*) Aus dem Sendungsarchiv des Deutschland Radio Berlin
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Vor 50 Jahren

''Der Spiegel'' stellt die ''Alwegbahn'' als ''Eisenbahn 2000'' vor


Von Wolfgang Buschfort



Vor 50 Jahren, am 14. Mai 1952, berichtete der ''Spiegel'' über eine bemerkenswerte Vision für den Eisenbahn-Verkehr. Unter dem Titel ''Eisenbahn für morgen?'' war auf einer Zeichnung eine Bahn zu sehen, die auf Betonstelzen durch die Landschaft rast. Das Bild hat verblüffende Ähnlichkeit mit dem Transrapid. Tatsächlich gab es schon vor 50 Jahren Pläne, die den Eisenbahnverkehr revolutionieren sollten. ''Alwegbahn'' hieß das System, das damals als ''Eisenbahn 2000'' vorgestellt und erprobt wurde.


Wisoveg-Ergänzungsbild: Die M 1:2,5 – Bahn um 1952, Sammlung Wipperfeld


Eine Monorail oder Alwegbahn in Walt Disney World in Florida. Über 20 Millionen Menschen werden mit dieser Einschienenbahn pro Jahr befördert: Von einem Vergnügungspark zum anderen, vom Hotel zum Parkplatz oder vom Disneyland direkt in ein Hotel. Über 30 Kilometer lang ist die Strecke, und sie ist seit 1971 in Betrieb. Eine Erfolgsgeschichte dieses Verkehrsmittels, doch es blieb die einzige - weltweit. Denn nur hier, in Florida, ist das gelungen, was dem Entwickler der Bahn, dem Schweden Axel Wenner-Gren vorschwebte: ein Verkehrsmittel zum schnellen Massentransport von Menschen.

Ich kann ihnen versichern, dass ich keine andere Lösung für den Verkehr in den Großstädten sehen kann als ein Alweg. (...) Wir können nicht unter die Erde gehen, weil das ist zu teuer. Auf der Straße ist kein Platz. Und es gibt keine einfachere Lösung als unseren Alweg-Zug.

Das Konzept der Alwegbahn ist denkbar einfach: Die Fahrstrecke liegt in mehreren Metern Höhe, aufgeständert
durch Betonstützen. Jede Straße, jeder Stau wird so umfahren. Der Zug selbst bewegt sich mit einem Elektromotor
vorwärts. Die Fortbewegung geschieht auf Gummireifen, daher hört man die Bahn im Gegensatz zu den Stahlrädern
einer Eisenbahn fast nicht. 1952 stellte Wenner-Gren das Konzept der Öffentlichkeit vor, dann ließ er in Köln am
Fühlinger See eine erste Teststrecke bauen.

Ab 1957 rauschten dann stromlinienförmig gebaute Züge in der geplanten Originalgröße mit etwa 80 Stundenkilometern über die Wiesen. 200 Personen konnten in den wie Busse ausgestatteten Fahrzeugen transportiert werden. Die Journalisten waren begeistert.




Wisoveg-Ergänzungsbild: 1:1 Prototyp 1958, Sammlung Klein

Siefahrt: Es war vor 5 Jahren, ein silbernes Ungetüm raste über die Teststrecke (...) und die Journalisten sprachen von einer technischen Sensation. 11:06 Diese Fahrt mit der Alwegbahn ähnelt etwa einem Flug mit einem Flugzeug in geringer Höhe, und wir können sehr gut sehen, wie ruhig diese Bahn auf den Betonbalken liegt. Und das ist natürlich sehr angenehm, wenn man daran denkt, dass diese Bahnen zukünftig vielleicht auch Speisewagen haben.

Siefahrt über Funk: "Wir befinden uns jetzt auf der Strecke und ich melde mich noch mal über mein Funksprechgerät. Ich bin im Wagen und wir haben gerade die Kurve durchfahren. Ich habe die Zeit gestoppt, es sind fast 2 Minuten für die knapp 1.800 m lange Strecke. Das ist eine Geschwindigkeit von 60 Kilometern in der Stunde.

