002 Sammlung Konrad Spath, Jena