Köln-Bonner Eisenbahnen




Mit großem Erfolg




Die Rheinuferbahn war etwas Neues, etwas Besonderes. Sie war die erste mit hochgespanntem Gleichstrom arbeitende elektrische Schnellbahn Deutschlands und wurde deshalb und wegen ihrer gesamten technischen Ausrüstung in Fachkreisen viel bewundert. Man hatte sich für Gleichstrom entschieden, weil die Verwendung von Wechselstrom die Mitbenutzung der mit Gleichstrom gespeisten Fahrleitung der Kölner Straßenbahnen nicht gestattet hätte. Aus Gründen der größeren Leistungsfähigkeitt und Wirtschaftlichkeit ging man auf eine Spannung von nahezu 1000 Volt, eine damals in Europa viel bestaunte technische Neuerung. Der Strom wurde von einem in Wesseling errichteten bahneigenen Kraftwerk geliefert. Auch die Art der Aufhängung der Fahrleitung war neu. Man hatte die beiden Fahrdrähte eines Gleises in kurzen Abständen durch starre Zwischenstücke miteinander verbunden und sie gemeinsam an ein über den Fahrdrähten ausgespanntes Tragseil aufgehängt. Hierdurch erreichte man nicht nur einen sicheren Kontakt zwischen den Stromabnehmern und den Fahrdrähten, sondern schloß auch einen Bruch der Oberleitung fast ganz aus. Schließlich waren die neuen Züge der Rheinuferbahn mit einem neuen System der Steuerung (Vielfachsteuerung) versehen worden, die es gestatteten, die Motoren der aus mehreren Motor- und Anhängewagen bestehenden Züge sämtlich von einem Führerstande aus zu regeln und zu schalten.

Dem reisenden Publikum aber fielen die Größe der verwendeten Zugeinheiten, die schmucken neuen und bequemen Wagen und die Schnelligkeit auf, mit der die Rheinuferbahn verkehrte. Entwickelte sie doch bereits im Anfang eine Geschwindigkeit von 70 km in der Stunde, eine Leistung, die damals viel bewundert und auch heute noch von keiner elektrischen Nahverkehrsbahn erreicht wird.

Es kam aber noch ein Weiteres hinzu. Nachdem am 27. Januar 1906 der Personenverkehr auf der Rheinuferbahn allgemein eröffnet worden war, wurde im Februar desselben Jahres der Schnellverkehr zwischen Köln und Bonn eingeführt.

Das Jahr 1908 brachte dann einen weiteren Fortschritt. Durch Allerhöchste Konzessionsurkunde wurde in diesem Jahre die Rheinuferbahn zum Rang einer Hauptbahn erhoben, nachdem der zweigleisige Ausbau der Bahnanlagen genehmigt worden war; gleichzeitig wurde ein halbstündlicher Schnellzugverkehr zwischen den beiden Rheinstädten eingerichtet.

Die Abfahrten erfolgten jede volle und halbe Stunde, so daß die Reisenden sich keinen Fahrplan zu kaufen brauchten, sondern jederzeit auswendig wissen konnten, wann sie in Bonn oder Köln zum Rheinuferbahnhof zu gehen hatten.


Zugpersonal der Rheinuferbahn in der Uniform aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg

Auch die Bewohner der Ortschaften zwischen diesen beiden Städten waren nicht vergessen; stündlich verkehrende Personenzüge schlossen sie in einem Maße an den Verkehr an, wie sie das früher nicht zu träumen gewagt hätten.

So ist es kein Wunder, daß die Rheinuferbahn bald das beliebteste und am meisten benutzte Verkehrsmittel zwischen Köln und Bonn wurde. Bereits im Jahre 1908 beförderte die Bahn mehr als 6000 Menschen täglich, und diese Zahl stieg fortan immer mehr an. Die Benutzung erreichte ihren Höhepunkt in den Tagen des Kölner Eucharistischen Kongresses, der vom 4. bis 8. August 1909 ungeheuere Menschenmassen nach Köln brachte, von denen die meisten noch nie in ihrem Leben eine elektrische Überlandbahn gesehen hatten. Die Rheinuferbahn wurde auch bald „gesellschaftsfähig". Obwohl ihre Bahnhöfe in Köln und Bonn keine „Fürstenzimmer" hatten, begannen die vielfach in Bonn residierenden hohen Fürstlichkeiten, sie zu benutzen, zumal die Verwaltung der Köln-Bonner Eisenbahnen ihnen dafür stets einen Salonwagen zur Verfügung stellte. Auch der letzte deutsche Kronprinz ist mit diesem Salonwagen des öfteren gefahren, einmal sogar zu einem offiziellen Besuch der Stadt Köln, wobei man am Ubierring einen Baldachin aufgeschlagen und Teppiche ausgelegt hatte, so daß der Kronprinz die Honoratioren der Stadt Köln nicht auf der blanken Straße zu begrüßen brauchte.


