Düsseldorfer Stadt-Nachrichten vom 22. Februar 1958

Unterpflaster-Bahn oder Alweg-Hochbahn?

Wichtige Entscheidungen für Düsseldorfs Verkehrsnetz stehen bevor / Generalverkehrsplan bis Ende des Jahres

Mit der Entscheidung über die Verkehrslösung am künftigen Jan-Wellem-Platz, die in den kommenden Monaten fallen muß, hängt unmittelbar auch die Entscheidung über ein besser funktionierendes öffentliches Verkehrsnetz zusammen. Dabei geht es in erster Linie darum, die in der Innenstadt drohende Verstopfung der Straßen und damit ein allgemeines Verkehrschaos rechtzeitig zu verhüten. Das wird wahrscheinlich nur möglich sein durch die Inanspruchnahme einer zweiten Ebene für den öffentlichen Nahverkehr. Man wird also in die Luft oder unter die Erde gehen müssen. Die verschiedenen Möglichkeiten sollen hier einmal angedeutet und später im einzelnen ausführlich behandelt werden.

Ein gut funktionierendes öffentliches Verkehrsnetz kann so attraktiv sein, daß es viele Verkehrsteilnehmer veranlaßt, vor allem in der Innenstadt auf ein viel mehr Raum beanspruchendes individuelles Verkehrsmittel zu verzichten und damit zu einer rationellen Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Verkehrsraumes beizutragen. Das Parkproblem wird ebenfalls wesentlich durch diese Aufgabenteilung beeinflußt.

Aufgabe des Generalverkehrsplanes, der nach den Worten unseres Stadtplaners bis zum Ende des Jahres in seinen Grundzügen fertiggestellt sein soll, muß es daher sein, das öffentliche Verkehrsnetz im Rahmen der städtebaulichen Möglichkeiten und unter weitgehender Ausnutzung vorhandener Anlagen leistungsfähig und den starken Verkehrsströmen angepaßt vorzuschlagen. Entscheidend dürften dabei die aufzuwendenden Mittel sein, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß bei einem gut funktionierenden öffentlichen Verkehrsnetz infolge des dann geringer werdenden individuellen Verkehrs für Straßenbau, Erweiterungen, Umleitungen, Parkplätze und Verkehrsordnungsmaßnahmen nicht unerhebliche Kosten eingespart werden können.

Welche Möglichkeiten bieten sich nun für unsere Stadt zur Bessergestaltung der Verkehrsverhältnisse in der Innenstadt an? Eine Umstellung des Straßenbahnbetriebes auf reinen Omnibusbetrieb kommt wohl kaum in Frage, da alle maßgebenden Fachleute sich darin einig sind, daß in einer Stadt von der Größe und Wirtschaftsstruktur Düsseldorfs besonders mit Rücksicht auf die weitere Entwicklung und Ausdehnung der Stadt die Straßenbahn leistungsfähiger und wirtschaftlicher ist. Die Straßenbahn wird allerdings in der Entfaltung ihrer Leistungsfähigkeit durch den individuellen Verkehr stark behindert, so daß sie nur noch da Aussicht auf Erfolg hat, wo sie auf eigenem Bahnkörper mit nicht zu häufigem und starken Querverkehr betrieben werden kann. An vielen Stellen der Innenstadt ist dies jedoch nicht mehr der Fall. Hier werden also, und zwar je eher ums so besser, Entlastungsmaßnahmen erforderlich.

Der Generalverkehrsplan soll auf lange Sicht abgestellt werden. Er muß daher endgültige Lösungen enthalten, die als Gesamtplan anzusehen wären. Sofortlösungen, wie sie an vielen Brennpunkten schon sehr bald gefunden werden müssen, sollten aber immer Teile dieses Gesamtplanes darstellen, um unnötige Investitionen zu vermeiden und Entwicklungsmöglichkeiten nicht zu verbauen. Auch sollten Sofort- bzw. Teillösungen schon betriebswirtschaftliche Erfolge bringen, um zu weiteren Investitionen zu ermutigen und damit eine kontinuierliche Entwicklung sicherzustellen.

