Köln-Bonner Eisenbahnen




Gesamtansicht des Triebwagens

Foto: KBE




Der Leichttriebwagen ET 201 der Köln-Bonner Eisenbahnen AG

Von Eisenbahndirektor Oberbaurat a. D. Dipl.-Ing. Alfred Schieb, Köln

Vorbemerkungen (Erkenntnisse und Aufgabenstellung) - Wagenbaulicher Teil (Wagentyp, Wagenkasten. Laufwerk, Bremsen, Ausstattung) - Elektrische Ausrüstung (Fahrmotoren. Steuerung und Hilfsbetriebe. Stromabnehmer, Führerstand, Beleuchtung) - Vergleichswerte - Betriebseinsatz - Schrifttum.




1. Vorbemerkungen

1. 1. Erkenntnisse

Nachdem die Köln-Bonner Eisenbahnen AG (KBE) im Jahre 1956 durch die Beschaffung von elektrischen Trieb- und Steuerwagen der herkömmlichen Bauart 1) (die hochgestellten Ziffern verweisen auf das Schrifttumsverzeichnis am Schluß) den dringendsten Bedarf an Fahrzeugen für den Nahreiseverkehr im Raume Köln-Bonn gedeckt hatte, konnte mit der Bestellung weiterer Wagen eine gewisse Zeit gewartet werden, zumal die bis dahin beobachtete ständige Zunahme des Reiseverkehrs nachließ und ein Stillstand und letzthin ein langsamer Rückgang der Beförderungsfälle eintrat. Diese Zeit benutzte die KBE für die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs, das soweit möglich allen Forderungen der Reisenden und der Betriebsführung genügen und nach den letzten Erkenntnissen der Eisenbahntechnik gebaut sein sollte. Die zu diesem Zweck gebildete Arbeitsgemeinschaft umfaßte außer der KBE die Firmen Vereinigte Leichtmetallwerke GmbH (VLW), Bonn, Vereinigte Westdeutsche Waggonfabriken AG (Westwaggon, heute Werk der Klöckner-Humboldt-Deutz AG, KHD), Köln-Deutz, und Siemens-Schuckert-Werke AG (SSW), Berlin und Erlangen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bonn, unterstützte die Entwicklung dieses interessanten, in vieler Beziehung neuartigen Fahrzeugs mit namhaften Geldbeträgen.

1. 2. Aufgabenstellung

Das Ziel war, eine möglichst leichte Fahrzeugeinheit zu bauen, da sich ein hohes Eigengewicht im Nahverkehr mit seinen vielen Halten betrieblich und wirtschaftlich besonders ungünstig auswirkt. Das Fahrzeug sollte ferner eine hohe Reisegeschwindigkeit erreichen; zu diesem Zweck sah die Planung vor, die Anfahrbeschleunigung zu erhöhen, die Höchstgeschwindigkeit zu steigern und - zur Abkürzung der Aufenthaltszeiten - die Zahl der Außentüren zu vermehren. Durch Tieferlegung des Wagenbodens sollte das Einsteigen und Aussteigen für die Fahrgäste erleichtert und der Wagenschwerpunkt mit dem Ziele besserer Laufeigenschaften gesenkt werden. Der zum Teil straßenbahnähnliche Betrieb der KBE im Stadtgebiet von Köln und Bonn gestattet bekanntlich nicht die Anlage hoher Bahnsteige, die an sich im Vorortschnellverkehr erwünscht wären. Schließlich ging die Planung dieses zugleich für Hauptbahn- und Straßenbahnbetrieb bestimmten Wagens darauf aus, ein in seinem äußeren Erscheinungsbild und in seiner Inneneinrichtung modernes, ansprechendes Schienenfahrzeug zu schaffen, das dem vom Personenkraftwagen und Omnibus her verwöhnten Fahrgast auch auf der kurzen Strecke von 30 km zwischen Köln und Bonn einen angemessenen Reisekomfort bieten sollte.