Das Konzept des Verkehrssystems erschien vielversprechend. 1959 konnte die erste Bahn nach Übersee exportiert werden, ins Disneyland nach Los Angeles, weitere Exporte nach Turin, zur Weltausstellung nach Seattle und nach Japan folgten. Aber in Westdeutschland gab es außer der 5 Kilometer langen Testbahn in Köln keinerlei Referenzstrecke. Trotzdem plante das Unternehmen schon in die weite Zukunft: Der Ingenieur Dr. Rosenbaum schwärmte:

Dr. Rosenbaum: Stellen Sie sich vor, sie können dann von Köln bis München in einer Stunde fahren, so dass sie dann ganz schnell vom Stadtzentrum zum Stadtzentrum gelangen können, Sie fahren die langen Anfahrtswege in das Stadtzentrum. Ein weiteres Beispiel wäre Köln-Madrid in dreieinhalb Stunden, oder Köln-Rom in der gleichen Zeit.

Trotzdem - niemand in Europa wollte die Bahn haben. Deshalb sollte eine Strecke in Übersee den notwendigen Praxisbetrieb demonstrieren. Ende der fünfziger Jahre schien es so weit zu sein. Ein Hörfunkbericht aus dem Jahr 1959.

Es verlautete, dass Sie einen Auftrag so gut wie sicher haben. Das ist so gut wie sicher, wenn die Brasilianer mit
unserer Vorführung hier zufrieden sind. (...) Die Strecke wird im Endausbau 100 km lang sein.

Die Brasilianer waren zufrieden, doch sie kauften die Bahn nicht.

Und so standen die Planer nach zehn Jahren genau dort, wo sie 1952 angefangen hatten: ihr Konzept war gut durchdacht, es fand dennoch keine Abnehmer. Dabei erwies sich die Alwegbahn als ideales Transportmittel für
Großveranstaltungen, beispielweise für Messen, Weltausstellungen oder Vergnügungsparks: Nahezu
schwerelos konnte man über dem Gelände schweben und dabei gleichzeitig aus Panoramafenstern die Aussicht und die Attraktionen genießen. Doch an eine richtige Bahn für den Stadtverkehr traute sich niemand heran. Und so trat die Landesregierung in Düsseldorf auf den Plan. Der Monorail sollte durch staatliche Teststrecken in Nordrhein-Westfalen auf die Sprünge geholfen werden, so Verkehrsminister Heinz Kienbaum 1962:

Kienbaum: Das Land NRW und seine Landesregierung halten es für notwendig, jede sich bietende Chance auch bei neuen Systemen auf ihre Verwertungsmöglichkeit zu prüfen. Daher haben wir 3 Projektstudien, die ggf. auch um eine vierte oder fünfte ergänzt werden, in Angriff genommen, um festzustellen, ob das Alwegsystem für unsere technischen und verkehrstechnischen Gegebenheiten die richtige Lösung bietet. Das ist der Grund, warum beispielsweise von Velbert nach Essen eine Alwegbahn überlegt werden. Das ist auch der Grund, warum eine neue Vorstadt in Köln angebunden und das Alwegsystem geprüft werden soll.

1963 gab es Pläne, zunächst in Köln eine Betontrasse zu bauen, die die Satellitenstadt Chorweiler mit dem Hauptbahnhof verbinden sollte. Kostenschätzungen sprachen für diese Bahn, doch Köln entschied sich, nicht in ein neues Verkehrsmittel zu investieren, sondern stattdessen eine U-Bahn zu bauen. Alwegbahn-Erfinder Wenner-Gren war inzwischen gestorben, ohne seine Subventionen konnte das Unternehmen nicht weiter bestehen. 1967 wurde die
Teststrecke abgebrochen, die Patente wurden zum Teil an die Disney Company verkauft.

Nachdem sie sich im öffentlichen Nahverkehr nicht durchgesetzt hat, spielt die Alwegbahn heute nur noch eine
Rolle als Verbindungsbahn zwischen Flughafenteilen beispielsweise oder in Freizeitparks wie dem Phantasialand in
Brühl.

*) mit frdl. Genehmigung des Verfassers und des DLR

Ó Copyright Mai 2002, Wolfgang Buschfort, DLR
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