Von den für unserer Verhältnisse zur Diskussion stehenden Vorschlägen sind bis jetzt vor allem vier Projekte bekannt geworden:

  1. Bau einer Alweg-Hochbahn, die den Straßenbahnbetrieb in der gesamten Innenstadt ersetzt, so daß nur noch in den Außenbezirken Straßenbahnen oder Omnibuslinien für den Zubringerverkehr verbleiben. Die Kosten betragen je Kilometer vier Millionen. Eine Versuchsstrecke von drei Kilometer könnt auf der Strecke vom Hauptbahnhof über die Immermannstraße und den Jan-Wellem-Platz bis zum Ausstellungsgelände gelegt werden. Das Land würde diese Versuchsstrecke wahrscheinlich vorfinanzieren. Im Endausbau (20 km) würde die Alweg-Bahn für Düsseldorf 80 Millionen DM kosten. Der Betrieb soll so wirtschaftlich sein, daß die Anlagekosten schnell wieder hereinkommen.

  2. Bau von Unterpflasterbahn-strecken für die Straßenbahn in der Innenstadt, um die am stärksten belasteten Knotenpunkte zu unterfahren. Die Rheinbahn hat einen solchen Plan ausgearbeitet, und zwar für 4,5 km die 150 Millionen DM kosten würden. In den weniger belasteten Bezirken würde die Straßenbahn dabei in der bisherigen Form weiterbetrieben.

  3. Bau einer reinen Untergrundbahn für die gesamte Innenstadt. Sie könnte im Gegensatz zu der Unterpflasterbahn 20 Meter tief unter Häusern und Versorgungsleitungen hinweg im Tunnelbau vorgetrieben werden und würde in der Bauzeit den Verkehr nicht blockieren. Sie würde rund 400 Millionen DM kosten, würde aber erst in 20 Jahren rentabel, wenn die Bevölkerungszahl sich einer Million nähert.

  4. Zur Ergänzung des innerstädtischen Verkehrs, vo allem aber zur Verbindung der Vororte untereinander, könnten die vorhandenen Bundesbahnanlagen nach dem Vorbild der Berliner S-Bahn ausgebaut werden. Dabei müßte eine Reihe von neuen Haltepunkten eingerichtet werden, die im Leitplan schon angedeutet sind. Die Kosten für diesen Ausbau betragen 60 Millionen DM.

Darüber hinaus wird vielleicht die Erarbeitung der einzelnen Pläne ergeben, daß eine Kombination von Teilen der vier Vorschläge die wirtschaftlichste und damit auch am besten durchführbare Lösung darstellen wird. Erst nach einer Gegenüberstellung wird die Entscheidung fallen können, wobei schon genaue Verkehrsstromanalysen und auch Baukostenberechnungen aufgestellt werden müssen. Gut dabei ist allerdings, daß die verantwortlichen Stellen die bisherige Bautätigkeit in der Stadt so gelenkt haben, daß überall noch der später erforderlich werdende Raum freigehalten wurde, um auch noch alle Möglichkeiten realisieren zu können.

Die Alweg-Bahn ist durch den kürzlichen Informationsbesuch unseres Staatsoberhauptes und des Stadtplaners mit ihren Stäben bei der ALWEG-Forschungsgesellschaft in Köln-Fühlingen besonders aktuell geworden. Es ist schon recht so, daß die Verantwortlichen alle Möglichkeiten erschöpfen und in den Kreis ihrer Betrachtungen ziehen. Ob es für die letzte Lösung auf Grund der baulichen Entwicklung unserer Stadt schon zu spät ist, wie unser Stadtoberhaupt beiläufig meinte, als er über seine Eindrücke von diesem Besuch befragt wurde, wird die nähere Untersuchung und Projektierung ja zeigen. Unserer Ansicht nach bietet aber gerade Düsseldorf mit seinen verhältnismäßig breiten Straßen auch in der Innenstadt und seinem immer wieder betonten modernen Gesamtstadtbild die besten Voraussetzungen für die Anlage einer solchen Bahn zur Entlastung der Innenstadt.

In einer Reihe von weiteren Aufsätzen wollen wir die angeführten vier Vorschläge mit ihren uns bis jetzt bekannten Vor- und Nachteilen gegenüberstellen, um damit zur Diskussion der verschiedenen Entwürfe in der Öffentlichkeit schon frühzeitig beizutragen. Wir wollen damit auch erreichen, daß diese Diskussion, wie wohl allgemein gewünscht, schon vor Fertigstellung des Generalverkehrsplanes in Gang kommt. Nur dann kann sie sich fruchtbar bei der Gestaltung des Planes auswirken. Beteiligen sich dann die zuständigen Verwaltungsstellen ebenfalls, so dürfte damit ein wertvoller Beitrag zum Gelingen des Planes geleistet werden, gute Anregungen könnten noch rechtzeitig berücksichtigt werden und der oft peinliche Eindruck, vollendete Tatsachen präsentiert zu bekommen, könnte vermieden werden.