2. Wagenbaulicher Teil

2. 1. Wagentyp

Auf Grund von Verkehrsbeobachtungen wurde an Stelle des bisherigen Doppeltriebwagens ein Einzeltriebwagen mit möglichst großem Fassungsvermögen gewählt (Titelbild). Die größte Länge des durch den Straßenbahngleisabstand in Köln auf 2,70 m Breite beschränkten Wagens ergab sich aus der Bedingung, daß sich zwei der neuen Fahrzeuge in den engsten Gleisbögen (R = 60 m) auf der Stadtstrecke begegnen können mußten, zu 23,50 m über Wagenstirnwände oder 24,40 m über Kupplungen gemessen. Legte man nun abweichend von der bisherigen Übung die Abteile 1. Klasse in die Wagenmitte, so ergab sich der neue Wagengrundriß mit zwei etwa 1,70 m breiten Einstiegräumen und zwei Großabteilen 2. Klasse sowie einem Fassungsvermögen von 12 + 60 = 72 Sitzplätzen und etwa 78 Stehplätzen (Bild 2). Die Innenhöhe des Wagenraumes wurde beibehalten, so daß die Gesamthöhe des Wagens wegen des tiefergelegten Wagenbodens um 20 cm geringer wurde als bisher.

2. 2. Wagenkasten

Die gewählte größtmögliche Länge des Wagenkastens bedeutet an sich schon einen Beitrag zum Leichtbau, da die zwei Drehgestelle immer einen verhältnismäßig großen Anteil am Gesamtgewicht eines Wagens ausmachen. Auf Anregung und unter ständiger Beratung durch die VLW wurde der Wagenkasten ganz aus Leichtmetall, und zwar aus der im Fahrzeugbau bewährten Legierung A1MgSi F 32 gebaut 2). Lediglich die beiden Kopfquerträger, an denen die Kräfte der Mittelpufferkupplung in den Wagenkasten übertragen werden, sowie die Drehzapfen bestehen aus Stahl (St 52).

Die gesamte Konstruktion ist dem Werkstoff Aluminium angepaßt; die wichtigsten tragenden Teile bestehen aus eigens für diesen Wagen bemessenen Strangpreß-Profilen. Für die meisten Verbindungen wurde die Schutzgas-Schmelzschweißung angewendet, einige Stellen wurden genietet; die 3 mm starken Wandbleche sind durch Punktschweißung mit der Konstruktion verbunden. Leichtmetall-Wellbleche sorgen im Wagenboden und in den Querwänden an den Einstiegräumen für die nötige Aussteifung.

Im mittleren Teil zwischen den Drehgestellen ist eine tief heruntergezogene geschlossene Bodenwanne vorgesehen, welche die erwünschte Steifigkeit des Wagenkastens weiter vergrößert. Die Konstruktion ist auf einen Pufferdruck von 100 t bemessen, da die Triebwagen nur mit Wagen der gleichen Art im Zugverband laufen werden. Das Gewicht des Wagenkasten-Rohbaues beträgt 4,8 t.






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2. 3. Laufwerk

2. 3. 1. Drehgestell

Für das Laufwerk wurde eine neuentwickelte Sonderbauart des bewährten Drehgestells „Minden-Deutz" gewählt (Bild 3). Die Kopfquerträger sind weggelassen, so daß ein sehr leichter H-förmiger Rahmen aus geschweißten Stahlhohlprofilen entstanden ist").

Der kurze Radstand von 2,20 m - bei den bisherigen Wagen 2.50 m - ergibt zusammen mit dem Wegfall des Kopfquerträgers bei einem Drehzapfenabstand von 16,30 m einen großen freien Raum zwischen den Drehgestellen, der zur Unterbringung der elektrischen Ausrüstung unter dem Wagenboden auch erforderlich war.

Für die Achsfederung wurde eine Gummifeder gewählt, die keinen Stoßdämpfer mehr benötigt, während die Wiege wie bisher auf Schraubenfedern mit schrägliegenden hydraulischen Stoßdämpfern abgestützt ist. Die Blattfederlenker für die spiel- und verschleißfreie Achslagerführung sind im Zusammenhang mit der Kürzung des Drehgestellrahmens einseitig übereinander statt wie bisher beiderseits der Lager angeordnet. Der Wagenkasten ruht auf runden Kunststoffplatten, die keiner Wartung oder Schmierung bedürfen. Das Drehgestell wiegt ohne Motoren und Magnetschienenbremsen 3,28 t, mit voller Ausrüstung 5,30 t.


