Broschüre
1957
Das ALWEG-System ist nach
seinem Urheber, dem schwedischen Großindustriellen Dr.
Axel L.Wenner-Gren
benannt. Er gab im Jahre 1951 einer deutschen Ingenieurgruppe den
Auftrag zur Entwicklung eines neuen Verkehrssystems.
Das
Antriebssystem
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Dabei ging er von der Erkenntnis
aus, daß die derzeitigen Verkehrsmittel die ständig
zunehmenden Anforderungen in wirtschaftlicher Weise nicht mehr voll
befriedigen können. Das auf Grund dieses Auftrages entwickelte
System hat einen Bahnkörper aus Balken mit rechteckigem
Querschnitt, die gleichzeitig als Fahrbahn und Träger dienen
und von Stützen getragen werden. Die Stützenhöhe ist
veränderlich, so daß die Balkenfahrbahn sowohl auf langen
Stützen als Hochbahn, wie auch auf kurzen Stützen als
Oberflächenbahn oder Untergrundbahn verlegt werden kann. Die
Fahrzeuge umgeben mit ihren Fahrwerken die Balken sattelförmig
so, daß auf der oberen Fläche die Tragräder und auf
den beiden Seitenflächen der Balken die Führungs- und
Stabilisierungsräder abrollen.
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Das ALWEG-System kann unter
Berücksichtigung der jeweiligen Erfordernisse bei Stadtbahnen,
Industriebahnen und Fernbahnen Verwendung finden.
Eine ALWEG-S t a d t b a h n bietet
z.B. dort wirtschaftliche und verkehrliche Vorteile, wo es notwendig
ist, ein Massenschnellverkehrs-System in der zweiten Ebenen zu
errichten, oder wo ein bereits bestehendes
Massenschnellverkehrs-System zu ergänzen ist.
Eine I n d u s t r
i e b a h n nach dem ALWEG-Prinzip ist dann wirtschaftlicher als
andere Industriebahn-Systeme, wenn größere
Transportmengen in der zweiten Ebene befördert werden müssen
oder wenn andere Vorteile des ALWEG-Systems (z.B. die große
Steigfähigkeit) voll ausgenutzt werden können.
Eine ALWEG- F e r
n b a h n wird dort möglich sein, wo die Verwendung anderer
Bahn-Systeme wegen der örtlichen Verhältnisse hohe
Aufwendungen für die festen Anlagen und für deren
Unterhaltung verursachen (z.B. bei stark bergigem, unerschlossenem
Gelände oder in Sand- oder Schneeverwehungsgebieten).
Da die Verkehrsprobleme in
den Städten am dringendsten einer Lösung bedürfen,
wurde die Entwicklung des ALWEG-Systems für den städtischen
Personenschnellverkehr bevorzugt behandelt.
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Das ALWEG-System trat zu ersten
Male in die Öffentlichkeit am 8. Oktober 1952, als nach einer
rund einjährigen Entwicklung- und Bauzeit der erste Versuchszug
im Maßstab 1:2,5 (40 % der Normalgröße) auf einer
ovalen Strecke von ca. 1700 m Länge in Köln-Fühlingen
vorgeführt wurde.
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Die folgenden Jahre waren der
technischen Erprobung und Weiterentwicklung des neuen Bahn-Systems
gewidmet. Drei weitere Versuchszüge wurden gebaut, in
Meßfahrten von vielen tausend Kilometern getestet und die
hierbei gesammelten Erfahrungen ausgewertet. Neuartige
Fertigungsmethoden für die Fahrbahn des ALWEG-Systems wurden
entwickelt, so daß dann Ende 1956 mit dem Bau einer Strecke in
normaler Größe in einer Länge von etwa 1,8 km
begonnen werden konnte. Seit dem 23. Juli 1957 wird dort der erste
für den Stadtverkehr entwickelte Zweiwagen-Zug den
interessierten Kreisen gezeigt.
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Die nebeneinander liegenden
Balken des zweigleisigen Streckenabschnittes ruhen mit ihren Enden
auf einer jeweils gemeinsamen Fest-Stütze in T-Form. Einige der
T-Stützen sind aus Stahlbeton, einige aus Stahl hergestellt.
Alle Stützen der ersten ALWEG-Strecke in Normalgröße
- mit Ausnahme der T-Stützen aus Stahlbeton - sind fabrikmäßig
vorgefertigt und dann an Ort und Stelle montiert worden.