Spätausgabe vom Mittag

Zeitungsartikel vom 23.5.1958

Axel Wenner - Gren wird ungeduldig

Köln, 23. Juni. (Eig.Ber.) Seit 1951 ist in Köln ein Team ausgesuchter Ingenieure und Techniker mit der Entwicklung und Vervollkommenung eines Verkehrsmittels beschäftigt, dem man unter dem Namen Alweg-Bahn eine glänzende Zukunft prophezeit. Seit fast zwei Jahren ist diese Bahn fertig. Schon morgen könnte sie in Köln, Düsseldorf, Hamburg oder München gebaut werden, aber niemand tut es. Sie hat nämlich einen Fehler: Sie ist neu!

al-0658a.JPG (16884 Byte)

Als die erste Eisenbahnstrecke der Welt zwischen Stockton und Darlington gelegt wurde, stritten die Stadträte rund vier Jahre, bis sie dem Fortschritt eine Chance gaben. Bis die Alweg - Bahn ihre Chance erhält, wird es wahrscheinlich noch länger dauern. Dabei sind es die angesehensten Verkehrs- und Rentabilitäts - Experten, die dieser Bahn in zahlreichen Gutachten ein glänzendes, durch keinen Nchteil beeinträchtigtes Zeugnis ausstellten:

Diese positiven Eigenschaften sind nicht etwa von einem Werbefachmann "erfunden" worden ,sondern sie sind das nüchterne Fazit unbestechlicher wissenschaftlicher und kaufmännischer Gutachten.

Trotzdem fährt diese Bahn bisher immer noch allein auf der Versuchsstrecke in Köln - Fühlingen, vir den Toren der Domstadt. Interessenten gibt es freilich genug, und fast alle westdeutschen Großstädte würden ihre Verkehrssorgen mit einem Schlage los werden, wenn sie sich entschließen könnten, diese Einschienenbahn zu bauen.

Der Stadtväter, die nach Fühlingen kommen und in der Versuchsbahn ihre ersten Alweg - Runden drehen, sind nicht wenige. Aber zahlreiche dieser Besucher legen ängstlich ihren Finger auf den Mund: "Pst! Nicht sagen, daß wir hier waren!" In der Tat, nich erst seit heute ist es unpopulär, sich für den Fortschritt einzusetzen.

Viele Stadtverwaltungen argumentieren, wenn sie die Gutachten gelesen haben, etwa so, "Gewiß, die Alweg - Bahn wäre für uns das, was uns fehlt, aber ... wir wollen die Bahn nicht zuerst bauen. Soll man in anderen Städten die ersten Erfahrungen sammeln. Dann kommen wir nach."

Man will "nachkommen" und vergißt, wie schnell man zu spät kommen kann. Denn der Finanzier dieser Bahn, der schwedische Multimillionär Axel Wenner - Gren, wird allmählich ungeduldig und hat bereits unverblümt durchblicken lassen, daß es durchaus natürlich und folgerichtig sein würde, wenn er eines Tages in Köln - Fühlingen den "Laden zumacht" und die erste Bahn im Ausland, vielleicht in San Franzisko, bauen wird.

Das aber hieße: Ausländische Firmen würden die Arbeiten dann übernehmen, und sie würden sie auch durchführen, wenn eines Tages in Deutschland die Stadtväter eingesehen haben, daß man mit der Alweg gut fährt. Würde dagegen die erste Bahn in Deutschland gebaut werden, so wären es deutsche Firmen, die ihr Geld nicht nur hier, sondern später auch im Ausland verdienten.

Ob solcher Aussichten ist die Stimmung in Köln - Fühlingen nicht gerade rosig, auch wenn man es nicht gern zugeben möchte. Immerhin ist es noch möglich, daß Hamburg, Düsseldorf oder München zuerst die Bahn baut. Noch wird beraten, gerechnet und geplant. Noch ist es nicht zu spät, noch können wir das Geschäft machen. Ob wir es morgen noch können, ist fraglich.