Bild 3 Drehgestell - Werkfoto Deutz



2. 3. 2. Radsätze

Die Gewichtsersparnis am Laufwerk ist auch auf die Wahl „kleiner Räder" mit einem Laufkreisdurchmesser von nur 760 mm (abgenutzt 700 mm) zurückzuführen. Die Höhe des Spurkranzes, der wegen der Mitbenutzung von Straßenbahn-Rillengleisen in Köln ohnehin eine Sonderform hat'), wurde von bisher 26 mm auf 32 mm vergrößert, womit die führungslose Stelle im Doppelherzstück von Gleiskreuzungen und Kreuzungsweichen mit der Neigung L9 sogar noch unter das übliche vergleichbare Maß verkleinert werden konnte.

Die Gefahr der Entgleisung in den genannten Herzstücken ist also geringer als bei den bisher verwendeten Radsätzen, für die nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BO) ein Laufkreisdurchmesser von mindestens 840 mm vorgeschrieben ist. Die Radscheiben bestehen aus Leichtmetall (A1CuMg).

Auf den Achswellen sitzen außer den Großrädern des Motorgetriebes die Scheiben der Druckluftscheibenbremse, während an den Achslagergehäusen die tiefliegenden Gliedermagnete der Magnetschienenbremse mit Rohrträgern aufgehängt sind.

2. 4. Bremsen

Für die Auslegung der Bremsen war einerseits die Bedingung maßgebend, daß der Wagen bei 550 m (bisher 400 m) Vorsignalabstand auf der Rheinuferbahn aus 120 km/h Höchstgeschwindigkeit sicher beherrscht werden kann, weiter der Wunsch, im Stadtgebiet die für Straßenbahnen vorgeschriebene Bremsverzögerung von 2,3 m/sec2 zu erreichen und schließlich die Absicht, Bremsklotzverschleiß und Brems-Eisenstaub möglichst zu vermeiden. Der Triebwagen hat vier Bremssysteme erhalten: Eine elektrische Widerstandsbremse, eine Druckluft-Scheibenbremse Bauart Knorr VI, eine Magnetschienenbremse Bauart Knorr und eine Handbremse.





Bild 4: Stirnansicht d. Triebwagens - Foto: KBE

Die über den Umformer mit 110 V fremderregte und damit fahrdrahtabhängige elektrische Widerstandsbremse wurde gegenüber der bisherigen ein- bzw. zweistufigen Bremse dadurch wesentlich verbessert, daß über das Nockenschaltwerk Widerstände in 13 Stufen abgeschaltet werden. Damit kann fast bis zum Stillstand stoß- und verschleißfrei elektrisch gebremst werden.

Die bewährte Bauart der Knorr-Druckluftbremse, die nach den strengen Bestimmungen der BO und für die Fahrgast-Notbremse unentbehrlich ist, wurde beibehalten, die Bremskraft aber nicht mehr über Bremsklötze, sondern über luftgekühlte, getrennt auf der Achswelle sitzende Bremsscheiben auf die Räder übertragen (Bild 3).

Die Bremszylinder sind im Drehgestell untergebracht, so daß die auf die Gestängeübertragung zwischen Wagenkasten und Drehgestell zurückzuführenden Schwierigkeiten nicht mehr auftreten können.

Die Druckluftbremse wird planmäßig nur zum Festhalten des Zuges auf den letzten Metern vor dem endgültigen Halt und sonst nur für Schnell- und Notbremsungen verwendet. Für die von der 110-V-Batterie gespeiste, also fahrdrahtunabhängige Magnetschienenbremse wurden nunmehr tiefliegende Gliedermagnete vorgesehen, die schneller und wirksamer ansprechen als die bisher verwendeten hochaufgehängten Klotzmagnete.

Die Notbremse in den Fahrgasträumen wird nicht mehr mit den üblichen Handgriffen, sondern mit einem in Mulden über den Fenstern liegenden Nylonseil betätigt.



2. 5. Ausstattung

Der neue Triebwagen weist auch in seiner äußeren Erscheinung und in seiner Ausstattung viele Neuerungen auf (Titelbild). Außer einem dunkelroten Zierstreifen, der sich an den Stirnwänden verbreitert, hat das Fahrzeug keinen Außenanstrich erhalten, sondern zeigt seine natürliche Aluminiumfarbe mit einem durch Bürsten hervorgerufenen, aus kleinen Kreisflächen zusammengesetzten Muster (Bild 4).