Die Begrüßung des Kronprinzenpaares nach Verlassen des Salonwagens der Rheinuferbahn

Ein anderer, bei der Rheinuferbahn wenig beliebter Fahrgast soll die Schwester Kaiser Wilhelms IL, die Prinzessin Viktoria von Schaumburg-Lippe gewesen sein. Sie verlangte zwar immer wieder die Gestellung des Salonwagens für sich allein und das Auslegen von Läufern an dem Abfahrts- und Ankunftsbahnhof, doch bezahlte sie meistens nur den Fahrpreis dritter Klasse in Höhe von 85 Pfennigen.

Beliebt war dagegen ihr Mann, der durch den Lippeschen Erbfolgestreit bekannt gewordene Prinz Adolf von Schaumburg-Lippe, der sich auch mit den einfachen Leuten jederzeit unterhielt und nie den Zug verließ, ohne dem Zugführer oder dem Fahrer eine Zigarre geschenkt zu haben.

Die neue Rheinuferbahn war aber nicht nur für den Personenverkehr von großer Bedeutung. Sie hat wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der am Rhein gelegenen Ortschaften beigetragen.

In fast allen von ihr berührten Orten entstanden industrielle Betriebe, die ohne diese Bahn nicht (lenkbar gewesen wären: Chemische Werke sowie Fabriken für die Erzeugung bzw. Bearbeitung von Leder, Holzwaren, Maschinen, Seifen, Nährmitteln, Papier, Drahtstiften und Baubeschlägen, ferner Eisen- und Marmorwerke sowie Kalkbrennereien. Aus neuerer Zeit seien hier die Union Rheinische Braunkohlen-Kraftstoff AG. und die Rheinischen Olefinwerke in Wesseling genannt.

Wie stark der Güterverkehr durch die wechselseitigen Beziehungen zwischen den CölnBonner Kreisbahnen und den Industriebetrieben anstieg, zeigen am besten einige Zahlen. Wurden von den Cöln-Bonner Kreisbahnen im Jahre 1906 auf Normalspur 408819 Tonnen befördert, so stieg die Zahl bereits im Jahre 1910 auf über 1 Million beförderte Tonnen an, um 1912 die Riesenzahl von 1636901 beförderten Tonnen zu erreichen.

Der Vorstand der Köln-Bonner Bahnen konnte auf sein Werk stolz sein. Auch der Kölner Raum war es. Nicht nur, weil die neue Rheinuferbahn dort beheimatet war, sondern vor allem auch, weil sie ihre Entstehung und Entwicklung der kommunalen Initiative verdankte. Man war stolz auf den eigenen Unternehmermut und die eigene Organisationskunst, die man mehr schätzte als die Lenkung durch den Staat. Die Kölner Industrie- und Handelskammer drückte denn auch diese allgemeine Auffassung in ihrem Bericht über das Wirtschaftsjahr 1908 aus. Die Erfahrungen der elektrischen Bahn zwischen Köln und Bonn hätten gezeigt, daß es für ein Unternehmen nur förderlich und für das reisende Publikum vorteilhaft sei, wenn eine örtliche Betriebsverwaltung das Unternehmen führe und nicht der „schwerfällige Apparat des großen Staatsbahnnetzes".

Mit diesem indirekten Vorwurf wandte sich die Kölner Industrie- und Handelskammer allerdings auch gegen die Absichten des Staates, jede weitere Initiative auf dem Gebiete des privaten Eisenbahnbaus zu unterbinden. Die Staatsbahn hatte inzwischen erkannt, welch großen Fehler sie begangen hatte, als sie auf die Erschließung des Köln-Bonner Raumes durch Eisenbahnen verzichtet hatte. Schon 1910 mußte die „Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen" zugeben, daß die fortschrittliche Beförderungsweise auf der Rheinuferbahn „verkehrsweckend" gewirkt und zu einer Verdoppelung des Personenverkehrs im Köln-Bonner Raume geführt habe. Das Schlimme an der Sache sei, daß Reisende in einem großen Ausmaß von der Staatsbahnstrecke Köln-Bonn zur Rheinuferbahn abgewandert seien.

Es war klar, daß die Staatsbahn nach diesem Erfolg der Cöln-Bonner Kreisbahnen wenig Lust verspürte, neue private elektrische Bahnen konzessionieren zu lassen. Sie widerstand deshalb auch allen Plänen der Jahre 1906 1910 und späterer Jahre, die Rheinuferbahn durch eine elektrische Schnellbahn Köln-Düsseldorf zu ergänzen. Trotz allen Bemühungen seitens der Stadt Köln und der Kölner Industrie- und Handelskammer gelang es nicht, den Widerstand der Staatsbahn zu überwinden.

Text: Dr. Emil Zens Trier - Fotos: Privatarchiv - Aus KBE: 50 Jahre Rheinuferbahn, 6 Jahrzehnte Köln-Bonner Eisenbahnen, Köln Mai 1956




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