Mit dieser Abhandlung setzen wir die vielbeachtete Reihe über die geologische Geschichte des Eifelgebietes fort, die von Schulrat Hans-Josef Jungheim seit mehreren Jahren im Jahrbuch des Kreises Euskirchen veröffentlicht wird. Interessenten können Exemplare mit den Abhandlungen vergangener Jahre noch bei der Kreisverwaltung in Euskirchen erhalten.


Seelilien aus dem Devonmeer der Eifel

Von Hans-Josef Jungheim

Die Stachelhäuter (Echinodermata) leben ausschließlich im Meer. In der Eifel sind fossile Reste außerordentlich zahlreich, jedoch in der Hauptsache die Stielstücke und Stielglieder von Seelilien (Crinoidea), die mit den Beutel- und Knospenstrahlern, den Seeigeln, See- und Schlangensternen sowie den Seegurken den Stamm der Stachelhäuter bilden.

Für das Devon der Eifel sind lediglich die Seelilien und Seeigel von Bedeutung, wobei die Seelilien ganz im Vordergrund stehen.

Zum Bauplan der Seelilien gehört - je nach Lebensraum - ein kurzer oder auch längerer beweglicher Stiel, der aus zahlreichen Scheibchen, den sogenannten Trochiten, besteht, die in ihrer Mitte ein Loch besitzen, durch das Nervenbahnen führen. Auf dem Stiel sitzt das eigentliche Tier, bestehend aus einem Kelch und einer bestimmten Anzahl bewimperter Fangarme /Tentakeln). An der Oberseite des Kelches befinden sich Mund und After. Der Kelch selbst umschließt und schützt mit seinen regelmäßig angeordneten Kelchplatten den Magenraum und das Darmsystem.

Das ganze Skelett wird aus einer Vielzahl einzelner Elemente aufgebaut, deren Anzahl je nach Seelilienart außerordentlich unterschiedlich ist (von etwas mehr als zehn bis zu mehreren Millionen). Während sich die zumeist zierlichen Skelette der Seelilien aus dem Hunsrückschiefer durch die Bildung von Stacheln an Kelch und Armen vor Feinden, Schmarotzern und dergleichen schützten, konnten die Eifeler Seelilien auf solche Schutzvorrichtungen in der Regel verzichten, besaßen sie doch kräftige Kelch- und Armplatten, die ausreichend Schutz vor Parasiten boten.

Die Seelilien zählen wie die Brachiopoden zu den „Futterfilterern“. Sie sind durchweg standortgebundene Tiere. Sie heften sich mit ihrem Stielende, das je nach Gattung oder Art in eine flache Fußscheibe, eine Wurzel oder eine ankerförmige Stilverbreiterung ausgebildet ist, am oder im Untergrund fest. Der an sich gelenkige Stiel sichert der Krone, dem eigentlichen Tier also, eine meist hinreichende Beweglichkeit. Einige Arten hatten allerdings schon im Devon die Ungunst der sessilen Lebensweise aufgegeben, indem sie ihr Stielende al Ballast zu einer Spirale aufrollten, um, je nach Bedarf, den Standort zu wechseln, allerdings auf nur sehr kurze Strecken.

Während des Mitteldevons war der Hauptlebensraum der Seelilien das sogenannte „Rasenriff“. Hier fanden sie günstige Lebensbedingungen, so zum Beispiel sauberes und gut durchlüftetes, also sauerstoffreiches, und schließlich stark bewegtes bis turbulentes Wasser, das ausreichend Plankton (Kleinorganismen) als Nahrung heranführte.


Fossile Stellglieder von Seelilien aus dem Mitteldevon der Eifel, Gerolsteiner Mulde (4 mm bis 16 mm)

Den Fangarmen kommt bei der Ernährung eine besondere Funktion zu. Sie besitzen auf ihrer Innenseite je eine Rinne (Ventralfurche), die zum Mund des Tieres führt. Die beidseitig angeordneten feinen Wimpern spülen entlang der Rinnen den mit Plankton gefüllten Wasserstrom dem passiven Mund im Zentrum des Kelches zu. Kelch und Fangarme sind durch Panzerplättchen aus Calcit geschützt, zumal sie neben dem Blut- und Wassergefäßsystem noch andere lebenswichtige Organe enthalten.

Die Crinoiden haben die o.g. Art der Ernährung bis heute beibehalten.

Der Stammbaum der Seelilien reicht bis ins untere Ordovizium (frühes Erdaltertum) zurück. Ihre Blütenzeit fällt in das jüngere Erdaltertum. Unterdevon und Mitteldevon weisen eine Vielzahl von Seelilienarten auf, die vor allem dem Hunsrück und der Eifel eine besondere Bedeutung für die Crinoidenforschung der letzten 170 Jahre verliehen hat. Die Mehrzahl der bekannten devonischen Seelilienarten ist nämlich im Rheinischen Devon aufgefunden worden.

Während die Crinoiden im unterdevonischen Hunsrückschiefer besonders zierliche und reich gegliederte Skelette mit zumeist langen und dünnen Stielen und Armen aufweisen, sind die Seelilien aus dem mitteldevonischen Kalk der Eifel einfacher und auch kompakter gebaut. Dies mag eine Folge der unterschiedlichen ökologischen Bedingungen in den beiden Lebensräumen sein.


Fossile Stielstücke von verschiedenen Seelilienarten aus dem Mitteldevon der Eifel, Prümer Mulde (11 mm bis 27 mm)

Dachsberg und Mühlenwäldchen bei Gerolstein in der Eifel gelten mit Recht als die berühmtesten Fundorte mitteldevonischer Seelilien.