Ein Klarlacküberzug schützt die Metalloberfläche gegen Einwirkungen aus der Atmosphäre, die im Raume Köln-Bonn mit seiner wachsenden chemischen Großindustrie zu befürchten sind. Die Wagenstirnseiten sind im Hinblick auf die höhere Geschwindigkeit stark abgerundet und ringsum verglast (Bild 4).


Bild 5: Abteile 1. Klasse - Foto: KBE




Wie bisher ist eine selbständige Mittelpufferkupplung der Bauart Scharfenberg vorgesehen. Die neue Aufteilung der Fahrgasträume ergibt auf jeder Wagenseite zwei Ein- und Ausstiege, die jetzt nur mehr zwei Stufen von 420 mm und 337 mm gegenüber bisher drei von 380 mm, 360 mm und 290 mm aufweisen und durch breite elektropneumatisch arbeitende Falttüren abgeschlossen werden.

Die Türbetätigung weicht von der bisher üblichen etwas ab. Vor der Abfahrt werden auf das Abfahrsignal des Zugführers alle Türen des Zuges vom Führerstand aus geschlossen: ein in die Gummiabschlußleiste eingebauter Schutzkontakt bewirkt sofortiges Wiederöffnen, falls jemand in die sich schließende Tür geraten sollte.


Bild 6: Raucherabteil 2. Klasse - Foto KBE

Kurz vor dem Anhalten werden die auf der Bahnsteigseite liegenden Türen vom Führerstand aus entriegelt, so daß sie von den Fahrgästen nach Bedarf mit einem Druckknopf geöffnet werden können, der sich innen an der Haltestange in Einstiegmitte, außen neben der Tür befindet.

Während der Fahrt sind alle Türen verriegelt, können also mit den Druckknöpfen von innen nicht geöffnet werden; im Notfall ist selbstverständlich das Öffnen von Hand nach Umlegen eines Nothahnes über der Tür (wie in jedem Omnibus) möglich.

Die Fenster aus Sicherheitsglas sind nur mit einer Gummileiste eingesetzt und können nicht geöffnet werden. Dies trägt zur Gewichtsersparnis bei, gibt eine bessere Reinigungsmöglichkeit, vergrößert die Fensternutzfläche und ermöglicht eine angenehme zugfreie Be- und Entlüftung des Wagens. Hierfür sind unter dem Wagenboden zwischen den Drehgestellen Lüfter mit elektrischem Antrieb vorgesehen.




Bei warmer Witterung wird die Außenluft durch Dachöffnungen in den Fahrgastraum gesaugt; die Abluft dient der Kühlung der Anfahr- und Bremswiderstände in der Bodenwanne.

Bei kühler Witterung wird die durch Seitenwandschlitze angesaugte Außenluft zunächst zur Kühlung der genannten Widerstände benutzt und dann, nötigenfalls noch über weitere Heizelemente geleitet, vorgewärmt in die Fahrgasträume eingeblasen.

Die Heizung wird von Raumthermostaten selbsttätig gesteuert. Die Abluft entweicht durch die Dachöffnungen. Diese einer ..Klimaanlage" ähnliche Einrichtung ermöglicht einen stündlich 20- bis 40fachen Luftwechsel in den Fahrgasträumen.

Zur Erhöhung des Wohlbefindens im Wagen trägt weiterhin die sehr wirksame Schalldämmung bei, die durch entsprechenden Aufbau des Wagenbodens, durch schallschluckende Füllungen in den Wänden, durch eine gelochte Zwischendecke in allen Fahrgasträumen und durch die Bodenwanne im Mittelteil erzielt wurde.




Schließlich soll die in ihrer Form neue und in lebhaften Farben gehaltene Innenausstattung der Abteile dem Zeitgeschmack der Fahrgäste entgegenkommen. Alle Wände sind mit hellgelbem Kunststoff (Formica) belegt. Die Sitze in der 1. Klasse sind als Einzelsessel ausgebildet und im Raucherabteil mit rotem, im Nichtraucherabteil mit blauem Dralon-Plüsch bezogen (Bild 5). Die beiden Abteile sind durch eine bis zur Decke gehende Glaswand mit Glaspendeltür voneinander getrennt. Die Türen zu den Einstiegräumen sind als undurchsichtige Aluminiumtüren mit Magnetverschlüssen ausgebildet.