Auch Millionäre werden alt und ungeduldig. Axel Wenner - Gren ist beides!

Jürggen C. Jagla

al-0658b.JPG (17928 Byte)
Elegant jagt die Alweg - Einschienenbahn in Köln - Fühlingen über das Versuchsfeld.

 

al-0658c.JPG (16201 Byte)
Ihre Vorgängerin, eine im verkleinerten Maßstab gebaute Versuchsbahn, ist inzwischen "aufgebockt" worden und gilt schon fast als ein Museumsstück

 

Bild - Zeitung

Zeitungsausschnitt vom 29.6.1958

Alwegbahn in Wien

Wien hat beschlossen, die Alwegbahn auf einer Strecke zwischen dem Wiener Gürtel und dem Südbahnhof auszuprobieren

 

Kölner Stadt- Anzeiger

Zeitungsausschnitt vom 2.7.1958

Wiener Fachleute beurteilen Alweg

Die Wiener Stadtverwaltung hatte im Januar 1958 eine Kommission nach Köln geschickt, um sich darüber zu informieren, ob der Bau einer Alwegbahn geeignet wäre, die Verkehrsverhältnisse in der österreichischen Hauptstadt zu verbessern. Die Verkehrsexperten haben nun nach Berichten der Wiener Zeitungen die Betriebssicherheit, Reisegeschwindigkeit und Fahrbequemlichkeit der Alwegbahn positiv beurteilt. Dagegen erklärten sie, daß über Betriebsabwicklung, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit keine Urteile abgegeben werden könnten, da noch keine Erfahrungen vorlägen.

Die Verwendbarkeit der Alwegbahn in einem verbauten Stadtgebiet wird bezweifelt, weil die Kurvenführung einen zu großen Radius beanspruchen würde. In weniger verbauten Stadtgebieten wird der Alwegbahn jedoch der Vorzug vor anderen Schnellbahnen gegeben.

dpa

 
Kölner Rundschau

Zeitungsartikel vom 2.7.1958

ALWEG - Bahn in der Vorschlußrunde

Gutachten der Wiener Verkehrsexperten fertig: Lob für Sicherheit und Tempo

Wien. Die Wiener Verkehrssachverständigen sind der Ansicht, daß die ALWEG - Bahn in einem wenig verbauten Stadtgebiet anderen modernen Schnellbahnen vorzuziehen ist. Sie haben in monatelanger Arbeit ein Gutachten ausgearbeitet, in dem die Vorzüge und Nachteile der ALWEG - Bahn geschildert werden. Das Gutachten soll in Kürze dem Stadtsenat vorgelegt werden.

Die Wiener Stadtverwaltung hatte im Januar eine Kommission nach Köln geschickt, um sich darüber zu informieren, ob der Bau einer ALWEG - Bahn geeignet wäre, die Verkehrsverhältnisse in der österreichischen Hauptstadt zu verbessern.

Die Verkehrsexperten haben nun nach Berichten der Wiener Zeitungen die Betriebssicherheit, Reisegeschwindigkeit und Fahrbequemlichkeit der ALWEG - Bahn positiv beurteilt. Dagegen erklärten sie, daß über Betriebsabwicklung, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit keine Urteile abgegeben werden könnten, da noch keine Erfahrungen vorlägen.

Die Verwendbarkeit der ALWEG - Bahn in einem verbauten Stadtgebiet wird bezweifelt, weil die Kurvenführung einen zu großen Radius beanspruchen würde. In weniger verbauten Stadtgebieten wird der ALWEG - Bahn jedoch der Vorzug vor anderen Schnellbahnen gegeben.

Die Experten schlagen in ihrem Gutachten vor, für die im Südosten Wiens geplante Verbindung zwischen der Stadtbahn und der Schnellbahn der österreichischen Bundesbahnen je ein Detailprojekt auszuarbeiten, und zwar eines nach dem System der ALWEG - Bahn und das andere nach dem System einer modernen Schnellbahn. Die Stadtverwaltung solle sich dann für das Projekt entscheiden, das die größere Wirtschaftlichkeit verspricht.

© Copyright 1999, 2000 Sammlung Otterbach
© Copyright 1999, 2000 Rheinland-Team