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Der Transport und die Montage
der Fertigteile für die Fahrbahn der Normalstrecke in
Köln-Fühlingen erfolgte durch Spezialgeräte, wobei
ein Baufortschritt bis zu einem Balken pro Stunde erzielt wurde.
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Außer dem schlaff
bewehrten 15 m langen Normbalken, wie er bei der ersten Strecke
Anwendung fand, wurde ein Spannbetonbalken von 20 m Länge
entwickelt. In Verbindung mit in Längsrichtung gestellten
Kragarmstützen können mit diesem 20-m-Spannbetonbalken
Spannweiten bis zu etwa 30 m überbrückt werden. Für
größere Spannweiten werden die Balken von
Sonderkonstruktionen getragen.
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Beim Bau der ersten
ALWEG-Strecke kamen zwei verschiedene Weichen - Systeme zur
Anwendung. Das eine stellt eine Biegeweiche dar, bei der ein in sich
federnder Leichtmetall-Hohlträger in seiner Gesamtheit in die
Abzweigstellung gebogen wird.
Diese ALWEG-Strecke in Normalgröße
hat einen eingleisigen und einen zweigleisigen Streckenabschnitt mit
den dazugehörigen Weihen und ist als Hochbahn aus
Stahlbetonteilen erbaut. Ihre Fahrbahn besteht aus vorfabrizierten
hohlen Stahlbetonbalken (1,40 m hoch, 0,80 m breit und 15,0 m lang),
deren Seitenflächen in der Mitte zur Aufnahme der Stromschiene
eingezogen sind. Die Balkenfertigung erfolgte in einer eigens hierfür
konstruierten einstellbaren Vorrichtung unter Verwendung des
Vacuum-Concrete-Verfahrens. Diese Art der Balkenherstellung
ermöglicht schnelle Fertigung, größte Maßgenauigkeit
und Wirtschaftlichkeit, auch bei Balken für überhöhte
Kurven und Übergangsbögen, die in zwei Ebenen verformt sein
müssen.
- Auf dem eingleisigen
Streckenabschnitt der ersten ALWEG - Strecke in Normalgröße
sind jeweils 6 Balken ausdehnungsmäßig zu einer 90 m
langen Einheit zusammengefaßt. Die zusammenstoßenden
Enden der beiden mittleren Balken sind auf einer Feststütze
verankert. Die übrigen Enden der 6 Balken sind auf
Pendelstützen befestigt, die den durch Temperaturschwankungen
hervorgerufenen Längenänderungen der Balken - auf ihren
Fundamenten in Balkenlängsachse pendelnd - folgen können.
Die Längenausgleichsstelle für die 6 Balken befindet sich
jeweils am Anfang bzw. Ende eines 90-Meter-Abschnittes.
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Das andere ist eine
Gliederweiche, bei der gelenkig miteinander verbundene Balkenstücke
in eine Polygonstellung bewegt werden können. Diese nur mit
geringer Geschwindigkeit zu befahrende Weiche soll vornehmlich in
Betriebshöfen und Werkstättenanlagen Anwendung finden.
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Der in Köln-Fühlingen
laufende ALWEG-Stadtbahnzug besteht aus zwei Triebwagen mit einem
Fassungsvermögen von zusammen etwa 200 Personen. Die Länge
eines Triebwagens beträgt 11,0 m, die Breite 3,0 m und die Höhe
ca. 4.0 m. Jeder der beiden Triebwagen hat zwei Fahrwerke mit je
einer angetriebenen zwillingsluftbereiften Tragachse und je vier
horizontal liegenden ebenfalls luftbereiften Führungs- und
Stabilisierungsrädern. Die Verwendeten Luftreifen haben
Standardabmessungen. Aus Sicherheitsgründen sind zusätzlich
vollgummibereifte Notlaufrollen angebracht, die bei evtl.
Reifenschaden mit der Balkenfahrbahn in Berührung kommen und
die Kräfteübertragung übernehmen.
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Ebenso wie die Luftreifen wurde auch
die übrige Fahrzeugausrüstung, wie z.B. Motore,
elektrische Steuerungseinrichtung, Bremsen mit Kompressor usw. der
normalen Produktion der Herstellerwerke entnommen.
Quelle: Sammlung Jörg
Seidel, Rheinisches Industriebahn- Museum Köln
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