In der 2. Klasse haben alle Doppelsitze Armlehnen und Kopfstützen erhalten (Bild 6). Der Bezug besteht aus teils luftdurchlässigem abwaschbarem Kunststoff (Vinilpelle und Acella) in den Farben Grau und Blau, wobei die Farbzusammenstellung im Raucher- und Nichtraucherabteil nach Sitzfläche und Umrahmung wechselt.

In den 2. Klasse-Großabteilen sind die Längssitze neben der verglasten Doppelschiebetür zum Einstiegraum beibehalten worden; damit entsteht der bei Fahrgastandrang erwünschte Auffangraum und der bei der niedrigen Wagenbauart dringend nötige Raum für die Geräteboxen unter den Längssitzen (Bild 2).

Die Federung aller Sitze wird durch eine nach modernen anatomischen Erkenntnissen geformte Schaumgummieinlage gebildet. Die farbenfrohen Gardinen, der hellgemusterte bewährte Gummifußboden, die längslaufenden Gepäckablagen aus eloxiertem Leichtmetall und die durchgehenden Lampenreihen runden das Bild der Innenräume vorteilhaft ab.


Bild 7: Fahrkraftlinie ET 201 (s-V-Linie) Triebwagengewicht (besetzt) etwa 36 t
4 Motoren GB 179 17 - 1200/2 V - 75 kW - 140 A- 1450 U/min - Übers. 1:4,07
Anfahrbeschleunigung etwa 1 m/sec2




3. Elektrische Ausrüstung

Die gesamte elektrische Ausrüstung, deren Gewicht etwa 8 t beträgt, ist für eine Fahrleitungsspannung von 1200 V Gleichstrom bemessen, muß aber auch auf den Stadtstrecken in Köln mit der Straßenbahnspannung von 800 V (abfallend bis auf 600 V) ohne Umschaltung sicher arbeiten.

3. 1. Fahrmotoren

Mit der Verkleinerung des Raddurchmessers mußte auch ein kleinerer Fahrmotor gewählt werden. Der Gleichstrom-Hauptschlußmotor GB 179/17 der SSW mit 75 kW Stundenleistung und einer Höchstdrehzahl von 3700 U/min erfüllte die gestellten Bedingungen und fügte sich mit seinem geringen Gewicht in der bewährten Tatzlagerbauart gut in das sehr flach gebaute Drehgestell ein (Bild 3). Zur Erzielung der gewünschten, für alle Zugbildungen gleichen, hohen Anfahrbeschleunigung sind alle Achsen als Triebachsen ausgebildet; ein Betrieb mit Steuerwagen ist nicht vorgesehen.





Bild 8: Führerstand des ET 201 - Foto: KBE

Die selbstbelüfteten Motoren saugen die Kühlluft nicht mehr aus dem durch Staub und Schnee verunreinigten Raum unter dem Wagenboden an, sondern über Kanäle durch Öffnungen in der oberen Seitenwand hinter dem Führerstandfenster (Bild 1 und 2).


3. 2. Steuerung und Hilfsbetriebe

Für die Steuerung der Fahrmotoren, die für das Fahren von 4 Triebwagen im Zugverband ausgelegt ist, wurde die Spannung von 110 V (bisher 70 V) gewählt. Das elektromotorisch angetriebene Nockenschaltwerk bewährter Bauart weist statt bisher 21 nunmehr 24 Schaltstufen auf, die nach Einstellung des Fahrhebels auf die gewünschte Gruppe (Serie, Parallel, Shunt) selbsttätig über Stromwächter ablaufen. Die Anfahrbeschleunigung konnte damit auf das im Nahschnellverkehr erwünschte Maß von etwa 1 misec2 gebracht werden, das aber wohl auch die obere Grenze für die Bequemlichkeit stehender Fahrgäste darstellt. Bild 7 zeigt eine nach Unterlagen der SSW aufgestellte vereinfachte Fahrkraftlinie (s/V-Linie), deren Ordinaten die Netto-Fahrkraftwerte angeben, die nach Abzug des Fahrwiderstandes zur Beschleunigung und zur Überwindung von Steigungen zur Verfügung stehen.