Fossile Kelche der Seelilie Eucalyptocrinites rosaceus GOLDF. mit der Ansatzstelle des Stieles, Gerolstein Eifel, Mitteldevon

Vollständig erhaltene fossile Exemplare werden heute allerdings nur noch selten gefunden. Ein Seelilienkelch ohne Fangarme darf schon als Glücksfund gelten. Dagegen kommen versteinerte Stielstücke oder -glieder an zahlreichen Fundstellen der Eifel, so zum Beispiel in Gerolstein, Kerpen oder Marmagen, gleich massenweise vor. Sie treten hier und anderswo gesteinsbildend auf und durchsetzen oft dicke Gesteinsbänke als Zeichen dafür, daß die Seelilien während der Devonzeit im Eifelmeer regelrechte „Seelilienwälder“ gebildet haben müssen.


Cupressocrinites abbreviatus GOLDF. mit Wurzel, Stiel, Kelch und Fangarmen, Gerolstein, Eifel, Mitteldevon (typisch ist der kurze Stiel)

Im Perm und in der Trias erlebten die Seelilien einen deutlichen Rückschritt in ihrer Entwicklung (Trochiten aus dem Muschelkalk der Trias können u.a. bei Schwerfen gefunden werden), während sie in der Kreidezeit noch einmal häufiger werden.


Wurzel der Seelilie Cupressocrintes sp. aus dem Mitteldevon der Eifel (33 mm), Prümer Mulde

Heute spielen die Seelilien eine nur untergeordnete Rolle, wobei frei schwimmende Formen vorherrschen. So stehen etwa 5.000 bekannten fossilen nur noch ca. 640 rezente Seelilienarten gegenüber. Dreiviertel hiervon besitzen keinen Stiel, leben also, ganz im Gegensatz zu den meisten fossilen Arten, frei schwimmend im Meer.


Spiralig aufgerolltes Stielende einer Seelilie aus dem Unterdevon bei Prüm, Eifel (61 mm)

Wie die Seelilien reichen auch die Seeigel ins Erdaltertum zurück. In den mitteldevonischen Ablagerungen kommen ihre versteinerten Reste häufig vor. Das Gehäuse der paläozoischen Seeigel bestand aus reihenartig angeordneten, dünnen, dachschindelähnlich überlappenden Calcitplättchen. Der kugelige Panzer war infolgedessen nicht starr, sondern in sich beweglich.


Imitatocrinus gracilior ROEM., eine Seelilie aus dem Unterdevon des Hunsrück, der besonders schöne Exemplare aus den Schiefern bei Bundenbach und Gemünden geliefert hat

Die kleinen sechseckigen und an den Kanten abgeflachten fossilen „Täfelchen“ des mitteldevonischen Seeigels mit dem Gattungsnamen Lepidocentrus sind an vielen Stellen der Kalkeifel in zahlreichen Horizonten vertreten.


Encrinus liliiformis SCHLOTH., eine Seelilie (Kelch mit Fangarmen) aus dem Oberen Muschelkalk (Erdmittelalter) von Crailsheim in Württemberg (Länge des Exemplars 7,2 cm)

Die Stadt Gerolstein in der Eifel besitzt eine bemerkenswerte Sammlung mitteldevonischer Seelilien von den beiden berühmten Fundorten „Dachsberg“ und „Mühlenwäldchen“ aus der Gerolsteiner Kalkmulde. Die auf den folgenden Seiten abgebildeten Exemplare befinden sich im Heimatmuseum des Kreises Daun in Gerolstein.


Gehäuseplättchen von Lepidocentrus eifliensis, bis zu 1,1 cm lang, FO: Gerolstein, Eifel, Mitteldevon


Cupressocrinites abbreviatus GOLDF., Mitteldevon der Gerolsteiner Kalkmulde
Kräftige Kelch- und Armplatten, kurzer Stiel, lappige inkrustierende Wurzel, einfache breite Fangarme, die sich kapselförmig schließen können und mit dem massiven Kelch Schutz bietet vor Feinden und Brandung.
Lebensraum. Riffbezirk mit starker Brandung (vielleicht auch zeitweiliger Trockenlegung)


Cupressocrinites abbrevviatus GOLDF., untere Reihe: Ansicht der Kelchdecke (Konsolidierapparat). C. Abbraviatus besaß eine besonders kräftige Armmuskulatur, die die Fangarme vor der Turbulenz der Riffbrandung schützte. Die Riefung der Mundplatte zeigt die Musekelanwachsstellen (untere Reihe).


Cupressocrinites elongatus GOLDF., Kelch mit (unvollständigen) Fangarmen und Stielstück, FO: Gerolstein, Eifel


Cupressocrinites elongatus GOLDF., Kelch mit (geschlossenen) Fangarmen, FO: Gerolstein, Eifel


Kalksteinplatte mit Cupressocrinites crassus GOLDF., Kelch mit (geschlossenen) Fangarmen und Fangarme isoliert;
Cupressocrinites elongatus GOLDF., Kelch mit Fangarmen, FO: Gerolstein, Eifel


Cupressocrinites gracilis GOLDF., Krone (Kelch mit Fangarmen) auf langem Stiel, FO: Gerolstein, Eifel


Eucylyptocrinites rosaceus GOLDF., Krone (Kelch, Fangarme) mit Stiel, als Fundstück einmalig, FO: Gerolstein, Eifel


Lecytocrinus briareus SCHULTZE, Kelch mit Fangarmen, FO: Gerolstein, Eifel


Sphaerocrinus geometricus GOLDF., Kelche ohne Fangarme und Stiel, FO: Gerolstein, Eifel


Eutoxocrinus juglandiformis SCHULTZE, Fangarme, FO: Gerolstein, Eifel

Entnommen: Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1979

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