Der neue Umformer 1200/110V gewährleistet durch einen Regler neuer Bauart die Sekundärspannung auch an der Straßenbahnfahrleitung mit 800 (600) V. Die 110-V-Batterie hat eine Kapazität von 70 Ah; unter ständiger Aufladung durch den Umformer liefert sie den Strom für die Fahrmotorensteuerung, die Beleuchtung, die Türbetätigung und einige Nebenantriebe.

Für die Lautsprecheranlage und Kontrollampen ist eine 24-V-Batterie mit 56 Ah vorhanden. Während der Umformer und der Kompressor neben den Drehgestellen frei unter dem Wagenboden angebracht sind, befinden sich die Anfahr-, Brems- und Heizwiderstände mit den zugehörigen Lüftern in der geschlossenen Bodenwanne (vgl. Abschnitt 2.4 und 2.5).




3. 3. Stromabnehmer

Der Triebwagen hat zwei Stromabnehmer besonders leichter Bauart (Typ Sternmann Bs 54). Sie wiegen je 105 kg und haben den bewährten elektirschen Antrieb erhalten. Nach Abschluß der noch laufenden Versuche soll nur noch mit einem Stromabnehmer mit Doppelschleifstück gefahren werden.

3.4. Führerstand

Der Führerstand ist völlig neu gestaltet worden (Bild 8). Der Triebwagenführer hat eine ausgezeichnete Rundsicht und findet alle Bedienungsgriffe und Anzeigegeräte in günstigster Lage vor. Als Sitz ist wieder ein gewöhnlicher Büro-Drehstuhl vorgesehen worden. Die Betätigung der Sicherheitsfahrschaltung (Sifa), der Druckluftpfeife, des Druckluftläutewerks, des Sandstreuers und des Mikrophons geschieht wie bisher durch 4 Fußkontakte. Neu ist jedoch die Form und Arbeitsweise der beiden Schalthebel, von denen der linke nur für das Fahren, der rechte nur für das Bremsen (Elektrisch, Druckluft, Magnet) vorgesehen ist. Die sinnfällige Betätigung der in bequemer Grifflage stehenden Hebel erleichtert den Triebwagenführern die Umstellung.

Im Instrumentenpult ist der bewährte schreibende Geschwindigkeitsmesser der Bauart Basler jetzt mitten im Blickfeld des Triebwagenführers eingebaut.

Die von der Luftheizung des Wagens getrennte Führerstandsheizung besteht aus zwei elektrischen Heizkörpern, von denen einer sich in dem Raum unter dem Führerpult befindet. Zur zusätzlichen Belüftung und zur Entfrostung der Frontscheibe ist ein kleiner Tischventilator mit Kugelgelenk vorgesehen.

Die Lautsprecheranlage kann nur noch vom Führerstand aus besprochen werden; die Mikrophone in den Einstiegräumen haben sich als überflüssig erwiesen.

3. 5. Beleuchtung

Für die Innenbeleuchtung sind wieder Philips-Gleichspannungs-Leuchtröhren verwendet worden, jetzt aber für 110 V und statt in Einzelleuchten in zwei durchgehenden Lichtbändern. Eine Trittstufenbeleuchtung schaltet sich beim Öffnen der Außentüren ein. Die drei gleich großen Signallaternen an den Wagenstirnwänden sind nach der Eisenbahnsignalordnung in Form eines A angeordnet; die großen roten Schlußsignalleuchten sind getrennt vom Spitzensignal, jedoch mit diesem in einem gemeinsamen Laternenvorbau untergebracht, die Bremsleuchten an der Stirnwandschürze (Bild 4).

Neu ist die Beleuchtung des Richtungsschilderkastens im unteren Teil des mittleren Stirnwandfensters. Die seitlichen Blinklampen (Richtungsanzeiger) sind weggelassen worden, da dort, wo KBE-Züge im Straßenraum die Fahrtrichtung ändern, inzwischen ortsfeste Straßenverkehrssignalanlagen eingebaut oder in Kürze zu erwarten sind.






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4. Vergleichswerte

Wie die obenstehende Tabelle zeigt, steht der neue Leichttriebwagen, der die Betriebsnummer ET 201 trägt, mit an der Spitze der vergleichbaren neuzeitlichen Triebwagen, was Leichtbau, Fahrgeschwindigkeit und Reisekomfort anbetrifft. Bei der Serienausführung wird sich das Gewicht noch weiter verringern lassen. Genaue Angaben darüber, wie groß die Gewichtsersparnis gegenüber einem gleichen Wagen in Leichtstahlkonstruktion ist, sind schwer zu machen, da die Konstruktionsgrundsätze für die beiden Werkstoffe zu verschieden sind und kein Wagen gleicher Abmessungen und Ausrüstung gebaut worden ist. Nach der Faustregel, daß mit jeder Tonne eingebauten Leichtmetalls eine Tonne Stahl gespart wird, wäre ein Stahlwagen etwa 6 t schwerer geworden (36 t).

5. Betriebseinsatz

Der neue Triebwagen ist im Mai 1960 von den ausführenden Firmen an die KBE abgeliefert worden. Er führt zur Zeit seine Probe- und Abnahmefahrten durch und soll dann im Schnellzugbetrieb der Rheinuferbahn eingesetzt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Beschaffung weiterer Wagen dieses Typs geplant, so daß der gesamte Schnellzugdienst der Rheinuferbahn mit den neuen Leichttriebwagen gefahren werden kann, im Berufsverkehr mit Drei-Wagen-Zügen, in den Zwischenzeiten mit Einzeltriebwagen. Wieweit die Fahrzeiten verkürzt werden können, wird sich im praktischen Betrieb zeigen; auf jeden Fall ergibt die höhere Geschwindigkeit eine wirtschaftlichere Betriebsweise. Im übrigen wird sich die Leistungsfähigkeit des neuen Triebwagens erst dann voll auswirken können, wenn die noch in der Straßenfahrbahn liegenden Streckenabschnitte in Köln und Bonn auf eigenen Bahnkörper verlegt sein werden.

Von der Presse als „Silberpfeil" begrüßt, wird der neue Leichttriebwagen dank der sorgfältigen Planung seiner Erbauer aller Voraussicht nach die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen und bei den Fahrgästen Anklang finden. Die KBE aber möchte durch den Einsatz dieses in jeder Hinsicht modernen Fahrzeugs zeigen, daß sie bestrebt ist, auch in dem an sich unrentablen Nahreiseverkehr Qualitätsleistungen anzubieten und einen Beitrag zur Lösung der immer schwieriger werdenden Verkehrsprobleme in Industrie- und Siedlungszentren zu leisten.




Schrifttumsverzeichnis

  1. Verkehr und Technik 1957. S. 114 ff., Schieb, Die neuen elektrischen Trieb- und Steuerwagen der Köln-Bonner Eisenbahnen Baujahr 1956.

  2. Eisenbahntechnische Rundschau 1959, S. 442/443, Taschinger, Das Problem der Leichtmetallschienenfahrzeuge.

  3. Schiene und Straße 1958 (Verkehrs- und Wirtschaftsverlag GmbH Dortmund), S. 218/219, Ulsamer, Zur Entwicklung neuzeitlicher Drehgestelle für Schienenfahrzeuge im Personenverkehr.

  4. Railway Gazette 1954, S. 524 ff., Lightweight Diesel Trains for British Railways.

  5. Diesel Railway Traction 1954, S. 147, The B.R. Twins.

  6. Bulletin of the International Railway Congress Association 1959, S. 351 ff., Lightweight coaches for electrified suburban servies Multiple-unit design built by Budd for the Pennsylvania Railroad.

  7. Wirtschaft und Technik im Transport 1959, S. 110 ff., Stetza, Moderne Großraum-Triebwagen in Göteborg.

Sonderdruck Nr. 214 aus „Verkehr und Technik", Zeitschrift für Transportwesen, Verkehrs- und Fahrzeugtechnik, Heft 7,1960
Verlag: Erich Schmidt Verlag. Bielefeld. Herforder Straße 10 - Druck: Hermann Bösmann G. m, b. H., Detmold, Lagesche Straße 81-83

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